Homöobox-Gene und der Wirbeltier-Bauplan
Was sind eigentlich „Homöobox-Gene“?
„Homöobox-Gene“ sind Gene, die den Bauplan von Lebewesen in der Embryonalentwicklung festlegen. Die Aktivität (Expression) dieser Gene untergliedert den Embryo entlang der Kopf- Schwanz-Achse in Zellareale, aus denen letztlich unterschiedliche Körperstrukturen wie Organe und Gliedmaßen entstehen.
Wie kontrollieren diese Gene die Entwicklung eines Lebewesens?
Die Tätigkeit dieser Gene unterteilt den Embryo im Frühstadium in zelluläre Areale mit dem schon spezielleren Entwicklungspotential für bestimmte Gewebe und Organe.
Der Frosch als Beispiel:
- Frosch- Eizelle teilt sich 90 Minuten nach der Befruchtung in zwei Tochterzellen (Bild 2a und 2b).
- Weitere Teilungen alle 30 Minuten, bis sich etwa 4000 Zellen gebildet haben (Bild 2c). Hier sehen mit bloßem Auge noch alle Zellen gleich aus, aber einige am Äquator sind dazu bestimmt, das Mesoderm (mittleres Keimblatt in der menschlichen und tierischen Embryonalentwicklung) zu bilden.
- Das nächste Stadium ist die sog. „Gastrulation“: hier verlagern sich die dotterreichen Zellen samt der Zellschicht, die das Mesoderm bildet, in das Innere des Embryos (Bild 2d und 2e). Jetzt kann man zum ersten Mal die drei Zellschichten (Ektoderm, Mesoderm und Entoderm), jeweils mit verschiedenen Entwicklungspotentialen, unterscheiden.
- Das Nervensystem entwickelt sich durch chemische Signale des Mesoderms: Ein Teil des
-ktoderms wird zur Neuralplatte (Bild 2f und 2g). Die Ränder der länglichen Neuralplatte falten sich zu Wülsten auf, sie verwachsen über der eindellenden Mitte zum Neuralrohr; der Grundstruktur, aus der Gehirn und Rückenmark hervorgehen.
- So hat man die Festlegung der embryonalen „Kopf-Schwanz-Achse“ erkannt, einen Meilenstein der Entwicklung. Sie liefert die Hauptkoordinate, an der sich die unterschiedlichen Strukturen ausbilden.
Wie ist man darauf gekommen, daß Zellen darauf programmiert werden, verschiedene Körperstrukturen zu bilden?
Man entnahm den Seiten von einigen Zellen im Neurula-Stadium ein Stück des Mesoderms und pflanzte sie woanders ein in Zellen des selben Stadiums ein. Jetzt bildeten sich immer zusätzliche Körperteile, je nach Region des entnommenen Stücks. Trotzdem konnte der Spender Embryo ein Vorderbein bilden, also musste auch das benachbarte Mesoderm das Potential haben, die Bildung eines Beines zu steuern. So ein Bereich mit erweitertem Entwicklungspotential wurde „morphogenetisches Feld“ genannt. Das Mesoderm ist die entscheidene Zellschicht dafür, welches Ende des Embryos Kopf und welches Schwanz wird. So konnte man nach und nach einen Bauplan ermitteln.
Homöobox-Gene
Viele Entwicklungs-Kontrollgene sind miteinander verwandt. Diese Gene werden Homöobox genannt: die Homöodomäne codiert für eine Teilsequenz von 60 Aminosäuren das Proteinprodukt des Gens (Bild 4). Proteine mit Homöodomänen heften sich an die DNS und kontrollieren nun die Genaktivität (Bild 5). Die gefaltenen Aminosäuren enthalten Helices, die für die Erkennung der DNS Sequenz notwendig ist. Beim Frosch heißt diese Homoöbox-Region „XlHbox 1“. Es gibt Proteine, die die Aktivität mancher Gene verstärken.
→ Homöobox-Gene regulieren die Aktivität anderer Gene.
Expressionsmuster für räumliche Informationen
Durch Analyse der Expressionsmuster kann man auf verschiedene morphogenetische Felder mit unterschiedlichen Entwicklungspotentialen schließen. Die Homöobox-Gene treten als zusammenhängende Gruppen auf den Chromosomen auf; sie bilden einen sog. Cluster. Innerhalb dieses Clusters stehen die Gene in einer Wechselbeziehung mit dem Ort der Aktivität entlang der „Kopf-Schwanz-Achse“. Es gilt ein bestimmtes Organisationsprinzip: Homöbox-Gene, die im hinteren Teil des Embryos Aktivität ausüben, liegen - in Leserichtung- links auf der DNS, die für den vorderen Teil bestimmt sind rechts (Bild 1).
Direkte Steuerung
Häufig gestellte Fragen
Was sind Homöobox-Gene?
Homöobox-Gene sind Gene, die den Bauplan von Lebewesen in der Embryonalentwicklung festlegen. Sie untergliedern den Embryo entlang der Kopf-Schwanz-Achse in Zellareale, aus denen unterschiedliche Körperstrukturen entstehen.
Wie kontrollieren Homöobox-Gene die Entwicklung?
Sie teilen den Embryo im Frühstadium in zelluläre Areale mit spezifischeren Entwicklungspotenzialen für bestimmte Gewebe und Organe ein.
Wie läuft die Embryonalentwicklung am Beispiel des Frosches ab?
Die Frosch-Eizelle teilt sich nach der Befruchtung. Durch weitere Teilungen bilden sich etwa 4000 Zellen. Im Gastrulationsstadium verlagern sich dotterreiche Zellen und die Zellschicht, die das Mesoderm bildet, ins Innere. Dadurch entstehen die drei Zellschichten (Ektoderm, Mesoderm, Entoderm). Das Nervensystem entwickelt sich durch Signale des Mesoderms, wobei sich die Neuralplatte zum Neuralrohr faltet, aus dem Gehirn und Rückenmark hervorgehen.
Wie hat man entdeckt, dass Zellen darauf programmiert sind, bestimmte Körperstrukturen zu bilden?
Durch Transplantation von Mesoderm aus dem Neurula-Stadium an andere Stellen im Embryo bildeten sich zusätzliche Körperteile, je nach Herkunft des transplantieren Mesoderm. Dies deutet auf die Existenz von "morphogenetischen Feldern" mit spezifischem Entwicklungspotenzial hin. Das Mesoderm legt fest, welches Ende des Embryos Kopf und welches Schwanz wird.
Was ist eine Homöodomäne?
Die Homöodomäne ist eine Teilsequenz von 60 Aminosäuren, die vom Proteinprodukt des Homöobox-Gens codiert wird. Proteine mit Homöodomänen heften sich an die DNS und kontrollieren die Genaktivität.
Wie regulieren Homöobox-Gene die Aktivität anderer Gene?
Sie binden an die DNS und können die Aktivität bestimmter Gene verstärken oder hemmen.
Was sind Expressionsmuster und wie helfen sie bei der Untersuchung der Entwicklung?
Durch Analyse der Expressionsmuster von Homöobox-Genen kann man auf verschiedene morphogenetische Felder mit unterschiedlichen Entwicklungspotenzialen schließen.
Wie sind Homöobox-Gene auf den Chromosomen angeordnet?
Homöobox-Gene treten als zusammenhängende Gruppen (Cluster) auf den Chromosomen auf. Innerhalb dieses Clusters besteht eine Wechselbeziehung zwischen der Genposition und dem Ort der Aktivität entlang der Kopf-Schwanz-Achse.
Was passiert, wenn man ein Homöobox-Gen deaktiviert?
Wenn man ein Homöobox-Gen deaktiviert, kann dies zu einem Funktionsverlust führen und die Bildung anderer Strukturen bewirken. Sie werden dann falsch gebildet oder gar nicht. Dies zeigt, dass Homöobox-Gene entscheidend für die Festlegung des Anlageplans sind und sind nicht zu verwechseln mit anderen Homöobox-Genen, die für die richtige Lage der Extremitäten sorgen.
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- André Kirchberger (Author), 1998, Homöobox-Gene und der Wirbeltier-Bauplan, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96173