Mit der Machtübernahme der Bolschewiki im Jahr 1917 kam es zu umfassenden gesellschaftlichen, politischen und sozialen Umwälzungen im Russischen Reich. Besondere Bedeutung hatte dabei die Nationalitätenfrage, denn die Kräfte der nationalen Bewegungen und Autonomiebestrebungen zeigten sich unerwartet groß. Im Fokus der hier vorgelegten Arbeit steht die sowjetische Nationalitätenpolitik der 1920er und 1930er Jahre, da in dieser Zeit zwei wichtige, höchst unterschiedliche Tendenzen der Nationalitätenpolitik zu erkennen sind. Dies soll hier konkret am Beispiel der Ukrainischen Republik im Spannungsfeld zwischen dem Status als Teilrepublik der Sowjetunion und der Zulassung der Entwicklung eines eigenen ukrainischen Nationalbewusstseins betrachtet werden. Anhand dieses Beispiels sollen insbesondere zwei Fragen beleuchtet werden: Zum einen, ob, wie weit und in welcher Form die Bildung und Förderung von Nationalstaaten innerhalb der neu gegründeten Sowjetrepublik trotz der zentralistisch ausgerichteten Politik realisiert wurde. Zum anderen die Frage, wie dieses Vielvölkerimperium zusammengehalten wurde. Um die Fragen beantworten zu können, wird zunächst auf die Entwicklung des bolschewistischen Nationalitätenkonzeptes und der daraus konzeptionierten Nationalitätenpolitik eingegangen. Ergänzend hierzu werden die Beziehung der Zentralregierung zur Ukraine und die konkreten Maßnahmen der sog. „Ukrainisierung“ betrachtet. Bei der Bearbeitung der Fragen wird der Fokus auf die innenpolitischen Einflussfaktoren und Wechselbeziehungen gelegt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorrevolutionäres Nationalitätenprogramm der Bolschewiki
- Nationalitätenpolitik der Bolschewiki nach Machtübernahme 1917
- Auseinandersetzung mit großrussischem Chauvinismus
- Sowjetische Nationalitätenpolitik am Beispiel der Ukraine
- Verhältnis der russischen Zentralregierung zur Ukraine nach der Revolution 1917
- Entwicklung der Staatsbildung der Ukraine
- Ukrainisierung
- Förderung der ukrainischen Sprache
- Schulwesen, Bildung
- Nationalitätenpolitik bei den ukrainischen Arbeitern
- Nationalisierung der ukrainischen Kommunistischen Partei
- Minderheitenpolitik
- Zäsur
- Industrialisierung und Kollektivierung
- Große Hungersnot 1932/33
- „Große Säuberung“ durch Stalin und seine Helfer
- Umgang mit ethnischen Minoritäten
- Sowjetpatriotismus, der „Neue Mensch“ und die Auswirkungen auf die Nationalitätenpolitik
- Folgen der Zäsur auf das Verhältnis der Zentralregierung zur Ukraine
- Resümee
- Spannungsverhältnis zwischen Ukraine und Zentralregierung
- Sowjetunion als Förderer der Nationsbildung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die sowjetische Nationalitätenpolitik der 1920er und 1930er Jahre am Beispiel der Ukrainischen Republik. Ziel ist es, die Entwicklung und Umsetzung dieser Politik im Spannungsfeld zwischen zentralistischer Herrschaft und der Förderung ukrainischer nationaler Identität zu beleuchten. Dabei werden die Möglichkeiten und Grenzen der Nationsbildung innerhalb des sowjetischen Vielvölkerstaates analysiert.
- Entwicklung des bolschewistischen Nationalitätenkonzepts
- Beziehung zwischen der russischen Zentralregierung und der Ukraine
- Die "Ukrainisierung" und ihre Auswirkungen
- Der Einfluss der Industrialisierung und Kollektivierung auf die Nationalitätenpolitik
- Die Folgen der "Großen Säuberung" für die ukrainische Identität
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung skizziert die Forschungsfrage nach der Realisierung nationaler Selbstbestimmung innerhalb der Sowjetunion und dem Zusammenhalt des Vielvölkerstaates am Beispiel der Ukraine. Sie benennt die methodischen Herausforderungen der Forschung, insbesondere die Politisierung geschichtlicher Prozesse und die unterschiedlichen Interpretationen historischer Daten, die durch die Öffnung der Archive nach dem Ende der Sowjetunion ermöglicht wurden. Der Fokus liegt auf innenpolitischen Einflussfaktoren und Wechselbeziehungen.
Vorrevolutionäres Nationalitätenprogramm der Bolschewiki: Dieses Kapitel beleuchtet die ambivalente Haltung der Bolschewiki zur Nationalitätenfrage vor 1917. Es beschreibt den Kompromiss zwischen der Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Nationen, inklusive des Rechts auf Abtrennung, und der übergeordneten Priorität des Klassenkampfes. Die Positionen Lenins und Stalins werden im Detail dargestellt, wobei beide das Selbstbestimmungsrecht als Mittel zur Erreichung langfristiger Ziele wie der "Verschmelzung" der Nationen sahen.
Nationalitätenpolitik der Bolschewiki nach Machtübernahme 1917: Nach der Machtübernahme 1917 mussten die Bolschewiki mit dem rapiden Zerfall des Russischen Reiches umgehen. Das Kapitel zeigt, wie die Notwendigkeit, das imperiale Staatsgebiet zurückzuerobern, zu schwierigen Entscheidungen in Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht der Nationen führte. Der massive Umfang des Zerfalls und die damit verbundenen Herausforderungen für die bolschewistische Herrschaft werden hervorgehoben.
Sowjetische Nationalitätenpolitik am Beispiel der Ukraine: Dieses Kapitel untersucht die konkrete Umsetzung der sowjetischen Nationalitätenpolitik in der Ukraine. Es analysiert das Verhältnis zwischen der russischen Zentralregierung und der Ukraine, die Entwicklung der ukrainischen Staatsbildung und die Maßnahmen der "Ukrainisierung", die unter anderem die Förderung der ukrainischen Sprache und das Bildungssystem betrafen. Die Kapitel beleuchtet auch die Nationalitätenpolitik gegenüber ukrainischen Arbeitern und Minderheiten sowie die Nationalisierung der ukrainischen Kommunistischen Partei.
Zäsur: Das Kapitel markiert einen Wendepunkt in der sowjetischen Nationalitätenpolitik. Es beschreibt die Auswirkungen der Industrialisierung, der Kollektivierung und der großen Hungersnot von 1932/33 auf die Ukraine und die sowjetische Nationalitätenpolitik. Die „Große Säuberung“ und der Umgang mit ethnischen Minderheiten werden analysiert, ebenso wie der Einfluss des Sowjetpatriotismus und des Konzepts des "Neuen Menschen" auf die nationale Identität.
Folgen der Zäsur auf das Verhältnis der Zentralregierung zur Ukraine: Der Abschnitt setzt sich mit den langfristigen Folgen der beschriebenen Zäsur für die Beziehung zwischen der ukrainischen Republik und der sowjetischen Zentralregierung auseinander. Es analysiert das Spannungsverhältnis zwischen beiden und beleuchtet die Rolle der Sowjetunion bei der Nationsbildung in der Ukraine.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur sowjetischen Nationalitätenpolitik in der Ukraine
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die sowjetische Nationalitätenpolitik der 1920er und 1930er Jahre, insbesondere deren Umsetzung in der Ukraine. Sie untersucht das Spannungsverhältnis zwischen zentralistischer Herrschaft und der Förderung der ukrainischen nationalen Identität und analysiert die Möglichkeiten und Grenzen der Nationsbildung innerhalb des sowjetischen Vielvölkerstaates.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Entwicklung des bolschewistischen Nationalitätenkonzepts, die Beziehung zwischen der russischen Zentralregierung und der Ukraine, die "Ukrainisierung" und ihre Auswirkungen, den Einfluss der Industrialisierung und Kollektivierung auf die Nationalitätenpolitik, und die Folgen der "Großen Säuberung" für die ukrainische Identität. Sie umfasst die Zeit vor und nach der Oktoberrevolution, beleuchtet die Vorrevolutionären Pläne der Bolschewiki, deren Politik nach der Machtübernahme, die Entwicklung der ukrainischen Staatsbildung und den Einfluss von Ereignissen wie der großen Hungersnot von 1932/33.
Welche methodischen Herausforderungen werden angesprochen?
Die Arbeit thematisiert die methodischen Herausforderungen der Forschung, insbesondere die Politisierung geschichtlicher Prozesse und die unterschiedlichen Interpretationen historischer Daten, die durch die Öffnung der Archive nach dem Ende der Sowjetunion ermöglicht wurden. Der Fokus liegt auf innenpolitischen Einflussfaktoren und Wechselbeziehungen.
Wie wird die "Ukrainisierung" dargestellt?
Die "Ukrainisierung" wird als ein wichtiger Aspekt der sowjetischen Nationalitätenpolitik in der Ukraine beschrieben. Die Arbeit analysiert Maßnahmen zur Förderung der ukrainischen Sprache und des Bildungssystems, die Nationalitätenpolitik gegenüber ukrainischen Arbeitern und Minderheiten sowie die Nationalisierung der ukrainischen Kommunistischen Partei.
Welche Rolle spielte die Industrialisierung und Kollektivierung?
Die Industrialisierung und Kollektivierung werden als Zäsur in der sowjetischen Nationalitätenpolitik dargestellt. Die Arbeit analysiert deren Auswirkungen auf die Ukraine und die sowjetische Nationalitätenpolitik im Allgemeinen, einschließlich der großen Hungersnot von 1932/33.
Welche Bedeutung hatte die "Große Säuberung"?
Die "Große Säuberung" wird als ein entscheidender Wendepunkt analysiert, der weitreichende Folgen für die ukrainische Identität und das Verhältnis zwischen der Ukraine und der sowjetischen Zentralregierung hatte. Der Umgang mit ethnischen Minderheiten in diesem Kontext wird ebenfalls untersucht.
Wie wird das Verhältnis zwischen der Zentralregierung und der Ukraine beschrieben?
Die Arbeit beschreibt ein Spannungsverhältnis zwischen der ukrainischen Republik und der sowjetischen Zentralregierung, das sich über die gesamte behandelte Periode erstreckte. Sie beleuchtet die Rolle der Sowjetunion bei der Nationsbildung in der Ukraine und analysiert die langfristigen Folgen der beschriebenen Ereignisse für diese Beziehung.
Welche Schlussfolgerungen werden gezogen?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass die sowjetische Nationalitätenpolitik ein komplexes Wechselspiel zwischen der Förderung nationaler Selbstbestimmung und zentralistischer Kontrolle darstellte. Sie zeigt die Ambivalenz der bolschewistischen Haltung zur Nationalitätenfrage auf und analysiert die Auswirkungen dieses Spannungsfeldes auf die Entwicklung der ukrainischen Identität und die Beziehungen zwischen der Ukraine und der sowjetischen Zentralregierung.
Welche Quellen wurden verwendet?
Die Quelle der Informationen ist nicht explizit im HTML-Code angegeben. Es wird jedoch auf die Öffnung der Archive nach dem Ende der Sowjetunion und die damit verbundenen unterschiedlichen Interpretationen historischer Daten hingewiesen.
- Quote paper
- Antje Lüth (Author), 2020, Die Nationalitätenpolitik der Sowjetunion in den 1920er und 1930er Jahren am Beispiel der Ukrainischen Republik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/961058