Die Staatsform der griechischen Polis im 5. Jh. v. u. Z.
Von den damals etwa 750 existierenden Stadtstaaten (Polis) in Griechenland kam neben Korinth auch Athen einer großen Bedeutung zu. Die Entwicklung und der Charakter dieser Staatsform soll hier am Beispiel Athens beschrieben werden.
Als Folge energischer Klassenauseinandersetzungen setzten sich mehr und mehr die freien Bauern, Handwerker und Händler gegen die bisherige Macht der Aristokraten durch. Eine sozialökonomische und politische Umwälzung wurde durch Solons politische Reform im Jahr 594/593 v. u. Z. eingeleitet. Die angespannte Lage der sozialen Beziehungen sollte so entschärft werden. Solon, ein sogenannter Archon, ein Staatsbeamter höchsten Ranges, der selbst aus den Reihen des Adels stammte, schränkte die bisherige Macht der alten vornehmen Geschlechter ein. Er schuf mit dem Vollzug der Reform eine neue Abstufung der Rechte und Pflichten der Bürger nach ihrer Einkommenshöhe beziehungsweise ihrem Vermögen, das nach Getreidescheffeln berechnet wurde. In der ersten der insgesamt vier Klassen wurden die Reichsten unter der Bevölkerung mit mehr als 500 Scheffel Jahresbetrag eingeteilt. Nur diese Schicht durfte Personen für die 9 Archonten, den obersten Staatsrat und den Schatzverwalter stellen. Auch durch diese Maßnahme wurde der Rang der Privateigentümer gefestigt, womit Solon die Basis für die Entwicklung der Athener Demokratie schuf, die auf Privateigentum und Klassenherrschaft beruhte.
Der Athenische Staatsmann Kleisthenes führte im Jahr 508 v. Chr. eine Verfassungsreform durch. Die von Solon geschaffenen vier Einteilungen ersetzte er durch 10 Neue, die sich nun ausschließlich in territoriale Verwaltungseinheiten gliederten. Die Priorität nach Besitz war jetzt hinfällig, die bisherige Macht des Adels wieder ein Stück eingeschränkt. Die Herausbildung der typisch griechischen Sklavereigesellschaft mit dem volksherrschaftlichem Charakter ging in großen Zügen voran. Kleisthenes gilt als Begründer der Demokratie in Athen. Prägnant für die Polis waren außer der politischen Autonomie, der demokratischen Verfassung und der Verehrung einer eigenen Stadtgottheit auch die Autarkie im wirtschaftlichem Sinne. Das heißt, dass der einzelne Stadtstaat ökonomisch selbständig und in der Lage war, sich selbst mit allen Gütern zu versorgen. Sie wurden alle im eigenem Terrain geschaffen und es konnte deshalb auf Importe weitgehendst verzichtet werden. Die Voraussetzung für diese Tatsache bildete jedoch in allen Bereichen der Wirtschaft die Sklaverei, die in dieser Epoche ihren Höhepunkt in Griechenland erreichte.
Ein weiterer Schritt zur Bekämpfung des Missstandes der aristokratischen Herrschaft wurde durch Ephialtes im Jahr 463 v. u. Z. getan. Er entmachtete den Areopag, den alten Adelsrat vom Areshügel in Athen. Dessen Aufgabe, das Walten und die Aufsicht über Gesetze, Gerichte und Beamte, fiel nun an den Rat der 500, die Volksversammlungen und die von Solon geschaffenen Volksgerichte. Die Herrschaft des Adels war nun endgültig niedergeschlagen. Für Ephialtes endete diese Entwicklung aber tragisch. Er wurde wenig später ermordet. Sein Werk führte der Politiker Perikles fort, der als F ü hrer der Demos (~ des Volkes) bezeichnet wurde und ab 443 v. Chr. fast Alleinherrscher Athens war.
Jeder erwachsene m ä nnliche Bürger, ausgenommen Sklaven und Metöken, hatte das Recht, an Beratungen teilzunehmen und über jede Frage, die das Gemeinwesen betrafen, mit zu entscheiden. Metöken waren ständig im Staat wohnende Fremde, die aber unter Staatsschutz standen. Sie machten etwa 1/3 der Bevölkerung aus.
Für ärmere Handwerker und Tagelöhner war es allerdings fast unmöglich, an den politischen Veranstaltungen teilzunehmen, geschweige denn sich in dieser Hinsicht zu engagieren. Sie konnten es sich kaum leisten, auch nur auf einen Tageslohn zu verzichten. Das gleiche galt für Bauern aus den umliegenden Dörfern Attikas, allein schon des langen Weges nach Athen wegen. Auf Grund dessen waren immer noch die wohlhabenderen Bürger in Staatsämtern stärker vertreten.
Die Volksversammlung war der wichtigste Teil der demokratischen Einheit im Stadtstaat. Sie fand im Freien auf der Pnyx, einem felsigen Hang westlich der Akropolis, statt. Großen Einfluss auf diese Konstitution hatte der Rat der 500, der für die Dauer eines Jahres von den Bürgern erlost wurde. Dieses Gremium bereitete die Tagesordnung vor, die stets durch dieselben vier Hauptpunkte geprägt wurde: die Verehrung der Götter, die Prüfung auf pflichtbewusste Arbeit der Beamten, Athens wirtschaftliche Versorgungslage sowie das Verteidigungsvermögen und zu guter Letzt die Behandlung außerordentlicher Verbrechen. Nach der Erörterung der Themen wurden Anträge der Bürger gestellt und Diskussionen zu jedem Punkt geführt. Die Versammlung endete mit Beschlüssen, die mittels Handzeichen abgestimmt wurden.
Dass die Rechtsprechung nun in der Hand der Bürger lag, zeigt sich auch im Ablauf der oft tagenden Volksgerichte. Die Bürger, die daran aktiv als Richter teilnehmen wollten, meldeten sich am Morgen des Tages, an dem geurteilt werden sollte. Die ausgelosten 6.000 Männer wurden auf 10 Gerichtshöfe verteilt. Ein solcher Gerichtshof bestand aus 201, 401 bis zu aus 1.001 Richtern. Durch diese ungeraden Zahlen fielen stets eindeutige Entscheidung der Schuldfrage. Urteile wurden größtenteils mit Hilfe des gesunden Menschenverstandes gefällt. Die Richter erhielten keinerlei juristische Ausbildung. Perikles sorgte gegen den Willen der Aristokraten dafür, dass jeder von ihnen ein Tagegeld aus der Staatskasse erhielt. Somit war die Mitarbeit auch den ärmeren Bewohnern möglich.
Eine weitere demokratische Einrichtung war das Scherbengericht (Ostrazismus), das auf Kleisthenes zurückzuführen ist. Einmal im Jahr wurden die Bürger in der Volksversammlung befragt, ob dieses Gericht stattfinden solle. Wenn die Mehrheit dafür war, musste am jeweiligen Tag jede Person eine Tonscherbe auflesen, von denen eine Vielzahl auf dem Boden lagen. Es wurde der Name von einer Person eingeritzt, von der man annahm, dass seine Position und sein Tun in der nächsten Zeit zum Nachteil für das demokratische Dasein des Staates werden könne. Somit war diese Veranstaltung ein gutes Kontrollmittel der Bürger gegenüber der Reichen. Derjenige, dessen Name am zahlreichsten aufgeführt wurde, musste Athen für 10 Jahre verlassen. Durch diese Ordnung kamen nicht selten Manipulationen vor. Die Reichen hatten Angst um ihre Stellung. Sie verfälschten Ergebnisse, indem sie vorgefertigte Scherben mit dem Namen des Gegners unter der Bevölkerung verteilten.
Auch in der Wahl der Beamten ging es souverän zu. Die Mehrheit von ihnen wurde erlost und durfte ihr Amt nur für ein Jahr ausüben. Nach dieser Zeit mussten sie Rechenschaft über ihre getane Arbeit gegenüber der Bürger ablegen. Beamte mit einem höheren Status, also diejenigen, die für wichtige gemeinnützige Fragen zuständig waren, wie z. B. für die Wasserversorgung, wurden im Gegensatz dazu gewählt, allerdings auch nur für ein Jahr.
Einen Sonderstatus des Beamtentums stellten die sogenannten Strategen dar . Das waren entweder durch Vermögen oder politischen Einfluss geprägte Persönlichkeiten, die aus oberster Stelle walteten. Sie hatten oft den Oberbefehl über das Heer und übernahmen sogar häufig die politische Führung. Im Unterschied zu den übrigen Beamten durften sie Jahr für Jahr wieder gewählt werden. Dadurch war die Bewältigung langwierigerer Arbeiten mit dauerhaftem Einfluss möglich, beispielsweise für außenpolitische Aufgaben. Zu solch einem Strategen zählte in der Zeit von 443 bis 429 v. u. Z. auch Perikles (Zeitalter des Perikles). Er war ein hervorragender Redner und vorbildlicher Staatsmann. Im Laufe seiner Regierungszeit aber, fällt die Glanzzeit Athens.