Entwicklung im Kindesalter


Exposé (Elaboration), 1999

8 Pages, Note: 1


Extrait


Einleitung

Entwicklung:

Ein Begriff, der eine lebenslange Reifung impliziert. Ein kontinuierlichen Prozess also, der nicht einmal dann abgeschlossen ist, wenn der Mensch erwachsen ist.

Die Wissenschaft hat sich folgende Fragen gestellt: Welche Auswirkungen hat die Entwicklung des Menschen auf seine Psyche und welche Faktoren sind für die positive Entwicklung des Menschen verantwortlich? Der Wissenschaftszweig, der diese Fragen untersucht, ist die Entwicklungspsychologie, die sich erst vor kurzem aus der Psychologie herauskristallisierte, und uns ein besseres Verständnis zur Entwicklung des Menschen vermitteln will.

Um wenigstens Einblick in diesen Bereich zu geben, wurde die Aufgabe gestellt, ein Exzerpt eines Buches zu diesem Thema zu verfassen. Der Titel des Buches, dass ich behandeln möchte, lautet: „Entwicklung im Kindesalter“ und wurde von Franz E. Weinert herausgegeben. Es beinhaltet eine Studie zur Entwicklung des Kindes, wobei ich hier mein besonderes Augenmerk auf die Entwicklungspsychologie der Kinder im Alter von 0-6 Jahren werfen möchte, auch wenn dies im nachfolgenden Exzerpt nicht noch einmal eigens erwähnt wird.

Exzerpt

Wenn man das Heranwachsen eines Kindes in seinen ersten zehn Lebensjahren betrachtet, so darf man ruhig erstaunt und beeindruckt sein, wie schnell sich seine geistigen Kompetenzen und motorischen Fähigkeiten entwickeln.

Betrachten wir zunächst die Physis der Kinder: Neugeborene schaffen es mit ihrer Hand einen Finger zu umklammern (Greifreflex) und auf menschliche Stimmen zu reagieren. Obwohl diese Fähigkeiten eher auf Reflexe zurückzuführen sind, so ist dies dennoch eine beachtliche Leistungen für einen Säugling. Im Laufe der ersten Lebensjahre ändert sich dies. Die Kinder werden mobiler, fangen an zu krabbeln, zu kriechen und schließlich zu laufen. Sie beginnen bewusst nach Gegenständen zu greifen, ohne das ein Reflex dafür notwendig wäre. Die Kinder leiten ihre Bewegungen meistens von individuell erlebten Erfahrungen ab. Sie „erlernen“ ihre sensorischen und motorischen Fähigkeiten.

Die Entwicklung des Kindes spielt sich aber nicht nur auf senso-motorischer bzw. physischer, sondern auch auf psychologischer Ebene ab. Man hat beobachtet, dass Kinder mit zunehmenden Alter besser lernen, denken und intelligenter handeln können, als bisher angenommen wurde. Einst sprach man vom Kleinkind als „Mängelwesen“, heute bezeichnet man es als „kompetenten Säugling“. Vermehrte Beobachtungen bei Säuglingen ergaben, dass zahlreiche „Kompetenzen“ bereits zum Zeitpunkt der Geburt gut entwickelt sind.

Man nehme folgendes Beispiel: Manche Eltern nehmen sich vor, auf das Schreien ihres Kindes nicht zu reagieren. Wenn der Säugling lange genug schreit, wird ihn schließlich doch irgendwer in die Arme nehmen und somit auf sein Schreien reagieren. Kein Wunder also, dass das Schreien zur Gewohnheit wird. „Das Kind hat nämlich gelernt, dass es durch ein bestimmtes Verhalten einen unerwünschten Zustand verändern und einen erwünschten Zustand herbeiführen kann. Alle Menschen profitieren häufig unbewusst von dieser angeborenen Form der „instrumentellen Konditionierung“.“ (Zitat: Franz E. Weinert, Entwicklung im Kindesalter, S.9)

Neben der physischen und psychischen Entwicklung spielt auch der Umgang mit der Umwelt eine wesentliche Rolle. Man spricht hier von der Entwicklung „sozialer Kognitionen“. Diese Entwicklung befähigt das Kind, sich mit zunehmenden Alter immer besser in die Rollen anderer Menschen, in deren Wahrnehmungen und Erwartungen, hineinzuversetzen. Das Kind wird in eine Welt voller moralischer Normen, Sanktionen und diverse Ansprüche hineingeboren. Vielfach übernimmt das Kind diese Werte ohne sie zu hinterfragen. Erst eine Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich bzw. die Auseinandersetzung mit diesen Normen ermöglicht dem Kind, diese genau zu hinterfragen und auch in Frage zu stellen.

Da die Wissenschaft in bezug auf die Entwicklungspsychologie noch einige Fragen abzuklären hat, wurde eine Längsschnittstudie in Auftrag gegeben, die vom Max-Planck- Institut für psychologische Forschung in München, durchgeführt wurde. Abgekürzt wird die Untersuchung als LOGIK-Studie bezeichnet. Das bedeutet: „Longitudinalstudie zur Genese individueller Kompetenzen“. Neben grundsätzlichen Fragestellungen, die bei der Studie erörtert wurden, gab es noch spezielle, die im Buch genauer behandelt wurden:

1. Entwicklung des Denkens und der Intelligenzunterschiede zwischen Kindern.
2. Die Entwicklung des kindlichen Denkens und die Verbesserung der Lern- und Gedächtniskompetenzen.
3. Entwicklungen zum Verständnis von Moral in der Kindheit.

Bevor diese Fragen beantwortet werden, noch einige Informationen zur Studie selbst.

Es wurde eine Gruppe von Kinder ausgewählt, die in ihren Merkmalen den Kindern einer bestimmten Altersgruppe in der Gesamtbevölkerung entspricht. Für die LOGIK-Studie war es das Ziel, etwa gleich viele Mädchen wie Jungen, sowohl aus dem Stadtgebiet als auch aus den ländlichen Gegenden, zu untersuchen. Das jüngste Kind war zu Beginn der Studie drei Jahre und vier Monate, das älteste Kind vier Jahre und drei Monate alt. Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von neun Jahren.

Ad 1

Über die Entwicklung des Denkens ist uns bis dato nicht allzu viel bekannt. Deshalb hat man gerade bei der LOGIK-Studie besonders viel Augenmerk darauf gerichtet, zu erfahren, ob, wie und wann Intelligenz gemessen werden kann und wie sich die Stabilität der Intelligenz entwickelt. Dazu verwendete die Studie nicht nur die klassischen Intelligenztests, sondern bezieht auch Denkaufgaben mit ein, die von Piaget begründet wurden. Ein klassischer Intelligenztest wäre von Binet und Simon, der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts konzipiert wurde. Die beiden Wissenschaftler versuchten Testverfahren zu entwickeln, mit deren Hilfe lernschwache von lernstarken Schüler genau unterschieden werden konnten. Es handelt sich hier um den wohl jedem bekannten Test, bei dem der Grad der Intelligenz nach einem Punktesystem gemessen wird.

Ein weiterer Vertreter der Entwicklungspsychologie ist Jean Piaget (1896 - 1980), der als Biologe im Labor von Binet arbeitete. Ihn faszinierten aber mehr die Unterschiede zwischen dem Denken des Kindes und dem des Erwachsenen. Seine Theorien zur Denkentwicklung sind zum Teil auch die Grundlage zur LOGIK-Studie:

Er nahm vier globale Entwicklungsstadien an:

1) Sensomotorisches Stadium (0-2 Jahre)
2) Präoperatorisches Stadium (ca. 3-7 Jahre)
3) Konkret operatorisches Stadium (ca. 7-12 Jahre)
4) Formal operatorisches Stadium (ab 12 Jahren)

Ein Test in diesem Bereich beinhaltet vor allem die „Zahlkonservierung“, die bei drei- bis fünfjährigen durchgeführt wurde. Unter Zahlkonservierung versteht man die Fähigkeit zu unterscheiden, ob Veränderungen für die Zahl von Bedeutung sind, oder nicht. Konkret bedeutet dies: Ist die Vergrößerung des Abstandes zwischen Perlen auf einer Schnur wesentlich für die Anzahl der Perlen, oder nicht.

Man gewann folgende Erkenntnisse:

1) Volksschulkinder haben zwar Schwierigkeiten wissenschaftliches Denken selbständig nachzuvollziehen, sie sind aber so kreativ, um eventuell mögliche Lösungen bzw. Erklärungen für wissenschaftliche Denkansätze zu finden (z.b. Ein Kind versucht auf seine Art und Weise die Bewegung der Planeten zu erklären und kommt den wissenschaftlichen Erkenntnissen damit schon sehr nahe.).
2) In den frühen Entwicklungsphasen des Kindes ist die Intelligenz und Denkfähigkeit des Kindes eher gering und wird nur getrennt voneinander genutzt.
3) Insgesamt besagt das Ergebnis zur ersten Frage, dass die testbare Intelligenz und das Denkverhalten, wie es nach Piaget definiert ist, einen hohen Stellenwert für die schulische Entwicklung haben.

Ad 2

Die Entwicklung des Gedächtnisses bei Kindern wird schon seit mehr als hundert Jahren genau untersucht. In Studien aus früherer Zeit wurden folgende Fragen aufgeworfen: Haben Kinder ein besseres Gedächtnis als Erwachsene? Sind Jungen intelligenter als Mädchen?

Heute wissen wir, dass Erwachsene bessere Gedächtnisleistungen als Kinder erbringen, und dass Mädchen nicht minder intelligent sind als Burschen. Die LOGIK-Studie befasst sich mit Fragen nach der Veränderung verschiedener Gedächtnisleistungen über einen längeren Zeitraum hinweg. Mit Fragen nach der Gedächtniskapazität bzw. der Gedächtnisspanne und verschiedenen Strategien zur Optimierung der Gedächtnisleistung.

Um die bereits erwähnten Veränderungen in der Gedächtnisspanne zu testen, wurden zwei unterschiedliche Maße eingesetzt: Das Wortspannenmaß, wie es von Case, Kurland und Goldberg (1982) entwickelt wurde, und die Satzspannaufgabe nach Daneman und Blennerhasset (1984) (siehe: Franz E. Weinert, Entwicklung im Kindesalter, S.78, 79). Die Wortspannenaufgabe wurde mit Beginn der Studie durchgeführt, während die Satzspannenaufgabe erst ab dem sechsten Lebensjahr angewandt wurde. Die Studie ergab, dass Sechsjährige eine Satzspannenzahl von eins haben. Das bedeutet, dass sie im Durchschnitt einen Satz nach der Vorgabe korrekt wiederholen können.

Mit Hilfe der Wortspannenaufgabe konnte außerdem noch herausgefunden werden, dass das Entwicklungstempo der Kinder im Hinblick auf ihre Gedächtnisspanne individuell unterschiedlich ist.

Das Gesamtfazit zur Frage nach der Entwicklung des kindlichen Denkens und der Verbesserung der Gedächtniskompetenz ist folgendes: „Der generelle Entwicklungstrend [...] zwischen dem 4. und 12. Lebensjahr ist ähnlich [...] Ältere Schulkinder bewältigen demnach Gedächtnisaufgaben in aller Regel besser als Vorschul- und Grundschulkinder.“ (Zitat: Franz E. Weinert, Entwicklung im Kindesalter, S. 93)

Ad 3

Zum Thema des kindlichen Moralverständnisses wurden bereits mehrere Studien verfasst und unterschiedliche Theorien aufgestellt. Z. B. Kohlberg (1974) und sein Stufenmodell zur Entwicklung des moralischen Bewusstseins erarbeitet hat und Turiel (1983), der vier verschiedene Regeln zu diesem Thema definierte. Die Erhebungsmethoden unterscheiden sich in der Fragestellung: Kohlberg fragt: Was soll man tun? Turiel: Warum darf man nicht...? (Für genauere Informationen siehe: Franz E. Weinert, Entwicklung im Kindesalter, S.135, 136)

Die LOGIK-Studie untersucht vor allem die Entwicklung des moralischen Wissens aber auch die moralische Motivation, wobei besonders viel Wert darauf gelegt wurde, beide Themenbereiche getrennt zu untersuchen. Um Erkenntnisse zu erlangen, wurden den Kindern einfache Bildgeschichten vorgelegt, die verschiedene moralische Aspekte behandelten, wie zum Beispiel Diebstahl, teilen und helfen. Zuerst wurde das moralische Wissen untersucht: Darf man die Süßigkeit nehmen, oder nicht? Soll man helfen, oder nicht?

Der zweite Schritt lag darin, die moralische Motivation zu untersuchen. Es sollte untersucht werden, ob Kinder schon bereit sind so zu handeln, wie es ihnen das Moralverständnis vermittelt. Die Antworten der Kinder zu diesem Thema wurden in verschiedene Kategorien eingeteilt und genau analysiert. Die Ergebnisse der Studie zu beiden Themenbereichen sind folgende: Beide Themenbereiche stehen in starker Beziehung zueinander. Man kann sagen, dass die moralische Entwicklung in Form eines zweistufigen Lernprozesses abläuft. Kinder, für die Moral noch keine persönliche Bedeutung hat, die also noch keine moralische Motivation aufgebaut haben, orientieren ihr Handeln danach, was am meisten nützt oder schadet. Abschließend lässt sich noch zitieren: „Ohne moralische Motivation bleibt moralisches Wissen folgenlos.“ (Zitat: Frank E. Weinert, Entwicklung im Kindesalter, S. 152)

Soweit ein kleiner Einblick in die Thematik der LOGIK-Studie, die ein recht gutes Bild der Kindesentwicklung gibt.

Das LOGIK-Projekt hat gezeigt, dass breit angelegte und methodisch vielfältig konzipierte Studien große Vorteile haben. Mit Hilfe dieser Längsschnittstudie können psychologisch interessante Verbindungen zwischen verschiedenen Entwicklungsbereichen hergestellt werden. Zugleich ist es aber möglich, alte und neue Theorien auf ihre Praxistauglichkeit zu testen. Viele Resultate der LOGIK-Studie haben ihren wissenschaftlichen Wert, ohne dass sie direkten praktischen Nutzen für die Praxis aufweisen. Dies gilt vor allem im Bereich der Denk- und Gedächtnisentwicklung. Einige Resultate hingegen sind sehr wohl von pädagogischer Bedeutung, wie zum Beispiel der Bereich der Entwicklungsförderung und der der moralischen Bildung.

Die LOGIK-Studie darf hier aber nicht als das Maß aller Dinge für die wissenschaftliche Auseinandersetzung der Entwicklungspsychologie und der Pädagogik in der Entwicklung im Kindesalter verstanden werden. Es werden in ferner Zukunft sicherlich weitere Studien notwendig sein, um einen besseren Einblick in die Entwicklung unserer Kinder zu geben. Aber selbst die besten und umfangreichsten Studien nützen uns nichts, wenn sie von unseren Pädagogen weder publik gemacht noch umgesetzt werden können.

„Dass die Wissenschaft vieles, was sie prinzipiell könnte, gegenwärtig noch nicht kann, ist eine große Herausforderung für die künftige Forschung; dass Eltern und Lehrer vieles nicht wissen, was man bereits weiß, ist ein gravierendes Problem und bleibt eine wichtige Aufgabe für den notwendigen Dialog zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.“ (Zitat: Franz E. Weinert, Entwicklung im Kindesalter, S. 195)

Fin de l'extrait de 8 pages

Résumé des informations

Titre
Entwicklung im Kindesalter
Université
University of Vienna
Note
1
Auteur
Année
1999
Pages
8
N° de catalogue
V96087
ISBN (ebook)
9783638087643
Taille d'un fichier
441 KB
Langue
allemand
Mots clés
Entwicklung, Kindesalter
Citation du texte
Markus Woschitz (Auteur), 1999, Entwicklung im Kindesalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/96087

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