Schule als Familienproblem
Hausaufgaben als Familienproblem
Dieser Teil des Referats handelt davon, daß Hausaufgaben, als Teil der Schule, oftmals ein spezielles Problem in der Familie sind. Hausaufgaben beeinflussen sowohl die Schüler, wie auch deren Eltern und können so einen Konflikt in der Eltern-Kind-Beziehung hervorrufen. Um sich über mögliche Konflikte Gedanken zu machen, sollte man sich als erstes vergegenwärtigen, was eigentlich der offizielle Sinn und Zweck und die tatsächlichen Auswirkungen von Hausaufgaben sind.
In der Schulordnung für Gymnasien in Bayern heißt es dazu:
"Um den Lehrstoff einzuüben und die Schüler zu eigener Tätigkeit anzuregen, werden Hausaufgaben gestellt, die von einem Schüler mit durchschnittlichen Leistungsvermögen in angemessener Zeit erledigt werden können. Die für die gesamte häusliche Vorbereitung benötigte Arbeitszeit soll in der Unterstufe zwei Stunden nicht überschreiten."
Die Vorzüge von Hausaufgaben werden vom Bayerischen Kultusministerium noch näher erläutert:
- Wer Lehrstoff im Gedächtnis behalten will, muß ihn wiederholen
- Zum Lernen gehören auch Training und Wiederholung
- Selbständiges Arbeiten will gelernt sein. Hausaufgaben sind das beste Übungsfeld dafür.
Das Freizeitopfer zugunsten der Hausaufgaben wirkt erzieherisch Das Hausaufgaben allerdings keineswegs eine so problemlose Angelegenheit sind, wie es hier von offizieller Seite dargestellt sind, weiß wohl jeder aus Erfahrung.
An dieser Stelle frage ich die Anwesenden, ob sie sich noch an Situationen aus der eigenen Kindheit erinnern können, in denen Hausaufgaben einen Konflikt geschaffen haben. Falls keine oder zuwenig Wortmeldungen kommen, stelle ich einige Beispiele vor.
Bsp. : - schönes Wetter, Schulfrei, möchte mit Freunden spielen gehen, die ihre Hausaufgaben abends machen dürfen, aber die Eltern verbieten es und passen auf, daßdie Hausaufgaben fertig sind, bevor man raus darf
Bsp2: -Eltern wollen helfen, haben es aber anders gelernt und wollen nun ihren Weg beibringen, obwohl der wahrscheinlich in der Schule nicht akzeptiert wird
Bsp3 : - man schreibt am nächsten Tag eine Klausur und mußnoch lernen und wird trotzdem von seinen Eltern genervt, auch alle anderen Hausaufgaben fertigzumachen, obwohl die Zeit nicht reicht
1. Hausaufgaben haben mittlerweile eine sehr kompensatorische Funktion: d.h. sie sollen den Unterricht von Wiederholungen entlasten und Stundenausfall ausgleichen. Außerdem sehen viele Eltern und Schüler Hausaufgaben als Chance zur Leistungsverbesserung an und sind somit erhöhtem Leistungsdruck ausgesetzt.
2. Hausaufgaben stellen praktisch eine Form der Dauerpräsenz der Schule im Familienalltag dar, d.h. sie wirken sich automatisch auf das Familienklima und die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern aus.
3. Hausaufgaben transportieren schulische Anforderungen in die Familie, vor allem durch Unterstüzungsansprüche an die Eltern. Wie diese darauf reagieren hängt sowohl von der Kompetenz, als auch von der aktuellen Lebenssituation ab.
4. Hausaufgaben beeinflussen Beziehungen zwischen Schülern und die Beziehungen zu den Eltern. Da der Schüler weiß, daß er weder abschreiben darf, noch seine Eltern die Hausaufgaben machen dürfen, wird mögliche Solidarität verhindert.
5. Hausaufgaben können Angst vor der Leistungsanforderung und der Kontrolle bzw. der Bewertung durch Eltern und Lehrer auslösen. Dies kann sich auch auf die Eltern auswirken, da auch an sie gewisse Anforderungen gestellt werden und sie indirekt durch die Bewertung des Kindes benotet werden
6. Hausaufgaben führen aufgrund des Zeitaufwands, dem Leistungsdruck und der ständigen Kontrolle zu einer Beeinträchtigung des Eltern-Kind-Verhältnisses.
An dieser Stelle muß angemerkt werden, daß alle Studien, die zu dem entsprechenden Thema durchgeführt wurden, belegen, daß Hausaufgaben keinen Einfluß auf die Leistung von Schülern haben. Es wurden Versuche durchgeführt, in denen Parallelklassen die keine Hausaufgaben hatten mit Klassen, in denen Hausaufgaben aufgegeben wurden, verglichen wurden. Die Schüler mit Hausaufgaben waren nicht leistungsstärker als die Schüler ohne.
Das waren die allgemeinen Probleme von Hausaufgaben aus denen sich Konflikte in der Familie ergeben Diese Probleme wirken sich sowohl auf die Eltern, als auch die Schüler aus und beeinflussen somit natürlich auch die Beziehungen zwischen ihnen. Es können sich im speziellen folgende Konflikte ergeben:
Während auf den ersten Blick eigentlich nur die Schüler direkt von Hausaufgaben betroffen sind, darf die oft schwerwiegende Belastung der Eltern durch Hausaufgaben nicht unterschätzt werden. Eltern fühlen sich selbstverständlich für ihre Kinder und deren Schuleistungen verantwortlich, oftmals auch, weil sie fürchten, daß schlechte Leistungen auf sie zurückgeführt werden. Außerdem sorgen sie sich um die berufliche Zukunft ihrer Kinder und legen deswegen Wert auf die Ausführung der Hausaufgaben.
Wegen diesen Gründen und dem Grund, daß viele Kinder ihre Eltern um Mithilfe bitten, fühlen sich Eltern zur Beteiligung an den Hausaufgaben des Kindes verpflichtet.
Dabei unterscheidet man zwischen 2 Formen der Beteiligung:
- produktorientierte Beteiligung: Kontrolle der Vollständigkeit, Richtigkeit und Sauberkeit · prozeßorientierte Beteiligung: Erklärungen, Lerntips, Hilfe zur Selbsthilfe Auf welche Weise sich die Eltern nun beteiligen, hängt in erster Linie von ihrer schulischen Bildung bzw. ihrer Kompetenz ab. Viele Eltern müssen sich auf die formale Kontrolle beschränken, da sie die entsprechenden Sachen nie oder anders gelernt haben. Dadurch entsteht für sie eine gewisse Belastung, da sie das Bedürfnis haben dem Kind zu helfen, aber nicht dazu fähig sind.
Sowohl die Erkenntnis der eigenen, mangelnden Kompetenz, als auch die Sorge um die Schuleistungen des Kindes lösen eine Streßsituation aus.
Besonders Mütter leiden unter diesem Druck, da statistisch nachgewiesen ist, daß meistens sie die Hausaufgabenbetreuung übernehmen müssen, während der Vater oft nur am Abend kontrolliert, ob alles gemacht worden ist. Somit können Hausaufgaben auch erheblich die Mutter-Kind-Beziehung, besonders bei jüngeren Kindern, stören. Die Hausaufgabenbetreuung löst Aggressionen gegen die Mutter aus und nimmt Freizeit, die Mutter und Kind gemeinsam verbringen könnten, in Anspruch. Außerdem entsteht bei der Mutter eine gewisse Versagensangst, die in noch strengerer Kontrolle und eventuell sogar in Sanktionen bei Versagen des Kindes ausarten kann.
Gerade das Sanktionieren von Kindern bei Versagen, schafft wieder eine neue Konfliktsituation.
Normalerweise beginnen Eltern mit einer ständigen Hausaufgabenhilfe, wenn sie mit den Leistungen des Kindes unzufrieden sind. Wenn sie nun ihrem Kind helfen und es bei Mißerfolg sanktionieren, steigt die Furcht des Kindes vor Mißerfolgen in der Schule. Dies wiederum wirkt eher leistungshemmend, worauf die Leistungen noch schwächer werden.
Obwohl die Hausaufgaben des Kindes eine Belastung für die Eltern sind und eine Quelle für verschiedene familiäre Konflikte, sind die meisten Eltern vom Nutzen der Hausaufgaben überzeugt. Dies hat verschiedene Gründe:
- es entsteht ein Gewohnheitseffekt: die Eltern haben in ihrer Schulzeit selber die Hausaufgabenpraxis erlebt und akzeptieren sie als Selbstverständlichkeit
- da Hausaufgaben zu Hause gemacht werden, verlieren sie nicht die elterliche Kontrolle über die Kinder
- Hausaufgaben sind für Eltern eine Art "Fenster zur Schule", sie behalten den Überblick darüber,was ihre Kinder lernen
- Eltern sehen einen Zusammenhang zwischen Hausaufgaben und Schulleistungen und
werden so von ihren Zukunftssorgen entlastet
Doch nicht nur die Eltern erfahren eine Belastung durch Hausaufgaben, selbstverständlich geht es den Schülern nicht anders.
Ein Randfaktor ist der zeitliche Aufwand der oft sowohl von Eltern wie auch von Lehrern unterschätzt wird.
Oft erreicht die schulische Beschäftigung einen Aufwand, der die Arbeitszeit von Erwachsenen erreicht und sogar überschreitet. Dies wird jedoch nur selten ernstgenommen, und mit Faulheit oder ähnlichem abgetan.
Weiterhin werden viele Schüler durch die Eltern dazu gezwungen, ihre Hausaufgaben direkt nach der Schule bzw. dem Mittagessen zu machen. Dies ist meistens ein, physiologisch betrachtet, schlechter Zeitpunkt, der Körper befindet sich in einer eher leistungsarmen Phase. Außerdem führt ein strenger Zeitplan eher zu Konzentrationsschwäche und Unlust.
In Bezug auf das Verhältnis zu ihren Eltern, sehen Schüler Hausaufgaben als eine Art Bedrohung an, die positive Beziehungen gefährden kann Drei konkrete Beispiele für Konflikte durch die Schüler ihr Verhältnis zu ihren Eltern gefährdet sehen,sind:
- Eltern sind oft Strafvollzugsorgan der Schule, d.h. sie bestrafen ihr Kind, wenn sie von nicht oder schlecht gemachten Hausaufgaben erfahren. Die schulische Disziplinierung wird zu Hause fortgesetzt, die Kinder werden praktisch doppelt bestraft.
- Oft wird die Hausaufgabenkontrolle mit Sanktionen verknüpft, was den Leistungsdruck noch mehr erhöht.
- Es entsteht ein Konflikt, wenn Eltern einen anderen Lösungsweg, als den in der Schule gelehrten vermitteln. Entweder das Kind folgt der Methode der Eltern, ist dafür zwar schneller fertig, muß aber in der Schule nacharbeiten, versucht es, die Lösung alleine zu finden, ist es eventuell den ganzen Tag beschäftigt, ohne vielleicht überhaupt eine Lösung zu finden.
Es zeigt sich, daß Hausaufgaben ein erhebliches Konfliktpotential enthalten und Streit, Strafen, Drohungen, Druck und Angst auslösen können. Das sich dies negativ auf die Beziehung von Schülern zu ihren Eltern auswirkt ist ersichtlich.
Es zeigt sich also, daß Hausaufgaben ein nicht zu unterschätzendes Konfliktpotential in der Familie haben.
Um dies zu entschärfen, gibt es mehrere Vorschläge, die überwiegend auf eine Änderung der Hausaufgabe in ihrer herkömmlichen Art abzielen:
1. Verringerung des Umfangs, um die Arbeitsbelastung zu senken; außerdem Verringerung des Schwierigkeitsgrades, da zu schwere Aufgaben die Arbeitsfreude senken, vor allem, wenn sie überhaupt nicht gelöst werden können.
2. Die Qualität der Hausaufgaben sollte nicht als Leistungskriterium herangezogen werden; wie gesagt, hängt die Qualität oft von der Kompetenz der Eltern ab und ist somit nicht repräsentativ.
3. Hausaufgaben sollten wegen den unterschiedlichen Interessen und Lebenssituationen viel mehr auf die Schüler zugeschnitten sein.
4. Hausaufgaben dürfen nicht als Strafmaßnahme eingesetzt werden(Strafarbeit etc.),Zusatzaufgaben senken die Motivation erheblich, außerdem stellen sie den möglichen pädagogischen Wert von Hausaufgaben in Frage
Für den einzelnen Schüler bedeutet dies konkret:
- Hausaufgaben sollen so gestellt werden, daß alle Schüler die Gewißheit haben, daß sie die Aufgaben selbständig lösen können, dadurch wird die Belastung der Eltern abgebaut. Der Schüler muß darauf vertrauen können, daß falsche Lösungen keine Nachteile für ihn haben. Er darf weder vom Lehrer noch von den Eltern bestraft werden.
Es sollte jedoch nicht nur die Struktur der Hausaufgaben geändert werden, auch die Eltern sollten sich an gewisse Verhaltensvorschläge halten:
Bei Verhaltensvorschlägen für Eltern geht es in erster Linie darum, daß das formale Kontrollieren, Sanktionieren und Einengen der Schüler reduziert werden sollte.
Konkret bedeutet dies folgendes:
- Kein lehrertypisches Verhalten, d.h. kein Kontrollieren oder Bewerten, was allerdings inhaltliche Hilfe oder Lob nicht ausschließen soll.
- Keine permanente Aufsicht und keinen genauen Zeitpunkt; die Schüler sollen die Aufgaben selbständig lösen. Gerade ältere Kinder sollten nicht einmal gefragt werden, ob sie die Aufgaben gemacht haben, da so die Selbständigkeit beschnitten wird. Die Eltern sollten nicht vergessen, daß die Hausaufgaben nicht ihre Aufgaben sind, sondern immer den Grundsatz "Hilfe zur Selbsthilfe" im Hinterkopf behalten.
Dies sind einige mögliche Verhaltensweisen, durch die Eltern ihre Hausaufgabenbetreuung sinnvoller für sich und für das Kind gestalten können. Auch falls die Struktur von Hausaufgaben an sich, nicht verändert werden sollte, könnte ein solches Verhalten seitens der Eltern zu einer Verbesserung des Schüler-Eltern-Verhältnisses führen und das Konfliktfeld Hausaufgaben einschränken.
- Arbeit zitieren
- Andre Heimerl (Autor:in), 1998, Schule als Familienproblem, Hausaufgaben als Familienproblem, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95841
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