In dieser Arbeit geht es um die Zeit der Vertreibung und Flucht nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland. Konkret wird dabei auf die Gründe und die historischen und gesellschaftlichen Umstände eingegangen.
Um zu verstehen, wie es zu der Flucht und den Vertreibungen der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg kam, muss man sich zunächst in Erinnerung rufen, was in den vorangehenden Jahren in Europa geschah. In Folge des von den Nationalsozialisten propagierten rassenbiologisch begründeten Kampfes um den Lebensraum im Osten, gab es „eine der größten Umsiedlungs-, Emigrations- und Vertreibungswellen“ in der Geschichte Europas. Offiziell sprach Adolf Hitler in seiner Funktion als Reichskanzler zum ersten Mal „am 3. Februar 1933 vor Offizieren der Reichswehr […] über die Gewinnung von „Lebensraum im Osten“ und dessen Germanisierung“. Ab dem Jahr 1941 wurde diese Lebensraumideologie im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion verwirklicht. Besonders hervorzuheben ist hier der 15. Juli 1941. An diesem Tag wurde die erste Fassung des sogenannten Generalplan Ost vorgelegt. In Auftrag gegeben wurde dieser von Heinrich Himmler in seiner Funktion als Leiter des „Reichskommissariats für die Festigung des deutschen Volkstums“ und sah die Vertreibung von über 30 Millionen Einheimischen aus dem Osten vor, um das Gebiet anschließend mit Deutschen zu besiedeln. In den letzten Kriegsmonaten und vor allem nach der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 schlug diese Ostbewegung in eine Westbewegung um.
1. Einleitung
Um zu verstehen, wie es zu der Flucht und den Vertreibungen der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg kam, muss man sich zunächst in Erinnerung rufen, was in den vorangehenden Jahren in Europa geschah. In Folge des von den Nationalsozialisten propagierten rassenbiologisch begründeten Kampfes um den Lebensraum im Osten, gab es „eine der größten Umsiedlungs-, Emigrations- und Vertreibungswellen“1 in der Geschichte Europas. Offiziell sprach Adolf Hitler in seiner Funktion als Reichskanzler zum ersten Mal „am 3. Februar 1933 vor Offizieren der Reichswehr [...] über die Gewinnung von „Lebensraum im Osten“ und dessen Germanisierung“2. Ab dem Jahr 1941 wurde diese Lebensraumideologie im Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion verwirklicht. Besonders hervorzuheben ist hier der 15. Juli 1941. An diesem Tag wurde die erste Fassung des sogenannten Generalplan Ost vorgelegt. In Auftrag gegeben wurde dieser von Heinrich Himmler in seiner Funktion als Leiter des „Reichskommissariats für die Festigung des deutschen Volkstums“ und sah die Vertreibung von über 30 Millionen Einheimischen aus dem Osten vor, um das Gebiet anschließend mit Deutschen zu besiedeln.3 In den letzten Kriegsmonaten und vor allem nach der bedingungslosen Kapitulation im Mai 1945 schlug diese Ostbewegung in eine Westbewegung um.4
2. Die drei Phasen der Vertreibung
Während dieser Westbewegung mussten Millionen Deutsche aus ihrer Heimat fliehen. Diese Flucht- beziehungsweise Vertreibungsbewegung kann in drei Phasen eingeteilt werden. Die erste Phase spielt sich bereits während der letzten Kriegsmonaten ab. Als Beginn kann man den Zeitpunkt des Massakers von Nemmersdorf nennen, welches sich um den 21. Oktober 1944 abspielte. Dieses Dorf wurde zunächst von den Deutschen im Laufe des Krieges erobert, bevor es dann Ende Oktober 1944 von der Roten Armee zurückerobert wurde. Dabei wurden die dort anwesenden Deutschen getötet. Diese Tatsache verwendete die Nazi-Propaganda, um den Deutschen zu zeigen, wie rücksichtslos und gewalttätig die Rote Armee vorging. Dadurch brach Panik unter der deutschen Bevölkerung aus und sie flüchteten vor den vorrückenden Sowjets.5 Dabei starben hunderttausende Menschen durch Kälte, Entkräftung, durch die Hände von nichtdeutschen Zivilisten oder weil sie schlichtweg von der Front überrollt wurden.6
Anschließend folgten nach Kriegsende die sogenannten „wilden Vertreibungen“, welche die zweite Phase darstellen. Sie spielten sich vor allem in Polen und der Tschechoslowakei ab. Ab dem 20. Juni 1945 gab es Anordnungen zur Durchführung von Razzien sowie zur „freiwilligen Ausreise“. Dieser Begriff trügt, da die deutsche Bevölkerung durch Schikane, wie zum Beispiel Enteignung, Misshandlungen, unzureichende Lebensmittelzufuhr und vielen anderen Aktionen regelrecht dazu gezwungen wurde die Territorien zu verlassen. Dabei wurden die Menschen unorganisiert und zu Fuß aus den nichtdeutschen Territorien vertrieben. Insgesamt wurden dabei circa 900.000 Deutsche aus den beiden Machtgebieten vertrieben.7 Mit dieser zweiten Phase wollten die Regierungen bereits vor Beginn der Grenzverhandlungen „unumkehrbare Fakten schaffen“8. Man hatte Angst, dass die Bereitschaft der Westalliierten zur Vertreibung der deutschen Bevölkerung, trotz bereits getroffener mündlicher Vereinbarungen bei den Kriegskonferenzen von Jalta und Teheran, nachlassen könnte. Mitte Juli wurden die Aktionen von sowjetischen Militärs und polnischen Behörden gestoppt, da sie die Deutschen als Arbeitskräfte behalten wollten.9
Die dritte Phase der Vertreibung beginnt nach der Potsdamer Konferenz. Sie folgte auf die bereits erwähnten Konferenzen von Teheran, welche vom 28. November bis zum 1. Dezember stattfand, und von Jalta im Februar 1945.10 Anwesend waren dabei die Staatsoberhäupter der drei Siegermächte: Franklin D. Roosevelt für Amerika, Winston Churchill für Großbritannien und Josef Stalin für die Sowjetunion.11 Frankreich war zu diesem Zeitpunkt noch keine Siegermacht, da sie während des Krieges mit dem Nazi-Regime kooperiert hatten.12
Außerdem gab es parallel zu den drei Phasen auch immer wieder Übergriffe auf Deutsche durch die nichtdeutsche Bevölkerung. Dies lag vor allem daran, dass sich die Menschen dafür rächen wollten, was ihnen im Laufe des Zweiten Weltkrieges von den Deutschen angetan wurde.13
3. Die Potsdamer Konferenz
Die Potsdamer Konferenz begann am 17. Juli 1945 und endete am 2. August 1945 mit dem Potsdamer Abkommen.14 Dieses enthält drei für die Flucht- und Vertreibungsbewegung relevante Artikel. Ein relevanter Artikel ist der Artikel VI. des Abkommens, welcher den Titel „Stadt Königsberg und das anliegende Gebiet“15 trägt. In ihm wird festgelegt, dass das im Titel erwähnte Gebiet der Sowjetunion zugesprochen wird. Dieses Gebiet, welches ehemals zu Ostpreußen gehörte, sowie die Gebiete, die die Sowjetunion im Rahmen ihres Feldzuges mit Nazi-Deutschland im Jahre 1939 von Polen erobert hatte, sollten bis zu einer endgültigen Friedensregelung der Sowjetunion zugesprochen werden. Außerdem wurde festgehalten, dass sowohl Amerika als auch Großbritannien die endgültige Festlegung dieser Zuteilung bei einer Friedenskonferenz unterstützen würden.16 Jedoch hat so eine Friedenskonferenz nie stattgefunden. Die neuen Gebietseinteilungen wurden trotzdem beibehalten.17
Ebenso ist es beim Artikel IX.b) des Potsdamer Abkommens, der den Verlauf der Westgrenze Polens zunächst ebenfalls nur vorläufig regeln sollte.18 Um Polen für die an die Sowjetunion verlorenen Gebiete zu entschädigen, sah man eine Westverschiebung des polnischen Staates vor. Als Ausweichgebiet sollten die Gebiete östlich der Flüsse Oder und Neiße dienen.19 Die DDR hat durch den Einfluss der Sowjetunion die Oder-Neiße-Grenze bereits 1950 offiziell anerkannt. Die BRD tat es ihr erst 20 Jahre später mit der Unterzeichnung des Warschauer Pakts gleich. Das vereinigte Deutschland bestätigte mit dem am 14. November 1990 unterzeichneten deutsch-polnischen Grenzvertrag die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze.20
Ein weiterer wichtiger Artikel für die Flucht- und Vertreibungswelle ist der Artikel XIII mit dem Titel „Ordnungsgemäße Überführung deutscher Bevölkerungsteile“21. Dieser vorgesehene Bevölkerungstransfer sollte Frieden innerhalb der neuen Grenzen stiften und künftigen Minderheitenkonflikten vorbeugen.22 Diejenigen Deutschen, die sich noch in Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei aufhielten, sollten in „ordnungsgemäßer und humaner Weise“23 in die neuen Reichsgrenzen überführt werden. Hierbei handelte es sich nach Schätzungen um circa 8,7 Millionen im Polen nach den Grenzen von 1945, 3 Millionen in der Tschechoslowakei sowie weitere 200.000 in Ungarn. Hinzu kamen noch weitere Menschen, zum Beispiel aus Rumänien und Jugoslawien.24 Um die festgelegten Bedingungen einhalten zu können, wollten die Alliierten berechnen, wieviele Menschen in welche Besatzungszone kommen sollten und außerdem Transportmittel organisieren. In der Zwischenzeit sollten keine weiteren Vertreibungen stattfmden. Bis zum endgültigen Beschluss des Alliierten Kontrollrats am 21. November 1945 fanden dennoch weiterhin Vertreibungen statt. Weder diese, noch die nach dem offiziellen Beschluss stattfmdenden Bevölkerungstransfers, lief immer so human und ordnungsgemäß wie gewünscht ab. Das Mitleid für die betroffenen Deutschen hielt sich aufgrund der Ereignisse des Zweiten Weltkriegs in Grenzen und viele Menschen wollten sich für das, was ihnen zuvor wiederfahren war, rächen.25
[...]
1 Wolfgang Benz, Vierzig Jahre nach der Vertreibung. Einleitende Bemerkungen, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.) Die Vertreibung derDeutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, Juni 1985, p.7.
2 https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/voelkermord/lebensraum.html (aufgerufen am 13.11.2019).
3 Ebd.
4 Wolfgang Benz, Vierzig Jahre nach der Vertreibung, p.7; Klaus-Dietmar Henke, Der Weg nach Potsdam - Die Alliierten und die Vertreibung, in: Benz, Wolfgang (Hrsg.) Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, Juni 1985, p.66.
5 Andreas Kossert, Kalte Heimat. Die Geschichte der Deutschen Vertriebenen nach 1945, Munich, Siedler Verlag, 2008, p.27.
6 Klaus-Dietmar Henke, Der Weg nach Potsdam, p.66.
7 Andreas Kossert, Kalte Heimat, p.27ff.
8 Ebd., p.32.
9 Ebd., p.27ff.
10 Wolfgang Benz, Vierzig jahre nach der Vertreibung, p.8; Andreas Kossert, Kalte Heimat, p.30.
11 Andreas Kossert, Kalte Heimat, S.30; Josef Foschenpoth, Potsdam und danach: Die Westmächte, Adenauer und die Vertriebenen, in: Wolfgang Benz (Hrsg.) Die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten. Ursachen, Ereignisse, Folgen, Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main, Juni 1985, p.70.
12 http://www.bpb.de/apuz/204280/kriegsende-in-frankreich?p=all (aufgerufen am 13.11.2019).
13 https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/der-zweite-weltkrieg/202284/kriegsfolgen (aufgerufen am 13.11.2019).
14 https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/der-zweite-weltkrieg/202284/kriegsfolgen (aufgerufen am 13.11.2019).
15 https://potsdamer-konferenz.de/dokumente/potsdamer-protokoll#VI (aufgerufen am 13.11.2019).
16 Ebd.
17 https://potsdamer-konferenz.de/dokumente/potsdamer-protokoll#IX (aufgerufen am 13.11.2019).
18 Ebd.
19 Ebd.; Klaus-Dietmar Henke, Der Weg nach Potsdam, p.52.
20 https://www.mdr.de/zeitreise/anerkennung-oder-neisse-grenze-100.html (aufgerufen am 13.11.2019).
21 https://potsdamer-konferenz.de/dokumente/potsdamer-protokoll#XIII (aufgerufen am 13.11.2019).
22 Klaus-Dietmar Henke, Der Weg nach Potsdam, p.51j Wolfgang Benz, Vierzig Jahre nach der Vertreibung, p.8
23 https://potsdamer-konferenz.de/dokumente/potsdamer-protokoll#XIII (aufgerufen am 13.11.2019).
24 https://www.bpb.de/apuz/229817/kleine-globalgeschichte-der-flucht-im-20-jahrhundert (aufgerufen am 13.11.2019).
25 Wolfgang Benz, Vierzig jahre nach der Vertreibung, p.8
- Arbeit zitieren
- Natascha Kühnemund (Autor:in), 2019, Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein historischer Überblick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/957887
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