Ein Pakt mit dem Teufel, eine verhängnisvolle Liebe und der Aufschrei einer rebellischen Generation: Johann Wolfgang von Goethes "Urfaust" ist weit mehr als nur ein literarisches Werk – er ist ein Spiegel der "Sturm und Drang"-Epoche, die das Deutschland des 18. Jahrhunderts erschütterte. In dieser frühen Fassung des Faust-Dramas erleben wir den rastlosen Dr. Faust, getrieben von unstillbarem Wissensdurst und der Sehnsucht nach dem wahren Sinn des Lebens, der sich auf einen gefährlichen Handel mit Mephistopheles einlässt. Verlockt von außergewöhnlichen Erfahrungen und Erkenntnissen, die ihm weder Studium noch Magie gewähren können, stürzt er sich in ein Abenteuer, das ihn nicht nur mit den Freuden des Lebens konfrontiert, sondern auch in die dunklen Abgründe der menschlichen Existenz führt. Seine Begegnung mit der unschuldigen Margarete, genannt Gretchen, entfacht eine leidenschaftliche Liebe, die jedoch in eine Tragödie mündet. Goethes "Urfaust" ist ein Schlüsselwerk des Sturm und Drang, das die Rebellion gegen Konventionen, die Betonung von Gefühl und Leidenschaft sowie die Suche nach individueller Freiheit in den Mittelpunkt stellt. Die expressive Sprache, die Verwendung des Knittelverses und die Anknüpfung an die Volkspoesie spiegeln die literarischen Innovationen dieser Epoche wider. Themen wie Erkenntnisdrang, die Kritik an gesellschaftlicher Moral und die Darstellung starker, leidenschaftlicher Charaktere machen den "Urfaust" zu einem zeitlosen Werk, das bis heute Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht. Entdecken Sie die Ursprünge einer der bedeutendsten Dichtungen der deutschen Literaturgeschichte und tauchen Sie ein in eine Welt voller Magie, Verzweiflung und der ewigen Suche nach dem Sinn des Lebens. Erleben Sie die rohe Kraft der Sprache und die unbändige Energie des Sturm und Drang, die in jeder Zeile dieses Dramas spürbar ist. "Urfaust" – ein Muss für alle, die sich für Literaturgeschichte, Philosophie und die menschliche Natur interessieren.
Goethes ,,Urfaust" - ein typisches Werk des ,,Sturm und Drang".
A.: Als Sturm und Drang wird die Epoche bezeichnet, die um 1770 in Deutschland entstanden und eine Gegenbewegung der jungen Generation zur verstandesbetonten Aufklärung darstellte. Die gesamte Epoche, die von etwa 1765 bis 1785 dauerte, wird auch gern als Geniezeit bezeichnet. Sie erhielt ihren Namen durch ein Drama, welches 1776 von Friedrich Maximilian Klinger geschrieben wurde und den Titel ,,Sturm und Drang" trägt. Klinger war ein Jugendfreund Goethes. Dieser gehörte in seiner Jugend neben Gottfried Herder, Gottfried August Bürger und Matthias Claudius mit zu den berühmtesten Stürmern und Drängern. Leitbilder der Stürmer und Dränger waren vor allem die Ideen des Franzosen Jean Jaques Rousseau, dessen Hauptthese lautete: ,,Gefühl ist mehr als Vernunft." (Deutsche Literaturgeschichte S.46) An erster Stelle standen zu dieser Zeit das Gefühl, das Gemüt und die Leidenschaft. Besonders hassten die Stürmer und Dränger deshalb die Willkürherrschaft der Fürsten. Sie lehnten alle Regeln ab und machten sich ihre eigenen Gesetze. Oft jedoch übertreiben sie ihren Gefühlskult und Freiheitsdrang.
B.I.: Ein typisches Werk der Sturm-und-Drang-Zeit ist Johann Wolfgang von Goethes Drama ,,Urfaust". Darin geht es um das Genie Dr. Faust, welcher seine Seele an den Teufel, der von Mephistopheles verkörpert wird, verschreibt, um dadurch zu außergewöhnlichen Genüssen und Kenntnissen zu gelangen, die man weder mit Studien noch mit der Magie erreichen kann. Er sucht zuerst nach irdischem Glück. In Auerbach`s Keller soll er die Freuden des Zechers Kennenlernen, doch das wilde Treiben ekelt ihn an.
Danach lernt er das schöne und reine Bürgermädchen Margarete kennen. Er versucht zwar, gegen die Leidenschaft anzukämpfen, unterliegt jedoch dann der Liebe. Er zerstört Gretchens Glück und das ihrer Familie. Gretchen tötet ihre Mutter unwissend mit einem Schlaftrunk. Auch ihr Bruder kommt ums Leben, und zuletzt ertränkt sie ihr neugeborenes Kind. Dem Wahnsinn nahe wartet sie im Kerker auf ihre Hinrichtung. Sie lehnt die Errettung durch Faust jedoch ab, da sie lieber von Gott gerichtet werden will, als sich Mephistopheles zu unterwerfen.
B.II.1.: Ein Anliegen der Stürmer und Dränger war die Revolution der Sprache. Im ,,Urfaust" lässt Goethe vor allem die Person des Mephistopheles eine sehr grobe und ordinäre Sprache sprechen. Er sagt zum Beispiel zu einem Studenten : ,,Die Mägdlein, ach, sie geilen viel!" (S.11/Z.283) und ,, Die ihren Nam aufs Scheißhaus malten." (S.11/Z.302). Nicht nur Mephistopheles, eine Verkörperung des Bösen, verfügt über einen solchen Wortschatz, sondern auch die bürgerliche Margarete sagt gegen Ende des Stückes: ,,Meine Mutter, die Hur,/Die mich umgebracht hat!" (S.57/Z.21/22). Sogar der gelehrte Professor und Doktor Faust nennt Mephistopheles eine ,,... Spottgeburt von Dreck und Feuer!" (S.48/Z.1228). Dies alles zeigt die Freiheiten, die sich die junge Generation in dieser Zeit in ihren Gedichten nahm.
B.II.2.: Doch nicht nur die Sprache und Ausdrucksweise wurde in der Epoche des Sturm und Drangs verändert, sondern auch die Technik des Reimens. Im Gegensatz zum fünfhebigen Jambus, welcher vor allem in der Aufklärungszeit und dann in der Klassik verwendet wurde, dominiert jetzt der ursprünglich aus dem 16. Jahrhundert stammende Knittelvers. Goethe erneuerte und benützte im ,,Urfaust" diese paarweise reimenden vierhebigen Verse, z.B.: ,,Fast sinken mir die Kniee nieder!/Da find ich so ein Kästchen wieder..."(S.32/Z.730/731). In dieser Reimtechnik zeigt sich deutlich die für die Sturm-und-Drang-Zeit typische Rückkehr in die Wende des Mittelalters zur Neuzeit.
B.II.3.: Ausdruck hiervon ist ebenso die Anknüpfung an die Volksliteratur, die wir im Urfaust häufig finden. Seine Quellen lassen sich auf das Volksbuch ,,Historia von D. Johann Fausten" (1587) und ein altes Puppenspiel, das Goethe in seiner Jugend sah, zurückführen. ,,Meine Ruh ist hin,/Mein Herz ist schwer;..." (S.43/Z.178/179) und die Ballade vom König von Thule (Abend, S.25-29) zeugen davon.
B.II.4.: Ein weiteres Stilmittel, welches den Sturm und Drang prägt, ist die Hervorhebung von Gefühlen durch bestimmte Umgebungen . In Goethes ,,Urfaust" gibt es einige Passagen, die die Namen bestimmter gefühlsbetonender Szenerien tragen. Mit dem Wort ,,Garten" zum Beispiel verbindet man von Natur aus schöne Blumen, Freude, Liebe und Wärme. Und genau dies macht sich Goethe im Aufzug ,,Garten" (S.38-42) zu Nutzen. Es geht darum, wie sich Margarete und Faust näher kommen und sich lieben lernen. Dies sieht man daran wie Faust mit Margarete redet: ,,S üß Liebchen!" (S.41/Z.1027)... ,,was murmelst du?" (S.41/Z.1028)... ,,Du holdes Himmelsgesicht!" (S.41/Z.1030).
B.III.1.: Die Stürmer und Dränger prägte die Suche nach der totalen Erkenntnis. Faust beklagt sich in seinem Anfangsprolog, dass er, der alle Wissenschaften studiert hat, dennoch nicht um das eigentliche Wesen der Existenz weiß: ,,Da steh ich nun, ich armer Tor,/Und bin so klug, als wie zuvor." (S.3/Z.5/6), denn ,,Faust will unbedingt sein und unbedingt sein." (Kaiser, Gerhard: Geschichte der deutschen Literatur 3. München 1976, S.212 ). ,,Drum..." hat er sich ,,...der Magie ergeben...", damit ihm ,,...durch Geistes Kraft und Mund..." ,,...manch Geheimnis werde kund." (S.3/Z.24-26)
B.III.2.: Aber nicht nur Erkenntnis, sondern auch Gefühle spielen im ,,Urfaust" eine große Rolle. Denn Faust findet das echte Lebensglück nicht in den Sinnesfreuden, wie zum Beispiel der Zecherei, sondern in der tiefen Liebe und Leidenschaft zu Margarete. Auch diese entbrennt in großer Liebe zu ihm und setzt sich über alle moralischen Grenzen ihrer Zeit hinweg. Sie ist bereit für Faust und die Beziehung zu ihm alles zu tun. Dies wird deutlich, als sie zu ihm sagt: ,,Ich habe schon für dich so viel getan,/Daßmir zu tun fast nichts mehrüberbleibt." (S.47/Z.1211/1212). Diese Art zu dichten entspricht den Stürmern und Drängern, deren Leitbilder die Ideen von Jean Jacques Rousseau waren. Im Gegensatz zur kalten Verstandswelt der Aufklärung standen Gemüt, Gefühl und Leidenschaft im Vordergrund. B.III.3.: Da die Dichter der Sturm-und-Drang-Zeit nach Freiheit strebten und sich gegen die Moral auflehnten, griffen sie auch oft das Thema der ledigen Mutter, was zu dieser Zeit sehr verpönt war, in ihren Werken auf. So auch im ,,Urfaust", wo die bürgerliche und unverheiratete Margarete ein Kind von Faust empfängt. Sie bringt damit Schande über sich und ihre Familie: ,,-Und unter deinem Herzen,/Schlägt da nicht quillend schon/Brandschande-Malgeburt?" (S.51/Z.1324-1326). Diesem kleinbürgerlichen Druck ist sie jedoch nicht gewachsen, und tötet deshalb ihr neugeborenes Kind. B.IV.1.: Ebenfalls für die Sturm-und-Drang-Phase bezeichnend sind die Personen, die im ,,Urfaust" die Hauptrollen besetzen. So ist Dr. Faust die höchste Verkörperung des Sturm- und-Drang-Genies. Er will sein ,,Ich" zum All erweitern. Das große Wissen und die Vernunft, die er in seinen zahlreichen Studien erworben hat, reichen ihm nicht aus. Er ist sogar bereit, den Bund mit dem Teufel zu schließen, nicht aus Bosheit, sondern aus Maßlosigkeit des Herzens und Wissensdurst des Geistes ,,...Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,/Fürcht mich weder vor Höll noch Teufel." (S.3/Z.15/16). Doch nicht nur für den Sturm und Drang war das Genie charakteristisch, auch für Shakespeare (1564-1616) war es Vorbild seiner Dichtung. Dies verdeutlicht wiederum den bereits erwähnten Rückgriff auf die Wende zwischen Mittelalter und Neuzeit.
B.IV.2.: Noch über Wissen und Verstand steht im Sturm und Drang das Gefühl. Dies stellt aufs Trefflichste Margarete dar. Sie liebt Faust und bringt auch ihm ein tiefes Gefühl nahe .
Faust: ,,Verstehst du, was das heißt: Er liebt dich!" (S.41/Z.1035). Auch sie gesteht Faust ihre
Gefühle: ,,Bester Mann, schon lange lieb ich dich!" (S.42/Z.1055). Aus der anfangs noch reinen Liebe wird nach und nach eine tiefe Leidenschaft. Ihre Widerstandskraft schwindet dahin und sie wird verführbar. Erst findet sie mit Hilfe von Mephistopheles und der Nachbarin Frau Marthe Gefallen an dem geschenkten Schmuck. Aus Margarete wird Gretchen und sie verfällt Faust völlig: ,,Mein Schoß, Gott! Drängt/Sich nach ihm hin." (S.44/Z.1098/1099). Diese grenzenlose Hingabe zu Faust bringt Gretchen in die Situation der ledigen Mutter und später auch in die der Kindsmörderin. Auch das sind, wie bereits erwähnt, typische Themen des Sturm und Drangs.
B.IV.3.: Als weitere für diese Epoche bezeichnende Gestalt tritt Mephistopheles auf. Er scheint die personifizierte Antwort auf die Suche nach Erkenntnis zu sein. Wie Adam und Eva in der Schöpfungsgeschichte vom Baum der Erkenntnis aßen um wie Gott zu werden, verspricht Mephistopheles Faust die Macht über den Makro- und Mikrokosmos zu erlangen. Er ist es, der Faust zu Margarete führt, obwohl er anfänglich glaubt keine Macht über dieses fromme Mädchen zu haben ,, Über die hab ich keine Gewalt." (S.24/Z.478). Er schafft es mit Tü>,,...Wir m ü ssen uns zur List bequemen." (S.24/Z.510) aus Liebe todbringende Leidenschaft werden zu lassen. Doch Mephistopheles gelingt es nicht Gretchen für sich zu gewinnen, da sie am Schluß zu ihrer Natur und ihren Idealen zurückkehrt und sich lieber von Gott als vom Teufel richten lässt. Das bekräftigt noch mal, dass Goethes ,,Urfaust" ein typisches Werk des Sturm und Drangs ist.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Sturm und Drang?
Der Sturm und Drang war eine Epoche um 1770 in Deutschland, eine Gegenbewegung zur Aufklärung. Sie dauerte von ca. 1765 bis 1785 und wird auch Geniezeit genannt. Der Name stammt von Friedrich Maximilian Klingers Drama ,,Sturm und Drang" (1776). Gefühl und Leidenschaft standen im Vordergrund, Vernunft wurde abgelehnt. Die Stürmer und Dränger hassten die Willkürherrschaft der Fürsten und lehnten Regeln ab.
Was ist das Thema von Goethes ,,Urfaust"?
Das Drama handelt von Dr. Faust, der seine Seele an den Teufel (verkörpert durch Mephistopheles) verkauft, um außergewöhnliche Genüsse und Kenntnisse zu erlangen. Er sucht zuerst nach irdischem Glück, doch das wilde Treiben in Auerbachs Keller ekelt ihn an. Er lernt Margarete (Gretchen) kennen und lieben, zerstört ihr Glück, und sie tötet unwissend ihre Mutter, ihren Bruder und ihr Kind. Im Wahnsinn wartet sie auf ihre Hinrichtung, lehnt die Errettung durch Faust ab und will lieber von Gott gerichtet werden.
Wie zeigt sich die Revolution der Sprache im ,,Urfaust"?
Goethe lässt besonders Mephistopheles eine grobe und ordinäre Sprache sprechen. Auch Margarete und Faust verwenden derbe Ausdrücke. Dies zeigt die Freiheiten, die sich die junge Generation nahm.
Welche Reimtechnik wird im ,,Urfaust" verwendet?
Der Knittelvers, ein paarweise reimender vierhebiger Vers, dominiert im ,,Urfaust". Dies zeigt die Rückkehr zur Wende des Mittelalters zur Neuzeit.
Welche Einflüsse hat die Volksliteratur auf den ,,Urfaust"?
Goethes Quellen sind das Volksbuch ,,Historia von D. Johann Fausten" (1587) und ein altes Puppenspiel. Die Ballade vom König von Thule ist ebenfalls ein Beispiel.
Wie werden Gefühle im ,,Urfaust" durch Umgebungen hervorgehoben?
Goethe nutzt gefühlsbetonte Szenerien wie den ,,Garten", um Liebe und Nähe zwischen Margarete und Faust darzustellen.
Welche Rolle spielt die Suche nach Erkenntnis im ,,Urfaust"?
Faust beklagt, dass er trotz seines Wissens das Wesen der Existenz nicht versteht. Er wendet sich der Magie zu, um Geheimnisse zu ergründen. Erkenntnis, aber auch Gefühle spielen eine große Rolle.
Wie wird das Thema der ledigen Mutter im ,,Urfaust" behandelt?
Da die Stürmer und Dränger nach Freiheit strebten und sich gegen die Moral auflehnten, griffen sie das Thema der ledigen Mutter auf. Margarete empfängt ein Kind von Faust und bringt Schande über ihre Familie. Sie tötet deshalb ihr neugeborenes Kind.
Welche Personen sind typisch für den Sturm und Drang im ,,Urfaust"?
Dr. Faust ist die Verkörperung des Sturm-und-Drang-Genies. Er will sein ,,Ich" erweitern und ist bereit, den Bund mit dem Teufel zu schließen. Margarete steht für das Gefühl und die Leidenschaft. Mephistopheles ist die personifizierte Antwort auf die Suche nach Erkenntnis.
Warum ist der ,,Urfaust" auch heute noch aktuell?
Die Auflehnung gegen Einschränkungen und der Kampf gegen Autoritäten sind auch heute noch aktuell, besonders für junge Menschen.
- Quote paper
- Johannes Vetter (Author), 2000, Goethe, Johann Wolfgang von - Urfaust, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95772