Katrin Bittrich, 10a 19.02.99 Deutschaufsatz
Erörtere anhand eines Zitates deine Vorstellungen von Freundschaft. Beziehe Uhlmans Novelle „Der wiedergefundene Freund„ in deine Darstellungen ein.
Das Zitat „Ein Freund ist gleichsam ein zweites ich„ von Cicero kann man auf unterschiedliche Weise interpretieren. Zum Einen, daß ein Freund genauso wie man selbst ist. Es gibt eine blinde Übereinstimmung in allen Interessen, Vorlieben, Abneigungen etc.. Ein Freund der in allen Situationen genauso handelt, denkt und fühlt wie man selbst. Diese Auffassung aber teile ich nicht. Vielmehr halte ich es in einer Freundschaft für wichtig, daß jeder eigene Interessen und Ziele hat die er für den anderen nicht aufgibt - nicht aufgeben muß. Das zweite ich bei einer solchen Freundschaft liegt nicht in den gemeinsamen Vorlieben, sondern in der Art wie beide miteinander umgehen und reden. Jeder Partner in solch einer Freundschaft kann mit dem anderen offen über seine Probleme reden und bekommt auf seine Fragen oder sein Ratsuchen eine ehrliche Antwort. Derjenige, der in diesem Fall um Rat gebeten wird, gibt nicht die Antwort, von der er denkt, daß sie erwartet wird, sondern er sagt aufrichtig seine Meinung. Dazu gehört beim Rat Gebenden Offenheit und Ehrlichkeit, andererseits erfordert es beim Rat Suchenden Akzeptanz und Fähigkeit zur Selbstkritik. Bei beiden Partnern ist das Vertrauen sehr wichtig. Ich erwarte also von einem Freund das, worum ich ihn gebeten habe, seine Meinung oder eine ehrliche Antwort. Ich denke, daß dies der Unterschied ist, zwischen einem Freund der genauso ist wie ich und einem Freund der gleichsam ein zweites ich ist. Ich bin der Meinung, daß ich durch eine solche Freundschaft mein Leben viel intensiver lebe und das ich am Leben meiner Freundin nicht nur oberflächlich teilnehme. Natürlich spielen auch gemeinsame Erlebnisse und Interessen eine große Rolle. Mit einer Freundin läßt sich sehr viel anstellen und erleben, zumal vieles zu zweit mehr Spaß macht als allein. Mit diesen gemeinsamen Interessen beginnt auch die Freundschaft von Hans und Konradin, aus dem Buch „Der wiedergefundene Freund" von Fred Uhlman. Über ein gemeinsames Interesse, die Münzsammlung, finden die beiden zueinander und im Laufe der Zeit entdecken sie einander. Sie lernen sich besser kennen und finden viele weitere Gemeinsamkeiten.
Hans hatte sehr große Ansprüche an eine Freundschaft (Kapitel 3) und am Anfang schien es, als würde sein Freundschaft mit Konradin ihnen entsprechen. Welche Einflüsse waren dafür verantwortlich, daß die Freundschaft der beiden zerstört wurde? Es stand etwas zwischen den beiden. Sie wußten, daß es so war, jedoch brachten sie nicht den Mut auf, darüber zu sprechen. Beide verrannten sich in ihren gemeinsamen Interessen und hörten auf über ihre innersten Gedanken zu sprechen.
Genau das empfinde ich als falsch. Natürlich erzähle ich auch nicht alles meiner Freundin, ein paar kleine Geheimnisse habe ich auch. Im Fall der zwei Jungen wäre eine Aussprache aber bitter nötig gewesen, jedoch das Problem ihrer Freundschaft war untrennbar verknüpft mit dem gesellschaftlichen Problemen des herannahenden Faschismus. Sind so junge Menschen überhaupt in der Lage entgegen aller Politik ihre Freundschaft aufrecht zu erhalten?
Hans war sehr selbstlos und hätte alles für einen Freund getan, aber es fehlte ihm der Mut offen mit seinem Freund zu sprechen. Konradin war stark von seiner Mutter und den nationalsozialistischen Ideen beeinflußt und sah ein Gespräch mit dem Freund als ausweglos an. Die Begegnung im Theater machte den Streit dann unausweichlich (S.85-92). Danach war nichts mehr so wie früher. Die beiden taten zwar, als ob ihre Freundschaft intakt wäre aber im Grunde hatten sie sich nichts mehr zu sagen und wußten das auch. Als dann die politischen Unruhen stärker wurden und Hans in der Schule für seine jüdische Herkunft beschimpft wurde, tat Konradin so, als würde er ihn nicht kennen. Zwar schrieb er ihm, quasi als Abschied, noch einen Brief in dem er am Ende beteuert was ihm die Freundschaft bedeutet und gegeben hat: „Ich werde immer an Dich denken, lieber Hans! Du hast mich denken gelehrt, denken und zweifeln, und durch den Zweifel hindurch habe ich zu unserem Herrn und Retter Jesus Christus zurückgefunden.„(S.107). Doch wenn Konradin so für Hans empfunden hat, wenn er ein echter Freund gewesen wäre, hätte er dann nicht, sowohl vor seiner Mutter als auch vor den Mitschülern, zu Hans stehen müssen? Eine deutsch jüdische Freundschaft wurde in dieser Zeit auf eine besonders harte Probe gestellt.
Ich weiß nicht wie ich in dieser Situation gehandelt hätte, weder als Hans noch als Konradin.
Hans ist damals sehr schwer enttäuscht worden und er hat Konradin und die diese Zeit nie vergessen. Als er entdeckte das von Hohenfels am Hitlerattentat beteiligt war und hingerichtet wurde, spürte er, daß seine Freundschaft zu Konradin bei diesem tiefe Spuren hinterlassen hat. In diesem Moment hat er seinen Freund wiedergefunden obwohl er ihn nie wiedersehen würde. Es ist nicht einfach den Begriff Freundschaft zu klären, wahrscheinlich steht er deshalb nicht in meinen Lexika. Jeder sollte für sich den Begriff Freundschaft auslegen, ich sage bewußt nicht definieren. Ich selbst habe vielfältige, zum Teil auch romantische Vorstellungen von Freundschaft, und doch ist ein gewisses Gespür für den anderen von großer Bedeutung. Letztendlich entscheidet für mich das Maß an Vertrauen, das man dem anderen entgegen bringt, darüber wie tief und intensiv eine Freundschaft wird. Zwar macht man sich selten Gedanken über solche Freundschaftsvorstellungen, aber, wo eine Freundschaft entsteht, wird es letztlich an diesen Vorstellungen liegen ob sie hält oder bricht.
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