Lektüreaufgabe zu Franz Kafka: „Der Prozess“ Grundkurs Deutsch Klasse 12
Aufgabe 1:
Ein thematischer Aspekt des Romans ist die Frage nach der Identität und dem Wesen des Gerichtes und des Gesetzes.
Erläutern Sie mit Hilfe konkreter Textbeispiele, wie dieses Thema im Verlauf des Romans umgesetzt wird. Analysieren Sie den Schluß des Romans (10.Kap.) und klären Sie, ob Josef K. die Identität und das Wesen des Gerichtes klären konnte.
Die erste Frage nach der Identität des Gerichtes findet man in Zeile 17 auf Seite 7: „Wer sind Sie?“. Diese Frage K.‘s wird jedoch von den Männern, die K. am Morgen seiner Verhaftung entgegentreten, ignoriert. Diese Männer sind die ersten Vertreter des Gerichtes, denen K. im Verlauf des Romans begegnet.
Im gesamten Roman schwankt K.‘s Verhalten dem Gericht gegenüber zwischen Protest und Unterwerfung.
Zuerst fragt er die beiden Beamten, die ihm am Morgen seiner Verhaftung entgegentreten, nach Gründen ihres Vorgehens und fordert Sie auf, dieses zu rechtfertigen. (Seite 8, Zeile 21) „Ja, was wollen Sie denn.“ (Seite 8, Zeile 32,33) „Und warum denn?“
Bei der ersten Verhandlung beschwert sich K. über ihr Verhalten und beginnt, sich gegen das Gericht zu wenden : (Seite 43,44 Zeile 31-5) „Ihre Frage Herr Untersuchungsrichter ob ich Zimmermaler bin - vielmehr Sie haben gar nicht gefragt, sondern es mir auf den Kopf zugesagt - ist bezeichnend für die ganze Art des Verfahrens, das gegen mich geführt wird. Sie können einwenden, dass es ja überhaupt kein Verfahren ist, Sie haben sehr Recht, denn es ist ja nur ein Verfahren, wenn ich es als solches anerkenne. Aber ich erkenne es also für den Augenblick jetzt an, aus Mitleid gewissermaßen. Man kann sich nicht anders als mitleidig dazu stellen, wenn man es überhaupt beachten will. Ich sage nicht, dass es ein lüderliches Verfahren ist, aber ich möchte Ihnen diese Bezeichnung zur Selbsterkenntnis angeboten haben.“
Durch die Verhaftung hat das Gericht K. in seine Gewalt gebracht. Das Gericht übt auf K. eine gewisse Anziehungskraft aus. K. spürt anscheinend einen Zwang, das Wesen des Gerichtes zu klären. Er scheitert jedoch an der Undurchdringlichkeit und Unfassbarkeit des Gerichtes. Die Vertreter des Gerichtes, denen er begegnet, können ihm bei seinem Vorhaben nicht helfen. Sie alle bezeichnen sich als die untersten Grade des Gerichtes und behaupten, die höheren nicht zu kennen. Die Wächter, Aufseher, Gerichtsdiener usw. sind nur Diener des Gerichtes, die nur einen Teil kennen. Für K. bietet sich im Verlauf des Romans keine Möglichkeit, zu höheren Rängen vorzudringen. Die Vertreter des Gerichtes verweigern, sich auszuweisen und somit ihr Handeln verständlich zu machen. Ebenso wird die Klage gegen K. nie offen dargelegt.
Das Gericht bestimmt K.‘s Alltag: er fühlt sich ständig beobachtet: von der alten Frau am Morgen seiner Verhaftung bis zur Beobachtung seines Todes durch die Henker.
K. kann dem Gericht nicht entrinnen (Seite 136, Zeile 30) „Niemals ist das Gericht davon abzubringen.“
Im Laufe des Romans gerät K. an Helfer, die ihm bereitwillig Auskunft über das Gericht geben, diese Auskünfte helfen ihm jedoch nicht weiter und eröffnen ihm keinen Zugang zum Wesen des Gerichtes. Huld rät ihm „...sich mit den vorhandenen Verhältnissen abzufinden.“ (Seite 107) Der Prozeß dreht sich durch Verschleppung und scheinbaren Freispruch im Kreis, somit soll der Prozeß in der Schwebe gehalten werden, auch dadurch, dass nie ein Urteil verkündet wird. Die Bewegung des Gerichts ist nur vorgetäuscht.
Am Ende des Romans, K. konnte das Wesen und die Identität des Gerichtes nicht klären, scheint ihm der Tod als Ausweg und erscheint schließlich als selbstverständlich, was folgender Ausspruch K.‘s beim Erscheinen der Henker deutlich macht : (Seite206, Zeile13,14) „Sie sind also für mich bestimmt?“ K. hatte die Henker erwartet. (Seite 206, Zeile 8-13) „Ohne dass ihm der Besuch angekündigt gewesen wäre, saß K. gleichfalls schwarz angezogen in einem Sessel in der Nähe der Türe und zog langsam neue scharf sich über die Finger spannende Handschuhe an, in der Haltung, wie man Gäste erwartet. Er stand gleich auf, und sah die Herren neugierig an.“
Das Gericht ist für K. also eine anonyme Macht, der er sich am Ende des Romans beugt. Alle seine Anstrengungen haben das Ziel, die Frage nach dem Wesen und der Identität des Gerichtes zu klären.
K. kommt von der Anziehungskraft des Gerichtes nicht mehr los.
Die Macht der Gerichtswelt ist ein Modell der Ausweglosigkeit, welches K. im Grunde jedoch nicht begreift.
Wörter: 643
- Arbeit zitieren
- Steffi Schubert (Autor:in), 2000, Kafka, Franz - Der Prozeß, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95678
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