Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Anerkennung entsteht und wie solche Anerkennungsverhältnisse aus dem Gleichgewicht gebracht werden können. Weiter soll aufgezeigt werden, welche negativen Auswirkungen dies zur Folge haben kann. Neben grundlegenden Annahmen und positiven Mehrwerten, sollen vor allem die negativen Aspekte der Anerkennung in den Vordergrund dieses Essays gestellt werden. Ein abschließendes Fazit fasst die Ergebnisse zusammen und interpretiert die Zusammenhänge vor dem Hintergrund der erarbeiteten Fragestellung.
In unserem Leben sind wir stets auf der Suche nach Anerkennung – genauer: Wir suchen nach Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Bestätigung. Bereits im Kindesalter erfährt der Mensch verschiede Formen der Anerkennung von mindestens einer Person (die eigene Mutter oder der eigene Vater). Honneth bezeichnet die Liebe als primärste Form der Anerkennung (neben den Dimensionen des Rechts und der Solidarität), deren Konstrukt Beziehungen aller Art beinhaltet (beispielsweise Partnerschaften, Freundschaften und Eltern-Kind-Beziehungen) und deren Basis eine „affektive Zustimmung und Ermutigung“ darstellt. Dies ist die Energie, von dem ein Kind unter anderem lebt. Es erlernt verschiedene Verhaltensformen, um Aufmerksamkeit und Liebe in Form von Anerkennung zu erlangen: artig sein, fleißig sein, sich anpassen, rebellisch werden.
Viele Menschen suchen auch heute noch, zum Teil auch unbewusst, nach Anerkennung von einem anderen Menschen. Jedoch ist es auf Dauer nahezu unmöglich, mit einem starken Drang nach Anerkennung stets gelungene interpersonale Verhältnisse aufzubauen. Die Konsequenz ist also, dass diese Personen langfristig enttäuscht werden. Die ständige Bedürfnisbefriedigung der Anerkennung kann schnell zu einer Sucht führen, oder gar zum Regredieren zum Kleinkind.
Wie wichtig das Bedürfnis nach Anerkennung ist, wird auch tagtäglich in Medienberichten widergespiegelt. Bemühungen um Erfolg, Achtung, Ansehen, Respekt, Lohn oder Karriere – die dem Anschein nach zu Anerkennung führen – gelten nicht nur als gesellschaftlich erstrebenswert, sondern erwecken sogar den Anschein nach einer subjektiven Zielsetzung, die es, um jeden Preis zu erreichen gilt. Möchte eine Person einen gewissen Status unbedingt erlangen, tritt ein unterwerfender Vorgang in Kraft, der einen subjektiv einschränkenden Charakter zu Tage legt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in die Thematik
2 Grundlegende Annahmen der Anerkennung
2.1 Begriffserklärung von Anerkennung
2.2 Mehrwerte der Anerkennung im Kontext von Autonomie
3 Anerkennung im negativen Kontext
3.1 Extreme und Folgen der (Nicht-)Anerkennung
3.2 Erkenntnisse über asymmetrische Anerkennungsverhältnisse anhand Hegel
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einführung in die Thematik
In unserem Leben sind wir stets auf der Suche nach Anerkennung - genauer: Wir suchen nach Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Bestätigung. Bereits im Kindesalter erfährt der Mensch verschiede Formen der Anerkennung von mindestens einer Person (die eigene Mutter oder der eigene Vater). Honneth bezeichnet die Liebe als primärste Form der Anerkennung (neben den Dimensionen des Rechts und der Solidarität), deren Konstrukt Beziehungen aller Art beinhaltet (beispielsweise Partnerschaften, Freundschaften und Eltern-Kind-Beziehungen) und deren Basis eine „affektive Zustimmung und Ermutigung“1 darstellt. Dies ist die Energie, von dem ein Kind unter anderem lebt. Es erlernt verschiedene Verhaltensformen, um Aufmerksamkeit und Liebe in Form von Anerkennung zu erlangen: artig sein, fleißig sein, sich anpassen, rebellisch werden. Honneths psychoanalytische Argumentation setzt das Liebesverhältnis als eine Art der Anerkennung voraus, die bereits im frühkindlichen Alter den Grundstein für eine gelungene Interpersonalität setzt. Der unterschiedliche Umgang mit diesen Verhaltensformen prägt und bildet diese nachhaltig aus. Als Beispiel: Ein Kind bekommt mehr Aufmerksamkeit, wenn es geschimpft, statt ignoriert wird. Daraus lässt sich für heute vieles ableiten. Dieses Kind ist nach wie vor in uns aktiv. Durch den Lösungsprozess in der fortschreitenden Entwicklung lernt das Kind, „dass es auf die liebevolle Zuwendung einer Person angewiesen ist, die unabhängig von ihm als ein Wesen mit eigenen Ansprüchen existiert“.2 Viele Menschen suchen auch heute noch, zum Teil auch unbewusst, nach Anerkennung von einem anderen Menschen. Jedoch ist es auf Dauer nahezu unmöglich, mit einem starken Drang nach Anerkennung stets gelungene interpersonale Verhältnisse aufzubauen. Die Konsequenz ist also, dass diese Personen langfristig enttäuscht werden. Die ständige Bedürfnisbefriedigung der Anerkennung kann schnell zu einer Sucht führen, oder gar zum Regredieren zum Kleinkind. Wie wichtig das Bedürfnis nach Anerkennung ist, wird auch tagtäglich in Medienberichten widergespiegelt. Bemühungen um Erfolg, Achtung, Ansehen, Respekt, Lohn oder Karriere - die dem Anschein nach zu Anerkennung führen - gelten nicht nur als gesellschaftlich erstrebenswert, sondern erwecken sogar den Anschein nach einer subjektiven Zielsetzung, die es um jeden Preis zu erreichen gilt. Möchte eine Person einen gewissen Status unbedingt erlangen, tritt ein unterwerfender Vorgang in Kraft, der einen subjektiv einschränkenden Charakter zu Tage legt. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, wie Anerkennung überhaupt entsteht und wie solche Anerkennungsverhältnisse aus dem Gleichgewicht gebracht werden können. Weiter soll aufgezeigt werden, welche negativen Auswirkungen dies zur Folge haben kann. Neben grundlegenden Annahmen und positiven Mehrwerten, sollen vor allem die negativen Aspekte der Anerkennung in den Vordergrund dieses Essays gestellt werden. Ein abschließendes Fazit fasst die Ergebnisse zusammen und interpretiert die Zusammenhänge vor dem Hintergrund der erarbeiteten Fragestellung.
2 Grundlegende Annahmen der Anerkennung
In diesem Kapitel wird zunächst der Versuch unternommen, ein Verständnis für den Begriff „Anerkennung“ zu schaffen. Anschließend soll der Wert des Begriffes verdeutlicht und in einen Zusammenhang mit Autonomie gebracht werden.
2.1 Begriffserklärung von Anerkennung
Anerkennung erfüllt die Selbstzweckhaftigkeit im Sinne Kants. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass eine Person zu sich wird und auch dafür, dass eine Person zu sich wird und auch dafür, dass ein interpersonales Verhältnis zwischen Menschen entstehen kann - sei dies ein ge- oder misslungenes. Soziale Beziehungen setzen Anerkennung somit als Grundlage für interpersonale Verhältnisse voraus. Ein Mensch entwickelt nur im Austausch mit anderen Individuen seine Identität und Persönlichkeit und kann dadurch als freies Vernunftwesen agieren. Taylor spricht in diesem Zusammenhang vom „dialogischen Charakter“ menschlicher Existenz und stellt eine Kausalität zwischen Identität und Anerkennung her, die folglich als Grundbedürfnis zu avancieren sind.3 Respektive kann ohne Anerkennung keine Entfaltung der Persönlichkeit stattfinden.4 Das Bewusstsein eines reflektierenden Subjekts ist hierbei maßgebend für die Erkenntnis. Anerkennung selbst kann in zwei Ebenen unterteilt werden. Die erste Ebene setzt der zweiten primär voraus, dass eine Person nicht als Sache, sondern als eine Person von einer anderen (an)erkannt wird. So kann beispielsweise lediglich eine Person (etwa ein Angestellter oder eine Führungskraft), nicht eine Sache, von seinen Mitmenschen anerkannt, geachtet und zu bestimmten Handlungen aufgefordert oder gebeten werden. Auf der zweiten Stufe wird eine Person entweder im positiven Sinne etwa auch als diese behandelt und wertgeschätzt oder im negativen Sinne eventuell als Sache abgewertet, indem eine Anerkennung verweigert wird. Folglich kann nur von Anerkennung gesprochen werden, wenn Interpersonalität entsteht. Eine einzige, selbstbewusste Person ist dabei nicht denkbar, da man ohne mindestens eine andere Person nicht zur Person werden kann. Somit resultiert abstrakt betrachtet eine dreistellige Relation, in der Person „X“ Person „Y“ (diese können sowohl Individuen als auch Gruppen repräsentieren) als „Z“ (als ein evaluativer Bezug, unter dem die Anerkennung erfolgt) anerkennt. So ergeben sich letztlich Konsequenzen für den rechtlichen bzw. ethischen Status von Person „Y“ sowie Konsequenzen für das Handeln der Person „X“ selbst.5 Letztendlich kann das Verständnis mit Fichtes Überlegungen, dass Anerkennung das Verhältnis zwischen selbstbewusster Individuen ist, die ihre eigene Handlungsfreiheit um der Freiheitsausübung Willen anderer begrenzen, in Einklang gebracht werden.6
2.2 Mehrwerte der Anerkennung im Kontext von Autonomie
Um den Wunsch nach Anerkennung besser zu verstehen, muss zunächst nachvollzogen werden, welchen Mehrwert Anerkennung einer Person gibt. Jede Person strebt natürlicherweise nach Anerkennung, die eine Relation zur Geselligkeit herstellt, denn ein fruchtbarer Boden für Interpersonalität wird erst durch die reziproke Anerkennung aller Subjekte geschaffen. Somit wirkt sich gegenseitige Anerkennung zum einen nicht nur auf die Qualität einer Gesellschaft aus, sondern ist zum anderen auch die Voraussetzung selbst für deren Existenz. Dennoch kann eine Person nur bezüglich einer Gesellschaft seine Identität als Referenz- und Orientierungspunkt entfalten. Daher ist Identität und ein gesundes Verhältnis zu sich und zu einer gesellschaftlichen Lebenswelt ohne gesellschaftliche Anerkennung undenkbar.7 Gleichzeitig strebt eine Person auch im Laufe ihres Lebens nach Autonomie. Diese steht in einer Wechselbeziehung zur Anerkennung, die Subjekte bildet und befähigt (autonom zu werden) und zugleich Ziel der Selbstbestimmung bzw. Autonomie ist. Kant sieht Autonomie als die Quelle des einzig reinen vernunftbewirkten Gefühls der Achtung, die einem Subjekt aufgrund dieser Freiheit und praktischen Vernunft einen subjektiven moralfähigen Status auslegt.8
Ziel eines gesunden Anerkennungsverhältnisses ist es, ein Gleichgewicht der Selbstbehauptung herzustellen, welches jedoch erst durch den Prozess gesammelter Erfahrungen mit gescheiterten Anerkennungsversuchen hergestellt werden kann.9 Die Entwicklung einer autonomen, selbstbewussten Person gestaltet sich umso solider, je intensiver Anerkennung erfahren wird.
3 Anerkennung im negativen Kontext
Im Folgenden soll, nach grundlegende Annahmen des Begriffes zu bilden, nun das negative Paradigma der Anerkennung sowohl anhand von Thesen und Beispielen, als auch mittels der Anerkennungstheorie von Hegel betrachtet und analysiert werden.
3.1 Extreme und Folgen der (Nicht-)Anerkennung
„Handle so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest“.10
Die Zweckformel Kants beleuchtet die universale interpersonale Reziprozität der zwischenmenschlichen Achtung und Anerkennung. Wichtig zu verstehen ist, dass der Kategorische Imperativ es nicht völlig verneint („zugleich“), andere Personen als „Mittel zum Zweck“ zu gebrauchen, da es sonst ebenso auch unmoralisch wäre, eine funktionale Hierarchie im Management zu bilden und erfolgsorientierte Tätigkeiten anzustreben. Solange die Würde und Identität einer Person im Sinne eines unantastbaren und willensfreien Subjektes vorrangig und in jedem Falle gewahrt wird, ist dies moralisch vertretbar und zu befürworten. Kant stellt vor allem die „Verhältnisse vernünftiger Wesen zueinander“11 12 und die „gegenseitige Anerkennung der Menschen als Wesen gleicher Würde“ 11 in den Vordergrund.
„Der Mensch aber ist keine Sache, mithin nicht etwas, das bloß als Mittel gebraucht werden kann“.13
Wird Anerkennung jedoch verweigert, so führt dies unweigerlich zur Abwertung einer Person zu einer Sache, ergo einem bloßen Mittel.14 In diesem Kontext sollen eventuelle Auswirkungen von Nicht-Anerkennung und asymmetrischen Anerkennungsverhältnissen im Folgenden näher betrachtet werden.
Ein starker Drang nach Anerkennung erreicht in manchen Fällen ein übermäßiges Verhalten und entwickelt sich zu einer Sucht. Schon zwischen dem Wunsch und dem abnormalen Streben liegen vielfältige negative Facetten, die die persönliche Selbstbestimmung einschränken. So führt Nicht-Anerkennung beinahe notorisch zu verschiedenen Formen pathologischer Störungen der Identitätskonstruktion.
Solange die Interaktion auf Gegenseitigkeit beruht, kann davon ausgegangen werden, dass das Anerkennungsverhältnis positiv gekennzeichnet wird, sprich: der Wunsch nach Anerkennung der einen Person wird nicht durch die Erfüllung des anderen eingeschränkt. Dies hätte sonst zur Folge, dass die eigene Selbstbehauptung verloren geht.
Wenn man nach Maslows Annahme15 davon ausgeht, soziale Beziehungen seien ein Grundbedürfnis, stellt man fest, dass es sich bei Anerkennung um ein elementares Grundbedürfnis, aus dem die Suche nach einer Bedürfnisbefriedigung resultiert, handelt. Diese Suche nach Anerkennung kann sich auf zufällig gewählte oder gar unbekannte Personen (zum Beispiel in den sozialen Medien im Internet) ausrichten. Im Folgenden können zwei Sichtweisen der Nicht-Anerkennung betrachtet werden:
1. „Ich reduziere mich zum bloßen Mittel“ (um der Anerkennung Willen)
2. „Ich reduziere andere Personen zum bloßen Mittel“16
Das gesunde Anerkennungsverhältnis kann also sowohl durch den „Anerkennenden“ als auch durch den „Anzuerkennenden“ gestört werden.
Die erste Sichtweise deutet darauf hin, dass sich die Suche nach Anerkennung zu einer pathologischen Abhängigkeit entwickeln kann, die unentwegt zu einer Einschränkung der Selbsttätigkeit und Selbstbestimmung führt.17 Werden andere (wie in Sichtweise 2) „nur“ als Mittel gebraucht, kann dies Handlungsspielräume von Machtausübung, Manipulation bis hin zur Verhaltenskontrolle eröffnen.
[...]
1 Honneth, 2003, S. 153.
2 vgl. Honneth, 2003, S. 164.
3 vgl. Taylor, 1993, S. 13ff.
4 vgl. hier und im Folgenden Gerten, 2020, S. 27.
5 vgl. Halbig et al., 2006, S. 303.
6 vgl. Siep, 2009, S. 107.
7 vgl. Sitzer, 2002.
8 vgl. Gerten, 2016, S. 96.
9 vgl. Düwell, 2006, S. 304.
10 Kant, 1978, S. 61.
11 ebd., 1978, S. 67.
12 Höffe, 1992, S. 124.
13 Kant, 1978, S. 61.
14 vgl. Gerten, 2020, S. 27.
15 vgl. Von der Linde/ Von der Heyde, 2007, S. 112.
16 vgl. Gerten, 2020, S. 25f.
17 vgl. ebd., S. 27.
- Quote paper
- Katrin Kusnezow (Author), 2019, Der Gebrauch und Missbrauch von Anerkennung. Negative Paradigmen und ihre Folgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/956231
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