Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Das Werk
3 Der Autor
3.1 Kurze Biographie
3.2 Cervantes als Autor aus heutiger Sicht
3.3 Werke
4. Das 2.Kapitel des I.Buches
4.1 Die Überschrift
4.2 Anfang und Ende des Kapitels
4.3 Das Kapitel von außen betrachtet
4.4 Darstellung und Handlung
4.4.1 Erzählform
4.4.2 Inhalt
4.4.3 Der Rahmen der Handlung
4.4.4 Ort und Zeit der Handlung
4.4.5 Personen
4.4.6 Charakterisierung der Personen
4.4.7 Kommunikation der Personen
4.5 Besonderheiten der Sprache
4.5.1 Lexikalische Ebene
4.5.2 Syntaktische Ebene
5 Schlußbemerkung
6 Literaturliste
7 Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
DenDon Quijoteuntersuchen?- was soll da nach bald 400 Jahren noch Interessantes zu finden sein?- Ist nicht schon alles gesagt? ;- es wurden schon Unmengen von Seiten mit Kommentaren und Auslegungen oder Erklärungen gefüllt.
Die meisten dieser Arbeiten haben dabei einen globalen Ansatz. Sei es, daß beideDon Quijote-Bücher gemeinsam bearbeitet werden oder daß sie mit den Vorlagen verglichen werden (Ritterromane wie z.B. derAmadís)oder daßDon Quijote alsWortkunstwerk(H.Hatzfeld 1927)beurteilt wird.
Immer wird eher von außen nach innen gearbeitet, will sagen, Thesen werden mit Textstellen aus vielen verschiedenen Kapiteln belegt.
Der Ansatz dieser Arbeit soll ein anderer sein: ein einziges Kapitel soll unter dem speziellen Titel "Sprache und Stil..." be- und durchleuchtet werden. Dabei soll die übliche Trennung der Philologie in Sprach- und Literaturwissenschaften nicht streng genommen werden, wenn auch der Schwerpunkt eher im Bereich der Sprachwissenschaft liegen soll.
Warum wird nun gerade das 2.Kapitel des 1.Buches untersucht? - nun, irgendwo muß man ja anfangen und dann wohl am besten vorne.
Außerdem eignet sich das 2.Kapitel aber auch sehr gut für eine solche Untersuchung , da sich hier verschiedene Sprachbesonderheiten besonders deutlich manifestieren
Da das 1.Kapitel einleitenden Charakter hat und im wesentlichen nur Don Quijote vorgestellt wird, ohne daß weitere Personen handelnd oder sprechend auftreten, bietet es sich an, auf das nächste Kapitel auszuweichen, frei nach dem Motto "hic Rhodos, hic salta!".
2 Das Werk
In der Zeit des kulturellen und politischen Niedergangs Spaniens, gegen Ende der Regierungszeit Philipps II, schrieb Cervantes einen Roman, "der sich von der Masse der damaligen Romanproduktion bereits durch sein realistisches Ambiente abhebt: Nicht das mythische Arkadien des Schäferromans, noch das nachchristliche Kleinasien des Ritterromans, sondern das zeitgenössische Spanien, ein von Gott verlassener Landstrich in einer der wirtschaftlich schwächsten Regionen ist sein Schauplatz." (Rossig/Kindler 1995, S.144).
Cervantes greift typische Motive aus Ritterbüchern und altspanischen Romanzen auf und parodiert sie, um "den Abscheu gegen all die ersonnenen und wirren Ritterbücher zu erwecken."(Quijote II,74) (Braunfels 1956/´93,S.1103),wie er einen fiktiven Historiker, dessen Name sich von Cervantes eigenem herleitet, (vgl.Rossig/Kindler 1995, S.145 u.147), sagen läßt.
Das erste Buch erschien 1605 in Madrid, das zweite Buch 1615 ebendort. Aufgrund der apokryphen Fortsetzung von Alonso Fernández de Avellaneda (1614, Taragona) überarbeitete Cervantes sein Manuskript für den zweiten Quijote-Band und der Charakter des Romans entwickelte sich zum Metaroman, dessen Text seine eigene Entstehung in die Handlung miteinbezieht (sinngemäß zit. nach Rossig/Kindler S.146). Die erste deutsche Übersetzung von Pasch Basteln von der Sohle unter dem Titel "Don Kischote de la Mantzscha, das ist: Juncker Harnisch ausFleckenland" erschien 1621 in Köthen.
Zweifellos ist derQuijotenicht nur Cervantes Hauptwerk, sondern zugleich der bekannteste Text der spanischsprachigen Literatur überhaupt und sicherlich eines der unvergänglichen Meisterwerke der Weltliteratur. Das Werk gilt als der erste wirkliche Roman der Weltliteratur, insofern es erstmals Zeit und Gesellschaft widerspiegelt und nicht nur historisierende Fiktion ist.
Das Buch wurde bisher in 68 Sprachen übersetzt und hat bisher etwa 2300 Auflagen weltweit erreicht und kann deshalb "als das wirkungsmächtigste Werk nach der Bibel gelten" ( Rossig/Kindler 1995 S.148)
VomQuijoteleiten sich sprichwörtliche Redensarten wie etwa der ´Kampf gegen die Windmühlen´ ab. Abgesehen von fast unüberschaubarer Sekundärliteratur gibt es zahlreiche Vertonungen, Dramatisierungen und Verfilmungen.
3 Der Autor
3.1 Kurze Biographie
Miguel de Cervantes Saavedra wurde 1547 in Alcalá de Henares geboren, sein Vater war Arzt. Während seiner Kindheit und Jugend lebte er in verschiedenen Städten ( Valladolid, Córdoba, Sevilla, Madrid). Im Alter von 22 Jahren ging er nach Italien und nahm heldenmütig an der Seeschlacht von Lepanto (1571) teil, in der Juan de Austria gegen die Türken kämpfte. Er trug eine Verwundung an der linken Hand davon, die ihm den Namen "el manco"/"Der Einarmige" einbrachte. Danach nahm er an anderen Kriegszügen teil. Als er 1575 mit seinem Bruder Rodrigo nach Spanien zurückkehrte wurde sein Schiff von algerischen Piraten aufgebracht und nach Argel (Algerien) verschleppt. Dort brachte er fünf Jahre in Gefangenschaft zu, die er in denNovelas ejemplaresliterarisch verarbeitete. Durch Zahlung einer hohen Summe kam er frei und kehrte nach Spanien zurück. Er bekam bei seiner Rückkehr kein Entgelt für seine Dienste und Opfer. Sein Wunsch, vom Schreiben von Theaterstücken zu leben, erfüllte sich nicht.
Mit 37 Jahren heiratete er, aber seine Ehe war nicht glücklich. Er lebte von einfachen Arbeiten, eine davon war die als Lieferant für dieArmada Invencible, weshalb er in Sevilla lebte und durch Andalusien reiste. Nach mißlungenen Geschäften landete er 1597/98 und 1602 in Schuldhaft. 1604 ging er nach Valladolid, wo er sich schuldlos in einem Mordprozeß verwickelt sah. Nach dem Beweis seiner Unschuld ging er nach Madrid.1605 veröffentlichte er den ersten Band desQuijoteund erreichte schnell öffentliche Berühmtheit. In Einsamkeit und Armut entwickelte er eine große literarische Aktivität, veröffentlichte 1615 den 2.Band desQuijoteund starb 1616.
3.2 Cervantes als Autor aus heutiger Sicht
Cervantes wurde Mitte des 16.Jahrhunderts geboren, als die Renaissance auf ihrem Höhepunkt war und er starb zu Beginn des 17.Jahrhunderts als sich andere künstlerische Ideale in Spanien durchgesetzt hatten und die politische und ökonomische Dekadenz begonnen hatte.
Mit ihm bzw. demQuijoteendete die Renaissance-Bewegung.
Seine Werke sind ein kritischer Rückblick auf die Literatur des 16.Jahrhunderts besonders auf die erzählerische Literatur. Cervantes wird als der wichtigste spanische Schriftsteller angesehen, vor allem wegen seines RomansEl ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha. Niemand sonst hat die menschliche Natur mit solchem Verständnis dargestellt und niemand anders hat es verstanden so genau die spanische Weltsicht zu beschreiben.
Zeitweise wurde Cervantes als wenig Gebildeter aber genialer Laie angesehen. Heute gilt es als sicher, daß er die Kultur und Literatur der Renaissance gut kannte und dies sein Werk stark beeinflußte. Sein Lebensweg zeigt, daß er sich sein Wissen unter viel Mühe und Leiden erarbeitet hat.
Kein anderer spanischer Autor hat Cervantes in der Darstellung der Stärken und Schwächen des menschlichen Wesens übertroffen. Gleichzeitig zeigt er großes Verständnis für die Menschen und humanistische Güte. Dieser humanistische Charakter macht sein Werk auch heute noch lesens- und liebenswert.
3.3 Werke
Sein JugendwerkLa Galatea, ein Hirtenroman, zeigte schon seinen Sinn für Schönheit und Idealismus seiner Personen. Ein Aspekt der auch später imDon Quijotesehr wichtig ist. Eine besondere, wenn auch nicht immer glückliche Liebe Cervantes´ galt dem Theater. Die wichtigsten dramatischen Arbeiten sind die KomödienLos tratos de ArgelundLos baños de Argel, in denen er die Jahre seiner Gefangenschaft aufarbeitet. Als wichtigstes Theaterstück giltLa Numancia, eine Tragödie in vier Akten, deren Thema die Belagerung und Zerstörung der gleichnamigen Stadt ist, die den römischen Truppen im 2.Jahrhundert nach Christus Widerstand leistet. Auch heute noch gern gelesen und aufgeführt werden dieEntremeses, kurze Arbeiten komischen Charakters, die in den Pausen der größeren Arbeiten gespielt wurden bzw. werden. Als bemerkenswert gelten El rufián viudo, El retablo de las maravillasundLa guardacuidadosa .
Hätte Cervantes nicht denDon Quijotegeschrieben, würden seineNovelas ejemplaresals Beweis für seine außergewöhnliche Qualität als Erzähler gelten. Es sind 12 Novellen (novelas cortas) deren exemplarischen Charakter Cervantes im Vorwort hervorhebt: "si bien lo miras, no hay ninguna de quien no se pueda sacar un ejemplo provechoso". Seine letzte Arbeit,Los trabajos de Persiles y Segismundavollendete er wenige Tage vor seinem Tod. Dieser Roman beschreibt die Leiden zweier Liebenden die, vom Unglück verfolgt, sich in seltsamen Landschaften bewegen.
Fast unbekannt und größtenteils verschollen sind die poetischen Arbeiten Cervantes´. Er selbst stand seinem Können als Poet sehr kritisch gegenüber, was ihn aber nicht daran hinderte 1614 dieViaje del Parnasozu schreiben, die von der Verteidigung des Monte Parnaso , der Heimat der Musen, gegen die schlechten Dichter durch die guten Dichter handelt.
Die Gedichte am Anfang desDon Quijotelegen Zeugnis ab von seinem poetischen Talent.
4. Das 2.Kapitel des I.Buches
que trata de la primera salida que de su tierra hizo el ingenioso don Quijote
4.1 Die Überschrift
Die Überschrift bezieht wie bei allen Kapiteln die
Kapitelnummer in einen nicht vollständigen Satz ein, der hier aus einem Subjekt ("zweites Kapitel") und einer Ergänzung besteht. Wie in allen Kapiteln desDon Quijoteerhält der Leser so eine mehr oder weniger genaue Inhaltsangabe des folgenden Kapitels.
4.2 Anfang und Ende des Kapitels
Im ersten Satz wird der Inhalt des ersten Kapitels zitiert ("Hechas, pues, estas prevenciónes) und es wird gesagt, daß der Protagonist nun den Willen hatte als Ritter in die Welt zu ziehen.
In den beiden letzten Sätzen des zweiten Kapitels wird gesagt, daß Don Quijote recht zufrieden mit dem bisherigen Verlauf seiner Ausfahrt ist, abgesehen von dem großen Problem, noch immer nicht zum Ritter geschlagen worden zu sein.
4.3 Das Kapitel von außen betrachtet
Diese Entwicklung der Handlung erfüllt verschiedene Funktionen, die von Cervantes beabsichtigt sein können, aber nicht müssen.
Offensichtlich erscheint mir, daß durch die Wiederholung eines Problems vom Beginn des Kapitels nicht nur der erzählerische Kreis geschlossen wird, sondern auch die Neugier des Lesers gefördert wird, was denn noch alles passieren mag, wenn Don Quijote erst einmal Ritter sein wird.
4.4 Darstellung und Handlung
4.4.1 Erzählform
Die Geschichte im 2. Kapitel wird von einem allwissenden, meist nicht persönlich in Erscheinung tretenden Erzähler erzählt. In späteren Kapiteln tritt ein fiktiver Chronist und Erzähler namens Cide Hamete Benengeli auf.
4.4.2 Inhalt
Dieses zweite Kapitel des ersten Buches ist nach dem einleitenden ersten Kapitel, in dem der Protagonist vorgestellt wird, der Eintritt in die Abenteuer des Don Quijote .Kurz werden im zweiten Teil des ersten Satzes (...apretándole...u.s.f.)die Beweggründe Don Quijotes aus dem ersten Kapitel zusammengefaßt, dann reitet er auch schon hinaus.
Auffällig ist, daß Don Quijote nicht etwa mit dem einem Ritter gebührenden Pomp abreist, sondern sich durch die Hintertür seines Hofes heimlich davonmacht. Gleich darauf die erste Niederlage: Don Quijote bemerkt, daß er noch gar nicht zum Ritter geschlagen ist und er deshalb eigentlich unwürdig sei die Waffen zu führen.
Doch schnell ist eine Lösung gefunden und die Bedenken weggewischt.
Nun denkt Don Quijote sich aus, wie seine Ausfahrt dereinst niedergeschrieben klingen mag, indem er alle Register des "Ritter-Roman-Kitsches" zieht, um die Szene zu beschreiben.
Weiterhin gibt Don Quijote noch ein odenhaftes Lob auf seine Dulcinea und reitet durch die Hitze "que fuera bastante a derretirle los sesos, si algunas tuviera."(Z.65f)
Der Tag geht vorüber, ohne daß Don Quijote etwas erzählenswertes widerfährt. Mit dem folgenden Einschub des Erzählers über die Quellen für seinen Roman und andere Biographien Don Quijotes, in dem die Frage besprochen wird, welches Abenteuer denn authentisch das erste gewesen sei, verweist Cervantes auf namenlose Schriftsteller und Jahrbücher der Mancha und nicht weiter aufgeklärte eigene Ermittlungen.
So erweckt Cervantes den Eindruck Don Quijote sei nicht nur eine wirkliche, sondern auch einen vielbeschriebene, berühmte Person und es entsteht eine Distanz zum Protagonisten, die für die Ironisierung wichtig ist.
Ohne also ein Abenteuer zu erleben, erreicht Don Quijote müde und hungrig zur Zeit der Dämmerung eine Schenke.
Hier trifft er nun auf die ersten Personen. Es sind zwei Dirnen, die vor dem Wirtshaus stehen.
Don Quijote hält sie für Edelfrauen, die vor dem Burgtor stehen und nennt sie sogar ´hohe Jungfrauen´.
Diese verlachen Don Quijote daraufhin. Der Schankwirt, den Don Quijote für den Kastellan hält, geht auf dessen seltsames Gebaren ein und bietet ihm seine Gastfreundschaft an.
Die Dirnen helfen Don Quijote die Rüstung abzulegen, jedoch ist der selbstgebastelte Helm mit Bändern verknotet und er weigert sich diese zerschneiden zu lassen, obwohl die Knoten unlösbar sind. Daraufhin behält Don Quijote den Helm auf.
Für die Dirnen dichtet er eine Romanze um und gibt stolz seinen Namen preis.
Den angebotenen Stockfisch nimmt Don Quijote dankend an und er muß wegen des Helmes gefüttert werden; den Wein bekommt er durch ein Schilfrohr eingeflößt.
Trotz aller Hindernisse glaubt Don Quijote sich auf einer Burg und ist mit seiner Ausfahrt zufrieden. Nur der Ritterschlag fehlt ihm noch.
4.4.3 Der Rahmen der Handlung
All dies spielt sich im Rahmen der im ersten Kapitel geschilderten Situation ab.
Don Quijote ist ein verarmter Landadeliger (hidalgo) der von den Resten seines Vermögens mehr schlecht als recht leben kann.
In seiner vielen freien Zeit "verschlingt" er einen Ritterroman nach dem anderen und verirrt sich mit der Zeit in dieser Phantasiewelt. Er beschließt fahrender Ritter zu werden, um Abenteuer zu erleben und Schutzbedürftigen zu helfen. Aus alten Rüstungsteilen stellt er sich eine behelfsmäßige Rüstung her und putzt seine altertümlichen Waffen.
Im zweiten Kapitel zieht Don Quijote, wie bereits beschrieben (s. Kap.4.4.2), zu seiner ersten Ausfahrt aus.
Im dritten Kapitel wird er unter seltsamen Umständen von einem Schankwirt zum Ritter geschlagen und zieht davon, um im Weiteren allerlei "Abenteuer" zu erleben und "Kämpfe" zu bestehen.
4.4.4 Ort und Zeit der Handlung
Wie der vollständige Titel des Werkes "El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha" schon ausdrückt, stammt der Protagonist aus der Mancha. Don Quijote reitet über den "Campo de Montiel" und erreicht nach einem ziellosen Ritt auf der Suche nach Abenteuern eine Schenke. Die erzählte Zeit im zweiten Kapitel reicht von "una mañana, antes del dia (que era uno de los calurosos del mes de julio)" bis zur Zeit nach dem Abendessen, also etwa zwischen 22 und 24 Uhr. Nebenbei erfährt man (Z.186)den Wochentag: Freitag.
Die ganze Geschichte spielt "vor gar nicht langer Zeit" ("... no ha mucho tiempo que vivía un hidalgo ..." ;1.Satz d. 1.Kap.)
Vom Standpunkt des Erzählers aus gesehen also im 16.Jahrhundert.
4.4.5 Personen
Im analysierten Kapitel tritt zunächst nur Don Quijote selbst auf. Er wird im 1.Kapitel des Buches, "que trata de la condición y ejercicio del famoso hidalgo Don Quijote de la mancha" (Titel des 1. Kapitels), eingehend beschrieben. Etwa zu Beginn des zweiten Drittels des zweiten Kapitels erscheinen weitere Personen (Z.81): Zwei Dirnen.
"... dos mujeres mozas destas que llaman del partido, las cuales iban a Sevilla con unos harrieros que en la venta aquella noche acertaron a hacer jornada." (Z.81-83).
Sie werden als "destraidas mozas" (Z.95)" und später als "señoras" (Z.122), "aquellas traidas y llevadas"(Z.164) (deutsch [Braunfels]:"die Landstreicherinnen") oder rameras (Z.212) benannt.
Der verträumte Don Quijote sieht in den beiden dagegen "dos hermosas doncellas o dos graziosas damas" (Z.96) und spricht sie als "vuestas mercedes,... tan altas doncellas como vuestras presencias demuestran" (Z.111f), also als schöne hohe Jungfrauen und anmutige Damen an.
Durch diese verblendete Sichtweise des Protagonisten, in der die offensichtlichste Realität keinen Platz hat entsteht ganz wesentlich die Komik des ganzen Werkes.
Außerdem gibt es noch folgende Personen: einen Schweinehirten (porquero, Z.98), dessen Hornstoß Don Quijote als Zeichen seiner Ankunft interpretiert und den Schankwirt (ventero, Z.124). Dieser,"hombre que por ser muy gordo era muy pacífico"(Z.125), auch "huésped"(Z.139) genannt, ist ein Andalusier "de los de la playa de Sanlúcar, no menos ladrón que Caco ,ni menos maleante que estudiantado paje,..." (Z.140ff).
Eine ebenso kleine Rolle wie der porquero spielt am Ende des Kapitels ein "castrador de puercos": durch seine Flötentöne bestätigt er Don Quijotes Glauben, auf einer Burg zu sein. (Z.208f)
Nicht zu vergessen das Pferd Don Quijotes : Rocinante. So hatte Don Quijote seinen Gaul im ersten Kapitel nach reiflicher Überlegung getauft. "Nombre, a su parecer, alto , sonoro y significativo de lo que había sido cuando fue rocín, antes de lo que ahora era que era antes y primero de todos los rocines del mundo." (siehe 1.Kap.)
Im zweiten Kapitel beschreibt Don Quijote den Rocinante als [Caballo que] "era la mejor pieza que comía pan en el mundo".
Dagegen erscheint das Tier dem Wirt: "..no le pareció tan bueno como Don Quijote decía, ni aun la mitad." (Z.153f). Auch hier steht die idealisierende Einschätzung Don Quijotes im krassen Gegensatz zur Realität.
4.4.6 Charakterisierung der Personen
Don Quijote ist ein Prototyp eines schwarz-weiß-sehenden Träumers. Für ihn gibt es in der Welt nur Gut oder Böse. Durch seinen im ersten Kapitel beschriebenen Lebenswandel (übermäßige Lektüre von Ritterromanen),hat er einen Leseschaden erlitten, durch den er Fiktion und Wirklichkeit nicht mehr zu unterscheiden vermag, ja sogar die Wirklichkeit mit seinen Traumbildern überlagert.
Obwohl er die Absicht hat, als fahrender Ritter immer geradlinig und rechtschaffen seinen (angelesenen) Idealen zu folgen, bricht er diesen Vorsatz gleich zu Beginn des zweiten Kapitels, indem er als Ritter loszieht, ohne bereits zum Ritter geschlagen worden zu sein. Irgendwo besitzt er auch noch Reste von Vernunft, denn er zieht heimlich davon, wohl ahnend, daß niemand seine Absichten verstehen oder gar billigen würde.
Don Quijote besitzt außerdem auch großes Durchhaltevermögen, das man auch durchaus Sturheit oder Starrsinnigkeit nennen kann. Dies zeigt sich zum einen darin, daß er geduldig den ganzen Tag ohne Ziel reitet, zum anderen an der Episode des Ablegens der Rüstung, wo er partout seinen Helm aufbehalten will, um die verknoteten Bänder nicht zerschneiden zu müssen.
Die beiden Dirnen sind zunächst ängstlich angesichts Don Quijotes Aufmachung. Nachdem er sie angesprochen hat, löst sich die Angst in Gelächter wegen seiner seltsamen Ausdrucksweise auf. Immer werden beide Frauen das Gleiche tuend beschrieben, treten also quasi als eine Person auf.
Als solche dienen sie der Funktion, ein Beispiel krasser Fehldeutung der Wirklichkeit seitens Don Quijotes zu sein. (Dirnen <-> Jungfrauen, Damen). Außerdem zeigen sie durch ihr Gelächter eine Charakterschwäche Don Quijotes auf: Er ist leicht in seinem Stolz verletzt, was ihm in späteren Kapiteln noch manches Leid bescheren wird.
Der Wirt, wohlbeleibt und friedfertig, verkneift sich seine Heiterkeit ob Don Quijotes Aussehen und entscheidet sich vorsichtshalber für Höflichkeit, womit er seine Klugheit beweist, die sich im dritten Kapitel als wahre Bauernschläue erweist, indem es ihm gelingt, Don Quijote zufriedenzustellen und ihn schnell wieder loszuwerden.
4.4.7 Kommunikation der Personen
Die Textstellen, in denen die vorkommenden Personen sprechen, -monologisch oder dialogisch-, sind folgende:
In den Zeilen 33-61 monologisiert Don Quijote , wie er glaubt, daß seine Geschichte später erzählt werden wird und er spricht eine kleine Ode an ´seine´ Dulcinea.
In den Zeilen 109-123 spricht Don Quijote die beiden Dirnen vor der Schenke an und nachdem diese lachen, mahnt er sie zur Höflichkeit.
Diese Textstelle ist zwar strenggenommen ein Monolog, da die Dirnen nicht sprechen, weil aber Lachen durchaus kommunikativen Charakter hat, kann man von Monolog mit Tendenz zum Dialog sprechen.
Ein eigentlicher Dialog liegt in den Zeilen 131-147 vor. Hier begrüßt der Wirt Don Quijote und lädt ihn zum Verweilen ein. Don Quijote antwortet mit einem Ausschnitt einer damals geläufigen Romanze (siehe Fußnote 6 zum spanischen Text, S.96), den der Wirt ganz selbstverständlich fortführt.
In den Zeilen 167-197 erscheint wieder ein Dialog. Diesmal spricht Don Quijote mit den Dirnen. Auffällig ist hier, daß nur Don Quijotes Beiträge zum Gespräch in direkter Rede stehen, die der Dirnen jedoch nur in indirekter Rede. Dadurch werden die Worte Don Quijotes hervorgehoben und die der Dirnen erscheinen gewöhnlich und vergleichsweise unwichtig.
(Bei all diesen Zeilenangaben sind erklärende und zwischengeschobene, kurze Äußerungen des Erzählers mit einbezogen, d.h. nicht jedes einzelne Wort steht in direkter Rede.)
Insgesamt betrachtet machen die Textstellen, in denen die
Personen sprechen fast2/5 des zweiten Kapitels aus. Der Anteil Don Quijotes daran macht etwa9/10 aus.
Gespräche und noch mehr Selbstgespräche Don Quijotes nehmen also recht viel Raum ein und sind wichtig, besonders in ihrer Funktion als ironisierende Zitate zeitgenössischer Ritterromane.
4.5 Besonderheiten der Sprache
4.5.1 Lexikalische Ebene
Den satirische Charakter des Buches und Rückgriffe auf veraltete Sprachelemente aus der Blütezeit der Ritterromane hervorhebend benutzt Cervantes immer wieder eine archaisierende Sprache. Die Archaismen treten alle in den Monologen oder Dialogen auf und werden nur von Don Quijote benutzt, "imitando en cuanto podia su lenguaje" [gemeint ist die Sprache der Ritterbücher] (Z.62-64). In späteren Kapiteln bedient sich auch Sancho Panza dieses Sprachstils, -gemäß seiner geringen Bildung freilich nicht immer treffend und dadurch meist unfreiwillig komisch.
Die wichtigsten Beispiele führt J.J. Allen in der CatedraAusgabe auf:
"Aqui empieza el lenguaje arcaizante de don Quijote, caracterizado por: 1) laf-inicial (fecho),2)-edespor -éis en las desinencias verbales llanas, 3) el articulo con el adjetivo posesivo (la vuestra fermosura) y 4)léxico arcaico (plégaos[plázcaos];membraros)..." (Fußnote 2, Cervantes/Allen, 1980 Catedra,S.94 unten)
Im zweiten Kapitel befinden sich solche Archaismen in Z.58 (habedes,fecho),Z.59(la vuestrafermosura),Z.60 (plégaos, membraros), Z 109 (fuyan ), Z.111 (facerle), Z.120 (acuitedes), Z.121 (ál), Z.175 (fasta, fazañas, fechas)
Andere Archaismen sind die Verwendung des altertümlichen Adverbs non , daß sich in Z.119 findet ("non vos lo digo") und in anderen Ausgaben (Marín, 1947 /64; s. auch die Ausgabe von Edicomunicación,Madrid 1995) auch an der Textstelle "Non fuyan las vuesas mercedes..." (Z.1.9). Die Ausgabe von Angel Basanta schreibt ebenso wie die von Murillo "no".
Außerdem das komplementäre Vos statt Os im o.g. Zitat (Z.119) und die Verwendung der Konjunktion ca anstatt porque oder pues. Ebenfalls finden sich Vokabeln die schon veraltet waren ("voces ya antiguas", Rosenblat,1987,S.27): afincamiento ( Z.59) etwa für congojoso apremio und membrarse (Z.60) etwa für recondar oder apiadarse und ál für otra cosa (Z.121).
Kurzformen (Kontraktionen) wiedeste, della, desta, die oft vorkommen, sind ebenso wiea trueco(Z.207) als zeitgenössisch anzusehen, da sie z.B. auch imLazarillo de Tormeshäufig auftreten.
Die Häufung von Archaismen im zweiten Kapitel gilt als ungewöhnlich (vgl. Rosenblat 1987,S.27: "acumulación"), meist "la lengua arcaica emerge de pronto" (ebd. S.29).
Ein Beispiel für das Wortspiel mit Verkleinerungsformen, die eine vom Stamm abweichende Bedeutung tragen, ist das Wortpaar trucha/truchuela (Forelle/ Stockfisch),das außer Don Quijote jedermann verstand bzw. versteht.
4.5.2 Syntaktische Ebene
Beschreibung der syntaktischen Eigenarten anhand von drei Beipielen:
Der Satz in den Zeilen 9-15 besteht aus 5 Satzteilen mit Hauptsatzcharakter, die aneinandergereiht und von adverbialen Bestimmungen (antes del día) und 3 Nebensätzen ergänzt werden.
Ein ebenso überlanger Satz findet sich in den Zeilen 36-46. Hier fällt zudem auf, daß sehr viele Partizipien verwendet werden. In diesem Satz ist fast jedes Substantiv von einem Adjektiv begleitet, wodurch der Stil beschreibend und poetisch wirkt.
Das dritte Beispiel ist der Satz in den Zeilen 23-26 (mas, pudiendo...). Hier folgt auf eine vorangestellte Gerundialkonstruktion der Hauptsatz (propuso...-...topase,), darauf folgen zwei ergänzende adverbiale Nebensätze, zuletzt noch mit einem Relativsatz (que tal le tenían).
Solche langen, ausgeschmückten Sätze sind typisch für die Ritterromane und sind z.B. auch imAmadís de Gaulahäufig zu finden.
Ebenfalls typisch für die Sprache der Ritterromanne sind häufige Gerundien wie im Satz Z.31-32 (Yendo,...).
Insgesamt finden sich häüfig solche hochkomplizierten Satzkonstruktionen, die die höfische Sprache der fahrenden Ritterschaft aus längst vergangenen Zeiten nachzuahmen suchen.
Mit dem Don Quijote ist der definitive Endpunkt der Ritterromane erreicht. Nach Erscheinen des ersten Bandes im Jahre 1605 wird kein weiterer Ritterroman mehr geschrieben, so daß die Entlarvung des überkommenen Ehrbegriffs, der sich auch in einer hochtrabenden Sprache niedergeschlagen hatte, jeden weiteren Ritterroman in der traditionellen Linie von vornherein der Lächerlichkeit preisgegeben hätte.
5 Schlußbemerkung
Die eingehende Beschäftigung mit Sprache und Stil eines Kapitels desQuijotevermittelt einen Eindruck von der Großartigkeit des Werkes.
Die durchdachte Konstruktion und sichere Handhabung verschiedener Stilmittel, wie die bildreiche Sprache der Ritterbücher gab und gibt Cervantes das Recht mit der zeitgenössischen Literatur parodistisch "abzurechnen".
Schon in diesem am Anfang des Romans stehenden Kapitel lassen sich bekannte Besonderheiten in der Gestaltung, wie die Verwendung archaischer Formen und Vokabeln aufzeigen, die sich in beiden Büchern durchweg nachweisen lassen.
Besonders wichtig erscheint mir die Erkenntnis, daß der Quijotesich besonders durch den realen Ort der Handlung und zu noch nicht lange vergangener Zeit von der sonstigen Literatur des Siglo de Oro abhebt.
6 Literaturliste
1 Cervantes Saavedra, Miguel de: Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha . Aus dem Spanischen von Ludwig Braunfels. München, 1993. Artemis & Winkler. 17.Auflage
2 Cervantes Saavedra, Miguel de: El ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha. Barcelona, 1990. Edicomunicación
3 Cervantes Saavedra, Miguel de: El ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha. Edición crítica de Francisco Rodríguez Marín. Madrid, 1947. Ediciones Atlas
4 Cervantes Saavedra, Miguel de: El ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha. Edición crítica de Francisco Rodríguez Marín. Madrid, 1964. Espasa-Calpe . 8. Auflage
5 Cervantes Saavedra, Miguel de: El ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha. Edición de Àngel Basanta. Madrid, 1995. Anaya
6 Cervantes Saavedra, Miguel de: El ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha. Edición de Jay Allen. Madrid, 1980. Ediciones Cátedra. 2.Auflage
7 Cervantes Saavedra, Miguel de: El ingenioso hidalgo don Quijote de la Mancha. Edición de Luis Andrés Murillo. Madrid, 1989. Editorial Castalia. 5.Auflage
8 Kindlers Neues Literaturlexikon: Hauptwerke der spanischen und portugisieschen Literatur. Zusammengestellt von Wolfgang Rossig . München, 1995. Kindler
9 Rosenblat, Ángel: La Lengua del "Quijote" . Madrid, 1971/1978. Editorial Gredos. 1. unveränd. Nachdruck
7 Anhang
Abdruck des Textes des 2.Kapitels des 1.Buches aus der Ausgabe von J.J.Allen,1980, Madrid, Cátedra mit durchnummerierten Zeilen:
- Arbeit zitieren
- Jürgen Meder (Autor:in), 1997, Sprache und Stil in Cervantes´ Don Quijote am Beispiel des 2.Kapitels des 1.Buches, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95608
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