Der Zerfall der traditionellen Parteibindung und die daraus resultierende Verschärfung der Wettbewerbssituation haben zu einer neuen Situation in der Parteienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland geführt. Dieses „dealignement“ führte zu einer Auflösung der traditionellen Bindungen und verhalf neuen Parteien zu einem Aufstieg und zur Verschiebung der Kräfteverhältnisse. In den siebziger Jahren konnten die drei Volksparteien noch über 99% der gültigen Stimmen unter sich aufteilen und jahrelang herrschte die 2 ½ Parteienkonstellation in der Bundesrepublik Deutschland. Es spielten viele Faktoren eine Rolle, die nach und nach zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse führten. Ausgehend vom Protest gegen die große Koalition, der Friedensbewegung, ökologischen Bewegungen, säkulare und postmaterialistischen Strömungen über den Strukturwandel, welcher die traditionelle Wählerbindung quantitativ veränderte. In den 80er Jahren keimte dann vermehrt Protest gegen die etablierten Parteien auf und es kam zu Protestwahlen in denen rechtspopulistische Protestparteien auf Landesebene zu Erfolgen kamen. Mit der Etablierung der Grünen und der Wiedervereinigung, mit der die PDS den Einzug in den Bundestag schaffte, lösten sich weitere traditionellen Muster, welche seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bestanden. Welche Rolle spielten dabei die Wähler? Wie änderten sich die Wählerpräferenzen und wie war dieser Wandel begründet? Wie reagierten die Parteien in ihren Wahlprogrammen um die neuen Strömungen aufzufangen und ihren Wähleranteil auszubauen? In meiner Arbeit versuche ich die Wählerpräferenzen in Deutschland zu erläutern und dies dann im Zusammenhang mit einem Vergleich von Wahlprogrammen aufzuzeigen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wählerpräferenzen
2.1. Entwicklung der Wählerpräverenzen
2.2. Kennzeichen der veränderten Wählerpräferenzen und die programmatische Reaktion der Parteien
2.3. Der Wandel der Wählerpräverenzen anhand eines konkreten Beispiels: Die ökologische Bewegung in den 80er Jahren
2.4. Sachfragenkompetenz und Wahlentscheidung
3. Programme zu den Bundestagswahlen
3.1. Wahlkampfthemen und das Programm
3.2. Die Bundestagswahl 1987
3.2.1. Die Ausgangsituation 1987
3.2.2. Das Wahlprogramm der CDU/CSU
3.2.3. Das Wahlprogramm der SPD
3.2.4.Das Wahlprogramm der FDP
3.2.5. Das Wahlprogramm der GRÜNEN
3.2.6. Das Wahlprogramm der PDS zur Bundestagswahl 1990
3.3. Die Bundestagswahl 2002
3.3.1. Die aktuellen Programme zur Bundestagswahl 2002
3.3.2. Das Wahlprogramm der SPD
3.3.3. Das Wahlprogramm der CDU/CSU
3.3.4. Das Wahlprogramm der GRÜNEN
3.3.5. Das Wahlprogramm der FDP
3.3.6. Das Wahlprogramm der PDS
4. Fazit:
1. Einleitung
Der Zerfall der traditionellen Parteibindung und die daraus resultierende Verschärfung der Wettbewerbssituation haben zu einer neuen Situation in der Parteienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland geführt. Dieses „dealignement“ führte zu einer Auflösung der traditionellen Bindungen und verhalf neuen Parteien zu einem Aufstieg und zur Verschiebung der Kräfteverhältnisse. In den siebziger Jahren konnten die drei Volksparteien noch über 99% der gültigen Stimmen unter sich aufteilen und jahrelang herrschte die 2 ½ Parteienkonstellation in der Bundesrepublik Deutschland. Es spielten viele Faktoren eine Rolle, die nach und nach zu einer Verschiebung der Machtverhältnisse führten. Ausgehend vom Protest gegen die große Koalition, der Friedensbewegung, ökologischen Bewegungen, säkulare und postmaterialistischen Strömungen über den Strukturwandel, welcher die traditionelle Wählerbindung quantitativ veränderte. In den 80er Jahren keimte dann vermehrt Protest gegen die etablierten Parteien auf und es kam zu Protestwahlen in denen rechtspopulistische Protestparteien auf Landesebene zu Erfolgen kamen. Mit der Etablierung der Grünen und der Wiedervereinigung, mit der die PDS den Einzug in den Bundestag schaffte, lösten sich weitere traditionellen Muster, welche seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland bestanden.
Welche Rolle spielten dabei die Wähler? Wie änderten sich die Wählerpräferenzen und wie war dieser Wandel begründet? Wie reagierten die Parteien in ihren Wahlprogrammen um die neuen Strömungen aufzufangen und ihren Wähleranteil auszubauen?
In meiner Arbeit versuche ich die Wählerpräferenzen in Deutschland zu erläutern und dies dann im Zusammenhang mit einem Vergleich von Wahlprogrammen aufzuzeigen.
2. Wählerpräferenzen
2.1. Entwicklung der Wählerpräverenzen
Bis zu den 70er Jahren konnte die Bundesrepublik Deutschland als Konsolidierung eines Parteiensystems zu sehen sein. Bis 1961 sanken die in der Bundesrepublik Deutschland in den Bundestag gewählten Parteien von elf auf vier, welche 1972 über 99 Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinigen konnten. Dieses 2 ½ Parteiensystem hielt sich bis in die 80er Jahre, in denen es dann zu den gesellschaftlichen Spaltungen (cleavages), kam mit denen die schwächer werdenden Parteienloyalität und das Auftreten neuer Parteien verbunden war. Zusätzlich wurden diese drei Trends von der Deutschen Einheit verstärkt und dies brachte neue Herausforderung für die Parteien mit sich. „Als sich die Bundesrepublik auf den Eintritt in ihr zweites halbes Jahrhundert vorbereitete, versuchten Deutschlands etablierte Parteien, neue politische Strategien zu entwickeln, die sie in einem zunehmend unvorhersehbaren Wählermarkt erfolgreich machen sollten.“ (Scarrow 1999, S. 71) Dabei waren die Parteien an dieser Entwicklung mit involviert, da sie die Abnahme der traditionellen Wählerbindungen (dealignments) förderten, indem sie dadurch eine Möglichkeit sahen, neue Stimmen zu gewinnen. Heutzutage stehen die Parteien zumeist im Konflikt neue Positionen und Themen zu finden, welche sie befähigen sollen, neue Wählerbindungen (realignment) zu bekämpfen und die politische Ungebundenen zu mobilisieren.
Die grundlegenden Konturen der gesellschaftlichen Spaltungen zeichnete sich in den 50er Jahren ab. Die CDU/CSU dominierten die Mitte- rechts Bereich des Parteinsystems. Die SPD war die führende Partei der Linken. Zwischen den Parteien befand sich die kleinere FDP, welche auf Bundes- und Landesebene als Koaliationsmacher diente. Bis in die 70er Jahre blieb diese Verteilung stark und ungebrochen. Diese Konstellation lässt sich dabei aber nicht nur durch die Wählerpräferenzen erklären, sondern war auch durch das restriktive Parteilizenzierungsverfahren durch die Besatzungsmächte begründet. Eine ebenso wichtige Rolle spielten dabei die Eliten, welche die rechte Mitte vereinigen wollten und dabei die konfessionellen Spaltungen überwanden. Des weiteren war auch die Novelierung des Wahlsystems für diese Entwicklungen förderlich, welche in den 50er Jahren stattfand und sehr kleine Parteien ausschloss. Traditionell waren es aber neben diesen Faktoren die gesellschaftlichen Gruppen, welche das Vierparteiensystem aus CDU, CSU, SPD und FDP förderten und stabilisierten. Die CDU und CSU erhielten immer starke Unterstützung von den Kirchgängern, die SPD von gewerkschaftlich organisierten Industriearbeitern. Diese Muster dauerten bis zum Ende des 20.Jahrhunderts an, doch hat ihre Relevanz in jüngster Zeit aus zwei Gründen stark abgenommen: Die relevanten gesellschaftlichen Gruppen sind kleiner geworden (structural dealignment), und die großen Parteien bilden nunmehr Wählerkoalitionen, die über diese Gruppen hinausgehen. (vgl. Scorrow 1999, S. 72)
Schlechtes Abschneiden bei den Wahlen in den 50er Jahren veranlassten die SPD zur Veränderung in Richtung einer Volkspartei. Das deutlichste Anzeichen dabei war dabei die Annahme des Bad Godesberger Programms im Jahr 1959. In den 60er und 70er Jahren trugen die Anstrengungen der SPD sich als „Linke Volkspartei“ zu positionieren dazu bei, die wachsende Mittelschicht und die Beamten als Anhänger zu gewinnen. Nach der Zeit in der grossen Kaolition verhalf die kombinierte Unterstützung der neuen Mittelschicht und der Arbeiterschaft der SPD zu Übernahme der Regierung. In den folgenden Jahrzehnten wurde die Unterstützung der wachsenden neuen Mittelschicht ein zunehmend wichtigerer Aspekt der SPD- Wahlstrategie.
Seit der Gründung im besetzen Deutschland verstand sich die CDU als interkonfessionelle Volkspartei auf breiter gesellschaftlicher Grundlage. Diese Ausstrahlung war so erfolgreich, dass sie die CDU in den ersten zwanzig Jahren der Bonner Republik an der Spitze der Bundesregierung hielt. Nach der Zeit als Oppositionspartei verpflichtete sich die CDU einer noch breiteren Strategie, um noch mehr Wähler gewinnen zu können.
In den 60er und 70er Jahren kam es zu einer Strategie der inhaltlichen Angleichung. Die sozialen Trends sollten so reflektiert und verstärkt werden. Dabei war dies der Ausgangspunkt, dass die gruppenspezifischen Parteibindungen zurückgingen. So verpassten die Parteien neue soziale und ökonomische Gruppen als Anhängerschaft gewinnen zu können und waren somit mit einer Wählerschaft konfrontiert, welche sich zunehmend von den traditionellen Alternativen entfernte und neue Optionen in Erwägung zog.
Die FDP, der Partei zwischen den großen Volksparteien, kam von jeher eine gewisse Sonderrolle bei den Wählern zu, da diese aus wahltaktischen Gründen den jeweils liberalen Teil der Regierungsparteien stärken konnten. Durch diese Besonderheit des 2 ½ Parteiensystem kann von einem strukturellen Defizit des Parteiensystems gesprochen werden (vgl. Küchler 1990, S. 421).
In den späteren 70er Jahren kam es dann zu einem elektoralen Wandel, in dem die Grünen Unzufriedene der SPD geführten Regierung auf sich vereinigen konnten. Die Bereiche Umweltschutz, Frauenrechte und Abrüstung waren Bereiche, die Präferenzen neuer gesellschaftlicher Gruppen traf. In dieser Zeit brach die Mitte Links Koalition der SPD zusammen, indem die FDP sich mit der CDU/CSU zu einer Koalition vereinigte. Diese Regierung wurde dann in der Folgezeit dreimal bestätigt. In dieser Zeit formierte sich auch eine zunehmende Unterstützung der rechtsextremen Parteien.
Generell können Parteien bei Wahlen auf Dauer nur dann erfolgreich sein, wenn sie fundamentale Interessen eines relevanten Bevölkerungssegments systematisch aufnehmen und in das politische System hinein vermitteln können. (vgl. Küchler 1990, S. 422). Das Beispiel FDP zeigt, dass dieses Bevölkerungssegment nicht klar umrissen sein muss, dass eine sehr kleine Stammwählerschaft ausreichend ist – vorausgesetzt, die von dieser Partei repräsentierten Interessen haben eine über die Stammwählerschaft weit hinausreichende Basis in der Bevölkerung. Eine längerfristige Etablierung einer Partei mit nur einem Themenkomplex scheint fragwürdig (Küchler 1990, S. 421). Die dauerhafte Etablierung der Grünen kann diese These im Nachhinein sicher nicht widerlegen, da die Partei ihr eindimensionales Profil aufgegeben hat.
Die Ereignisse von 1989 und 1990 mit der Wiedervereinigung veränderten abrupt alle politischen Überlegungen in Deutschland, obwohl die Integration von annähernd 15 Millionen Ostdeutschen erst einmal sehr wenig Veränderungen in der Parteibesetzung erbrachte. Die etablierten West- Parteien bildeten sehr schnell formale Bündnisse und die SED- Nachfolgepartei PDS war die einzige Partei, welche sich durch eine stabile Wählerschaft, entgegen der anfänglichen Prognosen, im Bundestag etablieren konnte.
Die SPD konnte sich in den Landes- und Bundestagswahlen nicht durchsetzen, entgegen der Meinung mancher Forscher, die den traditionellen hohen Wähleranteil der Sozialdemokraten aus der Weimarer Republik in dieser Region der SPD zurechnen wollten. Die zögerliche Haltung bei der Wiedervereinigung unter Lafontaine spielte dabei eine Rolle und die CDU/FDP Regierung errang dort Erfolge bei den Wahlen nach der Wiedervereinigung.
In der folgenden Bundestagswahl 1994 schaffte es die SPD zwar im Osten über 30% zu kommen, doch die unzufriedenen Wähler wanderten zur PDS über. Die PDS ist seither die Partei, welche im Osten konstant ihren Wähleranteil beibehalten bzw. erhöhen konnte, obwohl sie im Westen nur eine marginale Rolle spielt.
Bei der Bundestagswahl 1998 kam es dann zum Regierungswechsel, welcher wiederum verdeutlichte, dass die gesellschaftlichen Spaltungen und die wachsende Unvorhersehbarkeit von Wahlergebnissen und Koalitionsüberlegungen die politische Landschaft in Deutschland prägen. Die Wählerpräferenzen haben sich verschoben und die Parteien reagieren darauf mit einer Veränderung der Parteistrategien und Parteiprogrammen.
2.2. Kennzeichen der veränderten Wählerpräferenzen und die programmatische Reaktion der Parteien
Seit den 80er Jahren kommt es zu bedeutenden Änderungen in den etablierten Mustern des politischen Wettbewerbs in Deutschland. „Ein früher Trend war der Rückgang der gesellschaftlichen Gruppen, welche die Basis für die traditionellen politischen „cleavage“ waren.“ (Scarrow 1999, S. 75). Auf der politischen Rechten reduzierte die Säkularisiation die Unterstützung der Kirchgänger für die CDU. Auf der Linken zwangen Änderungen in der Arbeitswelt die SPD, ihre Abhängigkeit von der Unterstützung durch die Arbeiter. Der Anteil schrumpfte von 51 % an der Gesamtbevölkerung auf 42% im Jahre 1980. Somit wurde es schwieriger für die SPD die Wahlen zu gewinnen, indem sie nur auf die Arbeiterschaft baute.
Durch die Wiedervereinigung kam es dann zu einer Aufweichung der traditionellen „cleavages“. So wurde z. B. durch den vorherrschenden Säkularismus in Ostdeutschland das Bild der CDU als Partei der Kirchgänger verwässert und die traditionelle Arbeiterpartei SPD konnte in den Neuen Länder keine Mehrheit in der Arbeiterschaft gewinnen.
Ein weiteres Indiz für die Auflösung der Parteienbindung waren die sinkenden Mitgliederzahlen den Alten Ländern. Obwohl die Parteien nie mehr als 5 % der Wähler als Mitglieder hatten, waren es die Parteimitglieder und ihre Familien, die die politischen Spaltungen in den Reihen der politische Engagierten verankerten. Seit den frühen 80er Jahren verflachte das vorangegangene Wachstum und seitdem ist eine stetige Abnahme zu verzeichnen. Dies sind Indizien, dass demographische und politische Veränderungen die etablierten Muster des Parteienwettbewerbs auflösen.
Eine weitere Präferenzänderung ist die Einstellung und Loyalität zu den gewählten Parteien. Die Individualisierungstedenzen drücken sich dabei so aus, dass sich die Fluktuation der Wähler zwischen 1976 und 1994 verdoppelte. Weitere Indizien sind die sinkende Wahlbeteiligung und die zunehmende Anzahl der Wähler, welche sich gegen die traditionellen Volksparteien CDU/CSU und SPD entscheiden.
Über die sich abzeichnenden Veränderungen des deutschen Wahlverhaltens, durch die veränderten Wählerpräferenzen und den Wegfall der traditionellen Wahlmuster, herrscht bei den Wissenschaftlern Unklarheit. Manche Wissenschaftler stellen die Fluktuation der Wähler in den Vordergrund andere die abnehmende Anzahl der Parteimitglieder. Eine Einheitliche Einschätzung gibt es nicht.
Dagegen sind die Veränderungen von den Parteistrategen sehr wichtig. Für diese ist auch die kleinste Zunahme an Wählerfluktuation groß genug, um längerfristige Planungen zu erschweren. Dabei sind die Parteien besonders an den Wählern interessiert, welche sich zwischen wählen und nicht wählen entscheiden und zwischen Koalitionspartnern des gleichen Lagers wechseln, da diese Gruppen die Wahlen entscheiden können. Die sozialwissenschafltiche Kenntnis über das Wahlverhalten ist dabei von höchster Wichtigkeit für die Parteien, so führen sie eigene Umfragen um die möglichen Folgen des Wählerverhaltens bewerten zu können. Die SPD betonte daraufhin die wachsende Bedeutung der Wechselwähler. „Diese Studien richteten die Aufmerksamkeit auch auf den verschwindenenden Einfluss von traditionellen, sozio-politischen Verbindungen und das parallele Wachstum von durch Lebensstile definierte Milieus und soziale Strukturen, die ihren „Mitgliedern“ nur wenige politische Anhaltspunkte vermitteln.“ (SPD 1984)
Dabei kommt es zu dem Phänomen, dass sich die Wähler differenzierter, kurzfristiger, emotionaler, wechselhafter und unberechenbarer entscheiden. Dies führt dazu, dass die Gruppe der Wechselwähler die Wahl entscheiden. „Vor der Wahl 1994 berichtete der oberste Parteimanager der SPD seinem Parteitag: Die gut 40 Prozent politisch nicht mehr gebundenen Wähler, die sich von niemanden mehr richtig vertreten fühlen und die auf die Frage, welche Parte ihnen die sympathischste ist, schlicht und einfach antworten: ‚gar keine‘. Das ist die für die Wahl entscheidende Gruppe. (SPD 1993: 364)
Wählerloyalitäten 1972 – 1994
1972 1976 1980 1983 1987 1990 1994
Prozentanteil der Wähler mit Partei- 75 81 75 74 72 71 67
Identifikation (bis 1994 Westdeutschland)
Sehr starke Parteienidentifikation 17 12 13 10 10 11 12
Starke Identifikation 38 35 23 29 31 29 24
Schwache Identifikation 20 35 29 35 31 31 31
Keine Identifikation (Ablehnung) 20 16 19 22 25 27 31
Wechselwähler 16 24 21 23 24
Tabelle 1: Scarrow 1999, S. 77
Diese Erkenntnisse stehen im Einklang mit der obigen Tabelle. So ist die Parteibindung immer mehr zurückgegangen und die Präferenzen verschieben sich weg von einer starken Identifikation mit den Parteien, hin zu Wechselwählern und wenig pateigebundenen Wählern. Diese Entwicklung hat auch mit den programmatischen Änderungen zu tun, dass die Parteien ein immer breiteres Spektrum abdecken wollen und somit ihre traditionell gebundenen Wähler vernachlässigen.
Die wachsende Bedrohung der traditionellen Wählermuster durch die traditionellen „cleavage“ wird dadurch verstärkt, dass die Parteien darüber hinaus noch im Wettbewerb stehen, die Stimmen nicht an die neu hinzugekommen Parteien extremen Linken und Rechten Parteien zu verlieren.
2.3. Der Wandel der Wählerpräverenzen anhand eines konkreten Beispiels: Die ökologische Bewegung in den 80er Jahren
Ende der 80er Jahre war es für die gesamte Gesellschaft von höchstem Interesse, wie sich die Politik im Themenfeld der Ökologie artikulierte. Im Gegensatz zum Beginn der 80er Jahre waren Probleme wie Luftverschmutzung, Wasserverseuchung, sterbende Wälder im Blickpunkt der Interessen. Hatte in dieser Zeit nun wirklich eine komplett neue Ära der Wählerpräferenzen begonnen, in der alte Loyalitäten überworfen wurden (dealignement) und sich die Wählerschaft neu formiert (realignment) entlang einer neuen Politik (vgl. Küchler 1989, S. 419).
Die Friedens- und Umweltbewegung der damaligen Zeit kann aber nicht auf diese eindimensionalen Themenkomplexe reduziert werden. Vielmehr entstanden neue Wählerpräferenzen, eine fundamentale Alternativbewegung, welche als ideologisches Band zwei primäre Merkmalszüge aufwies:
- Zum einen bestimmt durch die humanistische Kritik des herrschenden gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Systems mit der Sorge um die Bedrohung des Systems.
- Die Entschlossenheit innerhalb des politischen Systems für eine bessere Welt zu kämpfen und nicht Zuflucht in einem spirituellen Refugium zu suchen. (Küchler 1989 S. 419)
Dabei wurde die gesamte Umwelt als unmenschlich wahrgenommen: die Überbetonung von Leistung und Auslese (Sozialdarwinismus), die Vergeudung und Zerstörung der natürlichen Ressourcen und das Beharren auf der Dominanz der militärischen Stärke in internationalen Beziehungen. Diese Bewegung fand aufgrund mehrerer Faktoren einen fruchtbaren Boden: z. B. durch die grenzübergreifenden Umweltprobleme und das anhaltende Wettrüsten und konnte somit nicht mehr ignoriert werden. Dabei können die Grünen nicht als der parlamentarische Arm der Bewegung verstanden werden, da sich die Alternativbewegung und die Grünen entfernten. Ausserdem kann der Wähleranteil der Grünen nicht allein als der Teil der Alternativen verstanden werden. Um die ganze Veränderung aufgreifen zu können, müssen auch die programmatischen Veränderungen der anderen Parteien erfasst und die Veränderungen in deren Wählerschaft aufgegriffen werden (erfolgt im Teil 2). Dennoch ist festzustellen, dass auch einzelne Extremereignisse zu einer enormen Steigerungsrate im Wahlabsichtsverhalten führen können.
Wahlabsicht im Zeitverlauf:
(Erhebungsform: Hier ist ein Stimmzettel, wie Sie ihn bei einer Bundestagswahl bekommen. Sie können ja zwei Stimmen vergeben. Die erste Stimme für einen Kandidaten hier in Ihrem Wahlkreis, die zweite für eine Partei. Und welche Partei würden Sie wählen?)
CDU/CSU SPD FDP GRÜNE
Jan. 1986 43,2 44,5 4,6 6,8
Mrz.1986 38,4 49,2 4,4 7,8
AKW- Unglück- Tschernobyl
Mai.1986 38,7 43,1 4,5 12,4
25.1.1987 44,3 37,0 9,1 8,3
Tabelle 2: Küchler 1990, S. 425
Dabei ist auffällig, dass die manifesten Konsequenzen des Kernkraftunglücks in Tschernobyl nur von sehr kurzer Dauer waren. Doch man kann auch erkennen, dass den Grünen im Bereich der Ökologie das grösste Vertrauen geschenkt wird. Welchen Parteien in welchen Bereichen das grösste Vertrauen geschenkt wird, das werde ich später aufzeigen.
Die Wahl 1987 folgt somit etablierten Mustern. Das Unglück von Tchernobyl konnte die Aufmerksamkeit auf das Thema Umwelt focusieren, dennoch hat dies nur kurzfristig die Wählerpräferenzen in das „linke“ bzw. Grüne Lager gelenkt.
Insgesamt sollte dieser Punkt klären, welche Voraussetzungen in den 80er Jahren gegeben waren, das etablierte 2 ½ Parteiensystem aufbrechen zu können.
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