Eine verzweifelte Flucht, ein kühner Traum vom Fliegen und die unbändige Sehnsucht nach Freiheit – die antike Sage von Daedalus und Ikarus, meisterhaft von Raphael Stirnimann neu interpretiert, entfaltet eine zeitlose Geschichte über väterliche Liebe, jugendlichen Übermut und die verheerenden Konsequenzen von Hybris. Gefangen auf Kreta und getrieben von Heimweh, schmiedet der geniale Erfinder Daedalus einen waghalsigen Plan: mit selbstgebauten Flügeln aus Federn und Wachs will er und sein Sohn Ikarus dem Labyrinth des Minos entfliehen. Doch der Flug wird zu einer riskanten Prüfung, als Ikarus, berauscht von der neu gewonnenen Freiheit und getrieben von jugendlicher Unbesonnenheit, die Warnungen seines Vaters ignoriert und der Sonne zu nahe kommt. Das Wachs schmilzt, die Federn lösen sich, und der Traum vom Fliegen verwandelt sich in eine tödliche Tragödie. Stirnimanns Interpretation der klassischen Sage ist nicht nur eine spannungsgeladene Abenteuergeschichte, sondern auch eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den Themen Verantwortung, Gehorsam und den Grenzen menschlichen Ehrgeizes. Die detailreiche Beschreibung der Flugapparatur, die psychologische Tiefe der Charaktere und die atmosphärische Dichte der Schilderungen entführen den Leser in eine Welt voller antiker Mythen und zeitloser Weisheit. Ein unvergessliches Leseerlebnis für Liebhaber klassischer Literatur, griechischer Mythologie und fesselnder Erzählkunst. Die Geschichte von Daedalus und Ikarus ist eine Parabel über die Balance zwischen Innovation und Vorsicht, zwischen dem Streben nach Höherem und der Anerkennung der eigenen Grenzen. Sie mahnt uns, die Weisheit der Älteren zu respektieren und die Konsequenzen unseres Handelns zu bedenken. Eine fesselnde Erzählung über Erfindungsgeist, Vaterliebe und den tragischen Preis der Unachtsamkeit, eingebettet in die faszinierende Welt der griechischen Sagen und Mythen. Dieses Werk ist ein Muss für alle, die sich von zeitlosen Geschichten inspirieren lassen und über die conditio humana nachdenken möchten.
Daedalus, Icarus und Perdix VIII, 183-259)
Raphael Stirnimann
Daedalus, der inzwischen Kreta und die lange Verbannung Hasste und vom Heimweh gepackt war,
War rings vom Meer umschlossen. "Mag er auch die Länder", sagte er, "und die Wogen Versperren; aber der Himmel steht gewiss offen; dort werden wir gehen! Mag er auch alles besitzen, den Luftraum besitzt Minos nicht." Sprach’s und versenkt seinen Geist in unerhörtes Beginnen Und schaff neue Natur. Denn er ordnet an in Reihen die Federn, Wobei er mit der kleinsten beginnt und eine kürzere der langen folgen lässt, So dass man glauben könnte, Sie seien an einem Abhang gewachsen. So erlebt sich zuweilen Die ländliche Flöte allmählich mit den ungleich geschnittenen Röhren.
Darauf verbindet er mit Garn die Federn in der Mitte und die ganz unten mit Wachs Und beugt die so angeordneten Federn mit einer leichten Verkrümmung um echte Vögel zu imitieren. Der Knabe Icanus stand Dabei und nicht ahnend, dass er an das eigene Verhängnis rührte, Haschte er bald mit vor Freude strahlendem Gesicht nach den Federn, die leicht wehende Luft bewegt hatte, Und bald knetete er bald mit dem Daumen das gelbe Wachs und behinderte mit seinem Spiel das staunenswerte Werk seines Vaters. Nachdem die letzte Hand an das Unternehmen angelegt war, Verteilte der Meister selbst das Gewicht seines Leibes auf die beiden Flügel, bewegte die Luft und schwebte in ihr.
Und er unterweist seinen Sohn und sagt: "Ich mache Dich, auf mittlerer Bahn, Dahin zu eilen, damit nicht, wenn du zu tief fliegst, Das Wasser die Federn beschwert, wenn du zu hoch fliegst, das Feuer sie anbrennt.
Zwischen den beiden Extremen fliege! Ich fordere Dich auf nicht auf den Bobotes zu sehen Oder die Helice und das gezückte Schwert Orions:
Unter meiner Führung tritt die Reise an!" Zugleich übergibt ihm die Flugvorschriften Und passt die unbekannten Flügel den Schultern an.
Während der Arbeit und den Ermahnungen wurde die Wangen des Alten feucht Und die Hände des Vaters begannen zu zittern. Er gab seinem Sohn Küsse - Sie sollten nicht ein zweites mal wiederholt werden- und von den Federn hochgehoben, Fliegt er und fürchtet um seinen Begleiter, wie ein Vogel, der seine zarte Brut Vom hohen Nest in die Luft [Lüfte] geführt hat.
Und er ermahnt ihn, ihm zu folgen, lehrt ihn verderbliche Künste, Bewegt selbst die eigenen und schaut zurück auf die Flügel des Sohnes.
Diese erblickte einer, während er mit zitternder Rute Fische fing Oder ein Hirt, der sich auf seinen Stock oder ein Pflüger, der sich auf seinem Pflug stützte Und erstaunte [erstarrte] und glaubte es seinen Götter, da sie Den Himmelsraum durchmessen konnten. Und schon war die der Iuno Geweihte Insel Samos zur Linken, Zur Rechten war Lebintos und das honigreiche Calyme, Als der Knabe sich am kühnen Flug zu freuen begann, Den Führer verliess und von Drang nach dem Himmel erfasst, eine Höhere Bahn einnahm. Die Nähe der verzehrenden Sonne Weicht das duftende Wachs, das Bindemittel der Feder, auf. Geschmolzen war das Wachs. Jener schüttelt seine nackten Arme Und kann, seiner Flügelruder beraubt, keine Lüfte mehr fassen Und sein Mund, der den Namen seines Vaters ruft, wird von der Blauen Wasserflut aufgenommen, die den Namen von ihm bekam.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Auszug "Daedalus, Icarus und Perdix VIII, 183-259"?
Der Auszug erzählt die Geschichte von Daedalus und Icarus, in der Daedalus Flügel für sich und seinen Sohn Icarus baut, um von Kreta zu fliehen. Er warnt Icarus, nicht zu hoch oder zu tief zu fliegen, aber Icarus ignoriert die Warnung, fliegt zu nah an die Sonne, wodurch das Wachs, das die Federn zusammenhält, schmilzt. Icarus stürzt ins Meer und ertrinkt. Daedalus begräbt seinen Sohn, und das Land wird nach Icarus benannt.
Wer sind die Hauptfiguren in dieser Geschichte?
Die Hauptfiguren sind Daedalus, ein erfinderischer Handwerker, und sein Sohn Icarus.
Was ist die Moral oder die Lehre der Geschichte?
Die Geschichte dient als Warnung vor Übermut und dem Ignorieren von Ratschlägen. Icarus' Ungehorsam führt zu seinem Untergang.
Was symbolisieren die Flügel?
Die Flügel symbolisieren Freiheit, Flucht und die Möglichkeit, Grenzen zu überwinden. Sie repräsentieren aber auch die Gefahr des Strebens nach zu hohen Zielen ohne Vorsicht.
Was ist die Bedeutung von Perdix in dem Auszug?
Perdix, das Rebhuhn, wird erwähnt, als Daedalus Icarus begräbt. Perdix bezeugt Daedalus' Untat durch Gesang und Beifall. Der Text deutet an, dass Perdix einst ein Mensch war, der von Daedalus verwandelt wurde, möglicherweise aufgrund von Neid auf dessen Erfindungskraft. Perdix erinnert Daedalus an seine vergangene Untat.
Welche Rolle spielt das Meer in der Geschichte?
Das Meer bildet die natürliche Barriere, vor der Daedalus fliehen möchte. Es ist auch der Ort von Icarus' Tod, was die Gefahr symbolisiert, wenn man die Grenzen überschreitet.
Was bedeutet die Zeile "neue Natur erschaffen"?
Die Zeile "neue Natur erschaffen" beschreibt Daedalus' erfinderischen Geist und seine Fähigkeit, etwas völlig Neues zu schaffen, nämlich die Flügel, die es ihm und seinem Sohn ermöglichen, zu fliegen.
Was passiert, nachdem Icarus ins Meer gestürzt ist?
Daedalus betrauert seinen Sohn, begräbt ihn und das Land wird nach Icarus benannt. Die Erwähnung des Rebhuhns (Perdix) am Ende erinnert an eine frühere Tat des Daedalus, was seine Schuld verstärkt.
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- Raphael Stirnimann (Author), 2000, Ovid - Daedalus, Icarus und Perdix VIII, 183-259), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95568