1. Geschichte
Das Liberale Forum (LIF) entstand im Februar 1993, nach der Abspaltung von fünf Abgeordneten (Heide Schmidt, Friedhelm Frischenschlager, Hans-Helmut Moser, Klara Motter und Thomas Barmüller) von der FPÖ. Von Beginn an verstand sich die Partei als von den anderen Fraktionen unabhängig und den Werten der Aufklärung verpflichtet. Darüber hinaus lehnte sie jegliche Art von nationalistischen Tendenzen (Haider-FPÖ) ab, wobei sie sowohl von anderen Parteien, als auch von ehemaligen Mitgliedern der FPÖunterstützt wurde.
Die Gründe für die Lostrennung der Abgeordneten sind besonders in der Person des Jörg Haider zu finden, der durch seine nationalistischen Äußerungen ("ideologische Mißgeburt Österreich" oder "ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich"), seine ausländerfeindlichen Aktionen (Volksbegehren "Österreich zuerst") und seine ablehnende Haltung gegenüber der EU von zahlreichen Parteimitgliedern kritisiert wurde. Der Zeitpunkt für die Geburt des LIF war insofern geschickt gewählt, als daßHeide Schmidt durch den Präsidentschaftswahlkampf für die FPÖhohe Bekanntheit erworben hatte und die FPÖdurch den eindeutigen Mißerfolg des Anti-Ausländer-Volksbegehrens in einer Krise war. Eineinhalb Jahre nach seiner Gründung wurde das LIF Mitglied der Liberalen Internationale.
Das politische Überleben wurde dem LIF erst durch einen Wandel im Wahlverhalten der Österreicher ermöglicht. In den letzten Jahren zeigte sich nämlich ein deutlicher Trend, weg vom Parteibuch ("Stamm-Rot", "Erz-Schwarz"), hin zum ungebundenen Wähler, der sich in Hinsicht auf seine Stimmabgabe auf kein politisches Lager fixiert.
2. Organisation und Umfang
Das LIF gliedert sich nach zwei Prinzipien, einerseits territorial und andererseits themenorientiert.
Bei der territorialen Struktur unterscheidet man zwischen Bunds- und Landesebene. Anders als die "Großparteien" verfügen die Liberalen über keine Organisationen auf Orts- oder Bezirksebene. Stattdessen wird die Landesebene durch eine themenorientierte Gliederung ergänzt.
Als höchste Instanz im LIF tagt zweimal im Jahr das Bundesforum (BF, 183 Mitglieder), bestehend aus Mitgliedern der neun Landesforen und den Delegierten der Bundesberaterkonferenz (BBK) bzw. der Bundesrepräsentantenkonferenz (BRK). Dieses BF wählt aus seiner Mitte den Bundessprecher der Partei und legt die Richtlinien für die Parteipolitik fest. Zweithöchste Instanz ist das Bundespräsidium (BP, 8 Mitglieder1 ). Das BP wählt den Bundesgeschäftsführer und die Kandidaten aus Bundesebene, und es leistet Arbeit im Bereich der Koordination, d. h., es setzt die Richtlinien des BF um.
Im Gegensatz zur Bundesebene stehen die Landesorganisationen des LIF (noch) auf unsicherem Fundament. Dies zeigen auch die niedrigen Bekanntheitsgrade der liberalen Landespolitiker, wohingegen Heide Schmidt nicht über einen Mangel an Bekanntheit klagen kann.
Das LIF weist praktisch keine Parteimitglieder auf. Die 3000 "Partner", über das es derzeit verfügt, sind bedeutungslos. Der Trumpf liegt in der Medienpräsenz der Partei und in der Person Heide Schmidt, die das LIF erst zu dem macht, was es ist, nämlich einer Parlamentspartei.
3. Ideologie und Parteiprogramm
Ideologisch gesehen steht das LIF für Liberalismus, sowohl in der Gesellschaft, als auch in der Wirtschaft, wobei der Mensch im Mittelpunkt stehen soll. Dieser Mensch ist dazu angehalten - entsprechend der Ideen der Aufklärung - eigenverantwortlich, eigeninitiativ, mündig und tolerant zu sein; er wir von der Vernunft geleitet, wodurch er zu Freiheit und Würde gelangt. Geistige Entfaltung kann er nur in einer durch Pluralismus geprägten Gesellschaft und in der freien Marktwirtschaft erreichen.
Im Bereich der Politik geht das LIF von der Annahme aus, daßes die Aufgabe der Politik sei, durch eine vernünftige Rahmengesetzgebung (Mindeststandards) dem Individuum ausreichend Freiraum zu erhalten. Weiters plädiert das LIF für eine fixe Trennung von Kirche und Staat, der rechtlichen Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Partnerschaften, das Recht auf Euthanasie, eine Liberalisierung der Drogenpolitik und eine Lockerung der Abtreibungsbestimmungen.
Innerhalb des LIF kann man zwei Gruppen unterscheiden. Auf der einen Seite die "Linksliberalen", die sich gegen die reine Marktwirtschaft wenden und auf die soziale und ökologische Verantwortung des Staates verweisen, und auf der anderen Seite die "echten Wirtschaftsliberalen"2, die auf die vorrangige Stellung der ungehinderten Wirtschaft pochen.
Stimmenmäßig liegt das LIF deutlich hinter SPÖ, ÖVP und FPÖzurück und ist in etwa mit den Grünen vergleichbar. Bei ihrer ersten NR-Wahl 1994 erreichte es 5,97 % der Stimmen und zog mit 11 Mandataren in den NR ein. Bei den Neuwahlen 1995 büßte es zwar Stimmen ein (5,51 %; 10 Mandate), überholte jedoch die Grünen. Trotz der Medienwirksamkeit ihrer Bundessprecherin Heide Schmidt und der Zielsetzung als "neue Kraft" im Parlament, ist es den Liberalen bisher noch nicht gelungen, als Oppositionspartei auf wichtige Entscheidungen der staatlichen Ebene Einflußzu nehmen. Im Landtag ist das LIF nur in Niederösterreich und in der Steiermark vertreten.
4. Perspektiven
Ein Problem der Liberalen ist der Ruf, eine "Ein-Frau-Partei" zu sein. Ohne Heide Schmidt wäre es nicht zur Gründung des LIF gekommen, und ohne sie könnte die Partei auch nicht weiter existieren. Ein anderes Problem liegt in der Tatsache, daßviele Wähler das LIF nicht wegen seiner politischen Kompetenz unterstützen, sondern um einen politischen Protest (vor allem gegen die Haider-FPÖ) zum Ausdruck zu bringen. Der Rest der Wählerschaft beschränkt sich zum Großteil auf eine elitäre Gruppe von Menschen, meist bessergebildete Männer und vor allem Frauen, aus dem städtischen Milieu.
Laut eigenen Aussagen ist das LIF bereit, jedes Amt in Österreich übernehmen zu wollen, womit es auch klarstellt, für eine eventuelle Koalition (außer mit der FPÖ) zu Verfügung zu stehen. Bei der Bundespräsidentenwahl 1998 zieht für das LIF ihre Galionsfigur Heide Schmidt in Rennen.
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1 Sprecher von BBK und BRK, Bundessprecher und deren Stellvertreter, Bundesgeschäftsführer.
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Liberale Forum (LIF)?
Das Liberale Forum (LIF) ist eine politische Partei in Österreich, die im Februar 1993 durch die Abspaltung von fünf Abgeordneten der FPÖ entstand. Sie versteht sich als unabhängig und den Werten der Aufklärung verpflichtet und lehnt nationalistische Tendenzen ab.
Warum spalteten sich die Abgeordneten von der FPÖ ab?
Die Abspaltung der Abgeordneten von der FPÖ erfolgte hauptsächlich aufgrund der Person Jörg Haider, der durch seine nationalistischen und ausländerfeindlichen Äußerungen sowie seine ablehnende Haltung gegenüber der EU kritisiert wurde.
Wie ist das Liberale Forum organisiert?
Das LIF gliedert sich territorial in Bundes- und Landesebene. Im Gegensatz zu den "Großparteien" gibt es keine Organisationen auf Orts- oder Bezirksebene. Die Landesebene wird durch eine themenorientierte Gliederung ergänzt. Das Bundesforum (BF) ist die höchste Instanz, gefolgt vom Bundespräsidium (BP).
Wer sind die wichtigsten Akteure im LIF?
Heide Schmidt spielte eine entscheidende Rolle bei der Gründung und dem Erfolg des LIF. Ihre Medienpräsenz trug maßgeblich zur Bekanntheit der Partei bei.
Welche Ideologie vertritt das LIF?
Das LIF steht für Liberalismus in Gesellschaft und Wirtschaft, wobei der Mensch im Mittelpunkt stehen soll. Eigenverantwortung, Eigeninitiative, Mündigkeit und Toleranz sind zentrale Werte. Die Partei befürwortet eine fixe Trennung von Kirche und Staat, die rechtliche Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Partnerschaften, das Recht auf Euthanasie, eine Liberalisierung der Drogenpolitik und eine Lockerung der Abtreibungsbestimmungen.
Welche politischen Positionen vertritt das LIF?
Das LIF setzt sich für eine vernünftige Rahmengesetzgebung ein, die dem Individuum ausreichend Freiraum lässt. Es gibt jedoch unterschiedliche Meinungen innerhalb der Partei, wobei einige Mitglieder eine stärkere soziale und ökologische Verantwortung des Staates befürworten, während andere die ungehinderte Wirtschaft in den Vordergrund stellen.
Wie erfolgreich war das LIF bei Wahlen?
Bei ihrer ersten Nationalratswahl 1994 erreichte das LIF 5,97 % der Stimmen. Bei den Neuwahlen 1995 verlor es leicht an Stimmen (5,51 %), konnte aber die Grünen überholen. Im Landtag ist das LIF nur in Niederösterreich und in der Steiermark vertreten.
Welche Herausforderungen sieht das LIF?
Ein Problem des LIF ist der Ruf, eine "Ein-Frau-Partei" zu sein. Außerdem unterstützen viele Wähler die Partei nicht wegen ihrer politischen Kompetenz, sondern um einen politischen Protest auszudrücken. Die Wählerschaft beschränkt sich zum Großteil auf eine elitäre Gruppe von Menschen, meist bessergebildete Männer und vor allem Frauen, aus dem städtischen Milieu.
Welche Perspektiven hat das LIF?
Das LIF ist bereit, jedes Amt in Österreich zu übernehmen und steht für eine eventuelle Koalition (außer mit der FPÖ) zur Verfügung. Bei der Bundespräsidentenwahl 1998 trat Heide Schmidt für das LIF an.
- Quote paper
- Markus Sonnleitner (Author), 1997, Das Liberale Forum (LIF) Österreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95208