Sind Massenmedien systemstützend?


Hausarbeit (Hauptseminar), 1999

52 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit

2 Das Fernsehen als Amüsiermaschinerie
2.1 Über Huxley zu Postman
2.2 Medium und öffentlicher Diskurs
2.2.1 Von der Technik zum Medium
2.2.2 Medium, Wahrheit und Intelligenz
2.3 Auf dem Weg zur Allmacht des Fernsehens
2.3.1 Der Buchdruck als Ausdruck von Vernunft
2.3.2 Aufhebung von Raum und Zeit
2.4 Unterhaltung als kulturelles Leitmotiv

3 Das Mediensystem als Propagandamaschinerie
3.1 Propaganda als Herrschaftsinstrument ,,freiheitlicher" Demokratien
3.2 Ein Propagandamodell
3.2.1 Größe, Besitzverhältnisse und Profitorientierung der Massenmedien
3.2.2 Werbegelder aus der Privatwirtschaft
3.2.3 Quellen nachrichtenwürdiger Information
3.2.4 Disziplinierungsstrategien
3.2.5 Antikommunismus als Abgrenzungsmechanismus
3.3 Vom Modell zur Praxis
3.4 Propaganda in Zeiten der Systemkonfrontation

4 Massenmedien und Macht
4.1 Chomsky versus Postman
4.2 Fernsehen als Herrschaftsinstrument?
4.2.1 Fernsehen und Politik
4.2.2 Fernsehen und Kapitalismus
4.3 Ergebnisse

5 Bewertung

Literatur

1 Gegenstand und Zielsetzung der Arbeit

Darüber, daß die in der modernen Gesellschaft omnipräsenten Massenmedien dem Grundsatz nach auf den Menschen Einfluß nehmen, daß sie gar einen erheblichen, wenn nicht entscheidenden Anteil daran haben, was der Mensch als die in seinen Augen faktische Lebenswirklichkeit empfindet, herrscht heutzutage aus kommunikations- und medienwissenschaftlicher Sicht weitgehende Einhelligkeit. Differenziertere Fragen danach, wie weit dieser Einfluß der Massenmedien reicht, auf welchen Kanälen er vonstattengeht, welcher Qualität der durch ihn ausgelöste Bewußtseinsreflex im Rezipienten ist und welche nachvollziehbaren Auswirkungen sich daraus auf die bewußte und unterbewußte Erfahrungswelt des Menschen als auch rückwirkend auf die Massenmedien selbst ergeben, harren dagegen noch auf schlüssige und gemeinhin anerkannte Antworten.

Schon ein flüchtiger Blick auf die vielfältigen Erklärungsversuche aus dem Bereich der Medienwirkungsforschung, von denen ein jeder, bis auf wenige für überholt befundene Modelle, für sich Anspruch auf Gültigkeit erhebt, gewährt dem Beobachter einen Eindruck davon, wie wenig weit die wissenschaftliche Einvernehmlichkeit in diesem Bereich gediehen ist. Was nahezu all diese Ansätze indes gemeinsam haben, ist die relative Begrenztheit ihres Betrachtungsgegenstandes. In ihrer einseitigen Fixierung auf die zu entschlüsselnde Wechselbeziehung zwischen Mensch und Medium halten sie genau an dem Punkt inne, an dem es darum ginge, die neuerworbenen Kenntnisse über massenmediale Funktions- und Wirkungsweisen in einen größeren, gesamtgesellschaftlichen Bezugsrahmen zu stellen. Die Beschäftigung mit der Frage nach dem faktischen und potentiellen Einfluß der modernen Massenmedien auf die sie bedingende Sozietät und deren kulturelle, politische, organisatorische und normative Ausrichtung erscheint mir aber gerade als der eigentliche und unerläßliche Endzweck jedweden kultur-, medien und kommunikationswissenschaftlichen Forschungseifers. Denn die ganze Tragweite eines jeden Mediums wird erst dann erfaßbar, wenn man neben seinen unmittelbaren Wirkungen auf den Einzelnen seine Bedeutung für die Gesellschaft als Ganzes wie deren Rückstrahlungen auf den Einzelnen und schlußendlich auf das Medium selbst in seine Überlegungen einfließen läßt. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, daß das Medium, der Mensch und die Gesellschaft ein durchweg interdependentes Beziehungsgeflecht bilden.

Die beiden in der vorliegenden Arbeit behandelten Abhandlungen tragen dieser Einsicht grundsätzlich Rechnung, indem sie sich gleichermaßen darum bemühen, dem Leser den Blick dafür zu schärfen, welche Auswirkungen moderne Massenmedien nicht nur auf den Einzelnen, sondern auf die Gesellschaft als Ganzes zeitigen. Edward S. Hermans und Noam Chomskys Manufacturing Consent auf der einen und Neil Postmans Wir amüsieren uns zu Tode auf der anderen Seite betrachten unterschiedliche Ausschnitte der massenmedialen Landschaft in den USA und leiten von den darüber aufgezeigten Erkenntnissen ausgangnehmend ihre jeweiligen Bewertungen ab, welche, jede auf ihre Weise, medien- und gleichermaßen gesellschaftskritische Reflexe in sich bündeln.

Der gesellschaftskritische Aspekt bei Chomsky ist im Vergleich zu dem bei Postman nachgerade augenfällig. Chomsky glaubt hinter dem System moderner Massenmedien festgefahrene Machtstrukturen der herrschenden Eliten aus Politik und Wirtschaft dingfest zu machen, die den politischen und gesellschaftlichen Diskurs im Interesse einer dauerhaften Festschreibung ihrer privilegierten Stellung nach eigenem Gutdünken zu bestimmen und mit einseitig systemkonformem Inhalt zu füllen vermögen - das Mediensystem als Propagandamaschinerie. Es geht ihm also um das Verhältnis von Massenmedien und Macht im weitesten Sinne.

Dahingehende Stellungnahmen bleiben dagegen bei Postman weitestgehend unausgesprochen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, daß seine Darlegungen weniger in eine Gesellschafts- als vielmehr in eine grundsätzliche Kulturkritik münden: Postman will eine dem Mediensystem Fernsehen innewohnende ureigenste Struktur ausfindig gemacht haben, welche, jedweder Einflußsphäre der Fernsehmacher gänzlich entrückt, also quasi in Eigenregie, eine zwingende, unumkehrbare und folgenschwere Tendenz zu volksverdummender und -vernebelnder Unterhaltung zeitigt - Fernsehen als Amüsiermaschinerie.

Nicht nur in der Wahl ihres Betrachtungsgegenstandes - während Postman vorrangig das amerikanische Fernsehen in den Brennpunkt seiner Analyse rückt, erstreckt sich der Blick Chomskys überwiegend auf das amerikanische Pressewesen - und ihrer argumentativen Zielrichtung klaffen zwischen beiden Ansätzen breite Lücken, auch konzeptionell und methodisch weichen sie voneinander ab. Die Erkenntnisse Chomskys und Hermans speisen sich aus der Erhebung und Aufarbeitung eines umfangreichen empirischen Datenschatzes und beziehen daraus ihren Anspruch auf Gültigkeit. Im Gegensatz dazu haben die Thesen Postmans eher den Charakter subjektiver Beobachtungen, die einer klaren Strukturierung entbehren und somit dem Kriterium empirisch-analytischer Ausdeutung kaum gerecht werden. Damit sei ihre mögliche Richtigkeit keinesfalls von vorne herein in Abrede gestellt.

Der grundlegendste theoriespezifische Unterschied zwischen beiden besteht allerdings darin, welche Erscheinungsform massenmedialer Information sie untersuchen und welche Wesensmerkmale und Wirkungsweisen auf die Gesamtgesellschaft sie diesen zuschreiben. Während Chomsky ausnahmslos den konkreten Inhalt massenmedialer Berichterstattung, also die von Auge und Ohr des Zuschauers, Zuhörers und Lesers wahrnehmbaren Informationen analysiert, glaubt Postman eine der Gesamtheit massenmedialer Information gemeine Struktur nachweisen zu können, welche auf die Gedankenwelt ihrer Rezipienten übergeht und den denkbar nachhaltigsten Einfluß auf die Entwicklungsrichtung des Menschen und der Gesellschaft ausübt. Geradezu stillschweigend wird dabei in beiden Werken unterstellt, daß massenmediale Information in einem ursächlichen Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Lebenswelt durch den Rezipienten steht und somit in seiner Konsequenz nachhaltigen Einfluß auf dessen Gedankenwelt, insbesondere dessen Urteilsvermögen und die daraus entspringenden Handlungsmuster, ausübt.

Gerade aber die theoretische Verschiedenartigkeit beider Ansätze ist es, aus der sich die Zweckmäßigkeit einer vergleichenden Gegenüberstellung erst nährt. Denn Ziel dieser Arbeit wird es unter anderem sein zu erörtern, ob Postmans Fernseh- und Kulturkritik nicht weit mehr gesellschafts-, ja kapitalismuskritische Implikationen ermöglicht als man im ersten Moment vermuten würde, und dies um so mehr, als es offensichtlich nicht Postmans konkrete Absicht war, derartige Schlüsse nahezulegen.

Es wird zu zeigen sein, daß beide Theoretiker die Frage danach, ob Massenmedien das bestehende kapitalistische System stützen, bejahen, jedoch jeweils anhand unterschiedlicher Begründungen. Um zu ein und derselben Antwort zu gelangen, muß nicht zwingend ein und derselbe Weg beschritten werden, vielmehr kann sich dahinter ein breites Spektrum inhaltlich und qualitativ unterschiedlich beschaffener Erklärungsmodelle verbergen, die entscheidend durch den persönlichen Antrieb, den theoretischen Anspruch oder die wissenschaftliche Tradition, aus der heraus man argumentiert, präformiert sind.

Die unterschiedlichen Erklärungsmodelle näher zu bringen und verständlich zu machen, wird Aufgabe des ersten Teils der Arbeit sein, in dem es darum geht, die Ansätze Postmans und Chomskys ausführlich vorzustellen. In dem daran anschließenden Teil wird dann der Versuch unternommen, die Ansätze auf die Frage nach einem systemstützenden Element von Massenmedien zuzuspitzen, so desillusionierend und ernüchternd dies im Falle ihrer Bejahung auch ausfallen möge.

2 Das Fernsehen als Amüsiermaschinerie

2.1 Über Huxley zu Postman

In dem Vorwort zu einer Neuausgabe seines gut zwanzig Jahre zuvor in Originalausgabe erschienenen Romans Brave New World kennzeichnet Aldous Huxley ,,das Problem des Gl Ücks" und daran geknüpfte ,,von der Regierung geförderte Untersuchungen" als die ,,wichtigsten Manhattan-Projekte" der Zukunft (Huxley, 1996. S.17). In diesem Zusammenhang konstatiert er ferner:

Ein wirklich leistungsfähiger totalitärer Staat wäre ein Staat, in dem die allmächtige Exekutive politischer Machthaber und ihre Armee von Managern eine Bevölkerung von Zwangsarbeitern beherrscht, die zu gar nichts gezwungen zu werden brauchen, weil sie ihre Sklaverei lieben. Ihnen die Liebe zu ihr beizubringen, ist in heutigen totalitären Staaten die den Propagandaministerien, den Zeitungsredakteuren und Schullehrern zugewiesene Aufgabe. (Huxley, 1996. S.16)

Diese Ausführungen treffen, wenn auch in verkürzter Form, im Kern das, was Huxley uns beim Lesen seiner Schönen Neuen Welt an Erkenntnissen, Einsichten und Denkanstößen über unser aller Zukunft mit auf den Weg zu geben gedachte. Huxley inszeniert darin eine gesellschaftliche Ordnung, die sich aus einem durchweg homogenen Kollektiv genetisch nivellierter und pädagogisch konditionierter Scheinindividuen konstituiert und ihren dauerhaften Bestand der staatlich dekretierten, auf mannigfaltige Weise zelebrierten und allseits internalisierten, jeden Lebensbereich gleichermaßen in ihren Bann ziehenden Glückseligkeit verdankt; gestreng nach dem Motto: Wer glücklich ist, denkt nicht und wer nicht denkt, ist glücklich.

Heutzutage - [...] das ist wahrer Fortschritt! - arbeiten die alten Leute, erfreuen sich ihrer sexuellen Triebe, sind immer beschäftigt, das Vergnügen läßt ihnen keine Muße, keinen freien Augenblick, um sich hinzusetzen und nachzudenken. [...] Und wenn sie zurückkehren, [...], stehen (sie) auf dem sicheren Boden täglicher Arbeit und Unterhaltung. (Huxley, 1996. S.68)

Die Antwort auf die Frage nach den notwendigen Bedingungen immerwährenden Glücks konzentriert sich Huxley gemäß in dem Prinzip der Unterhaltung, womit eine der zentralen Begrifflichkeiten in Postmans Wir amüsieren uns zu Tode beim Namen genannt ist, um die sich dessen argumentatives Gedankengebäude verdichtet. Postman möchte Huxleys Schöne Neue Welt ausdrücklich als Warnung an uns alle begriffen wissen, wähnt er dessen düsteres und ernüchterndes Zukunftsszenario doch im fortgeschrittenen Stadium schleichender und allenthalben unbeachteter Realisierung. Wer Huxleys Verheißungen weiterhin als utopische Prophetie abzutun pflegt, wer sich dagegen sperrt, sie einer seriösen Diskussion über die Zukunft der Menschheit teilhaftig werden zu lassen, der verkennt, laut Postman, fahrlässig deren Wahrheitsanspruch, der verschließt die Augen davor, daß der ,,Ansturm der Zerstreuungen" [Postman, 1988. S.191] bereits in vollem Gange ist und unsere Zivilisation in ihren Grundfesten erschüttert. Er rechnet wie Huxley mit der Möglichkeit, ,,daßdie Menschen anfangen, ihre Unterdr Ückung zu lieben und die Technologien anzubeten, die ihre Denkfähigkeit zunichte machen" (ebd., S.7).

Huxleys Prognosen räumt er in Abgrenzung zu George Orwells 1984, in dem das Szenario einer von außen an die Menschen herangetragenen, aufgezwungenen und von jenen mit Mißfallen und Resignation erwiderten Macht geschildert ist, einen unvergleichlich größeren Aktualitätsbezug ein. In einer Zeit, in der Liberalismus und das Recht freier Entfaltung und Meinungsäußerung zu tragenden und offenbar unumstürzlichen Säulen demokratischen Selbstverständnisses in weiten Teilen unserer Erde versteinern, scheint die Gefahr weitestgehend gebannt, daß ,,die Kultur zum Gefängnis" (ebd., S.189) zu werden droht, da ,,unser gesamter kultureller Lebenszusammenhang uns darauf vorbereitet [hat], ein Gefängnis als solches zu erkennen" (ebd., S.190).

Postman sieht unsere Freiheit viel eher dahingehend gefährdet und unsere Kultur dadurch dem Zerfall preisgegeben, daß sie zusehends ,,zum Variet é verkommt" (ebd., S.189), dem wir aus unserem Innersten heraus mit Wohlwollen begegnen, mit einer Geisteshaltung eben, die, da heiterer geistiger Ermattung widerstandslos ausgeliefert, die eigene Unfreiheit zu schätzen lernt, ohne sie als solche zu identifizieren.

Wie aber gelangt er zu solch vernichtender Einschätzung und worin liegt die Bedrohung unseres kulturellen Erbes konkret begründet? Das ist eine Frage, die gemäß Postman nur eine Antwort zuläßt: im Fernsehen und dessen schier unbegrenztem Beitrag zur ,,Neubestimmung desöffentlichen Diskurses" (ebd., S.106). Das Land, welches beim ,,Abstieg in die grenzenlose Trivialität" (ebd., S.14) weltweit eine Vorreiterrolle spielt, sind die USA, deren kultureller Verfall sich anhand der Unterhaltungsmetropole Las Vegas versinnbildlichen läßt:

Denn Las Vegas hat sich ganz und gar der Unterhaltung verschrieben und verkörpert damit den Geist einer Kultur, in der der gesamte öffentliche Diskurs immer mehr die Form des Entertainments annimmt. (ebd., S.12)

Postman will das Fernsehen als Medium verstanden wissen, welches kraft seiner inneren Logik und in konsequenter Ausschöpfung seiner tendenziell in sich angelegten Entfaltungspotentiale eine kulturzersetzende Entwicklung in Gang setzen konnte. Dies geschah dadurch, daß nach und nach jeder Bereich des öffentlichen Lebens von seinem Einfluß in Beschlag genommen werden konnte.

Weitgehend ohne Protest und ohne daß die Öffentlichkeit auch nur Notiz davon genommen hätte, haben sich Politik, Religion, Nachrichten, Sport, Erziehungswesen und Wirtschaft in kongeniale Anhängsel des Showbusiness verwandelt. (ebd., S.12) Die zurückliegenden Ausführungen gewähren dem Leser einen ersten Eindruck davon, wie Postmans Argumentation gegen die von ihm empfundene Allmacht des Fernsehens und ,,das Zeitalter des Showbusiness" (ebd., S.105) in ihren Grundzügen angelegt ist. Aussagen dergestalt, daß die ,,Technik" Fernsehen eine ,,eigene Logik" (ebd.; 107) und spezifische Entfaltungspotentiale in sich verewige, legen die Vorstellung vom Fernsehen als einer jeglicher menschlichen Einflußsphäre entrückten, also autarken Einheit nahe, welche, ähnlich einem biologischen Organismus, entlang einer innerlich prädisponierten Entwicklungslinie und aus eigenem Antrieb nach größtmöglicher Ausschöpfung ihrer Potentiale strebt: Fernsehen besitzt demnach eine Art Eigenleben und Eigendynamik. Führt man diesen Gedanken konsequent weiter, so zeichnen nicht die Fernsehmacher als solche für den Inhalt fernsehvermittelter Information verantwortlich, vielmehr zwingt die innere Struktur des Mediums selbst, welche von Anbeginn seines Bestehens in sich durchweg determiniert ist, jene eben so und nicht anders zu handeln. Wodurch, gemäß Postman, dieses Determiniertsein begründet ist und wie das Medium den öffentlichen Diskurs zu prägen vermag, darüber sollen die folgenden Abschnitte Aufschluß geben.

2.2 Medium und öffentlicher Diskurs

Postmans Generalmobilmachung gegen das Fernsehen fußt auf einer der Gesamtheit seiner Argumentation den Nährboden liefernden Grundüberzeugung, wonach ,,[...] nämlich die Form, in der Gedanken zum Ausdruck gebracht werden, einen Einflußdarauf hat, welche Gedanken Überhaupt geäußert werden" (ebd., S.45). Danach sind die einzelnen Hilfsmittel, die die Bedingung für einen Gedanken- und Informationsaustausch zwischen den Menschen schaffen, keinesfalls neutral und inhaltsleer, vielmehr wohnt ihnen selbst schöpferische Kraft inne. Im Zusammenspiel erst ergeben das zu Vermittelnde und das Medium, kraft dessen der Informationsaustausch vonstatten gehen soll, ihren endgültigen Aussagegehalt, der nach Lage der Dinge die eigentlich intendierte Aussage verstärken, von jener abweichen oder aber ihr schlechterdings zuwiderlaufen kann. Medium und Information verschmelzen zu neuem Inhalt. Postman konzentriert sich in seiner Argumentation demgemäß ,,auf die Formen des kommunikativen Austauschs" die er auch als ,,Gespräch zwischen den Menschen" (ebd., S.15) verstanden wissen möchte. Dieses Gespräch ist zwingend durch die Medien, über die es in Gang gesetzt wird, bestimmt und hat hierdurch die denkbar größte Aussagekraft über die Kultur selbst. In den Worten Postman gesprochen stellt sich dieser Zusammenhang wie folgt dar: Dadurch,...

[...] daß die in einer Kultur verfügbaren Kommunikationsmedien einen beherrschenden Einfluß auf die Orientierung der intellektuellen und sozialen Bestrebungen innerhalb einer Gesellschaft haben (ebd., S.19),

...figurieren diese unweigerlich als wesentlichster Ausdruck eben dieser Kultur, machen Kultur genaugenommen erst zu dem, was und wie sie ist:

Kultur ist zwar ein Produkt der Sprache; aber von jedem Kommunikationsmedium wird sie neu geschaffen, von der Malerei und den Hieroglyphen ebenso wie vom Alphabet und vom Fernsehen. (ebd., S.19)

Diesem unauflösbaren Konnex von Kommunikation und Kultur das Wort redend, empfiehlt Postman in Anlehnung an die Lehre Marshall McLuhans, ,,daßman den klarsten Einblick in eine Kultur gewinnt, indem man ihre Werkzeuge zum kommunikativen Austausch untersucht"

(ebd., S.18).

Unter Werkzeugen sind neben der ,,gesprochenen Sprache" auch ,,alle Techniken und Technologien, die es den Angehörigen einer bestimmten Kultur erlauben, Botschaften auszutauschen" (ebd., S.15) zu subsumieren. Jeder dieser Techniken wohnt, wenn auch in jeweils unterschiedlicher Ausprägung, die Kraft zur Neubestimmung des öffentlichen Diskurses, im weitesten Sinne der Kultur, inne, sofern nur der gesellschaftliche Boden, auf den sie fallen, sich als empfänglich erweist und ihre Potentiale in adäquater Form gedeihen läßt.

Die zurückliegenden Ausführungen unterstellen eine Korrelation zwischen Medium und Kultur. Da jene dem Gedankengebäude Postmans als Fundament dient, auf dem all seine weiteren Darlegungen aufbauen, erscheint es notwendig, die von ihm zur Stützung dieses Sachverhaltes vorgebrachten Belege ins Bewußtsein zu rücken.

2.2.1 Von der Technik zum Medium

Postman zeichnet im Zuge seiner Abhandlung den Werdegang einer Technik (Technologie) hin zu einem Medium nach. Einzig derjenige, der sich mit der Geschichte der Technik nicht ernsthaft befaßt hat, läuft Gefahr, dem Irrtum zu erliegen, man könne einer Technik im Verlauf ihrer Entwicklung jemals den Rang einer in sich neutralen, will heißen auf keinen gezielten Zweck zuschießenden, nach allen praktisch mit ihr umsetzbaren Möglichkeiten offenen Größe zuschreiben. Auch wenn die Technik, betrachtet in Gestalt ihrer rein materiellen, apparativen Gegenständlichkeit, als bloße Maschine erscheint, so ,,weist jede Technik [...] eine bestimmte Tendenz oder Perspektive auf" (ebd., S.107), die sie zu dem werden läßt, was in ihrem Inneren an Potentialen vorgegeben ist, und dies vom ersten Moment ihres Bestehens an.

In ihrer materiellen Form sind bestimmte Nutzungsmöglichkeiten angelegt und andere nicht. [...] Jede Technik hat ihre eigene Logik. Sie ist wie gesagt, eine Metapher, die darauf wartet, sich zu entfalten. [ebd., S.107]

Der hier verwendete Begriff der Metapher verlangt nach einer weitergehenden Erklärung, spielt er doch in Postmans Argumentation eine tragende Rolle. Nicht umsonst widmet er ihr zu Anfang seiner Studie ein komplettes Kapitel. Dieses ist mit dem Satz ,,Das Medium ist die Metapher" (ebd., S.11) überschrieben und ruft einem unvermeidlich den Aphorismus Marshall McLuhans in den Sinn, demgemäß doch das Medium die Botschaft sei. Dieser bedarf indes einer Abwandlung, da er dem wahren Wesen eines Mediums nur unzureichend Rechnung trägt. Postman stößt sich an dem Begriff der Botschaft, die seinem Verständnis nach stets mit konkretem Inhalt gespickt ist und eine für jedermann deutlich sicht- und verstehbare, gewissermaßen unmißverständliche Aussage über die Welt macht. Eine Metapher hingegen spricht die intendierte Aussage weit weniger konkret aus , indem sie sprachwissenschaftlich gesprochen als eine Wortgruppe fungiert, die ,,aus dem eigentlichen Bedeutungszusammenhang auf einen anderen, im entscheidenden Punkt vergleichbaren, doch urspr Ünglich fremden Übertragen wird" (Wilpert, 1961. S.368).

Durch die Übertragung in einen fremden Bedeutungszusammenhang werden gedankliche Assoziationen zwischen dem definierten und dem definierenden Konzept geschaffen; diese haben deren wechselseitige Beeinflussung zur Konsequenz. Aus dieser Interdependenz heraus ergeben sich neben den ursprünglichen mitunter grundlegend neue Bedeutungen, neue Konzepte, die sich, wenn erst einmal in unsere Gedankenwelt eingebettet, vermittels eben dieser Metaphern abrufen lassen. In dem Maße also, indem sich eine Metapher in den gewohnheitsmäßigen Sprachgebrauch einer Kultur stillschweigend einschleift, bestimmt sie kraft ihrer unterschwelligen Bedeutsamkeit die Wahrnehmung und Interpretation der von ihr umschriebenen Begriffe und strukturiert maßgebend die Realitätsperzeption des Menschen selbst. Ohne daß sich der Mensch dessen faktisch bewußt würde, sind es gemäß Postman die Metaphern, ,,die ebenso unaufdringlich wie machtvoll ihre spezifischen Realitätsdefinitionen stillschweigend durchsetzen" (Postman, 1988. S.20) und in immer neue Bereiche des gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs vordringen.

Der Veranschaulichung wegen gebraucht Postman in diesem Zusammenhang den Begriff der Resonanz: Analog einem akustischen Klangkörper, der dem Ton Brücken durch den Raum zu Ohren fernab von seiner Quelle schlägt, besitzt auch die Metapher die generative Kraft, sich Raum zu greifen, so daß ein Ausdruck oder ein Konzept sich Bahn brechen kann in vormals ungeahnte Sphären seiner Wahrnehm- und Verarbeitbarkeit von einem Kontext zum nächsten. Von diesem Wirkungsmechanismus sind die in einer Gesellschaft existenten Medien in besonderer Weise tangiert und zwar insofern, als sie als Metapher ihren Einflußradius auf mannigfaltige, ehemals von ihnen unberührte Bereiche des gesellschaftlichen Lebens ausdehnen.

Jedes Kommunikationsmedium [...] verfügt über Resonanz. Jedes Medium, gleichgültig, wie beschränkt der Kontext war, in dem es ursprünglich verwendet wurde, hat die Kraft, sich über diese Beschränkung hinweg in neue, unvermutete Kontexte auszudehnen. (ebd., S.28)

Vermöge seiner immanenten metaphorischen Kraft gelingt es dem Medium, die Denkstrukturen der Menschen zu formen und dessen von ihm infiltrierten Erfahrungen so sehr in Handeln münden zu lassen, daß am Ende die gesamte Gesellschaft, ihre Institutionen inbegriffen, von seiner metaphorischen Aura durchtränkt ist.

Unsere Medienmetaphern gliedern die Welt für uns, bringen sie in eine zeitliche Abfolge, vergrößern sie, verkleinern sie, färben sie ein und explizieren eine bestimmte Deutung der Beschaffenheit der Wirklichkeit. (ebd., S.20)

2.2.2 Medium, Wahrheit und Intelligenz

Die Tatsache, daß sich menschliches Wirklichkeitsempfinden entscheidend davon ableitet, was der Mensch als wahrhaftig erachtet, läßt erahnen, welchen Einfluß die Kommunikationsmedien auf unser Wirklichkeitsempfinden ausüben. Läßt man an dieser Stelle die oben postulierte These, wonach die Form eines Ausdrucks zwingend dessen Inhalt bestimme, in die Betrachtung einfließen, so beeinflußt ein Medium, sofern es im entsprechenden Kulturkreis allgemeine Anerkennung und alltägliche Verwendung genießt, über seine Inhalte notwendigerweise unsere Konzeption von Wirklichkeit. Wie jedoch Wahrheit stets nur ein Eindruck von derselben sein kann, niemals aber universal und objektiv, so ist auch die sich aus ihr konstituierende Wirklichkeit immer bloß eine unter potentiell unbegrenzt vielen Wahrnehmungen von Realität. Um sich Orientierung, Verständnis und Halt in einer an sich chaotischen Welt zu verschaffen, benötigt der Mensch indes einzelne für seinen Kulturkreis verbindliche und unumstößliche Begriffe von Wahrheit, vermittels derer man sich für die Dauer seines Lebens in der eigenen Existenz versichert zu wissen glaubt. Ob nun Mystik und Religion im Mittelalter oder die Wissenschaften in der Neuzeit, all diese Begriffe von Wahrheit bedurften einer weithin anerkannten vermittelnden Instanz, einem Medium, welches in legitimationstiftender Manier die Wahrheiten unter den Menschen Raum greifen ließ. War einst die Kirche mit all ihren Ritualen und Traditionen der Wegbereiter des Glaubens, danach der Buchdruck der neuzeitlichen Wissenschaften und neuartigen Gesellschaftsformationen, so ist es Postman zufolge heute die Gesamtheit der modernen Kommunikationsmedien, mitsamt ihrer technischen Dimension, die unser Denken beeinflußt und uns ihren Begriff von Wahrheit aufprägt.

Weil es [das Kommunikationsmedium] uns bei der Organisierung unseres Denkens und der Integration unserer Erfahrungen in einer ganz bestimmten Weise lenkt, prägt es unser Bewußtsein und unsere gesellschaftlichen Institutionen [...] und immer beeinflußt es die Art und Weise, wie wir unsere Vorstellungen von Wahrheit definieren und mit ihnen umgehen. (ebd., S.28/29)

Postman gebraucht zur begrifflichen Festmachung dieser Zusammenhänge den Ausdruck der Epistemologie als einer Erkenntnistheorie, die sich unter anderem mit der Herkunft von Wahrheitsdefinitionen durch Offenlegung und Ausdeutung kommunikativer Austauschmechanismen befaßt, die für einen Kulturkreis von bestimmender Bedeutung sein können. Je mehr demnach ein Kommunikationsmedium in einer Gesellschaft Anerkennung und Verwendung findet, desto mehr wird es gleichsam zum festen Bestandteil wahrgenommener Lebenswirklichkeit des Menschen, der die in ihm und durch es dargebotenen Entwürfe von Realität mehr oder minder unhinterfragt als Ausdruck von Wahrheit begreift.

Welcher qualitativen Art die Auswirkungen dieser Zusammenhänge auf eine Gesellschaft und den in ihr obwaltenden öffentlichen Diskurs sein können, löst Postman durch die Verknüpfung des Wahrheitsbegriffes mit dem der Intelligenz auf. Deren unterstellte gegenseitige Bedingtheit, wonach ,,Intelligenz Überwiegend durch die Fähigkeit, Wahrheit zu erfassen, definiert wird" (ebd., S.37) spiegelt die enorme Einflußgewalt desjenigen Mediums wider, welches, erst einmal gewohnheitsmäßig in den Alltag implantiert, dem Menschen seine Entwürfe von Wirklichkeit und Wahrheit einimpft, so lange, bis dieser sie unbewußt und ungefiltert zum Leitbild seines Denkens und Handelns erhebt.

Dadurch eben, daß...

[...] ein wichtiges neuartiges Medium die Diskursstruktur verändert, und zwar indem es bestimmte Anwendungsformen des Intellekts fördert, bestimmte Definitionen von Intelligenz und Weisheit bevorzugt [...] (ebd., S.40), ...zieht die Etablierung jedes neuen Mediums unabwendbar mit den inhaltlichen auch qualitative Veränderungen hinsichtlich des öffentlichen Diskurses nach sich. Ein Medienwandel kann, abhängig von der Art des neu hinzugestoßenen Kommunikationsmediums, einerseits ,,heilsamen Einflußauf die Kultur" (ebd., S.36) ausüben, ebenso wie er die Kultur in ihren Grundfesten zu erschüttern und sie dem Zerfall preiszugeben vermag.

2.3 Auf dem Weg zur Allmacht des Fernsehens

Postman will bereits eine Vielzahl an Indizien im amerikanischen Alltag ausgemacht haben, die eben für die letzte der beiden oben angeführten Varianten sprechen und eindeutig auf das ungebremste Vordringen des Mediums Fernsehen in unsere Lebenswelt zurückzuführen sind. Dem Wesen des Mediums Fernsehen mit all seiner metaphorischen und kontextübergreifenden Kraft ist es zu verdanken, daß ,,wir von Minute zu Minute d Ümmer werden" (ebd., S.36), ohne gewahr zu werden, wie sehr das Fernsehen bereits heute zur allesbestimmenden Größe unserer Kultur herangereift ist. Um die dieser Entwicklung entspringenden, stetig anwachsenden kulturzersetzenden Tendenzen möglichst plakativ herauszustreichen, bedient sich Postman des Mittels der Gegenüberstellung des heutigen, ihm gemäß fernsehgeprägten öffentlichen Diskurses und jenes ehemals am Buchdruck, also dem geschriebenen Wort ausgerichteten. Dies geschieht anhand eines gedanklichen Exkurses Postmans in die Zeit vom ausgehenden Mittelalter bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts.

2.3.1 Der Buchdruck als Ausdruck von Vernunft

Von der Erfindung des Buchdrucks durch Gutenberg ausgehend und infolge der rasanten Verbreitung und großen Beliebtheit des gedruckten Wortes in all seinen Erscheinungsformen hat die Menschheit sich aus der Dunkelheit des Mittelalters in das Zeitalter der Vernunft und des Fortschritts emporgeschwungen und der Aufklärung zum Sieg über eine von Mystik und Mythologie verblendete Welt verholfen. Dabei rekurriert Postman selbstredend auf seine Ausgangsthese, wonach die ,,Form [Buchdruck] ihrerseits die Beschaffenheit der Übermittelten Inhalte bestimmt" (ebd., S.58) und leitet davon seine Bewertungen jener Zeit ab.

Indem die gedruckte Sprache dank ihrer Metaphorik, Epistemologie und Resonanz in weite Bereiche des öffentlichen Lebens vordringen konnte ist sie zur beherrschenden sinnstiftenden Diskursform gediehen. Sie hat einem Erscheinungsbild von Öffentlichkeit den Weg bereitet, die, da ganz und gar den der Logik des gedruckten Wortes innewohnenden Grundsätzen von Kohärenz und Konsistenz verschrieben, durch und durch von Vernunft und dem unverrückbaren Glauben an eben diese durchdrungen gewesen ist. Postman zeichnet von der amerikanischen Gesellschaft im Zeichen der Aufklärung ein Bild, welches seinem Idealtypus von Vernunft und Menschlichkeit zu entsprechen scheint.

Folgende Faktoren und Entwicklungen sind für diese Zeit prägend gewesen: Ausgangnehmend vom Glauben an die Gleichheit unter den Menschen und unter der Bedingung zunehmender Verbreitung und Anerkennung des gedruckten Wortes, ,,konnte eine bl Ühende, klassenlose Lesekultur entstehen" (ebd., S.49), die alsbald so auf die Gesellschaft zurückgewirkt hat, daß diese ihre Sprache entsprechend dem Muster des geschriebenen Wortes gebrauchte. Dies zog die Konsequenz nach sich, daß das gedruckte Wort eine neue Metapher von Öffentlichkeit und Diskurs generierte, die dem Umgang der Menschen und deren Gespräch untereinander eine spezifische Richtung gab. Dieses öffentliche Gespräch hat sich somit die Struktur der geschriebenen Sprache, mitsamt den diese auszeichnenden Charakteristika einverleibt. Zunächst einmal hat ein Schriftstück dadurch, daß in ihm Gedanken in einer von dessen Autor gewählten Abfolge formuliert sind, zwingend einen ,,semantischen, mit anderen Wörtern wiederzugebenden, aussagekräftigen Inhalt" (ebd., S.66), was unausweichlich mit der Bekundung von Sinn und Bedeutung einhergeht, wodurch die Sprache wiederum als durchgängig zweckgebunden erscheinen mußte.

Sinn und Bedeutung aber wollen verstanden sein, verlangen demgemäß eine geistige Prädisposition, die Gewähr dafür bietet, daß die zu übermittelnde Information im Zuge des Gedankentransfers in ihrem intendierten Aussagegehalt bestehen bleibt. Postman gebraucht an dieser Stelle den Begriff der Ernsthaftigkeit, die dem Autor beim Schreiben und dem Leser beim Lesen eines Schriftstückes gleichermaßen abgenötigt wird. So wie Lesen und Schreiben eine ernsthafte Beschäftigung darstellen, so sind sie unabdingbar auch eine rationale Tätigkeit, da sie einer analytischen Verarbeitung von Wissen Vorschub leisten, die Postman wie folgt umschreibt:

Wer sich auf das geschriebene Wort einläßt, der macht sich eine Denkweise zu eigen, die hohe Ansprüche an die Fähigkeit zu klassifizieren, Schlüsse zu ziehen und logisch zu denken stellt. Dazu gehört, daß man imstande ist [...] eine mißbräuchliche Verwendung der Logik und des gesunden Menschenverstandes aufzudecken. (ebd., S.68)

Logisch ist eine Aussage jedoch nur dann, wenn sie als letztes Glied einer Kette aufeinander bezogener und von einander abgeleiteter Gedanken auftritt, gleichsam ihre Stichhaltigkeit nicht aus sich selbst, vielmehr aus einem größeren Zusammenhang bezieht. Die geschriebene Sprache besticht daher, da jedes Wort immer nur als Teil eines Ganzen Sinn ergibt, durch ihre innewohnende Kohärenz.

Somit sind die maßgebenden Eigenschaften, die die geschriebene Sprache in sich vereinigt, ihre Inhalts- und Bedeutungsschwere, ihre Ernsthaftigkeit, ihre Rationalität sowie ihre Kohärenz und Zweckgebundenheit. Eingedenk seiner These, wonach im Zeitalter der Aufklärung das gedruckte Wort in Amerika als auch in weiten Teilen der übrigen Welt kraft seiner Resonanz zur dominanten Metapher für den öffentlichen Diskurs Einzug in die Köpfe der Menschen halten konnte, muß eben dieser Diskurs in einer Weise ähnlich dem der gedruckten Sprache beschaffen gewesen sein und das Bild einer kohärenten, konsistenten, zweckgebundenen, ernsthaften und durchgängig rationalen Welt und den unerschütterlichen Glauben an eben dieses nahegelegt haben. Analog dazu hat sich eine geistige und intellektuelle Empfänglichkeit eingestellt, die, da der Struktur der geschriebenen Sprache entlehnt, ebenso einem neuartigen Verständnis von Intelligenz gemeinhin Anerkennung verschaffte.

[...] der Buchdruck [brachte] eine Definition von Intelligenz hervor, die dem objektiven, rationalen Gebrauch des Verstandes Vorrang gab und gleichzeitig Formen eines öffentlichen Diskurses mit ernsthaftem, logisch geordnetem Inhalt förderte. (ebd., S.69)

Die Ideale und das Selbstverständnis der beschrieben Epoche sind im ausgehenden 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund des ungezügelten Vordringens der Technik in eines jeden Alltag zunehmend und unbemerkt unter Beschuß geraten, so sehr, daß ihr schon bald ein rasches, wenig bedauertes, weil gar nicht registriertes Ende beschieden war. Das ,,Zeitlater der Erörterung" (ebd., S.82), hat stillschweigend das Feld geräumt, der Boden war bereitet für das ,,Zeitalter des Showbusiness" (ebd., S.82).

2.3.2 Aufhebung von Raum und Zeit

Der Epochenwechsel vom Zeitalter der Erörterung zu dem des Showbusiness vollzog sich nicht übergangslos, kennzeichnet vielmehr einen bis heute nicht endgültig abgeschlossenen Prozeß, in dessen Verlauf zwei in ihrer Bedeutung für eine Kultur diametral entgegengesetzte Kommunikationsmedien um ein Höchstmaß an gesellschaftlicher Akzeptanz unter der Bedingung potentieller Vernichtung des Gegenparts ringen. Für Postman spricht gegenwärtig alles dafür, daß dieses Gefecht einseitig zugunsten des Massenmediums Fernsehen um den Preis sukzessiven und allseits unbemerkten Rückzuges eines vom Buchdruck bestimmten öffentlichen Diskurses ausfällt. Postman will die ersten Ansätze dieses Vernichtungsfeldzuges im ausgehenden 19. Jahrhundert ausgemacht haben und hierfür zwei damals neuartige Technologien in die Verantwortung heben, aus deren technischer und konzeptioneller Verschmelzung das Medium Fernsehen hervorgegangen ist.

Die Erfindung der Photographie und Telegraphie und ihre Verschmelzung im Medium Fernsehen haben Postman zufolge nicht nur neue Inhalte hervorgebracht. Das rasche und ungehinderte, allseits mit Wohlwollen verfolgte Eindringen der neuen Technologien in die menschliche Lebenswelt modifizierte diese nicht nur äußerlich, mit ihr geriet gleichermaßen die symbolische Umwelt des Menschen, also das, was ihm seine Außenwelt an Anhaltspunkten und Vorgaben zum Verständnis seiner Wahrnehmungen bereitstellt, in Bewegung.

Weil das Photo einen aus seinem Zusammenhang herausgebrochenen Ausschnitt darstellt, hinterläßt es das Bild einer inkohärenten, bruchstückhaften, nur aus einer Unmenge unverbundener Bilder bestehenden Welt. Das Photo steht zusammenhanglos und somit unkommentierbar im Raum. Es kommuniziert mit dem Menschen einzig in der Sprache der Fakten, die, einmal aus ihrer Umgebung herausgerissen und unbegrenzt reproduzierbar, mannigfaltige gefühlsmäßige Regungen zeitigen, niemals aber verstehbar, interpretierbar oder diskutierbar sein können. In gleicher Weise wirkt die telegraphisch übermittelte Nachricht. In ihrer beider Verknüpfung, der Fernsehnachricht, entsteht eine Illusion von Kontext, dergestalt, daß das gesprochene Wort Sinn und Bedeutung scheinbar aus dem nicht weniger kontext- und bedeutungsentleerten Bild schöpft.

Was den Erfindern von Telegraphie und Photographie in ihrem Treiben nicht bewußt war und ihrer eigenen Intention womöglich diametral entgegenlief, ist gemäß Postman die Tatsache, daß sie die Menschen keineswegs näher aneinander rückten, indem sie Raum und Zeit ihrer Unmittelbarkeit beraubten, sondern eher eine gegenteilige Wirkung zeitigten: der Mensch wurde aus seinem Lebenszusammenhang gerissen und fand sich haltlos in einem Meer von Bruchstücken wieder. Weder lassen sich jene zu einem Ganzen verkitten, noch, so scheint es, sieht sich irgendwer auch nur veranlaßt, der Verwirrung Herr zu werden. Dies geschieht aus dem Grunde nicht, weil die Menschen von eben denjenigen Metaphern der neuen Technik so sehr befallen und in ihren Bann gezogen sind, die die Zusammenhanglosigkeit klammheimlich, aber dadurch um so machtvoller, zum Prinzip erheben.

Die neuen Techniken etablierten eine neue Definition von Information, die nicht den Wert einer unmittelbare Handlung provozierenden Größe innehat, deren Wert sich viel eher aus sich selbst ergibt. Information gerät unter diesen Vorzeichen zum Selbstzweck, ihre Brauchbarkeit bezieht sie einzig aus Attributen wie Einzigartigkeit, Aktualität und Massenwirksamkeit. Ihre Resonanz wirkt in solcher Weise, daß sich der Mensch eine neue Metapher von öffentlichem Diskurs zu eigen macht, dessen Inhalt sich um eben diese Attribute dreht. Information gerät unweigerlich zur Pseudoinformation, da sich aus ihr kein konkretes Handlungsbedürfnis für den Rezipienten speist.

All jene Eigenschaften, die noch die Einzigartigkeit der geschriebenen Sprache kennzeichneten, sind in der Fernsehnachricht und in einer vom Fernsehen bestimmten Öffentlichkeit aufgelöst. An die Stelle von Inhalt und Bedeutung tritt Belanglosigkeit, an die von Zweckdienlichkeit Handlungsunfähigkeit, die Kohärenz hinterläßt Raum für ein Meer von Zusammenhanglosigkeit. Was Thoreau noch als das Verhängnis des vom Telegraphen in seinen Bann gezogenen öffentlichen Diskurses erkennen wollte, trifft für Postman den Kern einer Fernsehkultur schlechthin: in ihr ist die ,,Relevanz irrelevant" (ebd., S.87).

2.4 Unterhaltung als kulturelles Leitmotiv

Postman sieht den Menschen des Fernsehzeitalters dem Sperrfeuer permanenter Pseudoinformation ausgesetzt, dem er einzig mit geistiger Ermattung begegnen kann. Seiner Erfahrungs- und Wahrnehmungssphäre sind nunmehr keine räumlichen und zeitlichen Grenzen gesetzt, die Welt als Ganzes, verkörpert in den Nachrichten, hält über den heimischen Bildschirm Einkehr in seinen einst eng abgesteckten Lebenskontext. In seiner Haltung, sich den vorgesetzten Informationen aufgrund geistiger Überforderung in Gleichgültigkeit und Apathie zu ergeben, wird er zusätzlich bestärkt durch die Darbietungsformen des Fernsehens selbst, welche das Bild einer diskontinuierlichen, kontextlosen und inkohärenten Welt zu versinnbildlichen scheinen, einer Welt also, die von keinerlei sinnstiftender, integraler Ordnung durchsetzt scheint. Diesem Chaos läßt sich nur in einer Weise beikommen, indem man nämlich die Unterhaltung als das alles harmonisierende Prinzip anerkennt, wie es vom Fernsehen selbst vehement propagiert wird.

Da der Zuschauer in den überwiegenden Fällen den Pseudoinhalt, das heißt die eigentliche sinnentrückte Inhaltslosigkeit der Information, die nicht zu Handlung auffordert, nicht bewußt entschlüsselt, sondern ihr statt dessen intuitiv irgendeine Bedeutung zuerkennen muß - andernfalls könnte er ja ebensogut ausschalten - stößt er auf seiner Suche nach ihrer Zweckgebundenheit auf die einzig mögliche Antwort: die Information wird zum Zwecke seines Vergnügens offeriert. ,,Kurzum, die Nachrichtensendung ist ein Rahmen f Ür Entertainment und nicht f Ür Bildung, Nachdenken oder Besinnung" (ebd., S.110). Diese Tatsache ist jedoch nicht dem Treiben der Fernsehmacher geschuldet, deren Aufgabe sich darin erschöpft, dem im Medium angelegten, im Keim vorgebildeten Potential zum Gedeihen zu verhelfen. Das Fernsehen selbst schließt jeglichen alternativen Ausgang aus, da es vornehmlich in Bildern spricht, denen sich die geschriebene und gesprochene Sprache unterzuordnen hat, an die sie ihre Selbstbestimmtheit abtreten muß. Da das Fernsehbild stets nur für sich selbst steht, sich niemals in einen einenden Zusammenhang fügen will, stellt es aber geradezu ,,minimale Anforderungen an das Auffassungsvermögen und will vor allem Gef Ühle wecken und befriedigen" (ebd., S.109). Solange das Fernsehen den menschlichen Geist zu keinerlei intellektueller Anstrengung zu animieren scheint, so sehr es augenscheinlich jeder Form von Ernsthaftigkeit entsagt, um so nachhaltiger wird es aber als Ausdruck von Unterhaltung internalisiert werden.

Der Mensch wird bekanntlich gerne unterhalten. Diesem Umstand trägt das Fernsehen in erdenklich konsequentester Manier Rechnung, indem es nämlich all seine Darbietungen in den Dienst der Unterhaltung stellt. Darin liegt für Postman erst die eigentliche Bedrohung für unsere Kultur verborgen.

[Das Fernsehen hat] die Unterhaltung zum natürlichen Rahmen jeglicher Darstellung von Erfahrung gemacht. [...] Problematisch am Fernsehen ist nicht, daß es uns unterhaltsame Themen präsentiert, problematisch ist, daß es jedes Thema als Unterhaltung präsentiert. (ebd., S.110)

Infolge seiner erfolgreichen Attacke auf die Errungenschaften der Schriftkultur und seines ungezügelten Vordringens in eines jeden Lebenswelt vermochte das Fernsehen, kraft seiner metaphorischen Strahlungsstärke, seiner Resonanz, über den Bildschirm den gesamten öffentlichen Diskurs nach seinem Gutdünken zu untergraben und mit neuem Inhalt aufzuschütten; so sehr, daß ,,das Fernsehen selbst zu unserer Kultur geworden ist" (ebd., S.101). Postman sieht ausnahmslos alle menschlichen Lebens- und Ausdrucksformen von den Wirkungen des Fernsehens befallen und zwar in dem Maße, wie sich dieses anschickt, sich nahezu ausnahmslos allen Themen, die die Kommunikation in einer Gesellschaft ausmachen, anzunehmen.

Deshalb - und das ist der entscheidende Punkt - wird die Art, wie das Fernsehen die Welt in Szene setzt, zum Modell dafür, wie die Welt eigentlich aussehen sollte. Es geht nicht bloß darum, daß das Entertainment auf dem Bildschirm zur Metapher für jeglichen Diskurs wird. Es geht darum, daß diese Metapher auch jenseits des Bildschirms dominiert. (ebd., S.116)

Verstärkt wird diese Tendenz zusätzlich dadurch, daß andere Massenmedien angesichts des durchschlagenden Erfolges des Fernsehens zur Nachahmung seiner Themenvorgaben und Darbietungsformen angeregt werden, wodurch sie dessen Kommunikationsmustern nur um so rascher und damit machtvoller zur Durchsetzung verhelfen. Damit treten sie aber ihre einstige Originalität zugunsten einer vom Fernsehen diktierten Uniformität ab und berauben sich selbst der genuinen Fähigkeit, dem öffentlichen Diskurs eine eigene Richtung zu geben. Die Kommunikationsumwelt eines jeden Menschen muß unter diesen Bedingungen alsbald als gänzlich fernsehbestimmt erscheinen. Gleichgültig anhand welchen Informationsmediums man sich über den Lauf der Welt kundig zu machen pflegt, es geschieht stets aus der Pespektive und durch die Augen des Fernsehens.

Für Postman gehorcht schon heute unser aller Leben der Logik des Fernsehens. Der Mensch selbst denkt, fühlt und kommuniziert in der durchweg oberflächlichen Sprache des Entertainments und wird somit selbst zum naiven, da vom Bildschirm verblendeten und seines Verstandes beraubten, Wegbereiter eines folgenschweren Kulturwandels.

Es ist durchaus nicht schwierig, die Anpassung unserer Kultur an die Epistemologie des Fernsehens zu erkennen; wir haben uns seine Definition von Wahrheit, Wissen und Wirklichkeit so gründlich zu eigen gemacht, daß uns die Belanglosigkeit von tiefem Sinn und die Inkohärenz von tiefer Vernunft erfüllt scheinen. (ebd., S.102)

Diese Beobachtungen, gestützt von seinem kommunikationstheoretischen Grundgerüst, geben Postman Anlaß zu seiner kulturpessimistischen Prognose, wonach wir uns alsbald und ohne auch nur Notiz davon zu nehmen, zu Tode amüsiert haben werden, um hernach aufzugehen in einer Masse geistig abgestumpfter, durchweg von heiterer Glückseligkeit vernebelter Scheinindividuen, in einer Welt also, die der von Huxley geschilderten ,,schönen, neuen" in nichts nachstehen wird.

Dieser kulturpessimistische Ansatz ist vor dem Hintergrund der Ausgangsfrage der Arbeit insofern von Interesse, als er ein Licht darauf wirft, wie sich Postman die gegenwärtige, vor allem aber die zukünftige Gesellschaft unter dem kulturellen Diktat des Fernsehens vorstellt. Da einer Gesellschaft, mit Ausnahme der Anarchie, immer auch eine gesellschaftliche Ordnung, ein System zugrundeliegt, erscheint die Frage angebracht, welche Reflexe das Fernsehen nicht nur auf das Individuum und den öffentlichen Diskurs, sondern darüber hinausgehend auf das System als Ganzes wirft. In diesem Zusammenhang sollte die folgende These Postmans weitergedacht werden.

Eine freiheitliche Demokratie und eine relative freie Marktwirtschaft boten dem Fernsehen einen Nährboden, auf dem seine Potentiale als Technologie der Bilder sich vollständig entfalten konnten. (ebd., S.108)

Wenn das liberal-demokratische, kapitalistische System das Fernsehen in seiner Entwicklung begünstigt, müßte dann nicht auch umgekehrt das Fernsehen eben dieses gesellschaftliche System aufrechtzuerhalten suchen, welches ihm, wie kein anderes zur Vollendung verhilft? Auch wenn Postman in seinem Buch der Frage nach einem systemstützenden Moment des Fernsehens nicht explizit nachgeht, so trifft er doch mehrmals Aussagen, die, denkt man sein Ideen weiter, auch als Stellungnahme zum bestehenden kapitalistischen System gelesen werden können. Daß das Fernsehen, folgt man dem Denkansatz Postmans, sehr wohl auch systemstützend wirkt und dies in dem Maße, wie es unsere demokratische Handlungsfähigkeit zusehends untergräbt, wird an späterer Stelle aufzulösen sein.

3 Das Mediensystem als Propagandamaschinerie

3.1 Propaganda als Herrschaftsinstrument ,,freiheitlicher" Demokratien

Ideologische Einflußnahme, gleichgültig auf welchem Wege praktiziert, hat weithin mit dem Begriff der Propaganda Eingang in den menschlichen Sprachgebrauch gefunden. Für denjenigen, der sich ihrer zu bedienen versteht, fungiert sie als wirksames Mittel, einer von ihm verfochtenen Überzeugung, Geisteshaltung oder einem Weltbild in den Köpfen ihrer Adressaten Anerkennung zu verschaffen. In der Menschheitsgeschichte verhalf sie den Machthabern oder denjenigen, die der Macht entgegenstrebten, nur allzu häufig zur Durchsetzung aberwitziger und menschenverachtender Ideologien, die das ,,sinnstiftende" Fundament neuartiger Formen politischer, wirtschaftlicher und sozialer Herrschaft abgaben. Der deutsche Nationalsozialismus gilt seither nicht ohne Grund als das Kardinalbeispiel für staatlich initiierte und erstmals systematisch über mannigfaltige mediale Kanäle vorgetragene Propagandatätigkeit, die dem Terrorregime erst die nötige Akzeptanzbasis einbringen konnte.

So sehr dies unstrittig zutreffen mag, so begünstigte diese Betrachtung in der Folge um so mehr eine eingeengte Perspektive auf den Themenkomplex der Propaganda, indem sie nämlich eine, wenn auch unbewußte Gleichsetzung von Propaganda und Begriffen wie Staatsterror und Gewaltherrschaft nahelegt. Damit verhalf sie dem Vorurteil zum Leben, Propaganda komme ausschließlich unter den Bedingungen von Terrorregimen oder sonstigen repressiven Herrschaftssystemen zur praktischen Anwendung.

Ein Motiv von Chomskys Manufacturing Consent ist es, diesem weitverbreiteten Irrglauben die Substanz zu nehmen. Er will unser Bewußtsein dafür schärfen, daß auch und vor allem in demokratisch verfaßten Staaten Propaganda zum notwendigen, selbstverständlichen und alltäglich eingesetzten Instrumentarium der machthabenden Eliten aus Politik und Wirtschaft gehört. Die modernen Massenmedien entpuppen sich aus dieser Perspektive als Mittler systemstützender Impulse und tragen somit entscheidend zur Festigung eines gesellschaftlichen Modells der Ungleichverteilung von Macht und Wohlstand bei.

This effort reflects our belief, based on many years of study of the workings of the media, that they serve to mobilize support for the special interests that dominate the state and private activity, and that their choices, emphases, and omissions can often be understood best and sometimes with striking clarity and insight, by analyzing them in such terms. (Chomsky/Herman, 1988. S.XI)

Diesen Beweis anzutreten erscheint schon insofern heikel, als er den Glauben an ein politisches und ökonomisches System, gründend auf den Prinzipien von Meinungsfreiheit, - vielfalt und allgemeiner Chancengleichheit als Illusion desavouiert. Daneben wirkt er deshalb vermessen, weil er unterstellt, daß wir schlichtweg nicht in der Lage seien, Propaganda als solche zu entschlüsseln. Diese Einwände verweisen nach Chomsky jedoch bereits unmittelbar auf die umwälzenden Wandlungen, die Propaganda seit ihren Anfängen bis in die heutige Zeit durchgemacht hat. Sie kommt unter den gegenwärtigen Bedingungen der modernen Massenmedien nicht mehr im Gewande unverhohlener, direkter und plakativer Meinungsmache daher, statt dessen ist sie weitaus subtiler, verschlüsselter und dadurch um so wirkungsvoller.

Dies läßt sich nach Chomsky allein schon daran ablesen, daß der alltägliche Umgang mit den Massenmedien dem Rezipienten offenkundig das Bild einer durchweg heterogenen, dem Gebot der verfassungsmäßig verbrieften Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit verpflichteten Medien- und Meinungslandschaft nahelegt.

It is much more difficult to see a propaganda system at work where the media are private and formal censorship is absent. This is especially true where the media actively compete, periodically attack and expose corporate and governmental malfeasance, and aggressively portray themselves as spokesmen for free speech and general community interest. (ebd., S.1)

Kritik an der politischen, soziokulturellen und ökonomischen Wirklichkeit dient in demokratischen marktwirtschaftlichen Systemen nach Chomsky indes vornehmlich der Wahrung des Scheins, man sei als Bürger Teil einer durchweg freiheitlichen und gerechten Ordnung. Dieser Schein vernebelt den Blick auf die allenthalben wirksamen, wenn auch latenten Realitäten der politischen und wirtschaftlichen Machtungleichverteilung im Staat. Zugleich verschleiert er ,,the limited nature of such critiques" (ebd., S.2), die kaum dazu angebracht erscheinen, die herrschenden Machtstrukturen in Frage zu stellen und somit ins Wanken zu bringen. Ganz im Gegenteil: Begrenzte Kritik erweist sich als erwünschtes und allzeit zu billigendes legitimationsstiftendes Momentum; sie stützt das System also nur um so nachhaltiger. Chomsky versucht in seinem Buch unter Rückgriff auf einen umfangreichen empirischen Datenfundus nachzuweisen, daß die Massenmedien in den USA den denkbar größten Nutzen aus einem möglichst reibungslosen Fortbestehen des politischen und wirtschaftlichen Herrschaftssystems ziehen, insofern sie nämlich ausweislich ihrer privatwirtschaftlichen auf Profit ausgerichteten Verfaßtheit selbst nur als ein Bestandteil desselben agieren. Nicht nur wegen ihrer Abhängigkeit von Werbegeldern der Privatwirtschaft muß den Massenmedien um ihrer eigenen wirtschaftlichen Existenz willen daran gelegen sein, der Informationsumwelt eine der Privatwirtschaft gegenüber wohlmeinende und fürsprechende Richtung zu geben. Chomsky unterstellt nicht nur die Abhängigkeit der Massenmedien vom Kapital, er legt zudem deren wechselseitige geschäftspolitische Verstrickung offen, indem er nachweist, daß große Wirtschaftsunternehmen aus originär medienfernen Branchen Anteilseigner an diversesten Medienanstalten sind. Unter diesen Bedingungen muß ein Interessengleichklang zwischen Kapital und Massenmedien schlichtweg als folgerichtig erscheinen. Die Massenmedien fungieren fortab als machtvolle, auf die Durchsetzung von Einzelinteressen zugeschnittene ,,Konsenserzeugungsmaschinerie- oder -fabrik", womit begrifflich bereits auf die von Walter Lippmann in die Diskussion geworfene und der Abhandlung Chomskys den Titel gebende Metapher der ,,manufacture of consent" rekurriert ist. Diese sucht zweierlei zu verewigen: Zum einen die liberal-kapitalistische Wirtschaftsordnung, die die denkbar größten Gewinnspannen in Aussicht stellt, zum anderen das politische System, auf dessen Fundament die Wirtschaft ungehindert gedeihen kann.

Dabei ist es der Verweis auf die Politik, der erst das ganze Ausmaß wechselseitiger Abhängigkeit der maßgebenden Akteure im Staat offenlegt und ein für alle Mal mit der Illusion aufräumt, die Politik schwebe als eine regulierende und vom Volke getragene Instanz über spezifischen Einzelinteressen und könne diese im Ernstfall in ihre Schranken weisen. Mitnichten: Gemäß Chomsky bilden der Staat, die ihn tragende Regierung und die Privatwirtschaft eine mächtige, personell aufs engste verzahnte Macht- und Interessengemeinschaft, sie bedingen sich gegenseitig, keiner vermag ohne den anderen dauerhaft zu bestehen und beide stehen sie Pate für ein System der Ungleichverteilung von materiellem Wohlstand und Macht.

Den Massenmedien kommt als ein Baustein dieser machtvollen Interessenkoalition die Aufgabe zu, zwischen den herrschenden Eliten und dem gemeinen, von Macht und Wohlstand ausgeschlossenen Volk konsensstiftend zu vermitteln. Diesem Anspruch werden sie durch ein Vorgehen gerecht, welches sich dadurch auszeichnet, daß es potentieller Systemkritik wirksam vorbeugt, anstatt ihr reaktionär mit Repression zu begegnen. Ihr Hauptansinnen richtet sich demgemäß darauf, Kritik an politischen, ökonomischen und sozialen Mißständen möglichst gar nicht erst aufkommen zu lassen, statt dessen aber ein Höchstmaß an Akzeptanz und Unterstützung der bestehenden Verhältnisse in der Öffentlichkeit zu säen. Den zentralen Ansatzpunkt bietet dabei der Bereich der massenmedial verbreiteten Berichterstattung zu aktuellen Geschehnissen und Entwicklungen aus aller Welt (News). Der Umstand, daß der Mensch des technischen Zeitalters das politische und lebensweltliche Zeitgeschehen vornehmlich aus der Perspektive der verschiedenen Massenmedien wahrnimmt, setzt ihn der ständigen Gefahr des Manipuliertwerdens aus, insofern nämlich sein Bild der Welt nicht Ergebnis eigener unmittelbarer Beobachtung ist, sondern bloß Projektion einer allein schon von redaktionsinternen Kriterien wie Themenauswahl, -betonung, - aufmachung und -plazierung zutiefst vorbelasteten, bestimmte Beurteilungsmaßstäbe nahelegenden und somit alles andere als objektiven Sicht der Dinge. Verbergen sich hinter der Programmgestaltung darüber hinaus handfeste, auf Erhalt des Systems eingeschworene Interessen, wie dies nach Chomsky in liberal-demokratischen kapitalistischen Staaten die Regel ist, so werden sich die Massenmedien demütigst in den Dienst dieses Endzweckes stellen und die Welt so erscheinen lassen, wie sie erscheinen soll, nicht aber so, wie sie sich tatsächlich darstellt. Chomsky sieht ein machtvolles System von Marktführerschaft der politisch und wirtschaftlich relevanten Kräfte im Einsatz, die durch gezielte Einflußnahme auf die massenmediale Berichterstattung ein gesellschaftliches Klima erzeugen, in welchem ihrer ungezügelten Profit- und Machtanhäufung, sofern sie überhaupt zur Kenntnis genommen wird , mit Wohlwollen begegnet wird.

There are important actors who do take positive initiatives to define and shape the news and to keep the media in line. It is a ,,guided market system" that we describe here, with the guidance provided by the government, the leaders of the corporate community, the top media owners executives, and the assorted individuals and groups who are assigned or allowed to take constructive initiatives. (ebd., S.XII)

3.2 Ein Propagandamodell

Ausgangnehmend von seiner These, wonach die gesellschaftlich relevanten Kräfte aus Wirtschaft und Politik ihre Privilegien dauerhaft festzuschreiben und auszubauen suchen und sich hierbei in besonderer Weise des konsensstiftenden und herrschaftslegitimierenden Potentials der Massenmedien versichert sein müssen, entwirft Chomsky sein Propagandamodell, verstanden als ein der öffentlichen Wahrnehmung verborgen bleibender, jederzeit funktionaler Selektionsmechanismus im Geschäft mit den massenmedial vertriebenen Informationen. Chomsky illustriert diesen anschaulich als ein historisch gewachsenes und nachhaltig an Effizienz zugewinnendes System fünf begrenzt durchlässiger Filter, durch welche einzig jene der täglich weltweit anfallenden Informationen als Nachricht auf die öffentliche Agenda sickern, von denen keinerlei Gefährdung für die Substanz und das Fortbestehen der gesellschaftlichen Ordnung ausgeht. Für dessen fortwährenden und zuverlässigen Betrieb zeichnen die aus dem Hintergrund heraus agierenden politischen und wirtschaftlichen Interessengruppierungen verantwortlich. Eine Information wird nur dann der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn sie das Filtersystem reibungslos zu durchlaufen imstande ist.

Sinn und Zweck des Propagandamodells bestehen in seinem Potential komplexe, schwerlich einsehbare und verständliche gesellschaftliche Machtstrukturen, ihre inhärenten auf konkrete Ziele hinschießenden Bewegungskräfte sowie ihre Folgen für die Gesellschaft als Ganzes dem interessierten Betrachter, der sich als vom System durchdrungener Teil des Ganzen den Blick auf die Wirklichkeit nur allzu gerne selbst verstellt, in anschaulicher Form sicht- und verstehbar vor Augen zu führen. Um die Gesetzmäßigkeiten und Handlungsabläufe innerhalb des Systems der Massenmedien verständlich zu machen, bedient Chomsky sich des anschaulichen Begriffs des Filters, der, an der Schnittstelle zwischen Macht und Öffentlichkeit wirkend, nur die der Macht zweckdienlichen Informationen an die Öffentlichkeit weiterreicht.

Bevor auf die Funktionsmechanismen des Systems als Ganzem und dessen Bedeutung für die Informationsumwelt eingegangen wird, sind die fünf Filter vorab in ihrem Kern vorzustellen. Von einer ins Detail reichenden Darlegung des von Chomsky dargebrachten empirischen Datenmaterials wird nicht zuletzt aufgrund seiner im Rahmen dieser Arbeit nicht zu bewältigenden Fülle abgesehen. Das eigentliche Interesse soll demgemäß den Schlüssen und Interpretationen zugedacht sein, die Chomsky glaubt, von seinen statistischen Erhebungen ableiten zu können

3.2.1 Größe, Besitzverhältnisse und Profitorientierung der Massenmedien

Chomsky weist anhand einer Vielzahl von statistischen Darstellungen über die Besitzverhältnisse innerhalb der amerikanischen Medienlandschaft nach, daß die große Mehrheit der medialen Erzeugnisse (etwa 25000) der Kontrolle einer verschwindend geringen Anzahl finanzkräftiger Medienunternehmen unterliegt. Chomsky beziffert die Menge der in den USA führenden mächtigsten Medienriesen, bemessen an Finanzkraft, Einfluß und Prestige, auf gerade 24, darunter sind nationale Fernsehanstalten, Zeitungsmacher, Buch- und Zeitschriftenverlage und private Kabelanbieter. Diese Konzerne, allesamt in Händen wohlhabender und einflußreicher Besitzer, nehmen in der Hierarchie des amerikanischen Medienmarktes die obersten Stufen ein und machen von dort aus ihren Einfluß auf die amerikanische und internationale Medien- und Informationslandschaft geltend. Ihr Geschäftsfeld beschränkt sich dabei nicht nur auf den massenmedialen Bereich, zum Teil erstreckt sich ihre Tätigkeit ebenso auf medienferne Branchen. Umgekehrt ist eine starke Präsenz ursprünlich nicht medial tätiger Industriekonzerne im Medienmarkt registrierbar. Als besonders pikantes Beispiel führt Chomsky hier die Beteiligung der Firma Westinghouse an NBC bei gleichzeitiger geschäftlicher Betätigung auf dem Gebiet der Militärindustrie an. Diese Konstellation legt die Vermutung nahe, Westinghouse instrumentalisiere seine Medienkontakte als Publicityplattform für ihre anderweitigen unternehmerischen Aktivitäten.

Ausweislich ihrer privatwirtschaftlichen Verfaßtheit sind die Medienriesen als voll im freien Markt integrierte Akteure allzeit dem Druck des freien Wettbewerbs ausgesetzt. Daneben gilt es, die Aktionäre und Anteilseigner durch nachhaltig positive Bilanzen und stattliche Gewinnausschüttungen zufriedenzustellen und dauerhaft an das Unternehmen zu binden. Negative Bilanzen, Kapitalabzug und sinkende Kurse an der Börse haben nicht selten den Aufkauf durch ein Konkurrenzunternehmen zur Konsequenz. All diese Faktoren verlangen von der Konzernführung eine offensive Markstrategie, waghalsige Investitionen in neue Produkte und Technologien, den Drang zur Erschließung neuer Marktsegmente, die Übernahme von oder die Fusionierung mit Konkurrenzunternehmen, kurz die Mobilisierung aller Kräfte und die Ausschöpfung aller Möglichkeiten in den Dienst des obersten und einzigen Zweckes zu stellen, den der Profitmaximierung.

Die Tatsache, daß sich die Unternehmenslogik einseitig im Prinzip der vom Kapitalismus erzwungenen Profitmaximierung verdichtet, bildet für Chomsky den entscheidenden Ausgangspunkt für die Existenz und den unablässigen Betrieb des ersten der fünf Filter.

In sum, the dominant media firms are quite large businesses, they are controlled by very wealthy people or by managers who are subject to sharp constraints by owners and other market-profit-oriented forces; and they are closely interlocked, and have important common interests, with other major corporations, banks, and government, This is the first powerful filter that will affect news choices. (ebd., S.14)

Die kapitalistische Wirtschaftsweise bedarf dringend der Einbettung in ein dauerhaft stabiles gesellschaftliches Umfeld, das sich durch Attribute wie Berechenbarkeit und Verläßlichkeit auszeichnet. Dies ist in der Regel dann gewährleistet, wenn die verfassungsmäßig verbrieften Grundpfeiler des Systems, die der politischen und wirtschaftlichen Praxis gesetzesmäßige Legitimation verleihen, von einer breiten Bevölkerungsmehrheit getragen und verteidigt werden.

Die Nachrichtenberichterstattung gilt dabei als ein erfolgverheißendes Instrument zur Generierung von Konsens. Über die Auswahl der publizierbaren Informationen entscheiden nicht nur Faktoren wie Aktualität oder ihr welt- und landespolitischer Stellenwert, die Information wird darüberhinaus auf ihre Vereinbarkeit mit den in den Köpfen der Rezipienten bereits gewohnheitsmäßig eingefahrenen Denkschemata abgeklopft, das heißt mit der kollektiven Weltanschauung der Bevölkerung synchronisiert.

Der Einflußradius der 24 dominanten Mediengiganten in den USA erschöpft sich nicht in der Reichweite der hauseigenen Publikationen. Sie fungieren auch als Impuls- und Themengeber für die kleineren, unbedeutenden, lokal und regional tätigen Anbieter im Spektrum des amerikanischen Medienmarktes, die aufgrund unzureichenden Zugangs zu den weltweiten Quellen der Information auf die Großen im Geschäft angewiesen sind. Jene geben die Grundrichtung des öffentlichen Diskurses vor, sie sind es, die als Meinungsführer im Staat zu einem guten Teil darüber befinden, worüber nachgedacht, geredet, diskutiert oder geschwiegen wird.

Die tendenziell einseitig auf Systemstützung ausgerichtete Medienberichterstattung unterliegt neben den Regeln der Profitmaximierung gleichsam auch dem Einfluß der politischen Eliten. Dabei ist das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Massenmedien und Politik ein durchweg wechselseitiges. Untersteht die Wirtschaft der Kontrolle durch die Politik insofern, als diese die Rahmenbedingungen des Wirtschaftslebens durch den Erlaß von Gesetzen, die Festlegung und Eintreibung von Steuern oder die Vergabe von Geschäftslizenzen weitgehend festlegen kann, so ist die Politik ihrerseits, namentlich die auf Machterhalt bedachte Regierung, auf die positive Darstellung ihrer Leistungen durch die Medien angewiesen. Als ein Indiz für die engen Bande zwischen Massenmedien und Politik und deren wechselseitige Verstrickung muß nicht zuletzt die Tatsache herhalten, daß nicht wenige leitende Positionen in den Vorstandsetagen der Medienkonzerne durch ehemalige politische Amtsträger besetzt sind.

3.2.2 Werbegelder aus der Privatwirtschaft

Über Erfolg und Mißerfolg massenmedialer Erzeugnisse entscheiden nach Chomsky weit weniger Aspekte journalistischer und redaktioneller Qualität als vielmehr der Umfang der zugunsten eines medialen Produktes bereitgestellten Werbemittel privatwirtschaftlichen Ursprungs. Die unterstellte Interessenhomogenität zwischen Massenmedien und Privatwirtschaft unter den Bedingungen der freien Marktwirtschaft speist sich nicht zuletzt aus der finanziellen Abhängigkeit ersterer von den Werbeetats letzterer, mehr noch, sie findet darin ihr entscheidendes konstitutives Moment vor.

Zur Erklärung verweist Chomsky auf die historisch gewachsenen Prämissen für die Entstehung medialer Erzeugnisse und ihre Behauptung am Markt und illustriert diese anschaulich am Beispiel des Zeitungswesens. War früher der Verkaufspreis einer Zeitung die alleinige Einnahmequelle des Verlegers, die Produktions-, Vertriebs- und Personalkosten zu decken hatte, so wandelte sich dies mit dem Aufkommen einer werbefinanzierten Presse grundlegend. In dem Maße wie die Werbeeinnahmen aus der Privatwirtschaft in den Etats der Verleger an Größenordnung zunahmen sank der Verkaufspreis der Zeitung zusehends unter das Niveau der Produktionskosten. In der Folge setzte ein umfassender Ausscheidungsprozeß derjenigen Presseorgane aus dem Markt ein, die von der Gunst der Werbetreibenden unberücksichtigt blieben und deren Verkaufszahlen aufgrund des gleichbleibend hohen Verkaufspreises und des wegbrechenden Absatzmarktes zurückgingen. Dies betraf vornehmlich jene Tageszeitungen, die dem linken und radikalen politischen Spektrum zugeschrieben waren und als solche programmatisch gegen das Privatkapital und zugunsten der Arbeiterschaft Stellung bezogen. ,,With advertising, the free market does not yield a neutral system in which final buyer choices decides. The advertises' choices influence media prosperity and survival." (ebd., S.14)

Wie das Beispiel beleuchtet, bedient sich die Privatwirtschaft mit der Werbefinanzierung von Medien eines Werkzeuges, dessen Nützlichkeit sich längst nicht in der Propagierungs- und Profilierungsfunktion eines Produktes, Marken- oder Firmennamens mittels Reklame erschöpft.

Die Abhängigkeit von Werbegeldern beschneidet die Medien in ihrer verfassungsmäßig postulierten Rolle als über jedweden Einzelinteressen schwebende Instanz, indem sie die Grenzen zwischen Massenmedien und Privatwirtschaft verschwimmen läßt. Der Werbetreibende greift durch seine Auswahl der ihm genehmen medialen Werbeplattform aktiv in die Sphäre öffentlicher Meinungsbildung über und zwar in dem Maße wie sich die werbungschaltenden Medienerzeugnisse in inhaltlicher Hinsicht entsprechend dessen Interessenlage um die bewilligten Gelder verdient machen müssen. Auf lange Sicht behaupten sich dementsprechend die Medienerzeugnisse am Markt, die mit der Privatwirtschaft inhaltlich auf einer Linie liegen und daraus selbst den größten wirtschaftlichen Nutzen ziehen. Mit der Werbefinanzierung verfügt die Wirtschaft über ein wirkungsvolles Macht- und Disziplinierungsmittel gegenüber den Massenmedien. Werbegelder entscheiden über Verbleib und Ausscheiden von Medienerzeugnissen und Medienunternehmen im Markt, leiten den Trend hin zu mehr Unternehmenskonzentration in der Medienbranche ein und tragen auf lange Sicht zur Herausbildung einer ideologisch homogenen, dem Kapitalismus wohlgesonnenen Medienlandschaft und Informationsumwelt bei.

Political discrimination is structured into advertising allocations by the stress on people with money to buy. But many firms will always refuse to patronize ideological enemies and those whom they perceive as damaging their interests [...]. (ebd., S.16)

Mit der Subventionierung von Medienunternehmen durch Werbefinanzierung erkauft sich der Werbende gleichsam ein indirektes Mitspracherecht hinsichtlich der Programmgestaltung, Themenauswahl und der medial transmittierbaren politisch-ideologischen Botschaft eines Medienerzeugnisses.

With rare exceptions these (advertisers principles) are culturally and politically conservative. Large corporate advertisers on television will rarely sponsor programs that engage in serious criticisms of corporate activities, such as the problem of environmental degradation, the workings of the military-industrial complex, or corporate support of and benefits from Third World tyrannies. (ebd., S.17)

Die einseitige Fokussierung konsumfreudiger und kaufkräftiger Zielgruppen begünstigt die Abkehr von kritischer und seriöser Medienberichterstattung noch zusätzlich. Es setzen sich zunehmend solche medialen Inhalte durch, deren Nutzen sich allein auf ihre Funktion als Träger von Werbebotschaften verkürzt. Diese Anforderung erfüllen nach Chomsky vor allem die auf reine Unterhaltung setzenden Medieninhalte.

3.2.3 Quellen nachrichtenwürdiger Information

Um dem alltäglichen Informationsbedürfnis des Rezipienten Genüge zu leisten, bedürfen die Massenmedien eines ungebrochenen Informationszulaufs in ihre redaktionellen Schaltzentralen. Insbesondere im Bereich der Berichterstattung zu tagesaktuellen Geschehnissen aus aller Welt sind die Massenmedien auf ein jederzeit abrufbares Repertoire an seriösen und verläßlichen Informationsquellen angewiesen, deren themenspezifische Angaben und Kenntnisse sich guten Gewissens übernehmen, das heißt weitestgehend ungeprüft an die Öffentlichkeit weiterreichen lassen. Medienunternehmen konzentrieren ihre Ressourcen folgerichtig dort, wo in kalkulierbar regelmäßiger Abfolge Ereignisse mit hohem Nachrichtenwert zu erwarten sind. Chomsky legt dar, daß dieser Anforderung überwiegend offizielle Institutionen aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft gerecht werden: ,,These bureaucracies turn out a large volume of material that meets the demands of news organizations for reliable, scheduled flows" (ebd., S.19).

Bezogen auf amerikanische Verhältnisse führt er in diesem Zusammenhang die obersten Regierungsstellen, also das Weiße Haus, das Pentagon oder das State Department an, die allein schon aufgrund ihres Stellenwertes als zentrale Organe der politischen Ordnung im Mittelpunkt der Medienberichterstattung und damit der öffentlichen Wahrnehmung stehen. Vor allem die mannigfaltigen Formen und Foren von Öffentlichkeitsarbeit auf allen Ebenen politischer Repräsentation bilden einen willkommenen und zuhauf frequentierten Anlaufpunkt für journalistische Wißbegier. Insbesondere der machthabenden Regierung eröffnet sich hierin ein breites Spektrum an Optionen, ihre Politikentwürfe in mediengerechter Manier salonfähig zu machen. Sie bedient sich dabei aller denkbaren öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen, angefangen bei turnusgemäß abgehaltenen Pressekonferenzen, über die Verlegung hauseigener Publikationen bis hin zur Produktion von Radio- und Fernsehbeiträgen. Ähnlich bemüht um positive Publicity zeigen sich daneben Instanzen aus dem Bereich der Wirtschaft in Gestalt von Unternehmen, übergeordneten Interessenvertretungen, also Arbeitgeberverbänden oder Handelsorganisationen. Auch sie scheuen weder Kosten noch Energien, die Massenmedien über mannigfache Kanäle mit nachrichtenverwertbaren Informationen zu versorgen und auf diesem Wege ihren Botschaften ins öffentliche Bewußtsein zu verhelfen.

Der beschriebene Sachverhalt birgt nach Chomsky einen wirkungsvollen Filter im System massenmedialer Kommunikation, durch den der Interessengleichklang zwischen Massenmedien, Politik und Wirtschaft vorangetrieben und verstetigt wird. ,,The mass media are drawn into a symbiotic relationship with powerful sources of information by economic necessity and reciprocity of interest." (ebd., S.17)

In diesem Lichte betrachtet erwecken die Massenmedien den Anschein als fungierten sie vor allem als Vollstreckungsgehilfe der maßgebenden politischen und wirtschaftlichen Eliten im Staat zur Durchsetzung von deren ureigensten Interessen. Die Massenmedien sind danach nicht mehr als das Sprachrohr der Macht. Nichtsdestotrotz ziehen sie gleichfalls größten Nutzen aus dieser Konstellation. Die Vorzüge des Rückgriffs auf offizielle Quellen sind vielgestaltig, lassen sich jedoch abermals vor dem Hintergrund ökonomischer Kosten-Nutzen- Erwägungen begreifen. Sie liefern bereitwillig, kontinuierlich und zu großen Anteilen den Stoff, woraus sich massenmediale Berichterstattung zu einem guten Teil zusammensetzt. In dem Maße, wie sie sich als tagtäglicher Themengeber für die öffentliche Agenda heranziehen lassen, kann von zeit- und kostenintensiven Anstrengungen zur Erschließung immer neuer Quellen zu immer neuen Themen abgesehen werden. So gesehen tragen sie maßgeblich zur Kosteneinsparung mit dem Resultat höherer Wirtschaftlichkeit der Massenmedien bei. Darüber hinaus suggeriert die Berufung auf offizielle Informationsquellen dem Rezipienten Attribute wie Genauigkeit, Glaubwürdigkeit und Objektivität.

Partly to maintain the image of objectivity, but also to protect themselves from criticisms of bias and threat of libel suits, they need material that can be portrayed as presumptivily accurate. (ebd., S.19) Medienberichterstattung erscheint vor dem skizzierten Hintergrund als in ihrer inhaltlichen Struktur stark determiniert und stellt sich im Ergebnis als Plattform zur Umsetzung lobbyistischer Informationspolitik der Herrschenden aus Politik und Wirtschaft dar. Diese Abhängigkeit äußert sich konkret in diversen Zugeständnissen und ,,vertrauensbildenden Maßnahmen" von Seiten der Massenmedien, die auf eine Art von ,,Nichtangriffspakt" hinauslaufen.

Because of their services, continuous contact on the beat, and mutual dependency, the powerful can use personal relationships, threats, and rewards to further influence and coerce the media. The media may feel obliged to carry extremely dubious stories and mute criticism in order not to offend their sources and disturb a close relationship. (ebd., S.22)

Befolgen die Massenmedien die vorgegebene Marschroute zur Zufriedenheit ihrer Informationslieferanten, so können sie ihrerseits auf deren wohlwollende Unterstützung setzen. They provide the media organizations with facilities in which to gather; they give journalists advance copies of speeches and forthcoming reports; they schedule press conferences at hours wellgeared to news deadlines; they write press releases in usable language; and they carfully organize their press conferences and "photo opportunity" sessions. (ebd., S.22)

3.2.4 Disziplinierungsstrategien

Während die drei vorab beschriebenen Filter in ihrer Wirkungsweise dem Prozeß der Selektion von Information und ihrer redaktionellen Aufbereitung zur Nachricht vorgeschaltet sind, setzt der vierte Filter erst jenseits des Zeitpunkts ihrer Publikmachung an. Er wird indes stets nur in den Ausnahmefällen aktiv, in denen, allen Vorbeugungen durch die restlichen Filter zum Trotz, Informationen über die Medien lanciert wurden, deren öffentliche Resonanz dazu angebracht erscheint, Ziele und Interessen der machthabenden Eliten zu konterkarieren. Berichterstattung, die als offener Verstoß gegen den imaginären ,,Nichtangriffspakt" zwischen Medien und Macht gewertet wird, liegt beispielsweise dann vor, wenn ein einzelnes Unternehmen oder die Wirtschaft als Ganzes in ein schlechtes Licht gerückt oder aber politische Entscheidungsträger und Institutionen öffentlich gebrandmarkt werden. Dergleichen Unbotmäßigkeiten der Massenmedien im Umgang mit den Herrschenden wird anhand verschiedenst gearteter Protest- und Sanktionsmaßnahmen seitens der Attackierten begegnet, die Chomsky unter dem Begriff ,,Flak" subsumiert.

It may take the form of letters, telegrams phone calls, petitions, lawsuits, speeches and bills before Congress, and other modes of complaint, threat, and punitive action. It may be organized centrally or locally, or it may consist of the entirely independent actions of individuals. (ebd., S.26)

Ziel der Sanktionen ist es, die in ihrer Berichterstattung von der erwünschten Linie abgewichenen Medienorgane zur Räson zu bringen, auf daß sie sich nachträglich von den zur Diskussion stehenden Positionen distanzieren und in Zukunft von entsprechenden Zuwiderhandlungen absehen. ,,Flak" bezieht seine Wirksamkeit aus dem Sachverhalt, daß die Massenmedien ihre Abhängigkeit von den Herrschenden in Gestalt aller diesen zu Gebote stehenden Druckmittel vor Augen geführt und im Ernstfall schonungslos zu spüren bekommen. So wie diese Abhängigkeiten in ihrer Substanz zumeist und aus bereits skizzierten Gründen rein wirtschaftlicher Natur sind, erweisen sich dann auch jene Gegenmaßnahmen als in besonderer Weise erfolgversprechend, die bei den Massenmedien erhöhten Kostendruck erzeugen oder aber einen solchen in Aussicht stellen.

Der Rückzug von Werbegeldern oder die diesbezügliche Androhung von Seiten der Wirtschaft ist ein probates Mittel zur Disziplinierung massenmedialer Abweichler, der in Wirtschaftskreisen lancierte Aufruf zum Boykott derselbigen als Werbeplattform nur dessen zugespitze Variante.

Werden wirtschaftliche Interessen von Medienberichterstattung negativ berührt, ist alsbald auch mit dem Zuhilfeeilen konservativer Gesinnungsgenossen aus der Politik zu rechnen, die durch Geltendmachung ihrer einschlägigen Kontakte zu und der ihrerseits mobilisierbaren Druckmittel gegenüber den Massenmedien, diese wieder auf Linientreue zu drängen suchen. Die drohende Aussicht auf Stillegung der ,,heißen Drähte" zwischen Politik und Massenmedien, vor allem auch in den Fällen, in denen sich die Politik selbst medialen Attacken ausgesetzt sieht, kann dabei die nötige Überzeugungsarbeit leisten; ein Mittel, von dem, glaubt man den Ausführungen Chomskys, speziell die politische Führung regen Gebrauch zu machen pflegt. Eine geradezu instinktmäßige Aufgeschlossenheit der allzeit auf Imagepflege und Machterhalt bedachten Regierung gegenüber den Verheißungen von ,,Flak" erscheint unter den realen Machtverhältnissen zwischen Medien und politischer Herrschaft nur zu schlüssig und findet ihre Bestätigung in der Feststellung: ,,The government is a major producer of flak, regularly assailing, threatening and "correcting" the media, trying to contain any deviations from the established line." (ebd., S.28)

Daß ,,Flak" zu einer festen Größe unternehmerischen und politischen Krisenmanagements in den USA gereift ist, belegt nach Chomsky nicht zuletzt die Existenz einer Vielzahl von Institutionen ,,organized for the specific purpose of producing flak" (ebd., S.27). Subventioniert von Wirtschaft und Politik, kommt diesen Einrichtungen die Aufgabe zu, die auf ihre Sponsoren bezugnehmende mediale Berichterstattung auf Vereinbarkeit mit deren konzeptionellen, programmatischen oder ideologischen Zielsetzungen zu prüfen, um im Falle von Zuwiderhandlungen in Eigenregie und doch stets im Sinne ihrer Schirmherren angemessene Gegenstrategien einzuleiten.

3.2.5 Antikommunismus als Abgrenzungsmechanismus

Die kommunistische Ideologie mit all ihren system- und gesellschaftsübergreifenden Implikationen gilt den liberal-demokratischen kapitalistischen Staaten, allen voran den USA in ihrer Rolle als einstigem Schutzpatron des Westens gegenüber dem Sowjetsystem, schlichtweg als Ausdruck allen Übels und des Bösen schlechthin. Demokratie und Kapitalismus hingegen symbolisieren Freiheit und Gerechtigkeit. Daß sich solch eine verkürzte Perspektive von Beginn des Kalten Krieges an bis heute mehrheitlich in den Köpfen westlicher Bevölkerungen festsetzen konnte, muß als die elementare und nachhaltigste Leistung westlicher Propagandatätigkeit gewürdigt werden. Ihre Wirkung war so durchgreifend, daß der Antikommunismus selbst zur Ideologie, ja zur Religion gerann, die gesellschaftliche Kräfte zur Abwehr von Systemgegnern zu mobilisieren hilft und als Rechtfertigung politischen Handelns herhalten kann.

Die eigentliche Zweckdienlichkeit des Antikommunismusbegriffs für die Interessen der Herrschenden ergibt sich nach Chomsky indes aus seiner programmatischen Verschwommenheit. Der landläufigen Reduzierung des Kommunismus auf dessen Haltung in der Eigentumsfrage entspringt seine pauschale Gleichsetzung mit Eigentumsfeindlichkeit. Daraus schlägt der Antikommunismus sein Kapital, indem er kurzerhand alle denkbaren gesellschaftlichen Konzepte, die das Eigentum in seiner bestehenden Form antasten oder auch nur durchdenken als eigentumsverneinend und daher umstürzlerisch und radikal diffamiert.

This ideology helps mobilize the populace against an enemy, and because the concept is fuzzy it can be used against anybody advocating policies that threaten property interests or support accomodation with communist states and radicalism. (ebd., S.29)

Antikommunismus wirkt gleichermaßen öffentlichkeitswirksam nach außen als Abgrenzungsmechanismus gegen den äußeren Feind wie auch nach innen als Kontrollmechanismus gegenüber potentieller Systemkritik. Selbst gemäßigtere politische Strömungen, Politikentwürfe etwa, die sich für die Interessen der Arbeiterschaft starkmachen, geraten schon deswegen unter Beschuß, als allein ihr Pochen auf eine gerechtere Güterverteilung sich der öffentlichen Anrüchigkeit aussetzt, gleichmacherischen, in das Reich des Kommunismus weisenden Sehnsüchten nachzuhängen.

Dabei verschleiert die mit zum Teil inbrünstiger Leidenschaft vorgetragene Kommunismushetze die eigentlichen, handfesten Motive ihrer Initiierung. Hinter der Parole von der gegen kommunistische Übergriffe zu verteidigenden Freiheit des ganzen Volkes verbirgt sich nach Chomsky in Wahrheit zu aller erst der unerschütterliche Wille der wenigen Herrschenden, die eigene Vormachtstellung im Staat, mit all den dazugehörigen Pfründen und Privilegien, zu bewahren. Antikommunistische Propaganda leistet hierfür einträgliche Dienste, indem sie die verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen zu vereinen und somit eine solidarische Front im Kampf gegen den äußeren wie auch inneren Feind zu schaffen versteht. Die Massenmedien bilden das Herzstück antikommunistischer Propaganda, indem sie konsequent die als kommunismusbefürwortend auslegbaren Informationen aus dem Massenkommunikationssystem herausfiltern.

The anti-Communist control mechanism reaches through the system to exercise a profound influence on the mass media. In normal times as well as in periods of Red scares, issues tend to be framed in terms of a dichotomized world of Communist and anti-Communist powers [...]. (ebd., S.30) Die Zeiten des Kalten Krieges brachten es mit sich, daß der fünfte massenmediale Filter vornehmlich im Zusammenhang mit weltpolitischen Konflikten zum Einsatz kam, welche die Systemkonfrontation zum Gegenstand hatten. So kam es, daß außenpolitische Initiativen, wie die amerikanische Unterstützung bestehender oder gar die Errichtung neuer Gewaltregime mancherorts faschistischer Prägung, in den westlichen Massenmedien mit Blick auf ihre potentiell kritikmobilisierende Brisanz verfälscht und beschönigt wiedergegeben oder gar mit dem Mantel des Schweigens versehen wurden. Die wahrhaftigen vitalen Interessen der Westmächte, welche sich mitnichten darin erschöpften, ein Bollwerk gegen den Kommunismus zu errichten, sondern nicht zuletzt auf die Wahrung und Neuerschließung wirtschaftlicher ,,Freiräume" (z.B. Sicherung von Rohstoffen) abzielten, nahmen nur wenig Rücksicht auf moralische Erwägungen, was allzu leicht in dem Entschluß mündete, die Öffentlichkeit von dererlei Schattenseiten des Kapitalismus tunlichst unbehelligt zu lassen. Da Manufacturing Consent im Jahre 1988 erschienen ist, beziehen sich die Überlegungen Chomskys ausnahmslos auf die Zeit der direkten Systemkonfrontation zwischen Ost und West. Dennoch ist anzunehmen, daß er den fünften massenmedialen Filter auch gegenwärtig in Betrieb sieht. Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus wurde ja gleichsam der Beweis für den weltweiten moralischen Alleinanspruch von Kapitalismus und Demokratie mitgeliefert. Damit gewann der Antikommunismus quasi nachträglich seine endgültige Legitimation. Auch wenn zu vermuten ist, daß der fünfte Filter gewiß weniger beansprucht wird als einst, spricht das nicht gegen seine fortdauernde Operationalisierbarkeit. Da außerstaatlich kaum mehr mit einer systemfeindlichen Bedrohung zu rechnen ist, dürfte sich sein Aktionsradius heute auf das Systeminnere zur Abwehr aller politisch links vom Establishment verorteten Strömungen konzentrieren, die unter den Bedingungen eines fast weltweiten kommunistischen Vakuums zusätzlichem Legitimationsdruck ausgesetzt sind.

3.3 Vom Modell zur Praxis

Das Propagandamodell als ein theoretisches Hilfsmittel, die Wirklichkeit anschaulich abzubilden, erlangt seine Brauchbarkeit für die Praxis genau in dem Moment, in dem man sich an die Stelle der einzelnen Filter jeweils konkrete, nach bestimmten Zielen strebende Interessen denkt. Um diese Ziele zu verwirklichen, benötigt man indes Macht, die man fortdauernd zu hüten und zu pflegen gezwungen ist. In dem Wissen um das Wesen von Macht, als der menschlichen ,,Fähigkeit (entsprechend), nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln" (Arendt, 1970. S.45), demgemäß Macht sich also vor allem der gesellschaftlichen Akzeptanz entlehnt, bemühen sich nun die Vertreter der Interessen, im Volke für möglichst breite Zustimmung zu werben. Aus diesem Grunde halten sie jene strategischen Positionen im Gemeinwesen besetzt, von denen aus sich mit geringstem Aufwand ein Höchstmaß an Zustimmung erzielen läßt: die Massenmedien. Zustimmung ist dabei vor allem als stillschweigender Konsens im Volk zu verstehen, das System in seinem Kern zu befürworten.

Auch dann, wenn die spezifischen Einzelinteressen nicht identisch sind - der Wirtschaft geht es um Profitmaximierung, der Regierung vorwiegend um politischen Machterhalt - so ist doch deren beiderseitiges Kardinalinteresse immer das eine: der Erhalt des kapitalistischen Systems, da nur dieses die Wahrnehmung der jeweiligen Interessen garantieren und legitimieren kann. Dies erklärt zudem das fast lückenlose und reibungsfreie Funktionieren des Filtersystems in seiner Gesamtheit. Tragen die Filter auch von Fall zu Fall unterschiedliche Handschriften, mal die der wirtschaftlichen, mal die der politischen Eliten, so sind doch Ungereimtheiten oder gar Interessenkollisionen kaum zu erwarten; schließlich deckt sich doch die Interessenwahrnehmung der Wirtschaft gleichermaßen mit den Grundsätzen liberalistischer Politik, die ohne die Segnungen einer florierenden, das Volk in Arbeit und Brot bringenden Wirtschaft kaum in die Macht gehoben würde.

3.4 Propaganda in Zeiten der Systemkonfrontation

Wie kein anderer Zeitabschnitt jüngerer Geschichte beleuchtet die Periode der Systemkonfrontation zwischen den kapitalistischen West- und den kommunistischen Ostmächten die Art von Systempropaganda, die gänzlich den Regeln des Filtermodells Chomskys zu gehorchen scheint. Das kapitalistische System sah sich erstmals der ernsthaften Herausforderung eines alternativen, vielmehr noch antagonistischen Gesellschaftsentwurfs gegenüber, der in kürzester Zeit und unter der Bedingung schrittweiser Zurückdrängung des Kapitalismus weltweit an Boden zugewann.

Als Betrachtungsgegenstand zum Nachweis von Propagandapraktiken unter den Bedingungen des Kapitalismus bietet sich der Kalte Krieg aus dem Grunde in besonderer Weise an, als das allzeit gültige Kardinalinteresse der verschiedenen gesellschaftlichen Machtgruppen, also die Verteidigung des Systems vor seinen Gegnern, in den Zeiten seiner evidentesten Bedrohung, nämlich der von außen kommenden und für jedermann sichtbaren, spürbarer ist denn je. Konfrontation schafft klare Verhältnisse, sie erfordert entweder Parteinahme oder Ablehnung, sie spaltet in Für und Wider, in Gut und Böse. Unter diesen Bedingungen büßt Propaganda ihre latente Subtilität ein, indem sie zudringlicher zu polarisieren sucht und dadurch, zumindest für den Außenstehenden, leichter aufzudecken ist.

Chomskys Betrachtung der amerikanischen Informationsumwelt, bis ins Jahr 1988 scheint diese These rundum zu bestätigen. Vor allem die offiziellen staatlichen, militärischen und wirtschaftlichen Akteure vermochten sich über die Massenmedien Verhör zu verschaffen, wohingegen gesellschaftliche Randgruppen, wie Menschenrechtsorganisationen oder Angehörige der Friedensbewegung, die sich kritisch mit dem Kalten Krieg und dessen Stellvertreterkriegen auseinandersetzten, nur marginalen Zugriff auf die medialen Kanäle hatten.

Die Wirkungsweise des Filtersystems eröffnete der Öffentlichkeit eine zutiefst eindimensionale Perspektive auf das Weltgeschehen und begünstigte so eine Wahrnehmung, die ein Denken in moralischen Kategorien von Gut und Böse nahelegte. Gut schien ausschließlich der Westen, der sich gegen den bösen Kommunismus zur Wehr zu setzen hatte. Dem entsprachen journalistische Beurteilungsmaßstäbe, die kaum noch den Postulaten von Neutralität und Objektivität zu genügen schienen. All das, was sich als Anklage gegen die ,,moralische und menschenverachtende Verwerflichkeit" des Kommunismus verwenden ließ, hatte gute Aussichten, Gegenstand aufwendiger, umfangreicher und langanhaltender Medienkampagnen, sogenannte ,,big news" (ebd.,31) zu werden.

Dagegen wurden die moralischen Verfehlungen der Westmächte, die in Sachen Menschenverachtung dem Systemgegner in nichts nachstanden, entweder totgeschwiegen, beschönigt, kleingeredet oder schlichtweg verfälscht wiedergegeben. Staaten, die, wie beispielsweise die Türkei, Oppositionelle und Dissidenten nachweislich unterdrückt und gefoltert hatten, wurden, ob ihrer antikommunistischen Gesinnung als Verbündete gepriesen und mit großzügiger militärischer und finanzieller Unterstützung vergütet. Die Menschenrechtsverstöße hingegen drangen nicht durch das Filtersystem in die breite Öffentlichkeit vor.

Media that chose to feature Turkish violence against their own citizenry would have had to go to extra expense to find and check out information sources, they would elicit flak from government, business, and organized right-wing flak machines, and they might be looked upon with disfavor by the corporate community (including) advertisers for indulging in such a quixotic interest and crusade. (Chomsky, 1988. S.31)

Die Polarisierung in Gut und Böse spiegelte sich am deutlichsten in einer Aufspaltung der Opfer des Kalten Krieges in ,,worthy and unworthy victims" (ebd., 37) wider:

A Propaganda System will consistently portray people abused in enemy states as worthy victims, whereas those treated with equal or greater severity by its own government or clients will be unworthy. (ebd,. S.37)

So zog der Abschuß des südkoreanischen Linienflugzeuges KAL 007 im September 1983 durch die Sowjets einen weltweiten Aufschrei des Entsetzens nach sich, woran die Intensität der medialen Berichterstattung zentralen Anteil hatte. Zeitlich fiel das Ereignis mit den strategischen Planspielen der Reagan-Administration zur militärischen Aufrüstung der USA zusammen und dürfte dahingehend die entscheidende Überzeugungsarbeit geleistet haben. Der Abschuß eines lybischen Zivilflugzeugs durch das verbündete Israel zehn Jahre zuvor geriet dagegen, bedingt durch die geringe massenmediale Anteilnahme, nur zu rasch wieder in Vergessenheit.

Die zurückliegenden Ausführungen können nur ausschnittweise andeuten, worin westliche Systempropaganda zu Zeiten des Kalten Krieges bestand und welche Konsequenzen sie für den öffentlichen Diskurs nach sich zog. Isoliert betrachtet ist ihre Beweiskraft wenig stichhaltig. Betrachtet man aber Manufactuering Consent in seiner Gesamtheit, deren Autoren in detailgetreuer Ausführlichkeit einige prägnante ,,Nebenkriegsschauplätze" des Kalten Krieges (z.B. Indochinakriege) in bezug auf ihre journalistische Bearbeitung und unter Anlegung ihres Propagandamodells durchleuchten. Alle ihre Untersuchungen kommen dabei zu dem gleichen Ergebnis:

In sum, a propaganda approach to media coverage suggests a systematic and highly political dichotomization in news coverage based on the serviceability to important domestic power interests. (ebd., S.35)

Gerade vor dem Hintergrund seines wissenschaftlichen Anspruchs erscheint die Ausgangsthese von Manufacturing Consent von den Massenmedien als den Erfüllungsgehilfen der Macht als durchweg glaubhaft.

4 Massenmedien und Macht

4.1 Chomsky versus Postman

Der Ansatz Chomskys ist dem Postmans diametral entgegengesetzt. Letzterer will die diversen Massenmedien als autarke Funktionseinheiten verstanden wissen, welche grundlegend neuartige Bedingungen und Formen von Kommunikation ins Leben rufen, die ihrerseits wiederum neuartige Inhalte von Kommunikation hervorbringen. Der Mensch als Adressat des Mediums kann zweifellos durch den Konsum desselben zu dessen gesellschaftlicher Anerkennung beitragen, niemals aber Einfluß auf das Wesen des Mediums selbst und die von ihm lancierten Inhalte nehmen. Im Gegenteil: Stößt das Medium auf weitverbreitete Akzeptanz und erfreut sich alltäglicher Rezeption, so übt es alsbald den denkbar größten Einfluß auf den Menschen selbst, dessen Denk-, Handlungs- und Kommunikationsmuster aus. Indem Postman den Medien, eine Art Eigenleben konzediert, macht er gleichermaßen dem Menschen dessen Rolle als selbstbestimmtes und unabhängig handlungsfähiges Individuum streitig. In der Beziehung Medium und Mensch wird das erstere zum Subjekt erhoben, letzterer ist zum Objekt degradiert.

Anders Chomsky, der in seiner Betrachtung des Systems der modernen Massenmedien, wie es vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika und, mit geringen Abweichungen, wohl in sämtlichen liberal-demokratisch verfaßten, kapitalistischen Staaten vorherrscht, einen streng akteursbezogenen Ansatz verfolgt. Nicht etwa das Medium selbst ,,versteht" es, eigene Inhalte und Kommunikatinsmodi der öffentlichen Agenda aufzuoktroyieren und kraft seiner metaphorischen Resonanz salonfähig zu machen, der Mensch selbst, das heißt der im Geschäft der modernen Massenmedien Verantwortlichzeichnende, weiß sich im Besitz aller Mittel und Möglichkeiten, die Erscheinungs- und Darbietungsform seines Mediums, dessen Inhalte sowie dessen Aussagekraft nach eigenem Ermessen zu bestimmen. Macht sich nach Postman das Medium den Menschen gefügig, so verkehrt Chomsky diese Abhängigkeit in ihr Gegenteil: Dem Menschen obliegt es, das Medium zu seinen Zwecken zu instrumentalisieren, sich das Medium zur Durchsetzung vorab intendierter Wirkungsweisen dienstbar zu machen. Folglich steht das Medium auch für Chomsky in anrüchigem Verdacht, in hohem Maße Mechanismus potentieller Beeinflussung zu sein. Für ihn verbirgt sich das Momentum der Einflußnahme auf den Konsumenten jedoch maßgebend in den medial dargebrachten Inhalten, die ihrerseits indes schlicht Ausfluß menschlichen Denkens und Handelns sind und spezifische Denk- und Handlungsempfehlungen an den Rezipienten weiterleiten. Im Unterschied zu Postman fungiert das Medium für Chomsky in erster Linie als Mittler, weniger aber als Schöpfer von Information. Für ihn redet nicht das Medium mit dem Menschen, für ihn redet der Mensch selbst vermittels des Mediums mit dem Menschen.

Die Beziehung Mensch/Technik markiert einen entscheidenden Unterschied in den jeweiligen Ansätzen der Autoren. Gemäß Chomsky steht der Mensch über der Technik, wohingegen Postman den Menschen als der Technik untertan ansieht. Für ihn schafft sich die Technik den Menschen.

Für Chomsky hingegen ist die wesentliche Frage, in wessen Hände innerhalb eines menschlichen Gemeinwesens eine Technik fällt, da dies darüber entscheidet, wie und mit welchem Ziel über sie verfügt wird und in welche Richtung sich das Gemeinwesen entwickelt. So wie die Massenmedien sich allesamt in den Händen der politischen und wirtschaftlichen Eliten, also in denen der Macht befinden, ist es schlicht folgerichtig, daß sie ganz in den Dienst ihrer Besitzer gestellt und auf den Zweck des Erhalts und der Ausweitung von Macht geeicht werden. Ein Medium kann also sehr wohl gesellschaftliche Entwicklungskräfte, die jedoch im menschlichen Bewußtsein und nicht in der Technik angelegt sind, in Gang setzen und in eine menschlich intendierte Richtung lenken. Was beim Rezipienten als Botschaft ankommt, ist jedoch nicht die Technik als solche, vielmehr nur die Inhalte, die Informationen, die sie transportiert. Diese richten sich indes nicht darauf wie wir denken, sondern allein darauf, was wir denken.

Postman geht einen Schritt weiter, wenn er behauptet, daß eine Technik über ihre Inhalte, die sie in weitestgehender Unabhängigkeit vom Menschen gebiert, die Innenwelt, also auch die Denkmodi ihres Adressaten qualitativ umstrukturiert, im Falle des Fernsehens verkümmern läßt und somit nachhaltige Wirkungen auf das sie umgebende Gemeinwesen haben muß. Welcher Art und Gestalt diese Wirkungen sein könnten, wird im folgenden zu erörtern sein.

4.2 Fernsehen als Herrschaftsinstrument?

Im Unterschied zu Manufacturing Consent, dessen Zielsetzung darin besteht, die Verbindungslinien zwischen politischer und wirtschaftlicher Macht und den Massenmedien aufzudecken, bleiben dahingehende Stellungnahmen in Wir amüsieren uns zu Tode weitestgehend unausgesprochen. Da im Zuge der Ausführungen über Chomsky hinlänglich ersichtlich geworden ist, daß er die Frage, ob Medien das System stützen, eindeutig mit Ja beantwortet, bleibt an dieser Stelle zu klären, welche Position Postman hierzu einnähme, würde er seine im Buch eingeschlagene Gedankenlinie konsequent weiterverfolgen. Um es vorwegzunehmen, auch er müßte die Frage grundsätzlich bejahen.

Um die Ausführungen unter 3. kurz zu rekapitulieren, sieht Postman unsere Kultur dem massiven Angriff durch das Fernsehen ausgesetzt. Der Adressat dieser von einer Technologie vorgetragenen Attacke ist das menschliche Individuum, dessen symbolische Umwelt unter dem Einfluß des Fernsehens in Unordnung gerät und dessen Gedanken-, und Gefühlswelt sich allmählich nach dem Muster und den Vorgaben des Fernsehens ausrichtet. Das Fernsehen läßt die Welt als diskontinuierlich, kontextlos und inkohärent erscheinen, da es vornehmlich in unverbundenen Bildern spricht, denen es seine Programminhalte zu unterwerfen hat. Auf der Suche nach einem Sinn, spricht der Rezipient den Fernsehinhalten ihre Ernsthaftigkeit ab und versteht sie ferner als einzig dem Zwecke seiner Unterhaltung verschrieben. Da das Fernsehen als kulturelle Metapher zudem auf andere Kommunikationsmedien übergreift, die sich ihm in Inhalt und Gestaltung anpassen, zielt es alsbald auf die gesamte menschliche Kommunikationsumwelt, nicht bloß auf die mediale, auch auf die zwischenmenschliche.

Damit werden die menschlichen Kommunikationsgewohnheiten umgewälzt, der gesamte öffentliche Diskurs wird neu bestimmt und nimmt allmählich die Form des Entertainments an. Davon bleibt auch die menschliche Intelligenz nicht unberührt, sie wird fernsehbestimmt, der Mensch wird apathisch, indifferent, entfremdet und büßt darüber seine intellektuellen Fähigkeiten ein.

4.2.1 Fernsehen und Politik

So wie das Fernsehen allen Bereichen der menschlichen Lebenswelt seinen Stempel aufprägt, erfaßt es folgerichtig auch die Sphäre des Politischen, worin gleichsam sein entscheidendes systemstützendes Moment vorliegt. Unter der kulturellen Vorherrschaft des Fernsehens wird nach Postman der ,,politische Diskurs verw Üstet" (Postman, 1988. S.156), weil er sich gänzlich dem Leitmotiv des Showbusiness unterwirft. Hauptverantwortlich hierfür ist die Tatsache, daß Politik, die Muster und Regeln der Werbewirtschaft adaptierend, zum verkäuflichen Produkt entartet. Wo es früher unter dem Eindruck des Buchdrucks noch darum ging, politische Konzepte, Programme und Ideale vorwiegend argumentativ an den Mann zu bringen, vertraut der Politiker von heute ganz den Allheilversprechen und Erfolgsbilanzen der Reklame. Unter ihrem Diktat gerät die Ratio des Umworbenen zur vernachlässigbaren Größe, wogegen seine psychologischen Bedürfnisse, seine gefühlsmäßigen Regungen, kurzum sein Unterbewußtsein zum Angriffsziel pseudopolitischer Botschaften deklariert wird. Manifester Ausdruck des Sachverhalts, daß ,,[...] in der Epoche des Fernsehens und anderer visueller Medien » politisches Wissen « vornehmlich zu Bildern und nicht zu Worten oder Ideen gerinnt" (ebd., S.160), ist der Triumphzug der sogenannten Image-Politik, unter deren Vorzeichen dem äußerlichen Erscheinungsbild eines politischen Kandidaten, seinem Duktus und seiner menschlichen Ausstrahlung weit mehr Interesse zuteil werden, als seinen politischen Stellungnahmen. Dem entspricht die öffentliche Überzeugung,...

[...] daß kurze, einfache Botschaften langen und komplexen vorzuziehen sind; daß die Dramatik der Erörterung vorzuziehen ist; daß es besser ist, wenn einem Lösungen verkauft werden, als wenn man mit Fragen und Problemen konfrontiert wird. (ebd., S.163)

Die Folgen von Image-Politik sind schwerwiegend, da sie den originären Sinngehalt von Politik als eines Diskussionsforums einer ernsthaften, rationalen Öffentlichkeit negiert und den Staatsbürger seiner Verantwortung als politisch handlungs- und entscheidungsfähiges Subjekt entwöhnt. Politik verkommt zur inhaltslosen Worthülse, je mehr ,,[...] (sich) die Image-Politik aller authentischen politischen Substanz (entledigt)." (ebd., S.167). Die zentrale Bedingung einer freiheitlichen Demokratie, eben die eines für sich und die Allgemeinheit verantwortlichen mündigen Staatsbürgers, wird unter den Bedingungen von Image-Politik ausgehöhlt. Politische Urteilsbildung gerät zur gesellschaftlichen Randerscheinung, zurück bleibt eine mehrheitlich apolitische Öffentlichkeit.

4.2.2 Fernsehen und Kapitalismus

Wenn Postman die Bedrohung der ,,Grundlage der freiheitlichen Demokratie, nämlich die Informationsfreiheit" (ebd., S.169) als eine schwerwiegende Erblast des Fernsehens und anderer Bildformen identifiziert, redet er im gleichen Moment auch dem zentralen sytemstützenden Moment des Fernsehens das Wort. Glaubt man seinen Ausführungen über den im Verfall begriffenen öffentlichen Diskurs, ausgelöst durch die kulturzersetzende Tendenz des Fernsehens, so sollte man ernsthaft um die Zukunft der Demokratie besorgt sein. Worum man sich indes nicht zu ängstigen bräuchte, ist der Bestand des kapitalistischen Systems.

Ob gewollt oder nicht, Postman wirft in Wir amüsieren uns zu Tode eine entscheidende Frage hinsichtlich des Verhältnisses, ja der Vereinbarkeit von Demokratie und Kapitalismus, sowie ihres jeweiligen Stellenwertes innerhalb der westlichen Staatenwelt auf: Ist eine kapitalistische Wirtschaftsordnung um ihrer Existenz willen verträglich mit der veritablen Demokratie im Sinne ihrer geistigen Gründerväter, verstanden als eine Gemeinschaft politisch mündiger und selbstbestimmter Staatsbürger? Geben die von Postman geschilderten Szenarien nicht allen Anlaß zur Besorgnis darüber, daß die demokratischen Traditionslinien der westlichen Welt unter dem Eindruck ihrer fortschreitenden Technisierung, infolge eines einseitig auf Profitmaximierung eingeschworenen Wirtschaftsgebarens, unumkehrbar zugunsten eines von politischer und sozialer Indifferenz geprägten öffentlichen Bewußtseins zu verwischen drohen. Ist es nicht überdies denkbar, daß sich das kapitalistische System erst dann endgültig etabliert, wenn es ihm gelingt, den einst mündigen Staatsbürger zu entmündigen? Fungiert die Demokratie aus dieser Sicht nicht schlicht als der Geburtshelfer für eine kapitalistische Ordnung, die den Wesenskern von Demokratie im Zuge ihrer Entwicklung erodiert und auf das Format eines Legitimationsspenders zurechtstutzt, quasi auf das eines ,,guten Gewissens" einer faktisch ungerechten und menschenfeindlichen Gesellschaft? Kapitalismus bedürfte danach einzig noch der Begriffshülse von Demokratie, nicht aber ihrer normativen, werte- und sinnstiftenden Substanz, wäre also nicht mehr als der Schein einer eigentlich Gerechtigkeit verheißenden Ordnung. Auf einen Nenner gebracht verdichten sich die zurückliegenden Denkanstöße in der zentralen Frage danach, ob die Demokratie auf der einen und der Kapitalismus auf der anderen Seite in gegenseitiger Bereicherung koexistieren können oder aber sich ihrem Wesen nach auf lange Sicht ausschließen müssen.

Postmans Darstellung des öffentlichen und politischen Diskurses in fernsehbestimmten Kulturen muß als Beleg für letzteres erachtet werden. Eine Gesellschaft, die sich aus vom Fernsehen verblendeten, apathischen, auf Zerstreuung und Konsum kaprizierten, durch und durch apolitischen Scheinindividuen rekrutiert, denen Urteilsvermögen und Mündigkeit abhanden gekommen sind, dürfte kaum zu konstruktiver Kritik an den herrschenden sozio- kulturellen, ökonomischen Verhältnissen, geschweige denn zu fundamentaler Systemkritik in der Lage sein. Demokratie in ihrem originären Sinne meint aber vor allem Kritikfähigkeit. Wo es an dieser gebricht, bleibt das Bestehende erhalten. Eingedenk seiner unter 3.4 zitierten These, nach der das Fernsehen in Systemen mit freiheitlichen Demokratien und freien Marktwirtschaften seine Potentiale am umfassendsten zur Geltung bringt, müßten folgerichtig diese Systeme durch das Fernsehen gleichsam nachhaltige Festigung erfahren. Einen Konnex von Fernsehkultur und Kapitalismus stellt Postman allein schon durch seine gebetsmühlenartig vorgebrachten Warnungen vor einer menschlichen Zukunft im Zeichen Huxleys her. Dessen Schöne neue Welt unterliegt nahezu totalitär den Gesetzmäßigkeiten glückverheißenden Konsumes und Kommerzes, wie sie so nur unter den Bedingungen einer kapitalistischen Ordnung denkbar sind.

Das Vermächtnis bilddominierter Technologien stellt sich nach Postman keinesfalls als der vielgepriesene Zugewinn an persönlicher Autonomie, Freiheit und Kommunikation dar. Die Erfindung der Photographie muß vielmehr als die jähe und schmerzliche Zäsur im einem Zeitalter der intellektuellen Aufbruchstimmung der Menschheit verstanden werden, das mit dem Ende des 18. Jahrhunderts eingeläutet wurde und den geistigen Aufschwung eines im Zeichen des aufgeklärten Rationalismus stehenden, nach mehr individueller Freiheit und Selbstbestimmung strebenden Menschen beschrieb; ein Zeitalter, das nach Postman nicht weniger als das logische Ergebnis einer zusehends vom gedruckten Wort durchdrungenen Öffentlichkeit war.

Noch ehe dieser Entwicklungsprozeß abgeschlossen war und der Mensch die Früchte seines Kampfes gegen die Geißel der Fremdbestimmung und Unterdrückung hätte kosten können, entließ er sich freiwillig und unwissentlich in eine neue Dimension von Unfreiheit. Fremdbestimmung ging von nun an weniger vom Menschen und dessen geschaffenen Institutionen als vielmehr von den neuen Technologien aus, denen sich der Mensch in seinem inbrünstigen Glauben an die Verheißungen des unausweichlichen Fortschritts zu unterwerfen begann. Postman spricht in diesem Zusammenhang von einer einsetzenden ,,Kulturrevolution" (ebd., S.192), die mit dem Aufkommen der Photographie ihren Anfang nahm und welche das Fernsehen mit zusätzlicher Dynamik versah. Die Technik selbst erhob sich in der Folge zur einzig zeitgemäßen Ideologie, zur ,,Ideologie in ihrer reinsten, freilich nicht in ihrer lautersten Gestalt", zu einer ,,wortlose(n) Ideologie, die aufgrund ihrer Wortlosigkeit nur um so mächtiger ist" (ebd., S.192).

Die Wortlosigkeit ist es, die, führt man die Gedanken Postmans fort, die Köpfe der Rezipienten der neuen Technologien schrittweise in Beschlag nimmt und zweierlei bedingt: einmal, daß der Mensch der Technik wort- also kritiklos begegnet und sie als nicht hinterfragungswürdiges Faktum in seine Lebenswirklichkeit einfließen läßt, desweiteren aber, daß er ebenso jene gesellschaftliche Ordnung wort- und kritiklos hinnimmt, die die neuen Technologien aufgrund ihrer kommerziellen Segnungen gerade so vehement hervorbringt, namentlich der Kapitalismus. Die Technik findet erst im Rahmen des Kapitalismus die für ihren Bestand und ihre Weiterentwicklung günstigsten gesellschaftlichen Bedingungen vor, in einem zweiten Schritt begibt sie sich daran, eben diese Bedingungen zu zementieren. Genau an diesem Punkt sind Postmans Überlegungen hinsichtlich eines durch bilddominierte Technik verblendeten, entfremdeten und kritikunfähigen Menschen anzusetzen. Mit dem entmündigten Menschen entledigt sich die Technik ihres potentiell einzigen Widersachers und erweist gleichsam dem technikverliebten kapitalistischen System den nämlichen Dienst.

4.3 Ergebnisse

Die zurückliegenden Ausführungen geben Aufschluß darüber, daß man Postmans Wir amüsieren und zu Tode nicht bloß als eine von der Technik Fernsehen abgeleitete Kulturkritik lesen kann. Darüber hinaus finden sich ebenso Anspielungen, die deutliche Züge einer Kapitalismuskritik, freilich eingebettet in den Rahmen der übergeordneten Technikkritik, offenlegen. Dies mag im ersten Moment irritierend wirken, würdigt Postman doch das kapitalistische System als eine seinem Ursprung nach logische ,,Folgeerscheinung der Aufklärung" (ebd., S.156), was ihn veranlaßt, dessen auf dem Konkurrenzgedanken fußende Gesetzmäßig- und Notwendigkeiten grundsätzlich anzuerkennen. Postman verfechtet jedoch einen Kapitalismus in Idealgestalt, wie er seinen Gründervätern einst vorschwebte: eine Wirtschaftsordnung, in der Käufer und Verkäufer als gleichberechtigte und autonome Wirtschaftssubjekte nach Maßgabe ihres Eigeninteresses und ihrer geistigen und verstandesmäßigen Fähigkeiten in einen Handel treten, aus dem sie gleichermaßen befriedigt hervorgehen und der dem Zwecke eines allgemein wachsenden Wohlstandes dienlich ist.

Die mit dem Einzug bilddominierter Technologien aufgekommenen Werbepraktiken, vor allem ihre einseitige Adressierung an die Emotionen des Käufers, haben indes auch den ursprünglich rationalen Kapitalismus pervertieren lassen. An die Stelle des vernunftgeleiteten tritt der emotionalisierte und durchweg manipulierbare Käufer, was sich in ausufernden Werbeetats bei gleichzeitig rückläufiger Produktqualität niederschlägt. Gerade die Wirtschaft erscheint unter den Bedingungen der beschriebenen ,,Kulturrevolution" als ihr eigentlicher Nutznießer, da sie einen neuen Typ von Verbraucher erschafft, dessen Berechenbarkeit die denkbar größten Angriffsflächen für die neuartigen Werbe- und Verkaufsstrategien bietet.

Die Untersuchung von Wir amüsieren uns zu Tode unter besonderer Berücksichtigung seiner Berührungspunkte mit Fragen nach systemstabilisierenden Effekten einer Fernsehkultur gibt zu erkennen, daß Postman sich im Ergebnis kaum von Chomsky unterscheidet: Massenmedien festigen die bestehende politische und wirtschaftliche Ordnung in der westlichen Staatenwelt. Die jeweiligen Wege, auf denen sie zu dieser Erkenntnis gelangen, weichen indes erheblich voneinander ab.

Chomsky hebt die in den Schaltzentralen gesellschaftlicher Macht tätigen menschlichen Akteure in die Verantwortung, den Fluß der Informationen über die Massenmedien so zu regulieren, daß sie der Wahrnehmung der eigenen Interessen dienlich sind. Der Zugang zu und die freie Verfügbarkeit über Information begreift er als den wesentlichen Machtfaktor in modernen Gesellschaften. Durch die gezielte Verbreitung relevanter Informationen läßt sich ein alle soziale Schichten durchdringender Konsens hinsichtlich der Grundausrichtung der herrschenden gesellschaftlichen Wirklichkeit erzeugen. Der periodische Akt politischer Partizipation, wie er sich in demokratischen Wahlen manifestiert, bewegt sich ausnahmslos im Rahmen einer von den Mächtigen gewährten Illusion von Einflußnahme. Demokratie stellt sich daher niemals als eine Wahlmöglichkeit zwischen wahrhaft alternativen Gesellschaftsentwürfen dar, vielmehr aber als Legitimatiosspender für die herrschenden Eliten aus Politik und Wirtschaft.

Wo bei Chomsky das System zuvorderst vom Menschen selbst geformt und erhalten wird, geschieht dies bei Postman weitestgehend ohne bewußtes menschliches Zutun. Ausgangspunkt menschlicher Entwicklung sind für ihn die Kommunikationsmedien, kraft derer der Mensch mit sich und der Welt kommuniziert. Dabei schafft sich der Mensch zuerst die Technik, danach erschafft sich die Technik den Menschen neu und über ihn die gesellschaftliche Wirklichkeit. Das Erbe bildominierter Technik und des Fernsehens im besonderen besteht aber gerade darin, den im Lichte des Buchdrucks erlangten geistig- intellektuellen Entwicklungsstand des Menschen zurückzuschrauben. Der Mensch wird unfähig, gesellschaftliche Mißstände aufzudecken und zu hinterfragen, er fügt sich widerstandslos in das bestehende System und darüber in seine eigenen Unfreiheit ein.

5 Bewertung

Wenn auch Postmans deterministische Weltsicht einer dem Diktat der Technologie unterworfenen Menschheit der Chomskys diametral entgegengesetzt ist, die den Menschen für seine und die Entwicklung der Gesellschaft in die Verantwortung hebt und wofür er sich die waltenden Technologien in vollem Bewußtsein dienstbar macht, muß dies nicht zwingend so ausgelegt werden, daß sich nur eine der Theorien für die Interpretation von Wirklichkeit eignen kann. Vielmehr erscheint es mir vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Entwicklungen und Tendenzen im Bereich der massenmedialen Kommunikation notwendig angebracht, beide Denkansätze in eine Betrachtung und Bewertung des modernen Systems der Massenmedien einfließen zu lassen.

Auch wenn man die Weissagungen Postmans über die Auswüchse einer von den Bildmedien verseuchten Amüsierkultur als dem Reiche der Spekulation zugehörig beargwöhnen mag, sollte man seine Augen nicht davor verschließen, daß einige seiner Thesen sehr wohl auch durch die aktuelle deutsche Wirklichkeit belegt zu werden scheinen. Dies ist um so bemerkenswerter, als sich sein Buch vornehmlich auf die USA und dazu noch auf die Zeit bis 1985, dem Jahr seiner Veröffentlichung bezog. Ein Blick auf die Wandlung, die gerade der Bereich Politikpräsentation im Laufe der letzten Jahre vollzogen hat, erscheint in diesem Zusammenhang lohnend. Das Gros der massenmedialen Berichterstattung anläßlich von Politik weist in eine Richtung, die deutliche Tendenzen hin zu mehr Personalisierung und weg von politischen Inhalten aufzeigt. Die zurückliegende Bundestagswahl kann wohl als das deutsche Musterbeispiel des sich zunehmend auf Personen polarisierenden Politikverständnisses gewertet werden. Nirgendwo mehr als im Fernsehen war dieser Trend spürbar. Auch dann, wenn die Sender in ihren Diskussionssendungen das programmatische Profil der Parteien zu schärfen suchten, zeitigte doch das gesamte Rahmenprogramm mehr den Eindruck eines verbalen Gladiatorenkampfes denn den eines um ernsthafte politische Willensbildung bemühten Gedankenaustauschs. Volker S. Stahr vom Tagesspiegel spricht in seinem Artikel über die Zukunft des Fernsehens in diesem Zusammenhang von der Boulvardisierung der Information und merkt dazu an:

Die Boulvardisierung hat längst alle Bereiche der Information erreicht und treibt seine Blüten. Nirgends wurde das deutlicher als im Wahlkampf. Längst haben die Sender die Politikberichterstattung auf Show umgestellt. [...] Eine besondere Form der circensischen Darbietungen sind die Politikerinszenierungen. (Der Tagesspiegel, 12.10.1989. S.31)

Diese Beschreibung entspricht in etwa dem, was Postman unter emotionalisierter und emotionalisierender Image-Politik versteht, mit dem Unterschied, daß dieser jene Vorgänge schon vor weit über einem Jahrzehnt in den USA ausgemacht haben will. In diesen Zusammenhang würde auch die These passen, wonach die USA in mannigfaltigen Bereichen lebensweltlichen Geschehens die Vorreiterrolle für analoge um wenige Jahre zeitversetze Entwicklungen auch in Europa einnähmen. In keinem anderen Bereich ist dies meinem Ermessen nach augenfälliger als in dem der massenmedialen Kommunikation, was mich indes im Unterschied zu Postman nicht gleich zu der Prognose hinreißt, Amerika habe mit dem Einläuten des Fernsehzeitalters der ,,Welt den Ausblick in eine Zukunft im Zeichen Huxleys eröffnet" (Postman, 1988. S.190). Genausowenig stimme ich mit seiner These überein, eine Technik besitze aus sich heraus die Kraft, im Menschen bestimmte psychologische oder gar physiologische Veränderungen zu evozieren, so wie beispielsweise das Fernsehen den Menschen geistig-intellektuell degenerieren könne. Wenn ich oben konstatiert habe, es sei sinnvoll, Postman in die Betrachtung der massenmedialen Kommunikation eingehen zu lassen, so bezieht sich dies ausnahmslos auf die Beschreibungen der, wie er es nennt, Fernsehkultur, nicht aber auf seine diesbezüglichen Erklärungsversuche. Ich stimme mit vielen seiner Beobachtungen überein, nicht aber mit deren Analyse.

Nicht weil das Fernsehen den Menschen dumm macht, wird der Mensch entpolitisiert, apathisch und kritikunfähig. Das Fernsehen lenkt und hält vielmehr aus dem Grund davon ab, über die Komplexität der realen Welt nachzudenken, da es sich wie kaum ein anderes Medium dazu eignet, ohne Schwierigkeiten und auf denkbar direktestem Wege unterhaltende Inhalte zu transportieren. Damit bedient es aber bloß ein Bedürfnis des Menschen nach Zerstreuung und Kurzweil, wie es meiner Ansicht nach im menschlichen Bewußtsein seit jeher angelegt ist. Der Unterschied zu prämoderen Zeiten, als unter dem Leitmotiv ,,Brot und Spiele" das Volk ruhigzustellen war, besteht einzig und allein darin, daß das Fernsehen die technischen Möglichkeiten anheimstellt, mit vergleichsweise geringfügigen kostenmäßigen und organisatorischen Anforderungen an den Konsumenten, dessen Bedürfnis nach Unterhaltung zu stillen, wann immer ihm der Sinn danach steht. Daß Fernsehunterhaltung geringere Ansprüche an Geist und Verstand des Rezipienten richtet als beispielsweise ,,Das Kapital" von Marx ist unbestreitbar, darf jedoch keinesfalls als Beweis herhalten für die These, daß über das Fernsehen intellektuell anspruchsvollere Inhalte schlichtweg nicht transmittierbar seien, so wie umgekehrt ein Buch zwingend höchste geistige Präsenz einklage. Die Frage darf nicht um die Alternative kreisen, ob das Fernsehen hohe Ansprüche an den Intellekt des Rezipienten stellt oder nicht, die Frage muß lauten, welche schnöden menschlichen Interessen davon profitieren, daß Fernsehen so ist wie es ist und nicht so, wie es sein könnte.

Postman ist der Vorwurf zu machen, daß er seine Kulturkritik isoliert von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, das heißt unabhängig von der Art der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesellschaftsformation, auf deren Fundament Kultur erst zu dem wird was sie ist, zu formulieren sucht. Damit erweist sich aber als Gefangener seines eigenen Gedankenkonstruktes. Seine Prämisse einer in ihrem Kern vorprogrammierten Ausrichtung von Medien macht ihn blind für die allenthalben sichtbaren Existenzbedingungen massenmedialer Kommunikation, die heute nahezu ganzheitlich dem Diktat des freien Marktes unterliegen. Dies mag sich auch daraus erklären, daß er seinen Blick vornehmlich auf die USA richtet, wo er unter dem Eindruck ausnahmslos privaten Fernsehens aufgewachsen ist. Ein Blick nach Europa, wo das private bis heute vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen flankiert ist, könnte ihm Abhilfe verschaffen. Die Koordinatenverschiebung der Fernsehinhalte hin zu mehr Massenunterhaltung ist hier mit dem Auftritt der Privaten ursächlich verwoben und läßt sich präzise auf die Liberalisierung staatsrechtlicher Rahmenbedingungen datieren.

Auch dann, wenn ,,seriöses Fernsehen" geringere Publikumswirksamkeit besitzt, wie das Beispiel ,,Arte" dokumentiert, so beweist dies nicht, daß anspruchsvolles Fernsehen nicht doch möglich ist, sondern nur, daß sich Unterhaltung gewinnbringender verkaufen läßt. Fernsehen entwickelt sich nicht so, wie es das Fernsehen will, sondern so wie es der Mensch, in dessen Händen sich das Fernsehen befindet, will. So gesehen sind Fernsehinhalte nicht mehr als Ausfluß menschlichen Denkens und Handelns, nicht aber des Fernsehens selbst.

Dies schließt sich übergangslos an die Thesen Chomskys an, der die Massenmedien schlicht als Erfüllungsgehilfen für die Interessen der machthabenden Eliten aus Politik und Wirtschaft erachtet. Im Unterschied zu Potman schwebt dessen Argumentation indes nicht im luftleeren Raum pseudwissenschaftlicher Spekulation, sondern bezieht seinen Wahrheitsanspruch aus der Auswertung der faktisch nachvollziehbaren Wirklichkeit.

Auch die Bezugnahme auf deutsche Verhältnisse kann als Beleg für die Gültigkeit seines Propagandamodells herangezogen werden. Exemplarisch sei hier auf die Existenzbedingungen des Presseorgans Die Tageszeitung verwiesen, die sich dem Wirkungsbereich einer durch die Gesetzmäßigkeiten des freien Marktes erzeugten Abwärtsspirale ausgesetzt sieht. In ihrem politischen Selbstverständnis eher dem links- alternativen Spektrum zugehörig, ist sie wie keine andere der etablierten überregionalen Tageszeitungen besonderem Kostendruck ausgesetzt. Dies findet seine Erklärung darin, daß sie sich als Werbeplattform eher bescheidenen Zulaufs aus der Privatwirtschaft erfreut. Dadurch muß aber der Verkaufspreis als die Haupteinnahmequelle der Zeitung steigen, was sich zwangsläufig in rückläufigen Absatzzahlen niederschlägt. Der Rückgang öffentlicher Reichweite wirkt jedoch abermals abschreckend auf Werbekunden, was sich wiederum auf den Verkaufspreis auswirken muß. Aus dieser Sicht scheint das Ausscheiden der Tageszeitung aus dem Markt nur dadurch abwendbar, daß sie ihrem links-alternativen Anspruch zugunsten einer etablierteren politischen Linie entsagt.

Verwertbar erscheint mir Postman deswegen, weil seine Beobachtungen der inhaltlichen Struktur massenmialer Kommunikation Chomskys systemkritische Bilanz hinsichtlich der massenmedialen Berichterstattung mit zusätzlicher Beweislast unterfüttern. Nicht nur die bewußte Manipulierbarkeit von Information im Rahmen tagesaktueller Berichterstattung bedingt die Festschreibung von Macht, die Struktur und die Form massenmedialer Information insgesamt kann systemstützende Impulse zeitigen. Die von Chomsky beschriebene direkte Form von Propaganda ist in meinen Augen eingebettet in ein System indirekter, seichter und unterschwelliger Propaganda, die ganz und gar der Logik der Unterhaltung gehorcht. Das Unterhaltungsprinzip greift dabei auf die Direktpropaganda über und macht sie dadurch noch schwerer entschlüsselbar. Sie macht ,,hard news" zu ,,soft news", da auch sie als Unterhaltung empfunden werden.

Medienerzeugnisse, die vornehmlich auf unterhaltende Elemente setzen, verheißen neben den größten Gewinnspannen auch ein Mehr an gesellschaftlicher Stabilität, wodurch gleichermaßen der Wirtschaft als auch der Politik gedient ist. Das Prinzip Unterhaltung hat sich fürwahr in viele Bereiche massenmedialer Kommunikation fortgepflanzt und es wird dies weiterhin tun, solange sich hiermit Gewinne erzielen lassen. Mit Unterhaltung verbindet sich jedoch ein aus der Sicht der Macht vortrefflicher Nebeneffekt: sie lenkt davon ab, über Sinn und Unsinn der realen Welt zu reflektieren, beispielsweise über die Verteilung von Macht und Reichtum in der Gesellschaft. Sie läßt die Welt so erscheinen, wie sie in der Realität nicht ist und festigt darüber die reale Welt um so nachhaltiger.

Chomsky erscheint mir allein deswegen so lesenswert, als er zum Nachdenken über die Ursachen gesellschaftlicher Mißstände anregt. Im Gegensatz zu Postman überantwortet er die Welt nicht irgendwelchen außerhalb der menschlichen Vortellungskraft liegenden sich in der Technik inkarnierenden Kräften, sondern ausschließlich dem Menschen selbst. Damit erscheint mir die Zukunft weit weniger fatalistisch determiniert als dies bei Postman der Fall ist, denn Menschen lassen und können sich ändern, im Falle von Maschinen läßt sich darüber nur spekulieren. Chomsky gibt Hoffnung und spornt zu Handlung an, Postman hingegen entläßt den Leser in ein Gefühl dumpfer Resignation und Handlungsunfähigkeit.

Literatur

- Arendt, Hannah: ,,Macht und Gewalt" . München, 1996.
- Herman, Edward S./Chomsky, Noam : ,,Manufacturing Consent - The political economy of Mass Media". New York/Toronto, 1988.
- Huxlex, Aldous: ,,Schöne neue Welt". Frankfurt am Main, 1996.
- Postman, Neil: ,,Wir am Üsieren uns zu Tode". Frankfurt am Main, 1988.
- Stahr, Volker S.: ,,Erst Berti, dann der Rest - Die Boulvardisierung der Informationssendungen". Der Tagesspiegel vom 12.10.1998, S.31.
- Wilpert, Gero von: ,,Sachwörterbuch der Literatur". Stuttgart, 1961.

Ende der Leseprobe aus 52 Seiten

Details

Titel
Sind Massenmedien systemstützend?
Hochschule
Technische Universität Berlin
Veranstaltung
Hauptseminar: "Audio-Video- Analyse - Wie wirklich ist die (Fernseh-)wirklichkeit?"
Autor
Jahr
1999
Seiten
52
Katalognummer
V95151
ISBN (eBook)
9783638078306
Dateigröße
614 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sind, Massenmedien, Hauptseminar, Audio-Video-, Analyse
Arbeit zitieren
Ralf Wurzbacher (Autor:in), 1999, Sind Massenmedien systemstützend?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95151

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