Stellen Sie sich eine Zeit vor, in der Deutschland nicht existierte, zumindest nicht als geeinte Wirtschaftsmacht. Eine Zeit, in der Zollschranken den Handel behinderten und innovative Ideen auf taube Ohren stießen. Inmitten dieses Chaos erhob sich ein Visionär, dessen unermüdlicher Einsatz die Grundfesten des modernen Deutschlands legen sollte: Friedrich List. Diese packende Biografie enthüllt das bewegte Leben und die bahnbrechenden Ideen dieses außergewöhnlichen Mannes, der nicht nur als Vordenker des Deutschen Zollvereins gilt, sondern auch als glühender Verfechter des Eisenbahnbaus und der Industrialisierung. Verfolgen Sie Lists Aufstieg vom bescheidenen Beamten zum streitbaren Professor, seine Verurteilung und Flucht, seinen Neuanfang in Amerika und seine Rückkehr nach Deutschland, wo er unermüdlich für seine Vision eines geeinten Wirtschaftsraums kämpfte. Erfahren Sie, wie List, trotz zahlreicher Rückschläge und persönlicher Tragödien, unbeirrt an seinen Überzeugungen festhielt und den Grundstein für Deutschlands Aufstieg zur Industrienation legte. Entdecken Sie die intrigenreiche Welt des frühen 19. Jahrhunderts, in der politische Ideologien aufeinanderprallten und wirtschaftliche Umwälzungen die Gesellschaft veränderten. Tauchen Sie ein in Lists ökonomische Theorien, seine leidenschaftlichen Plädoyers für eine Schutzzollpolitik und seine wegweisenden Beiträge zum Eisenbahnbau, der als "Zugpferd" der deutschen Industrialisierung fungierte. Diese fesselnde Erzählung ist nicht nur eine Biografie, sondern auch ein lebendiges Porträt einer Epoche des Umbruchs und des Aufbruchs, in der ein einzelner Mann den Mut hatte, gegen den Strom zu schwimmen und eine bessere Zukunft für sein Land zu gestalten. Begleiten Sie Friedrich List auf seiner schicksalhaften Reise und erleben Sie, wie seine Visionen die Welt bewegten – und bis heute nachwirken. Erleben Sie die Anfänge der Industrialisierung, die Bedeutung des Eisenbahnbaus und die Entstehung eines modernen Deutschlands, untrennbar verbunden mit dem Namen Friedrich List. Tauchen Sie ein in diese faszinierende Geschichte eines Mannes, der mehr war als nur ein Nationalökonom; er war ein Pionier, ein Patriot und ein Visionär. Lassen Sie sich inspirieren von seinem unerschütterlichen Glauben an die Kraft der Idee und seine unermüdliche Hingabe an das Wohl seines Volkes.
GLIEDERUNG
I. Einleitung
II. Friedrich List - Eine bewegte Biographie
1. Jugend und politischer Aufstieg
2. Akademisches Wirken und der Handels- und Gewerbeverein
3. Verurteilung, Verfolgung und Neubeginn in den Vereinigten Staaten
4. Vom Redakteur zum Unternehmer
5. Rückkehr nach Deutschland
III. Der Beginn eines neuen Zeitalters? Die Anfänge der Industrialisierung in Deutschland
1. Ein Versuch der Periodisierung
2. Voraussetzungen der Industrialisierung
3. Die Veränderung der Produktionsmethoden
4. Das Ende des „Hölzernen Zeitalters“
IV. Die Welt bewegt sich - Friedrich List und der deutsche Eisenbahnbau
1. Die Eisenbahn als “Zugpferd” der deutschen Industrialisierung
2. Der Eisenbahnpionier Friedrich List
V. Abschlußgedanke
VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Quellenverzeichnis
2. Literaturverzeichnis
I. EINLEITUNG
„ Es gibt in der Geschichte der Menschheit sehr selten stufenartige Großereignisse irreversibler Natur, welche die gesamte Menschheitsgeschichte sozusagen auf ein noch nicht dagewesenes Niveau stellen. Im historischen RÜckblick erscheint die industrielle Revolution als eine dieser wenigen ´ Kulturschwellen ´ , da derÜbergang zur Industriekultur... ein neues Kapitel in der Geschichte aufschlug. In diesem prinzipiellen Sinn l äß t sich die Revolution des Industriekapitalismus [...] wahrscheinlich nur mit der des Neolithikums vergleichen [,...] da beide Male kein Sektor der Kultur und kein Nerv im Mensch... von dieser Transformation unergriffen geblieben ist ” 1.
Ein wichtiger Schubfaktor der Industrialisierung in Deutschland war ohne Zweifel der Bau und die Verbreitung der Eisenbahn. Schon früh erkannten deutsche Nationalökonomen die Bedeutung des Eisenbahnbaus für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands. Friedrich List war einer der größten Befürworter des Eisenbahnbaus in Deutschland!
Die Geschichte dieses großen Deutschen liest sich wie ein spannendes Buch. In seinem bewegten Leben war es immer wieder die Liebe zu Deutschland, die ihm zum Verhängnis wurde, doch trotz allen Schwierigkeiten hielt er an seinen Vorstellungen vom Wirtschaftsraum Deutschland und seinen wirtschaftlichen Visionen fest!
Trotz der Schwierigkeiten, die es sowohl bei der Auswahl der Literatur, als auch bei der Präsenz der neuesten Veröffentlichungen anläßlich des 150. Todestag Lists 1996 gab versuche ich in dieser Arbeit die Außergewöhnlichkeit dieses Mannes darzulegen, und seine Rolle im deutschen Eisenbahnbau und der deutschen Industrialisierung zu erörtern.
II. Friedrich List - Eine bewegte Biographie
2 “ Das war nun ein Mann, der nicht, wie Dichter und KÜnstler, nach idealistischen Bestrebungen lebte, sondern sein ganzes Dasein einer praktischen Idee opferte und, da er diese wirklich ins Leben treten sah, die Realität seiner doch gewißgenÜgend dartat. Dennoch traf ihn ein Los, wie es ihn nicht härter hätte treffen können, wenn er sich mit Alchemie beschäftigt hätte. Nun jammert und lamentiert alles. Oh, dieser deutsche Pöbel! ” 3 Friedrich Hebbel (1813 - 1863).
II.1. JUGEND UND POLITISCHER AUFSTIEG ( 1789 -1821 )
Am 6. August 1789, dem Jahr der Französischen Revolution, wurde Daniel Friedrich List als Sohn eines Weißgerbers in Reutlingen geboren. „ Die Mutter, eine fÜrsorgliche und rechtschaffene Frau, bot den Kindern - Friedrich war das Achte unter elf Kindern - die Geborgenheit einer in auskömmlichen Verhältnissen lebenden, kleinstädtischen Familie ” 4. Sein Vater, Johannes List, war in dem politischen Leben der Stadt Reutlingen als Mitglied des Magistrats und teilweise zweiter Bürgermeister aktiv. Friedrich selbst wurde auf die Lateinschule geschickt, doch die Eltern „ beschlossen den mittelm äß igen SchÜler aus der Schule zu nehmen und im väterlichen Betrieb zum Weißgerber auszubilden ” . 5
Der junge Friedrich fand jedoch weniger Gefallen an dem handwerklichen Beruf und wurde so nach Vollendung seiner Ausbildung von seinen Eltern in die “Lehre der Stadt- und Amtsschreiberei nach Blaubeuren gegeben, wo er eine zweite Lehre als Inzipient, d.h. als Lehrling des Schreibberufes absolvierte. Hier lernte er die damaligen Mißstände in der Verwaltung des Königreiches WÜrttemberg kennen ” . 6 Nach abgeschlossener
Lehre im Herbst 1808 und einem weiteren Jahr in Blaubeuren folgten in den Jahren 1809 bis 1811 arbeiten in Scheklingen, Ulm und Wipplingen. Während seiner Tätigkeit als Schreibergesselle bemängelte er zum einen immer wieder die bürokratischen Mißstände in Württemberg, zum anderen trieb es ihn nebenher zu universitären Studien.
Im Jahre 1811 zog es List nach Tübingen, wo er als Oberamtsaktuar eine Stelle bekam. Da er die akademischen Voraussetzungen für eine Immatrikulation an einer Universität nicht besaß, besuchte er neben seiner Arbeit als Beamter noch juristische Vorlesungen an der Universität in Tübingen. 1813 legte List seine Tätigkeit bei der Stadtverwaltung nun gänzlich nieder um sich voll auf das Aktuar Examen vorzubereiten, das er 1814 mit Auszeichnung bestand.
Immer öfter wurde List nun wegen seines großen Erfahrungsschatzes im Verwaltungswesen seitens der württembergischen Regierung befragt. So bekam er im Juli 1817 den “ ehrenvollen Auftrag, sich mit dem Entwurf einer Gemeindeordnung zu befassen. ” 7 Während seiner Zeit als Beamter verfaßte er immer wieder Petitionen und DenkschriftenÜber den Zustand des Beamtenwesens und dem Württembergischen Verfassungskonflikt von 1815/16, mit der seine Zeit der journalistischen Tätigkeiten begann.
II.2 Akademisches Wirken und der Deutsche Handels- und Gewerbeverein (1818 -1821)
Als am 30. Oktober 1816 Wilhelm I. den württembergischen Thron bestieg und dieser die Reformer Karl August Freiherr von Wangenheim zum Minister von Kirchen- und Schulwesen und General Kerner als Innenminister berief, begann seitens der Regierung die Wertschätzung der von List immer wieder in seinen Denkschriften geforderten Reformen.
Im Jahre 1817 soll aufgrund der Forderungen von Wangenheims und Lists vom König erstmals eine Fakultät der Staatswirtschaft errichtet werden.
Sein langjähriger Freund und Fürsprecher von Wangenheim sah schon früh die immense Kapazität die in dem jungen List steckte. Vor allem aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Kampf gegen die Mißstände des württembergischen VerwaltungssystemsÜberzeugte List letztendlich den anfangs relativ reformfreudigen König. Obwohl List Sohn eines Handwerkers war und nie die klassische akademische Laufbahn vollzog, ernannte Wilhelm I. ihn zu einem der ersten drei Professoren der wirtschafts- wissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen, die die erste ihrer Art in Deutschland war und bis heute noch besteht.
Aufgrund seines neuen gesellschaftlichen Standes als Professor heiratete List am 18. Februar 1818 die Professorentochter Karoline Neidhardt, die ihm drei Kinder gebar und immer - auch in den schweren Zeiten - zu ihm hielt.
Der Professor Friedrich List war von den klassischen Lehren der Nationalökonomie seiner Zeit nicht so rechtÜberzeugt. So schreibt er in der Vorrede seines 1841 verfaßten Klassikers, "Das Nationale System der Politischenökonomie": “ [...] mehr als 23 Jahre sind verflossen, seitdem der erste Zweifel an der Wahrhaftigkeit der herrschenden Theorie der politischenökonomie in mir aufstieg, seit ich mich abmÜhe, ihre IrrtÜmer und deren Grundursachen zu erforschen. [...] Damals sollte ich mich auf VorlesungenÜber die politischeökonomie vorbereiten. Gelernt hatte ich so gut wie andere, was darÜber gedacht und geschrieben worden war, aber es genÜgte mir nicht, die JugendÜber den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft zu unterrichten, ich wollte sie auch lehren, wie auf nationalökonomischem Wege Deutschlands Wohlstand, Kultur und Macht zu fördern sei."8 Schon damals war List nicht von der Freihandelslehre Adam Smith´sÜberzeugt, da diese nur möglich sei, “wenn alle Nationen wechselseitig das Prinzip der Handelsfreiheit befolgten. ” 9
Als im Frühjahr 1819 die alljährliche Ostermesse in Frankfurt stattfand, zu der sich Kaufleute aus allen Teilen Deutschlands versammelten undÜber die vielen Zollmauern in Deutschland klagten, erfuhr List, der sich derzeit auch in Frankfurt aufhielt, daß diese für eine geplante Petition an den Deutschen Bundestag Unterschriften sammelten. List bot sich an, die Petition auszuarbeiten. Als diese unter großem Beifall angenommen wurde, “ schlug er spontan die GrÜndung eines ´ Deutschen Handels- und Gewerbevereins ´ vor, der die in der Petition erhobenen Forderungen mit Nachdruck vertreten sollte. ” 10 List wurde zu ihrem Geschäftsführer ernannt und mit der Herausgabe der Vereinszeitschrift, “ Organ fÜr den deutschen Handels- und Fabrikantenstand ” beauftragt. „ Die GrÜndung und Leitung des Handels- und Gewerbevereins gehört zu List bedeutendsten politischen Verdiensten, weil sie einen wichtigen Meilenstein bei der Verwirklichung der deutschen Zollunion von 1834 und damit auch zur Konstituierung des Deutschen Reiches von 1871 bildet. ” 11
Doch diese Petition sollte List zum Verhängnis werden. Schon seit längerem waren er und seine progressiven Ansichten den Kollegen der Tübinger Universität und König Wilhelm I. ein Dorn im Auge gewesen.
Da List als Staatsbeamter des württembergischen Staates nicht berechtigt war eine Petition zu verfassen, die in die Hoheitsrechte des eigenen Staates eingriff, forderte der König List auf, sich in Stuttgart zu rechtfertigen. Dieser jedoch zog es vor seine Professur zurückzugeben, da die Arbeit beim Handels- und Gewerbeverein seine ganze Zeit in Anspruch nahm.
“ Schon in dieser frÜhen Phase traten jene Eigenschaften und Schicksale zutage, die das spätere Leben Lists bestimmten:ökonomische Einsicht, wirtschaftliche Weitsicht, Formulierungs - und Darstellungskunst, Initiativkraft und Tätigkeitsdrang, aber auch Erfolglosigkeit, Mißgeschick und tragisches Scheitern. Von nun an brach sich das Lebensgeschick dieses unbeugsamen Mannes seine Bahn. ” 12
II.3. VERURTEILUNG, VERFOLGUNG UND NEUBEGINN IN DEN VEREINIGTEN STAATEN (1821 - 1832)
Am 7. 12. 1820 ereilte ihn der Ruf seiner Heimatstadt Reutlingen als Abgeordneter in den Landtag nach Stuttgart zu ziehen. List arbeitete in nur zwei Monaten eine Beschlußvorlage, die sogenannte “ Reutlinger Petition ” aus, die eine starke Herausforderung für den König und das monarchisch geprägte Staatssystem darstellte, da sie eine Stärkung der bürgerlichen Rechte forderte. Aufgrund des scharfen Tons, den List in seiner Petition anschlug, wurde er nach nur zwei Monaten suspendiert und wegen “ Ehrbeleidigung und Verleumdung der Regierung, der Gerichts- und Verwaltungsbehörden und Staatsdiener WÜrttemberg undÜbertretung des GesetzesÜber die Pressefreiheit auf zehnmonatige Festungshaft mit angemessener Beschäftigung ” 13 verurteilt. Um sich seiner Haft zu entziehen floh List mit seiner Frau in das benachbarte Ausland, vom Elsaß nach Baden, dannÜber Frankreich in die Schweiz. In der Schweiz erhielt er schließlich im Herbst 1823 eine Aufenthaltsgenehmigung. Hier veröffentlichte List die Prozeßakten und versuchte immer wiederÜber Eingaben an den württembergischen König und andere Staatsbedienstete seine Rehabilitierung zu erreichen.
Eine seiner wichtigsten Bekanntschaften machte er aber auf einer Reise im März 1824 nach Paris. Hier traf er auf den Marquis de Lafayette14 der ihn sehr schätzte und ihn zu Auswanderung nach AmerikaÜberreden wollte. List - noch immer von seiner BegnadigungÜberzeugt, lehnte das Angebot jedoch ab. Anschließend beschloß List nach Württemberg zurück zukehren, wo er jedoch sofort verhaftet und am 6. April zu zehnmonatiger Festungshaft auf dem Hohenarsberg bei Ludwigsburg verurteilt wurde.
Unter der Bedingung der Auswanderung nach Amerika wurde List jedoch nach nur sechsmonatiger Haft, vorzeitig entlassen. List der den Marquis de Lafayette ja schon in Paris begegnet war, erinnerte sich an dessen Angebot und verließ 1832 Europa von Le Havre aus.
Die amerikanischen Jahre Lists hätten nicht besser beginnen können, als den Marquis de Lafayette auf seiner triumphalen Amerikareise zu begleiten.
List schrieb späterÜber diese wichtige Begegnung: „ Mein Schicksal war mir mein SchlÜssel, der mir die TÜren der Bedeutenden und Edelsten der Zeitöffnete und mir die besten KenntnisseÜber Nordamerika, zugleich aber auch die besten Empfehlungsbriefe nach jenem Land verschaffte. So war ich, schon als ich zu Schiff ging, ein ganz anderer Mann als zur Zeit meines Austritts aus der wÜrttembergischen Deputiertenkammer. ” 15 Wahrhaftig öffnete Lafayette dem unerfahrenen List, der auch noch sprachliche Hindernisse zuÜberwinden hatte, die Türen zu den wichtigsten Persönlichkeiten Nordamerikas, unter ihnen der amtierende Präsident John Quincy Adams, sowie dessen Nachfolger Andrew Jackson.
II. 4. Vom Redakteur zum Unternehmer
Nach Lafayettes Rückkehr nach Frankreich versuchte sich List als Farmer in der Nähe von Harrisburg,Übersiedelte dann nach Reading/Pennsylvania und publizierte dort für die deutschsprachige Zeitung, den “ Reading Adler ”. List fand aufgrund der raschen Verbreitung des Blattes wieder zu einem Organ, durch das er seine politischen und ökonomischen Ideen der Öffentlichkeit mitteilen konnte. “ Die Redakteurstelle beim “ Reading Adler ” bedeutete neben einer gewissen finanziellen Absicherung [die List in dieser Zeit dringend nötig hatte um seine inzwischen siebenköpfige Familie ernähren zu können.] auch die Möglichkeit einer nicht unbeträchtlichen politischen Einflußnahme. Die deutschstämmige Einwohnerschaft von Pennsylvania war ein entscheidender Stimmenfaktor bei Wahlen, nicht nur in diesem Bundesstaat, sondern auch auf
Bundesebene. List war sich dessen bewußt, und die Spalten des “ Reading Adler ” aus den Jahrgängen 1826-1830 legen davon ein beredtes Zeugnis ab. ” 16
Tatsächlich bedankte sich Andrew Jackson bei einem Besuch Lists im Weißen Haus für seine tatkräftige Unterstützung und die des “ Reading Adler ”, wohl wissend, daß die deutschen Siedler in Pennsylvania das entscheidende Zünglein an der Waage bei seiner Wahl waren. Durch Lists journalistische Tätigkeiten wurden einige wichtige Persönlichkeiten auf ihn aufmerksam, unter ihnen auch der Verleger Charles J. Ingersoll, der ihn beauftragte „ zwei BÜcher zu verfassen, ein wissenschaftliches, in welchem seine Theorie grÜndlich entwickelt werde, und ein populäres, welches dazu diene, sein System in den Schulen zu verbreiten.”17 Diese Artikel für sein Werk wurden in 50 Zeitungen abgedruckt und als Buch unter dem Titel “ Outlines of American Political Economy ” veröffentlicht.
Doch bald war es etwas anderes, das Lists volle Aufmerksamkeit forderte. Da der Job beim „Reading Adler“ nicht außerordentlich lohnend war, suchte er nach einer neuen Geldquelle. “Er fand sie aufgrund eigener geologischerÜberlegungen, die zur Entdeckung eines reichen Kohlenvorkommens verhalfen, wo er gemeinsam mit seinem deutschen Teilhaber, Dr. Isaac Hiester, fÜr wenig Geld ein Areal von insgesamt 27 000 acres 18 erwarb; das Gebiet von Little Schuylkill. ” 19 Doch um dieses in der Wildnis gelegene Gebiet zu erschließen, bedarf es einer Infrastruktur. So gründete er die “ Little Schuylkill Navigation Railroad and Canal Company ”, um das Gebiet mit einer Eisenbahnlinie zu verbinden - der zweiten Eisenbahnlinie in den USA.
Dieses Projekt brachte ihm ein enormes Vermögen und die Aufmerksamkeit der Bevölkerung ein, selbst die des Präsidenten Andrew Jackson. Aufgrund seiner außerordentlichen Leistungen bekam er 1830 das amerikanische Bürgerrecht verliehen.
Andrew Jackson, den er bei einem Treffen bat, ihm eine Stelle beim Staat zu geben, die es List ermöglichte in seine geliebte Heimat Deutschland zurück zukehren. Nach einem vergeblichen Anlauf 1830 kehrte List 1832 endgültig mit seiner Familie unter amerikanischer Immunität, als Konsul von Baden, nach Deutschland zurück.
II.5. Rückkehr nach Deutschland
Friedrich List hatte die Stelle als badischen Konsul zum Vorwand genommen, um in seine geliebte Heimat zurückzukehren. Er hat jedoch dieses Amt nie angetreten. Nach seiner Ankunft in Hamburg ließ sich List mit seiner Familie für kurze Zeit in Altona bei Hamburg nieder. Auch dort war List hauptsächlich wieder journalistisch tätig. Er verfaßte acht Artikel für eine „ Enzyklopädie der Staatswissenschaften “, welche ein Standardwerk ohne Gleichen in Deutschland werden sollte. Im Sommer 1834 zog er mit seiner Familie von Altona nach Leipzig, um hier seine ganze Kraft dem sächsischen Eisenbahnwesen zu widmen. „ Obwohl List mit dem ihm eigenen Feuereifer mehrere Jahre, von 1834 bis 1837, fÜr das erfolgreiche Projekt gearbeitet hatte, konnte er nicht die FrÜchte seines Erfolges ernten. “ 20 Hiervon wird aber später noch die Rede sein.
Das Jahr 1837 war auch noch in anderer Hinsicht ein schwerer Schicksalsschlag für List. Nachdem er bereits seit zwei Jahren nichts mehr von der „ Little Schuylkill Company “ gehört hatte, erfuhr er nun, daß das Bankhaus „ Thomas Biddle and Company “ bankrott gegangen war und er damit sein ganzes Vermögen verloren hatte.
Enttäuscht verließ List erneut seine Heimat undÜbersiedelte zum zweiten Mal nach Paris. Als er 1837 dort ankam erfuhr er von der Ausschreibung einer Preisschrift der „ Academie des Sciences Morales et Politiques “ mit dem Thema: “Wenn eine Nation den Vorsatz hat, die Handelsfreiheit einzufÜhren oder ihre Douanengesetzgebung zuändern, welches sind dann die Tatsachen, die sie in Betracht ziehen mußum auf die billigste Weise die Interessen der National-Produzenten und diejenigen der Masse der Konsumenten auszugleichen? “ Als Antwort auf diese Preisschrift erstellte List „ Le Syst è me Naturel d ´ Economie Politique “, dem späterenÜberarbeiteten Hauptwerk „ Das Nationale System der Politischenökonomie “.
Von Paris aus reiste List auch nach Belgien, wo er sich mit Dr. Gustav Kolb, dem Chefredakteur der „ Augsburger Allgemeinen Zeitung “ traf, für die er fortan als Auslandskorrespondent arbeitete. In Brüssel traf sich List auch mit dem belgischen König Leopold, dessen Aufmerksamkeit er aufgrund seiner vielen VeröffentlichungenÜber das Eisenbahnwesen erregte.
Er traf sich auch mit dem französischen König und dessen ersten Minister Adolphe Tiers. Dieser hatte ihm sogar 1840 eine gut bezahlte Stellung mit 12000 Franc Jahresgehalt angeboten, doch List lehnte ab, da er „ fÜrchtete, durch eine Annahme dieses Posten in eine verzwickte Lage zu geraten, wenn zwischen Frankreich und den deutschen Staaten Krieg ausbrechen sollte. “21
List verließ Frankreich erneut, um nach Thüringen zu gehen. Dort arbeitete er im Sommer 1840 als Eisenbahnberater. Zum Dank erhielt er von der Universität in Jena den Ehrendoktor der Rechtsfakultät und eine sehr magere Entlohnung von 100 Friedrich d´Or.
Anfang 1841 zog es List auf Drängen Georg von Cottas´, dem Herausgeber der „ Augsburger Allgemeinen Zeitung “ erst nach Augsburg und dann nach Stuttgart, wo er für ein süddeutsches Eisenbahnwesen eintrat. Im selben Jahr wurde Friedrich List auch eine gut bezahlte Stelle als Redakteur der neugegründeten liberalen „ Rheinischen Zeitung “ angeboten. „ Aber er erklärte, daßer wegen seines schlechten Gesundheitszustandes die Stelle nichtÜbernehmen könne. Die fÜr ihn vorgesehene Position erhielt dann ein gewisser Karl Marx. “22
1842 gründete List mit Hilfe von Cottas´ das „ Zollvereinsblatt “, für das er in den nächsten Jahre bis zu seinem Tod an die 650 Artikel schrieb und immer wieder für eine Schutzzollpolitik Deutschlands eintrat. Das Blatt startete mit einer Auflage von 1000 Exemplaren sehr vielversprechend. Die erste Nummer erschien am 1. Januar 1843. Doch im Laufe der Zeit verspätete sich die Ausgabe des Blattes immer öfter, da List seine Aufgaben als Redakteur zunehmend vernachlässigte. Außerdem fand er durch seine Reisen nach Österreich und Ungarn 1844, kaum noch Zeit, Artikel für das „ Zollvereinsblatt “ zu schreiben. Der fleißige Mitredakteur der Zeitung, der Tübinger Dozent Dr. Theodor Toegel, erhielt daraufhin 1845 die alleinige Verantwortung für das Blatt.
„ Zwischen 1844 und 1846 widmete List den gr öß ten Teil seiner Förderung der Schutzzollpolitik in Deutschland. Offensichtlich empfand er keinen Widerspruch zwischen seinen Aufrufen zur wirtschaftlichen und politischen Einigung Deutschlands und seinem Eintreten fÜr die protektionistische Bewegung in SÜddeutschland. Diese Tendenzen vertiefen in den 1840er Jahren den Graben zwischen den Staaten nördlich und sÜdlich des Mains und waren mitverantwortlich dafÜr, das die deutsche Einigung nicht schon 1848 erreicht wurde. “23
Diese Aussage Hendersons trifft den Kern nur halb. Zwar ist es richtig, daß List in den Jahren von 1846 bis 1848 stark für süddeutsche Fabrikanten und deren Forderungen nach Schutzzöllen eintrat, doch galt sein Interesse immer einem gesamtdeutschen Zollgebiet. Das sieht man auch an seiner letzten Reise, die er im Herbst 1846 nach England unternahm, um für eine politisch - ökonomische Allianz zwischen England und Deutschland zu werben. List legte hier seinen Augenmerk auf ein gesamtes - durch eine Zollunion vereintes Deutschland.
„ Daßdiese Mission schon vom Ansatz her als Fehlschlag enden mußte, versteht sich von selbst. List besaßdafÜr weder ein politisches Mandat, noch konnte er auf die breite UnterstÜtzung deröffentlichen Meinung in Deutschland zählen, und zudem lag die politische Einheit Deutschlands aus englischer Sicht noch in weiter Ferne “24. Ohne Erfolg und völlig enttäuscht, kehrte er aus England zurück. Immer wieder hatte List in den letzten Jahren versucht, eine Anstellung al s Staatsdiener zu erlangen, doch wollte man „dem Ausländer“ List diese nie gewähren. Zwar wurde List 1843 zum „Konsul der Vereinigten Staaten für das Königreich Württemberg“ ernannt, aber auch diese Stelle hat er nie angetreten. Des Lebens müde und am Ende seiner Kraft vom vielen Reisen, begann er unter „ Depressionen, Arbeitsunfähigkeit und Zukunftsängsten “25 zu leiden . Vor allem der finanzielle Bankrott bereitete dem Professor am Ende seines Lebens starke Existenzängste. Friedrich List beendete sein Leben am 30. November 1846 im Alter von 57 Jahren in Kufstein auf einer „Erhohlungsreise“ mit einem Schuß in den Kopf. Eine Untersuchung ergab, daß List „ an einem solchen Grade von Melancholie gelitten habe, daßfreies Denken und Handeln unmöglich war “ .26
III. Der Beginn eines neuen Zeitalters?
Die Anfänge der Industrialisierung in Deutschland
„ Die Industrialisierung veränderte die menschlichen Existenzbedingungen so tiefgreifend, daßselbst nÜchterne Wirtschaftshistoriker, die nicht zuÜbertreibungen neigen, in die Dimension der Menschheitsgeschichte nach einem vergleichbaren Einschnitt suchen und ihn erst in der Seßhaftwerdung des Menschen während der Jungsteinzeit erkennen. “27
(Wolfram Siemann).
III.1. Ein Versuch der Periodisierung
Die Industrialisierung ist ein äußerst komplexes Gebiet der Geschichtsschreibung. Unzählige Wirtschaftswissenschaftler und Historiker haben sich mit diesem Thema befaßt. Ebenso viele Ansätze und Sichtweisen sind daraus entstanden. Diese alle auch nur annähernd aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Der folgende Abschnitt stellt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, er soll vielmehr einen kurzen Abriß der Industrialisierung in Deutschland, und einen kurzenÜberblickÜber die verschiedenen Ansätze einiger Historiker geben. Deshalb begnüge ich mich, nur die meiner Ansicht nach renommiertesten und gängigsten Meinungen zu berücksichtigen. Zu diesen zähle ich Friedrich-Wilhelm Henning28, Hans Mottek29, Toni Pierenkemper30, Wolfram Siemann31 und Hans-Ulrich Wehler32.
Schon bei einem Versuch einer Periodisierung der Industrialisierung divergieren die Meinungen der Historiker immens. Toni Pierenkemper setzt den Anfangspunkt der “Frühindustriealisierung” auf 1815, da hier ein Wendepunkt des gewerblich konjunkturellen Aufschwungs33 zu sehen ist34
Wehler prägt den Terminus der Doppelrevolution von 1848/49, die er als Anfangspunkt der Industrialisierung setzt. Die Zeit von 1750-1848 sieht Wehler nur als Vorlaufphase der Industrialisierung an35.
Der wichtigste Wirtschaftshistoriker der DDR, Hans Mottek, setzt den Beginn der industriellen Entwicklung in die Mitte der 1830er Jahre. Als Gründe nennt er die Entstehung des “vierten Standes”- dem Industrieproletariat, d.h. die vermögenslose und daher lohnabhängige Arbeiterschaft, die sich so ausdehnte, daß er von der Schaffung einer neuen Gesellschaft spricht. Außerdem ist für Mottek die sprunghafte Ausdehnung des Kapitals, sowie die Entstehung der modernen Transportindustrie in Deutschland - vor allem der Eisenbahnen, ausschlaggebend für die industrielle Entwicklung in Deutschland36.
Der Historiker John Komlos sagt in seinem Aufsatz “ EinÜberblickÜber die Konzeption der Industriellen Revolution ” ganz treffend, daß das Wirtschaftswachstum auch schon vor 1750 stattgefunden habe, aber der große Unterschied darin besteht, daß nach 1750 das Wirtschaftswachstum nicht wie früher versandete, sondern kontinuierlich weiter anstieg37.
Hier ist oftmals von einer “Vor”-, “Proto”- oder “Frühindustrialisierung” die Rede. Sicherlich ist die Zeit ab 1750 eine wichtige Voraussetzung für die spätere Industrialisierung, nicht zuletzt wegen ihrer “bahnbrechenden” Erfindungen.
Henning schreibt hierzu: “Die zeitliche Einordnung des Industrialisierungsbeginns hängt von der Definition des Bergriffs Industrialisierung ab. Da es sich nicht um einen kurzfristigen Vorgang, sondern um einen langwierigen Prozeßgehandelt hat, der vorindustrielle und industrielle ProduktionsweisenÜber Jahrzehnte nebeneinander bestehen ließ, ist die zeitliche Fixierung in der Literatur unterschiedlich. ” 38
III.2. Voraussetzungen der Industrialisierung
Es ist äußerst schwierig von einem “Anfangspunkt” der Industrialisierung zu sprechen. Sie ist vielmehr aus dem geschichtlichen Zusammenhang heraus zu betrachten. So benötigt man z.B. für die Entdeckungen neuer Technologien Erfindungen, die diese erst ermöglichen. Außerdem waren eine Vielzahl von Erneuerungen gesellschaftlicher, politischer, sowie wirtschaftlicher Art notwendig, um eine IndustrialisierungÜberhaupt zu bewerkstelligen.
Eine dieser Voraussetzungen war die starke Bevölkerungszunahme seit 1780, die eine Weiterentwicklung der agrarischen Produktionsformen erforderte, um der Bevölkerung ausreichend Nahrung zu bieten.
Zusätzlich kam der Ausdehnung liberalen Gedankengutes und somit neuer Staatsformen, wie zum Beispiel in Amerika, sowie der Aufbruch ständisch - feudaler Zwänge seit der “Glorios Revolution” in England und der “Französischen Revolution” eine immer stärkere Gewichtung zu. Für Deutschland spielte die sogenannte „Bauernbefreiung“39 eine gewichtige Rolle. Die Aufhebung feudaler Zwänge ermöglichte den Bauern größere Mobilität und durch die wachsende Zahl der Landlosen und Landarmen wurden zahlreiche Arbeitskräfte für das schnell wachsende Verlags- und Industriewesen freigesetzt.
Einen weiteren “Vorfaktor” für die Industrialisierung stellte die Gewerbefreiheit40 dar. Nach einer anfänglichen starken Zunahme an Meistern und Betrieben, bei gleichbleibenden Gesellenzahlen, kam es zu einerÜberproduktion, die schließlich eine Rezession zur Folge hatte. Dies bedeutete die Freisetzung einer beträchtlichen Zahl von Facharbeitern, die vor allem für die Bedienung und Instandhaltung der aufkommenden Maschinen benötigt wurden41.
Ein wichtiger Schritt der deutschen Industrialisierung war ohne Zweifel die Gründung des “Deutschen Zollvereins” 1834. Friedrich List war hier maßgeblich beteiligt, da der 1819 gegründete “ Deutsche Handels- und Gewerbeverein ” mit dem Ziel der Aufhebung wirtschaftspolitischer Schranken in Deutschland als eine Art Vorläufer des 1834 gegründeten Zollvereins42 gilt. Die Wichtigkeit der Gründung des Deutschen Zollvereins ist weithin bekannt. Er baute längstÜberholte Handelsstrukturen ab, stärkte die wirtschaftliche Einheit Deutschlands und weist deutlich auf die sich abzeichnende kleindeutsche Lösung von 1873 hin.
Vor allem die westlichen Industriegebiete an Rhein und Ruhr profitierten vom Zollverein undÜbertrafen so die oberschleßischen Kohle - und Erzgebiete zunehmend an Bedeutung. Die aufkommende Industrie zog vom Zollverein einen enormen Nutzen. Die Binnennachfrage stieg beträchtlich und der Außenhandel erhöhte sich zunehmend. “Deutschland war auf dem internationalen Markt konkurrenzfähig geworden”.
Das Jahr 1834 war noch auf einer anderen Ebene ein wichtiges Ereignis. In München wurde die erste staatliche Bank, die „Bayrische Hypotheken und Wechselbank“ gegründet. Es hatten sich zwar schon früher verschiedene Banktypen herausgebildet, diese waren jedoch auf die Sicherung des staatlichen oder kommunalen Kreditbedarfs ausgerichtet. Für die aufkommende Industrialisierung waren jedoch Banken von Bedeutung, die für wirtschaftliche oder industrielle Vorhaben Kredite beschafften. Diese sicherten dem spekulationsfreudigen Bürger oder Unternehmer die notwendige Unterstützung für ihre Vorhaben. Auch Friedrich List finanzierte sein Eisenbahnprojekt mit Hilfe einer dieser neuen Kreditanstalten.43
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine Industrialisierung in Deutschland war jedoch die Veränderung der Produktionsmethoden.
III.3. Die Veränderung der Produktionsmethoden
Im Jahre 1800 war “Deutschland noch weitgehend ´ Agrarland ´ , in dem etwa 62 Prozent aller Erwerbstätigen in der Landwirtschaft und nur 21 Prozent im Gewerbe beschäftigt waren; der Rest der Beschäftigten war im Dienstleistungsbereich tätig. ”44
Der erste Schritt weg vom traditionellen Zunfthandwerk war das Verlagssystem. Dieses zeichnete sich dadurch aus, daß der Produzent vom Verleger die Rohmaterialien und evtl. auch Werkzeuge bekam, diese verarbeitete und anschließend dem Verleger zurück gab, dafür aber Lohn erhielt. Der Produzent war zwar rechtlich frei, stand aber trotzdem in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenÜber dem Verleger. Jedoch bestand hierbei die Gefahr einer “Selbstausbeutung” des Produzenten. Meist wirkte auch die ganze Familie eines solchen Produzenten bei der Arbeit mit. Das Verlagssystems wurde besonders in der Textilverarbeitung angewandt. Andere Formen der Herstellung, die ähnlich des Verlagsystem gegliedert waren, sind die dezentrale Manufaktur und die gegen Ende des 18. Jahrhundert verstärkt eingesetzten zentralen Manufakturbetriebe. Die Neuerungen der letztgenannten, bestanden hauptsächlich in drei Charakteristika: Arbeitsteilung, Lohnarbeit und Zentralisierung. „ Das entscheidende Merkmal der Manufaktur stellt dabei die auf Arbeit beruhende Kooperation der Arbeitskräfte dar. Damit konnten gegenÜber den bis dahinÜblichen Betriebsformen ganz entscheidende Produktivitätsfortschritte erzielt und konnte ein Markt zur Versorgung mit MassengÜtern geschaffen werden “ . 45
Ein Faktor, der oft in der LiteraturÜberschätzt wird, ist der Einfluß der arbeitsteiligen, mechanisierten Fabrik zu einem Zeitpunkt am Anfang des 18. Jahrhundert. “Bis 1848 soll es einer Zusammenfassung der zeitgenössischen Statistik zufolge, im ´ zollvereinten Deutschland ´ maximal 170000 Fabrikarbeiter46, die diese Bezeichnung wirklich verdienten, gegeben haben; ihre Zahl wurde damals noch von den Aberhunderttausend von
verlegten, protoindustriellen47 Arbeitern, natÜrlich auch von Handwerksgesellen und Landarbeitern bei weitemÜbertroffen ” .48
Trotz alledem war das arbeitsteilige Fabriksystem in den Jahren nach der Revolution von 1848 einer der entscheidenden Träger der industriellen Entwicklung, vor allem im Bereich der Eisen- und chemischen Industriebetriebe49.
Gerade die Verwendung natürlicher Rohstoffe wie Eisen und Kohle beendete das “hölzerne Zeitalter”50, in dem Holz der wichtigste Brennstoff war und die Bevölkerung Europas daraufhin unter akutem Brennstoffmangel litt.
III.4. Das Ende des „Hölzernen Zeitalters“
Die Metallindustrie hatte in Deutschland (im Vergleich zu England) einen größeren Einfluß als die Textilindustrie51. Gerade im Bereich des Eisen- und Maschinenbaus kam es bedingt durch den Eisenbahnbau spätestens ab den 1840er Jahren zu erheblichem Aufschwung. Ab 1854 wurde der Eisenbedarf von der stark aufstrebenden Maschinenbauindustrie bestimmt52. Dieser verstärkte Stahlbedarf wurde durch eine enorme Kapazitätserhöhung der Hochöfen, von 600t Roheisen (1800) auf 30 000t Roheisen (1913) abgefangen. Diese waren die Folge einiger bahnbrechender deutscher Erfindungen, wie das Puddelverfahren oder die Bessemerbirne53. Auch kam es im Bereich des Bergbaus zu einer verstärkten Expansion. Waren um 1750/60 noch 7 000 bis 10 000 Bergarbeiter mit der Fördermenge von ca. 80 000t Kohle im Jahr in Deutschland beschäftigt, so förderten Anfang des 19. Jahrhunderts etwa 35 000 Arbeiter etwa 400 000t Kohle im Jahr. Betrachten wir die Zahlen bis etwa 1830, so verfünffachte sich die geförderte Menge Kohle nochmals, wogegen sich die Zahl der Bergarbeiter nur verdoppelte. Dies war die Folge des technischen Fortschritts, vor allem durch den Einsatz der Dampfmaschine.
Der Erfindung der Dampfmaschine 1769 durch James Watt ist eine Vielzahl weiter Erfindungen, anfangs hauptsächlich im Textil, später in allen Bereichen der Industrie, zu verdanken. Watts Maschine ermöglichte eine Reduzierung des Brennstoffverbrauchs um 75%, dadurch konnte die Güterproduktion enorm gesteigert werden. Sie ermöglichte nicht zuletzt die Entwicklung moderner Transportsysteme, wie die Eisenbahn oder die Dampfschiffe.
Überhaupt waren es die unzähligen Erfindungen im technischen und chemischen Bereich, die der Industrialisierung diese enorme Schwungkraft gaben. Henning nennt sie den Kern der Industrialisierung54.
IV. Die Welt bewegt sich - Friedrich List und der deutsche Eisenbahnbau
„ Die neuen Transportmittel ersetzen die lebende Kraft durch die mechanische Kraft, die in ihrem Umfang beinahe unbegrenzt und in ihrer Anwendung zur unendlichen Verbesserung geeignet ist, um die den Menschen drÜckende Last der Arbeit zu verringern und ihn dadurch zum Gebieter und Gestalter der Natur zu machen. “55 (Friedrich List)
IV.1. Die Eisenbahn als “Zugpferd” der deutschen Industrialisierung
So sah Friedrich List, der „deutsche Eisenbahnpionier“, die Notwendigkeit für die Entwicklung und Weiterentwicklung der neuen Transportsysteme. Es gab aber vor allem in Deutschland Stimmen, die die neuen Transportsysteme verurteilten und zu verhindern versuchten. Doch zuerst möchte ichÜber die Entstehung dieser „bahnbrechenden“ Erfindung berichten, die wie schon oben erwähnt, eine Vielzahl anderer Erfindungen benötigte, um sichÜberhaupt entwickeln zu können. Bei der Entwicklung der technischen Neuerungen war es besonders James Watt, der aus Erfindungen das späten 17. Jahrhunderts und frühen 18. Jahrhunderts56 in den Jahren zwischen 1763 und 1784 eine Niederdruck-Dampfmaschine entwickelte, die Drehbewegungen ermöglichte und so ganz ausschlaggebend für die Erfindung der Eisenbahn war57.
Die Entwicklung der Eisenbahn ist bei näherem Hinsehen „ ein Zusammentreffen zweier Entwicklungsreihen, nämlich der des Schienenweges und der der Dampfmaschine “ .58
1814 war es wieder ein Engländer, der mit einer Erfindung Geschichte machte. George Stephenson baute seine erste Dampflokomotive „Blucher“ und vereinigte so das Schienensystem, das schon im 17. Jh. in englischen Bergwerken genutzt wurde mit der Dampfmaschine. Er war es auch, der zwischen 1821 und 1825 den Bau der 39 Kilometer langen Bahnstrecke, der ersten der Welt, zwischen Stockton und Darlington leitete59.
Die ständig fortschreitende Industrialisierung, vor allem die ansteigende Güterproduktion in der Eisen- und Stahlindustrie, im Kohlebergbau sowie Maschinenbau, benötigte auch in Deutschland ein adäquates Beförderungsmittel. Die Eisenbahn war also das ideale Transportmittel, das seiner Zeit zur Verfügung stand. Hans Ulrich Wehler nennt sie das „ das revolutionärste Mittel [ ...] das auch in der deutschen Wirtschaftsgeschichte des 19. Jahrhunderts aufgetaucht ist.“60 Daher ist es nicht verwunderlich, daß der Eisenbahnbau von Wehler als „ Tempomacher “61 der Industrialisierung, besonders in den Jahren von 1840 bis 1880, bezeichnet wird.
Der Grund für den Bau der ersten Eisenbahnlinie Deutschlands war jedoch weniger die Notwendigkeit des Ausbaus des Gütertransports als viel mehr die der Personenbeförderung.
Die Eisenbahnlinie von Nürnberg nach Fürth, die bekanntlich die erste in Deutschland war und am 7. Dezember 1835 eingeweiht wurde, konnte sich auch nur als Aktiengesellschaft behaupten, da hier ein Erfolg allein durch die hohe Frequentation der Strecke gewiß war. Jedoch war diese als Aktiengesellschaft gegründete Eisenbahnstrecke ein solcher finanzieller Erfolg, so daß sie in kürzester Zeit vielfache Nachahmung fand. Noch im selben Jahr wurden weitere, längere Strecken eröffnet, die auch alle als Aktiengesellschaften unglaubliche Erfolge hatten. Mit einer Rendite von bis zu 20 % und enormen Zinsgewinnen wurden diese Aktiengesellschaften mit zu den größten Spekulationsobjekten des 19. Jahrhunderts. Diese ersten Eisenbahnstrecken, die bis zum Jahr 1840 nicht mehr als 460 Streckenkilometer ausmachten, „ bedeuteten, da sich mit ihnen die aufregenden Aktien- und Dividendensteigerungen wiederholten, die InitialzÜndung fÜr die zahlreichen nachfolgenden Bauprojekte, die in kÜrzester Zeit ein wahres Eisenbahnfieber hervorriefen.“62
Der Staat war jedoch auch in mehrerer Art und Weise mit dem Eisenbahnbau verbunden. Einerseits mußten für den Bau einer Strecke als auch für die Gründung einer Aktiengesellschaft Konzessionen eingeholt werden, andererseits war der Staat oftmals vor die Frage gestellt, ob er sich an der Bahn durch Zeichnung eines Teiles der Aktien beteiligen sollte, oder sie gar als „Staatsbahn“ selber begründen sollte. In Preußen kam eine gesetzliche Regelung dieser Probleme erst sehr spät. Mit dem am 3. November 1838 erlassenen preußischen Eisenbahngesetz („ GesetzÜber die Eisenbahnunternehmungen “ )
legalisierte der Staat sein Interesse an einem eigenen Eisenbahnnetz. „ Besonders das Einspruchsrecht des Staates hinsichtlich der LinienfÜhrung und das Recht des Staates zum Erwerb der konzessionierten Privatbahnen gegen Entschädigungen nach 30 Jahren “63 zeigen die Einflußnahme des Staates auf das Eisenbahnwesen zum Beginn der Industrialisierung.
Nicht nur für den Staat oder das „Geldbürgertum“ war das Eisenbahnwesen wichtig, besonders seine Wirkung auf die beginnende Industrialisierung ist in der Literatur immer wieder nachzulesen. Die Gründe hierfür liegen auf der Hand und wurden von Friedrich-Wilhelm Henning in 5 Punkten zusammengefaßt64:
- Erstens wird die Eisenbahn als Personenbeförderungsmittel bei den Industriarbeitern genutzt, und so der starken Urbanisierung entgegengewirkt.
- Zweitens konnte „ die Standortwahl fÜr industrielle Unternehmen weiter gefächert werden “, und sich „ die Industrialisierung daher auf breiterer Basis vollziehen “, da
- drittens die Transportkosten auf gut ein Zehntel sanken.
- Außerdem erhöhte sich viertens die Transportgeschwindigkeit um ein Vielfaches. Henning bringt hierfür ein Beispiel, daß ein Gespann mit 24 Pferden auf einer Strecke von Aachen nach Warschau in den 50er Jahren noch mehr als zwei Monate brauchte, um einen Dampfkessel zu transportieren. Wenig später wurde hierfür mit der Bahn nur noch 30 Stunden benötigt.
- Gerade im Maschinenbau, einem Metier, in dem man in vielen Fällen auf Zulieferbetriebe angewiesen ist, ist der fünfte Vorteil der Bahn, nämlich die sprichwörtliche Pünktlichkeit ein immenser Vorteil gegenüber den witterungsabhängigen Chausseebeförderungen.
Ein sechster Vorteil, der zwar in der einschlägigen Literatur so nicht zu finden ist, meiner Meinung nach aber nicht mißachten werden sollte ist der enorme Eisen-, Kohle- und Stahlbedarf, sowie das Ankurbeln der deutschen Maschinenbauindustrie durch den Bau der Eisenbahnen und den zugehörigen Schienentrassen. Vor allem in der Zeit nach 1840 waren es zunehmend mehr deutsche Maschinenbauunternehmen, wie Borsig, Henschel, Krupp und Maffei, die sich aufgrund ihrer guten und robusten Lokomotiven nicht nur im deutschsprachigen Raum einen Namen machten, und so auch ihren Teil zur Industrialisierung in Deutschland beitrugen.
Neben diesen großen Maschinenbaubetrieben, die auch heute noch zur Weltelite der Industriebetriebe gehören, steht eine Einzelperson, die nicht nur aufgrund ihrer hervorragenden ökonomischen Schriften und Artikeln zum Vorantreiben der Eisenbahnen in Deutschland immer wieder aufrief, sondern auch aktiv in das Geschehen und Entstehen der Eisenbahnen in Deutschland eingriff.
IV.2. Der Eisenbahnpionier Friedrich List
„ Die neuen Transportmittel machen aus dem Menschen ein vollkommeneres, mächtigeres und glÜcklicheres Wesen. “65 Diese Aussage Friedrich Lists aus seiner Festschrift „ Die Welt bewegt sich “ zeigt dieÜberzeugung, die dieser Visionär bereits 1837 hatte.
Bereits von Amerika aus galt dem deutschen Eisenbahnwesen ein enormes Interesse. So schrieb er in einem Brief an Joseph von Baader, dem wichtigsten Befürworter des Eisenbahnwesens in Deutschland und dort vor allem in Bayern, es „ träumte ihm von einem deutschen Eisenbahnsystem. “66 Es war auch Baader, „ ein hervorragender Ingenieur und Bergbaudirektor “67, mit dem List von 1827 an in Korrespondenz stand und der Lists Briefe an die renommierte, von Johann Friedrich von Cotta 1798 gegründete Tageszeitung „ Augsburger Allgemeine Zeitung “ schickte, die dort veröffentlicht wurden. Wieder waren es seine journalistischen Tätigkeiten, die List seiner geliebten deutschen Heimat ein Stück näher brachten. Auch durch seine „ Mitteilungen aus Amerika “, die von seinen Freunden Ernst Weber und E. W. Arnoldi veröffentlicht wurden, nahm er Einfluß auf das entstehende deutsche Eisenbahnsystem.
Friedrich List erkannte schon früh die Vorteile eines einheitlichen Eisenbahnsystems, welche die in Punkt IV.1 beschriebenen Vorteile noch weitÜberschritten.
Neben den schon erwähnten Vorteilen des billigeren Transports und den Vorteilen für das Militär sowie der besseren Verteilung von Produktionsgütern, sah er auch gerade für den Mittelstand und das Handwerk Vorteile bei der Erweiterung ihres Kundenstammes68.
Jedoch sein Augenmerk galt auch der Verbreitung von Informationen, die nicht nur der Wissenschaft von Vorteil sein würden69, sondern auch für den Arbeiter, der „ seitdem ebensogut wie die gebildeten und zahlungskräftigen Klassen Reisen untenehmen “ kann „ um sich zu bilden und seine Lage zu verbessern “ 70 .
Immer wieder betont List in seiner Festschrift „ Die Welt bewegt sich “ die Vorteile der neuen Transportsysteme für eine Wissensgesellschaft. Selbst die Armut könnte aufgrund neuer Transportmittel „ mit Hilfe der Eisenbahn und der Dampfschiffahrt “ behoben werden, indem die von Armut befallenen „ auf die Halbinsel oder an die nordafrikanische KÜste auswandern Mit einer derartigen Umsiedlung könnten alle Mißstände geheilt werden, die Malthus 71 durch die Anwesenheit seiner Grundsätze beseitigen wollte[...] . “ 72.
Doch neben seinen zahlreichen theoretischen Veröffentlichungen in Zeitungen, Festschriften oder seinem Hauptwerk, dem „ Nationalen System der politischenökonomie “ , in dem er sich für ein zusammenhängendes deutsches Eisenbahnsystem aussprach, setzte er sich auch immer wieder mit vollem Einsatz von Zeit, Kraft und finanziellen Mitteln für die Verbreitung und Umsetzung seiner Ideen ein.
Angespornt von seinem erfolgreichen Eisenbahnprojekt in Amerika73, der „ Little Schuylkill Company “ entwarf List wiederholt Pläne für ein bayrisches Eisenbahnsystem mit Knotenpunkt in Augsburg. Da aber König Ludwig I. eher von einem Kanal zwischen Main und Donau träumte, blieben seine Vorschläge in Bayern ungehört. Als List 1830 nach Paris ging, um Abnehmer für seine in Schuylkill abgebaute Anthrazitvorkommen Abnehmer zu finden, setzte er sich auch hier für ein Eisenbahnsystem ein. Die von ihm immer wieder propagierte Strecke Le Havre - Paris - Straßburg fand sein besonderes Interesse vor allem aufgrund des für Frankreich einträglichen Amerikahandel 74.
List setzte sich vehement für diese Streckenführung ein, die nach seinen Vorschlägen nach Frankfurt am Main, in die Beneluxländer undÜber ein deutsches Eisenbahnnetz bis nach Südeuropa weitergeführt werden sollte. Doch auch hier blieb der erwartete Erfolg und die damit verbundene Anerkennung aus.
Nachdem List seine Familie aus Amerika zu sich nach Europa geholt hatte, ging er für kurze Zeit nach Altona bei Hamburg, wo er auch wieder journalistische Erfolge hatte, indem er acht Artikel für eine Enzyklopädie der Staatswissenschaften verfaßte, jedoch die erhoffte Unterstützung für seine Eisenbahnpläne seitens der Stadt Hamburg ausblieb75.
Bereits im September 1833 hatte List eine seiner meist geachteten Denkschriften verfaßt, „ Über ein sächsisches Eisenbahnsystem als Grundlage eines allgemeinen deutschen Eisenbahnsystem und insbesondereÜber die Anlegung einer Eisenbahn von Leipzig nach Dresden “ . Dieser Denkschrift ließ er 1834 noch einen „ Aufruf an unsere MitbÜrger in Sachsen “ folgen und List selbst zog mit seiner Familie nach Leipzig. Die nächsten drei Jahre seines Lebens widmete List nun vollkommen diesem großen Eisenbahnprojekt, dem, wie der Name der Denkschrift schon sagte, eine Strecke von Dresden, der Hauptstadt des Königreiches Sachsen, zur größten sächsischen Handelsstadt und Messestadt Leipzig zu Grunde lag. Dieses Projekt war zwar nicht das erste, aber sicherlich das Größte seiner Art.
Im Vergleich zu der ersten deutschen Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Fürth, war die Streckenlänge des von List geplanten sächsischen Eisenbahnprojekts gut zwanzig mal so lang. List setzte sich so 1834 gegen seine Gegner durch und „ im April wurde ein Eisenbahnkomitee unter dem Vorsitz Gustav Harkorts gebildet, das die GrÜndung einer Eisenbahngesellschaft fÜr den Bau dieser Strecke in die Wege leiten sollte “ . 76 List, der nicht Bürger Leipzigs war, wurde zum Ehrenmitglied der Gesellschaft ernannt.
„ Die Subskriptionsanzeige der Eisenbahnkompanie erschien im Mai 1835, und innerhalb von zwei Tagen war das GrÜndungskapital von 1 5000 000 Talern voll gezeichnet “ . 77
Doch schon bald kamen Differenzen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern und Friedrich List auf. Für List war die Strecke zwischen Dresden und Leipzig nur der Anfang eines Deutschland umfassenden Eisenbahnnetzes, wie er schon in seiner Denkschrift angedeutet hatte. Die Eisenbahnkompanie aber beschränkte sich nur auf diese Strecke und ihr Blick gingÜber den lokalen Bereich und ihren eigenen finanziellen Vorteil nicht hinaus.
Daraufhin trennte sich List 1837 von der Gesellschaft. „ Er beklagte sich bitter, in Leipzig sehr schäbig behandelt worden zu sein, und meinte, ohne seine BemÜhungen hätte es zu dieser Zeit keine Leipzig-Dresdner Eisenbahn gegeben “ . 78
Neben dieser Tätigkeit verlegte List auch noch das „ Eisenbahn-Journal und National-Magazin “ , in dem er den Lesern die Entwicklung der Eisenbahnen in Nordamerika und Europa darlegte und sich dadurch die Förderung neuer Strecken in Deutschland erhoffte. Doch den 40 Ausgaben des Magazins, das die Auflage von 350 Stück nieÜberschritt, wurde ein Ende gesetzt, als das Journal von Metternich in Österreich verboten wurde.79
1837 verließ List erneut Deutschland, enttäuscht von den schlechten Erfahrungen in Leipzig und dem, wie er es sah, Hungerlohn von 4000 Talern an Vergütung, den er von der Bahngesellschaft erhalten hatte.80 Sein Weg führte ihn erneut nach Frankreich, wo er sich stark für ein nationales Eisenbahnsystem einsetzte und dort selbst dem Bürgerkönig Louis Philippe seine Vorschläge unterbreitete.
Auch dem belgischen König Leopold stellte er sich vor. List war besonders von dem Plan Leopolds begeistert, ein nationales Eisenbahnsystem in Belgien zu schaffen, das seines Gleichen in Europa suchen mußte.81 Hier fand List seine Pläne undÜberzeugungen erstmals in die Tat umgesetzt, ohne das ein absolutistisches Staatsoberhaupt wie in Preußen, Sachsen oder Bayern diese Pläne schon im Keim erstickte.
List hatte bereits 1833 um eine Konzession einer Eisenbahn von Magdeburg nach Berlin ersucht, diese wurde ihm aber wiederholt nicht gewährt. 1837 erhielt diese jedoch Wilhelm Francke, der Bürgermeister von Magdeburg. Dann probierte es List im kleinen Staat Braunschweig, er bemühte sich hier um eine Stelle in der Braunschweiger Eisenbahnverwaltung82. Diese war zwar an seinen PlänenÜber eine Eisenbahnstrecke zwischen Hannover und Hamburg interessiert, eine Stellung erhielt List jedoch auch hier nicht.
Auch in Baden, wo List Pläne für eine Strecke zwischen Mannheim und Basel vorlegte, war man zwar interessiert, die Konzession blieb ihm aber hier wiederum verwehrt. Baden baute daraufhin 1838 eine Staatsbahn mit öffentlichen Geldern.
Nach der Rückkehr aus seinem selbst gewählten Exil, Frankreich, legte List sein Augenmerk besonders auf die thüringischen Staaten. Er setzte sich stark für einen Streckenverlauf von Nord nach Süd sowie von West nach Ost ein. „ Lists Einflußist es zumindest zum Teil zuzuschreiben, daßdie drei betroffenen thÜringischen Staaten sich zusammenfanden und eine gemeinsame Eisenbahnpolitik vereinbarten. “ 83 In den letzten Jahren bis zu seinem Tod setzte sich List für eine Vielzahl von Eisenbahn- Unternehmungen ein, immer mit dem Blick auf ein gesamtes deutsches Eisenbahnnetz. Er plädierte für den Bau von Strecken in Mittel- und Süddeutschland, Österreich und Ungarn. Selbst Metternich, der ihn einst als den gefährlichen Liberalen sah, schätzte nun seinen Rat bezüglich des österreichischen Eisenbahnwesens.84
Auf seiner letzten Reise, der nach England, schwebte List das bis jetzt gigantischste Eisenbahnprojekt vor. Er wollte, wie er dem bayrischen Innenminister Karl von Abel in einem Brief entworfen hatte, eine Eisenbahnstrecke von Ostende bzw. London nach Bombay bauen lassen.85 Diese Strecke würde den Reichtum Englands verzehnfachen und die Reisedauer von bisher 30 bis 40 Tagen mit dem Dampfschiff, auf 10 Tage mit der Bahn verkürzen. „ Daraus ergebe sich zwangsläufig eine Notwendigkeit einer inneren Allianz zwischen England und Deutschland “ . 86 Hier sieht man nicht zum erstenmal Lists Vision, eines Europas, das aufgrund der Verminderung der Distanzen näher zusammenrückt .
List war ohne Zweifel einer der großen Eisenbahnpioniere Deutschlands und Europas. Immer wieder griff er in die Planung der neuen Streckenverläufe aktiv und passiv ein.
Jedoch das Schicksal verwehrte ihm einen Posten als Eisenbahnbeamter. So sehr er sich darum bemühte, der „Ausländer“ List wurde zwar immer gern gehört, sein Rat war viel geachtet, aber eine Stelle bekam er nie.
V. Abschlußgedanke
Friedrich List war ohne Zweifel eine der bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit. Sein Rat wurde von Staatsmännern und Königen stets gesucht. Er war Berater, Ökonom, Wissenschaftler, Professor, Politiker, Publizist, Unternehmer und Eisenbahnpionier. Doch mit all diesen Tätigkeiten hatte er nur mehr oder minder Erfolg. Nur der Journalismus erlaubte es ihm, seinen Unterhalt ständig zu sichern. So sehr sich List auch um eine Stelle als Staatsbeamter eines deutschen Staates bemühte, wurde ihm eine solche aber nicht gewährt.
Der Wirtschaftswissenschaftler Professor Wilhelm Hankel schreibt dies in einem Zeitungsartikel anläßlich Lists 150. Todestag aus der Süddeutschen Zeitung vom 29. November 1996 sehr treffend: „ Er spricht bei FÜrsten, Ministern, Geld- und Industriebaronen vor. Man empfängt ihn, nickt zu seinen Plänen und Ideen. Aber ein Amt oder Geld gibt ihm keiner. Und List hat beides bitter nötig [...] 87. “ Schon zu Lebzeiten wurden die Qualitäten dieses Mannes im Ausland mehr geschätzt als in seinem geliebten Heimatland, in das er trotz Verfolgung, Inhaftierung und Mißachtung seiner Fähigkeiten immer wieder zurückkehrte. Bismarck soll zwar „seinen“ List immer in Reichweite gehabt haben88 jedoch gerade von Preußen wurde der liberal eingestellte List stets gemieden.
Als Nationalökonom hatte Friedrich List zwar gewisse Erfolge - sein Hauptwerk „ Das Nationale System der politischenökonomie “ wurde zwar zu Lebzeiten viermal verlegt und in sechs SprachenÜbersetzt - der Durchbruch seiner Schutzzolllehren hatte er aber auch hier erst nach seinem Tod. „ Außer Karl Marx konnte kein anderer deutscher Nationalökonom im 19. Jahrhundert auch nur annähernde internationale Verbreitung und Anerkennung finden “ 89 schreibt Eugen Wendler .
List träumte immer von einem Großen, die Länder und Kontinente verbindenden Eisenbahnsystem. Die entscheidende Rolle der Eisenbahn bei der Industrialisierung hatte List dabei schon sehr früh erkannt. Er investierte Zeit, Geld und all seine Fähigkeiten die er besaß in diesen Traum. Zwar hat er ihn nie verwirklicht, doch die Geschichte gab seinen Ideen vom nationalen und internationalen Transportsystemnetz Recht.
List war zeitlebens Visionär. Er suchte sein Glück in fast allen Ländern Europas und selbst in den Vereinigten Staaten. Er kam immer wieder nach Deutschland zurück, in ein Land, in dem er verfolgt und inhaftiert wurde, und das in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts von Kleinstaaterei, Zollschranken und Repressionen gegenüber seinen Bürgern geprägt war. Doch trotz der vielen Enttäuschungen und schmerzvollen Erfahrungen war es immer wieder sein Wunsch, in dieses Land zurückzukehren. Selbst hohe Gehaltssummen, wie diese des Franzosen von Thier, schlug er aus, obwohl er sie bitter nötig gehabt hätte. Was ihn bewegte oder antrieb, ob es eine Liebe zu der „Nation“ der Deutschen oder zu dem Land, in dem er geboren wurde war, vermag ich nicht zu sagen doch ist es äußerst auffällig, daß List nach jedem gescheiterten Versuch sich in Deutschland eine Existenz aufzubauen, die erneute „Flucht ins Ausland“ antrat. Friedrich List war zeitlebens ein Ausländer. Selbst in Deutschland war er das nach seiner Rückkehr aus Amerika.
Letzten Endes ist Friedrich List jedoch an dieser Erfolglosigkeit im eigenen Land zugrunde gegangen. Er nahm sich von ständigen Existenzängsten geplagt und völlig am Ende seiner psychischen und physischen Kraft,1846, zwei Jahre vor der deutschen Revolution, das Leben.
Ein tragisches Schicksal für einen großen Deutschen, einen großen Europäer, dessen Leben und Werk sich stets wie ein Abenteuerroman liest, wie Wilhelm Hankel schreibt, und der doch heute noch ein Klassiker, nicht nur der Nationalökonomie, ist.
Trotz der Schwierigkeiten, die ich primär bei der Auswahl der Literatur hatte, da ich nur einen Teil der originalen Schriften Lists bekommen konnte, hoffe ich, daß es mir gelungen ist, die Außergewöhnlichkeit dieses Mannes darzulegen. Ebenso hoffe ich seine Einflüsse auf den deutschen Eisenbahnbau und die deutsche Industrialisierung, ungeachtet der knappen Darstellung der umfangreichen Teilgebiete, informativ dargestellt zu haben.
William Henderson nennt List im Titel seiner Biographie „ den GrÜnder des Deutschen Zollvereins und den ersten Visionär eines vereinten Europas “ 90. Dem möchte ich mich anschließen und noch hinzufügen: Friedrich List: Nationalökonom, Publizist, Liberaler, Vaterlandsliebender und Eisenbahnpionier.
VI. Quellen- und Literaturverzeichnis
VI.1. Quellenverzeichnis
- List, Friedrich: Das Nationale System der politischen Ökonomie (= Ökonomische Studientexte, Bd. 9), Berlin [Ost] 1982.
- List, Friedrich: Die Welt bewegt sich.Über die Auswirkungen der Dampfkraft und der neuen Transportmittel auf die Wirtschaft, das bürgerliche Leben, das soziale Gefüge und die Macht der Nation (Pariser Preisschrift 1837), neu hrsg. von Eugen Wendler, Göttingen 1985.
- List, Friedrich: Outlines of American Political Economy. Grundriß der amerikanischen politischen Ökonomie, neu hrsg. von Dr. Böttinger Verlags-GmbH, Wiesbaden o. J.
VI.2. Literaturverzeichnis
- Göbel, Walter: Abiturwissen - Industrielle Revolution und Soziale Frage, Stuttgart, Dresden 41995.
- Hankel, Wilhelm: Der Ökonom Friedrich List: Verkannt in alle Ewigkeit ? Süddeutsche Zeitung vom 29.11.1996, online unter: http://users.aol.com/FriedList/list.htm (Stand: 28-04-1998).
- Hardach, Gerd: Die industrielle Revolution, in: Behrens, Hermann u.a. (Hrsg.): Wirtschaftsgeschichte und Umwelt - Hans Mottek zum Gedenken. Umweltgeschichte und Umweltzukunft III (=Forum Wissenschaft - Studien, Bd. 29), Marburg 1994, S. 108-124.
- Häuser, Karl; Lachmann, Werner; Scherf, Harald: Friedrich List - eine moderne Würdigung. Vademecum zu einem initiativen Klassiker (= Die Handelsblatt - Bibliothek - Klassiker der Nationalökonomie), Düsseldorf 1989.
- Henderson William: Friedrich List. Eine historische Biographie des Gründers des Deutschen Zollvereins und des ersten Visionärs eines Vereinten Europa, Düsseldorf, Wien 1984.
- Henning, Friedrich-Wilhelm: Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914, Paderborn u.a. 81993.
- Komlos, John: EinÜberblickÜber die Konzeption der Industriellen Revolution. In: VSWG/Bd. 84 (1994), S. 461-511.
- Lehmann, Helmut: Eisenbahnen in Preußen, Düsseldorf 1998..
- Mottek, Hans: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands - Ein Grundriß, Bd. 2: Von der Zeit der Französischen Revolution bis zur Zeit der Bismarckschen Reichsgründung, Berlin [Ost] 31987.
- Pierenkemper, Toni: Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert (= Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Bd. 29), München 1994.
- Siemann, Wolfram: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871 (= Neue deutsche Geschichte, Bd. 7.), München 1995.
- Tilly, Richard: Vom Zollverein zum Industriestaat. Die wirtschaftlich - soziale Entwicklung Deutschlands, 1834 bis 1914, München 1990.
- Treue, Wilhelm: Eisenbahnen und Industrialisierung. Ein Beitrag zur preußischen Wirtschafts- und Technikgeschichte im 19. Jahrhundert (= Gesellschaft für Westfälische Wirtschaftsgeschichte e.V., Bd.
27.), Dortmund 1987.
- Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 1: Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700-1815, München 31996.
- Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Wirtschaftsgeschichte, Bd. 2: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen „Deutschen Doppelrevolution“ 1815-1845/49, München 31996.
- Wendler, Eugen: Friedrich List. Politische Wirkungsgeschichte des Vordenkers der europäischen Integration, München 1989.
- Wendler, Eugen: Leben und Wirken von Friedrich List während seines Exils in der Schweiz und sein MeinungsbildÜber die Eidgenossenschaft, Diss. phil., Konstanz 1984.
[...]
1 Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd. 2. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen Doppelrevolution 1815-1848/89. München 1996, S. 589.
2 Vgl.: Karl Häusser , Werner Lachmann, Harald Scherf.: Friedrich List - Eine moderne Würdigung. Vademecum zu einem Initiativen Klassiker, Düsseldorf 1989; Eugen Wendler, Friedrich List. Politische Wirkungsgeschichte des Vordenkers der europäischen Integration, München 1989; William Henderson: Friedrich List. Eine historische Biographie des Gründers des Deutschen Zollvereins und des ersten Visionärs eines Vereinten Europas, Düsseldorf, Wien 1984.
3 Karl Häusser , Werner Lachmann, Harald Scherf.: Friedrich List - Eine moderne Würdigung. Vademecum zu einem Initiativen Klassiker, Düsseldorf 1989, S. 21.
4 Ebd., S. 31.
5 Eugen Wendler, Friedrich List. Politische Wirkungsgeschichte des Vordenkers der europäischen Integration, München 1989, S. 17.
6 Ebd.
7 Ebd..
8 Friedrich List: Das Nationale System der Politischen Ökonomie (= Ökonomische Studientexte Bd. 9.), Berlin [Ost]1982, S. IX.
9 Ebd., S. X.
10 Eugen Wendler: Friedrich List, S.19.
11 Ebd.
12 Karl Häusser u.a.: Friedrich List, S. 33.
13 Eugen Wendler: Friedrich List, S. 21.
14 Der Marquis de Lafayette war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit. 1757 geboren, nahm er 1777 als General beim Unabhängigkeitskrieg der USA teil. 1789 als Mitglied der frz. Generalstände, reichte er am 11.7 der Nationalversammlung den Entwurf zur Erklärung der Menschenrechte. Er war zeitlebens Anhänger der konstitutionellen Monarchie und genoß in Amerika und Frankreich den Ruf eines Nationalhelden. Vgl. Eugen Wendler: Friedrich List, S. 43 - 50.
15 Friedrich List: Zur Geschichte des vormaligen Handels- und Gewerbevereins, woraus hernach der Deutsche Zollverein erwachsen ist. Zit. nach Eugen Wendler: Friedrich List, S.46.
16 Friedrich List: Outlines of American Political Economy - Grundriß der amerikanischen politischen Ökonomie. Wiesbaden o. J., S. 160.
17 Friedrich List: Das Nationale System, S. XVIII, Anm. 4.
18 Ein acre entspricht etwa 4046 qm
19 Karl Häusser u.a.: Friedrich List, S.39.
20 Ebd., S. 41.
21 William Henderson: Friedrich List. Eine historische Biographie des Gründers des Deutschen Zollvereins und des ersten Visionärs eines Vereinten Europas, Düsseldorf, Wien 1984, S. 97.
22 Ebd., S. 99.
23 William Henderson: Friedrich List, S. 100.
24 Eugen Wendler: Friedrich List, S. 219.
25 Karl Häuser u.a.: Friedrich List, S. 46.
26 William Henderson: Friedrich List, S. 103.
27 Wolfram Siemann: Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806 - 1871( Neue Deutsche Geschichte Bd. 7), München 1995.
28 Friedrich-Wilhelm Henning: Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914 . Paderborn u.a. 81993.
29 Hans Mottek: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands. Ein Grundriß, Band II. Von der Zeit der Französischen Revolution bis zur Bismarkschen Reichsgründung, Berlin [Ost] 31987.
30 Toni Pierenkemper: Gewerbe und Industrie im 19. Und 20. Jahrhundert. Enzyklopädie Deutscher Geschichte Bd. 29, München 1994.
31 Wolfram Siemann: Vom Staatenbund zum Nationalstaat.
32 Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte II. Von der Reformära bis zur industriellen und politischen Deutschen Doppelrevolution 1815-1848/49, München 31996.
33 Toni Pierenkemper: Gewerbe und Industrie im 19. Und 20 Jahrhundert, S. 48.
34 Der Versuch einer Periodisierung wird oft verbunden mit wichtigen historischen Ereignissen ( 1815 - dem Jahr des Wiener Kongresse ) verbunden. Hans-Ulrich Wehler kennzeichnete den Bergriff der Doppelrevolution, auch hier fallen politisches und wirtschaftliches Ereignis zusammen.
35 Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd. 2, S. 587 - 637.
36 Hans Mottek: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, S. 74 - 76.
37 Nach: John Komlos: EinÜberblickÜber die Konzeption der Industriellen Revolution. S. 495-496. In VSWG. Bd. 84.
38 Friedrich-Wilhelm Henning: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S.112.
39 Friedrich-Wilhelm Henning:: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 37: Unter Bauernbefreiung versteht man die Aufhebung und Abschaffung der Abhängigkeitsverhältnisse, denen die bäuerliche Bevölkerung durch das den größten Teil der ländlichen Bereiche erfassende Feudalsystem unterworfen war und aufgrund derer von den Bauern Leistungen unterschiedlicher Art und Höhe gefordert werden konnten und wurden. Diese Abhängigkeitsverhältnisse hatten sich im Laufe von einem Jahrtausend als wichtiger Bestandteil der gesellschaftlichen Ordnung des Feudalsystems ((Lehnswesen ) entwickelt. Im einzelnen gehörten dazu:
a) Die persönliche Befreiung aus der Leibeigenschaft oder Erbuntertänigkeit..
b) Die Grundentlastung, d.h. die Auflösung der Grundherrschaft oder Gutsherrschaft.
c) Die Aufhebung der Patrimonialgerichtsbarkeit.
d) Die Ablösung des Zehnten u.a. herrschaftlichen Berechtigungen ( Dtv Lexikon 1997; Bd. 2 S.133 ).
40 Gewerbefreiheit: Jedermann kann in jedem Umfang jeden Produktionszweig mit jeder Produktionstechnik eröffnen und betreiben. Dies galt im allgemeinen auch für Frauen.
41 Friedrich-Wilhelm Henning:: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 59 - 68.
42 Deutscher Zollverein: Die handelspolitische Einigung dt. Bundesstaaten zur Herstellung einer dt. Wirtschaftseinheit im 19 Jh. Nachdem die Versprechungen des Art. 19 der dt. Bundesakte von 1815 unerfüllt geblieben und die Denkschriften von F. List und dem badischen Minister K. F. Nebenius auf stärksten Widerstand gestoßen waren, traf Preußen unter seinem Finanzminister F. von Motz ohne Bundesmitwirkung zunächst eine Teillösung durch den 1828 mit Hessen-Darmstadt geschlossenen Zollvertrag. Bayern und Württemberg waren kurz vorher eine Süddeutsche Zollvereinigung eingegangen. Hannover, Braunschweig, Kurhessen, Oldenburg, Nassau, Sachsen, die thüring. Staaten und die Städte Frankfurt und Bremen bildete 1828 den Mitteldeutschen Handelsverein. Dieser zerbrach als sich Kurhessen 1831 dem preußisch-hessischen Verein anschloß. 1833 kam es zu einer Einigung zw. Preußen, Hessen-Darmstadt, Kurhessen, Bayern, Württemberg, Sachsen und den thüringischen Staate, so daß am 1.1.1834 der Deutsche Zollverein in Kraft treten konnte. Ihm traten 1836 Baden, Nassau und Frankfurt, 1842 Luxemburg, Braunschweig und Lippe bei. 1854 folgten Hannover und Oldenburg. (dtv - Lexikon 1997 Bd. 4, S. 139.)
43 Gründung deutscher Großbanken: 1839 Leipziger Notenbank; 1846 Preußische Bank; 1848 Schaffhausen`scher Bankverein; 1851 Disconto Gesellschaft (Berlin); 1853 Darmstädter Bank für Handel und Industrie; 1869 Bayrische Vereinsbank; 1870 Deutsche Bank; 1870 Commerz - und Privatbank; 1872 Dresdner Bank. Zahlen nach: Walter Göpel: Abiturwissen - Industrielle Revolution und Soziale Frage. Stuttgart, Dresden 41995, S. 58.
44 Toni Pierenkemper: Gewerbe und Industrie im 19. Und 20. Jahrhundert, S 5.
45 Ebd., S. 6.
46 Diese Zahl erscheint mir am realistischsten, wenn man “manufakturelle Fabriksysteme”, wie Bergfabriken außer Acht läßt. .
47 Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd. 2, S. 244. Mit Protoindustriellen Arbeitern meint Wehler Heimarbeiter im Verlagssystem. (siehe Wehler Bd. 2, S.8).
48 Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd. 2, S. 244.
49 Siehe auch Toni Pierenkemper: Gewerbe und Industrie im 19. Und 20. Jahrhundert , S. 7.
50 Wolfram Siemann: Vom Staatenbund zum Nationalstaat, S.167.
51 Vgl. Friedrich-Wilhelm Henning: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 136; Abb. 24.
52 Nach Friedrich-Wilhelm Henning: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 151.
53 Bessemerverfahren: 1855/56, Stahlherstellung durch Einpressen von Luft in ein mit Roheisen gefülltes Gefäß, erlaubte erstmals, Stahl in großen Mengen herzustellen. Dieses Verfahren wurde erst in der Zeit um 1970 durch Oxygen-Stahlwerke abgelöst. (nach FriedrichWilhelm Henning: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 118).
54 Friedrich-Wilhelm Henning: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 114.
55 Friedrich List:: Die Welt bewegt sich.Über die Auswirkungen der Dampfkraft und der neuen Transportmittel auf die Wirtschaft, das bürgerliche Leben, das soziale Gefüge und die Macht der Nationen (Pariser Preisschrift 1837). Neu hrsg. von Eugen Wendler, Göttingen 1985, S. 77.
56 Newcomen entwickelte aus einem Patent Saverys aus dem Jahre 1698 eine dampfkraftgetriebene Wasserpumpe.
57 Nach Friedrich-Wilhelm Henning: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 115
58 Hans Mottek: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 151.
59 dtv Bd. 17, S. 256.
60 Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte Bd. 2, S. 617.
61 Ebd., S. 614
62 Ebd., S. 617.
63 K. Fritsch: Handbuch der Eisenbahngesetzgebung in Preußen und dem Deutschen Reiche, Berlin 1912 S.23. In: Helmut Lehmann: Eisenbahnen in Preußen, Düsseldorf 1998, S. 18.
64 Friedrich-Wilhelm Henning: Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 2, S. 163.
65 Friedrich List: Die Welt bewegt sich, S. 81.
66 Ludwig Häusser (Hg.): Friedrich List gesammelte Schriften, Bd. I, S. 165. Zit. Nach: William Henderson: Friedrich List, S. 148.
67 William Henderson: Friedrich List, S 148.
68 Friedrich List: Die Welt bewegt sich. S. 97 f.
69 Ebd., S 99 .
70 Ebd., S. 101.
71 Thomas Robert Malthus; engl. geistlicher und Nationalökonom. In der Malthusianischen Falle geht Malthus von einer Vermehrung der Menschheit nach einer geometrischen Progression ( 2, 4, 8, 16 usw.) die der Nahrungsmittel aber nur arithmetisch ( 2, 3, 4 usw.) aus, was zwangsläufig zu einerÜbervölkerung und Unterernährung führen würde. Den einzigen Ausweg sah Malthus in der Enthaltsamkeit vom Geschlechtsverkehr.
72 Ebd., S. 105.
73 Karl Häuser u.a.: Friedrich List, S. 39.
74 William Henderson: Freidrich List, S. 151.
75 Ebd., S. 152.
76 Hierzu: William Henderson: Friedrich List, S. 156.
77 Ebd., S. 157.
78 Ebd.
79 Hierzu: Karl Häuser: Friedrich List, S.42; William Henderson: Friedrich List, S. 158 - 160.
80 Siehe: William Henderson: Friedrich List, S. 157.
81 Ebd., 160.
82 Vgl. Ebd., 159.
83 Ebd., S. 161.
84 Siehe Ebd., S.. 162.
85 Ebd.
86 Ebd., S 213 f.
87 Wilhelm Hankel: Der Ökonom Friedrich List: Verkannt in alle Ewigkeit ? Süddeutsche Zeitung vom 29.11.1996.
88 Eugen Wendler: Friedrich List, S. 111.
89 Ebd., S. 24.
Häufig gestellte Fragen zu Friedrich List und die Anfänge der Industrialisierung in Deutschland
Wer war Friedrich List?
Friedrich List (1789-1846) war ein deutscher Nationalökonom, Publizist, Politiker, Unternehmer und Eisenbahnpionier. Er setzte sich maßgeblich für die Gründung des Deutschen Zollvereins ein und gilt als Vordenker der europäischen Integration.
Was waren die wichtigsten Stationen in Friedrich Lists Leben?
Lists Leben war von politischem Engagement und wirtschaftlichen Visionen geprägt. Nach einer anfänglichen Karriere im württembergischen Staatsdienst wurde er aufgrund seiner politischen Ansichten verurteilt und floh in die USA. Dort engagierte er sich im Eisenbahnbau und kehrte später nach Deutschland zurück, wo er sich weiterhin für die wirtschaftliche Entwicklung einsetzte.
Welche Rolle spielte Friedrich List beim deutschen Eisenbahnbau?
List erkannte früh die Bedeutung der Eisenbahn für die Industrialisierung Deutschlands und setzte sich aktiv für den Bau von Eisenbahnstrecken ein. Er entwarf Pläne für ein bayrisches Eisenbahnsystem und engagierte sich beim Bau der Eisenbahnlinie von Leipzig nach Dresden.
Was ist das "Nationale System der Politischen Ökonomie" von Friedrich List?
In seinem Hauptwerk entwickelte List eine eigene wirtschaftstheoretische Konzeption, die sich von den klassischen Lehren der Nationalökonomie unterschied. Er betonte die Bedeutung des Nationalstaats für die wirtschaftliche Entwicklung und befürwortete Schutzzölle, um die heimische Wirtschaft zu fördern.
Was waren die Voraussetzungen für die Industrialisierung in Deutschland?
Die Industrialisierung in Deutschland war ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wurde. Dazu gehörten die Bevölkerungszunahme, die Bauernbefreiung, die Gewerbefreiheit, die Gründung des Deutschen Zollvereins und die Veränderung der Produktionsmethoden.
Wie veränderten sich die Produktionsmethoden während der Industrialisierung?
Die traditionelle Zunfthandwerk wurde zunehmend vom Verlagssystem, dezentralen Manufakturen und zentralen Manufakturbetrieben abgelöst. Das Fabriksystem mit Arbeitsteilung und dem Einsatz von Maschinen gewann an Bedeutung.
Welche Rolle spielte die Eisenbahn bei der Industrialisierung Deutschlands?
Die Eisenbahn war ein wichtiger Motor der Industrialisierung, da sie den Transport von Gütern und Personen erleichterte, die Transportkosten senkte, die Transportgeschwindigkeit erhöhte und die Standortwahl für industrielle Unternehmen flexibler gestaltete.
Was war das "hölzerne Zeitalter" und wie wurde es beendet?
Das "hölzerne Zeitalter" bezeichnet die Zeit, in der Holz der wichtigste Brennstoff war und die Bevölkerung Europas unter akutem Brennstoffmangel litt. Die Verwendung natürlicher Rohstoffe wie Eisen und Kohle beendete diese Ära.
Welche Bedeutung hatte die Dampfmaschine für die Industrialisierung?
Die Dampfmaschine war eine bahnbrechende Erfindung, die den Brennstoffverbrauch reduzierte und die Güterproduktion enorm steigerte. Sie ermöglichte die Entwicklung moderner Transportsysteme wie die Eisenbahn und die Dampfschiffe.
Wie endete das Leben von Friedrich List?
List starb 1846 im Alter von 57 Jahren durch Suizid. Er litt unter Depressionen, Arbeitsunfähigkeit und Zukunftsängsten, die durch finanzielle Probleme und die fehlende Anerkennung seiner Leistungen verstärkt wurden.
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- Manuel Brunner (Author), 1998, Die Welt bewegt sich - Friedrich List und der deutsche Eisenbahnbau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95132