Als Ludwig XVI. 1774 sein Amt als König in Frankreich antrat, sah er sich mit einem bereits verschuldeten Staat konfrontiert. Diese zerrütteten Staatsfinanzen waren das Ergebnis kostspieliger aussenpolitischer Misserfolge seit der fehlgeschlagenen Reunionspolitik unter Ludwig XIV. und einer verschwenderischen Hofhaltung, so dass der Schotte John Law 1715 bereits die erste staatliche Notenbank gründete, um die Finanzkraft zu sanieren. Es wurden Aktiengesellschaften zur Ausbeutung der Kolonien gegründet. Es kam 1720 zur Papiergeldinflation. Ab 1750 wurde die Schwäche des absolutistischen Systems immer deutlicher, zumal auch die privilegierten Stände Finanzreformen verhinderten. Auch der Siebenjährige Krieg (1756-63) brachte lediglich nur Unkosten ein, Frankreich verlor zudem seine Kolonien in Nordamerika an England. Die Unfähigkeit Ludwigs XV. bedeutete einen weiteren Autoritäts- und Prestigeverlust des Königs. Die schlechte Finanzpolitik Ludwigs XVI. sollte 1788 zum Staatsbankrott führen. Im Folgenden soll untersucht werden, wie es zum Staatsbankrott kam.
1.) Einleitung
Als Ludwig XVI. 1774 sein Amt als König in Frankreich antrat, sah er sich mit einem bereits verschuldeten Staat konfrontiert. Diese zerrütteten Staatsfinanzen waren das Ergebnis kostspieliger aussenpolitischer Misserfolge seit der fehlgeschlagenen Reunionspolitik unter Ludwig XIV. und einer verschwenderischen Hofhaltung, so dass der Schotte John Law 1715 bereits die erste staatliche Notenbank gründete, um die Finanzkraft zu sanieren. Es wurden Aktiengesellschaften zur Ausbeutung der Kolonien gegründet. Es kam 1720 zur Papiergeldinflation . Ab 1750 wurde die Schwäche des absolutistischen Systems immer deutlicher, zumal auch die privilegierten Stände Finanzreformen verhinderten. Auch der Siebenjährige Krieg (1756-63) brachte lediglich nur Unkosten ein, Frankreich verlor zudem seine Kolonien in Nordamerika an England. Die Unfähigkeit Ludwigs XV. bedeutete einen weiteren Autoritäts- und Prestigeverlust des Königs. Die schlechte Finanzpolitik Ludwigs XVI. sollte 1788 zum Staatsbankrott führen. Im folgenden soll untersucht werden, wie es zum Staatsbankrott kam.
2.) Amtsantritt Ludwigs XVI. 1774
1774 beliefen sich die Staatsschulden auf 67 Prozent. Sie wurden durch hochprozentige
Anleihen gedeckt. Aufgrund überhöhter Ausgaben lag ständig ein finanzielles Defizit vor. Der Staatshaushalt von 1774 war so gegliedert, dass 33% für das Heer, 30% allein für die Zinsen der Schulden, zehn Prozent für den Hof, sechs Prozent für Pensionen und 21% für sonstige Angelegenheiten ausgegeben wurden. Die Einnahmequellen bestanden zu 67% aus den indirekten Steuern, diese wiederum zu 15% aus dem Anteil der Gabelles und zu 12,5% aus dem Anteil der Aides. 28 % der Einnahmequellen bildeten die direkten Steuern, wobei unter diesen die Taille 12,5% ausmachte. Es gab ein Defizit von fünf Prozent.
3.) Turgot
Ludwig XVI. ernannte 1774 den Physiokraten Anne Robert Turgot (1727-81) zum Generalkontrolleur der Finanzen, ein Status, der dem eines Finanzministers ebenbürtig war, zumal er die Aufgaben eines Finanzministers übernahm. Die Kluft zwischen Lohn- und Preissteigerung wurde immer grösser: Der Preisanstieg betrug 65%, wohingegen die Lohnerhöhung lediglich 22% betrug.
Diese Differenz wirkte sich besonders für das immer ärmer werdende Kleinbürgertum gravierend aus, da allein der Brotpreis - nach der Freigabe des Getreidehandels - bis zu 80% des Familieneinkommens verschlang.
Als Folge von Missernten und Viehseuchen begünstigt, kam es zu einer Versorgungs - und Ernährungskrise, man spricht hierbei von Zeiten der Teuerung. Um Frankreich aus diesem zeitbombenartigen Zustand zu führen, führte Turgot ein Reformprogramm ein. Er befreite den Getreidehandel von den inneren Zollschranken und plante die Ergänzung des königlichen Absolutismus durch ein System beratender, selbstverwaltender Körperschaften, sogenannter Munizipalitäten. Auch beabsichtigte er die Einführung einer allgemeinen Grundsteuer, die Beseitigung von Zunft - und Feudalrechten und die Besteuerung des Adels. Das Reformprogramm scheiterete jedoch durch die Parlamente, die sich aus den privilegierten Ständen zusammensetzten, und durch die Hofpartei der Königin Marie Antoinette, die auch als ,, Madame Defizit " bekannt war. Henri See schrieb hierzu: ,, When Turgot came into office great hopes were conceived by all who ardently wished for serious reforms. Abolition of the corvee on the high roads, liberty of trade in corn, suppression of the craft corporations, such was the simple programme which Turgot set before himself. The fierce opposition encountered by this great and honest man, and the success of all the branches of the privileged classes, who feared more radical reforms, in obtaining his dismissal, is a matter of history."1 Hier lassen sich bereits Grundzüge freihändlerischer Tendenzen erkennen. Auch kann man hieran erkennen, dass der König nicht mehr der Absolut im klassischen Sinne war, da er auf die Kooperation der Parlamente angewiesen war, was zu Hochzeiten des Absolutismus nicht der Fall gewesen war. Als Turgot sich 1776 gegen eine französische Intervention im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg aussprach, wurde er entlassen.
4.) Intervention im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg
1778 griff Frankreich offiziell gegen England im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ein. Bereits zuvor wurden Freiwillige nach Amerika geschickt, unter denen sich auch der aristokratische Marquis De La Fayette befand. Allein die Tatsache, dass das absolutistische Frankreich zugunsten einer angehenden Republik eingriff, erschien ein wenig paradox, wenn man nicht gegen die Engländer gekämpft hätte. Zwar zählte Frankreich zu den Gewinnern dieses Krieges, doch dieser äussere Triumph war nur von kurzer Dauer, denn die hieraus entstandenen Kriegsschulden, das französische Engagement in Amerika kostete zwei Milliarden Livres ( Nora Temple schrieb sogar: ,, the war cost over one billion livres "2 ), konnte der Finanzminister Necker (1732- 1802) ausschliesslich durch Anleihen decken, die die bereits zerrütteten Staatsfinanzen nur noch mehr belasteten. 1783 wurden Frankreich im Frieden von Versailles zwar Tobago und Senegambien zugesprochen, dies war jedoch keine annähernde Kompensation für die Kriegskosten. Ludwig XVI. sah sich durch diesen Krieg vor weitere Probleme gestellt, da zudem noch die amerikanischen Ideen nach Frankreich gelangten. Diese Gedankengut war ein weiterer Grund für den Zusammenbruch des Ancien Regime
5.) Necker
Auch Jacques Necker versuchte mit Hilfe der Privilegierten durch die Wiederbelebung der Provinzialstände eine Finanzreform durchzusetzen, indem er u.a. die wirtschaftlichen Reglementierungen lockerte. Nora Temple schrieb: ,, His reforms included removing some of the indirect taxes from the charge of the Farmers General and arranging for them to be levied by government officials, at the same time abolishing a substantial number of the most senior venal offices in the central financial administration."3 1781 veröffentlichte Necker den ersten Rechenschaftsbericht über die Finanzlage Frankreichs, den ,, compte rendu, presente au roi ". Dieser Bericht machte die Finanzmisere publik. Auch Neckers Reformprogramm scheiterte. Henrie See schrieb diesbezüglich: ,, Necker,who was far more moderate and exceedingly accommondating in his policy ( than Turgot ), met with the same resistance ( that Turgot had met )."4 1783 wurde Necker entlassen . Charles Alexandre de Calonne (1734-1802) wurde 1783 zum Finanzminister ernannt.
6.) Calonne
Calonne griff auf Turgots Pläne zurück, jedoch wurden sie erneut nicht durch die Parlamente anerkannt. Die Aufgabe dieser Gerichte war es - und zugleich ihr Recht -, Erlasse und Gesetze des Königs zu registrieren und ihnen dadurch Rechtsgültigkeit zukommen zu lassen. Elisabeth Fehrenbach schrieb: ,, Eine durchgreifende Steuerreform, die ohne Beseitigung der Steuerprivilegien von Klerus und Adel nicht möglich war, scheiterte immer wieder am Widerstand der Parlamente "5. Auch Henrie See bezeichnete Calonnes Plan als ,, desperate "6 und die Opposition der Privilegierten als: ,, a revolt of all privileged classes "7. Eberhard Schmitt schrieb von Privilegierte, ,, die in der Tat bisher jeden Versuch einer Sanierung des Staatshaushalts obstruiert hatten, der ihnen finanzielle Lasten ohne politische Gegengabe in Form einer irgendgearteten politischen Mitsprache abforderte."8 Das Kapital war vorhanden, doch es war dem König nicht zugängig. Diese Tatsache ist markant für die abgeschwächte Rolle des offiziell absolutistischen Königs.
Auch der liberale Handelsvertrag mit England von 1786 trug nicht zur Stabilisierung der Situation bei, im Gegenteil sogar: die Industriekrise wurde durch die britische Konkurrenz nur noch eklatanter. Die preiswerteren englischen Waren führten zu einer Steigerung der Arbeitslosigkeit in Frankreich, zumal das Kleinbürgertum, welches aus Handwerkern und Kleinhändlern bestand, bereits seit Jahren unter dem vom Grossbürgertum ausgehendem Konkurrenzdruck litt. Dies und auch die hohen Pachtzinsen trugen zu einer allgemeinen wirtschaftlichen Problematik der 1780er Jahre bei.
Aufgrund hoher Pachtzinsen auf dem Land galt nämlich der Erwerb von Land auch für das wohlhabende Stadtbürgertum als eine sichere Kapitalanlage, was zur Folge hatte, dass immer mehr Bauern in das Landproletariat gerieten. Hinzu kamen noch Hungersnöte als Konsequenz der Dürrejahre 1785 und 1788.
7.) Der absolutistische König - nicht mehr absolut?
Die Schwäche des Ancien Regime lag in der Schwäche des absolutistischen Systems, da die Unfähigkeit Ludwig XVI. drastisch zum Autoritätsverlust beitrug. Nur so lassen sich Zusammenstösse zwischen König und dem Pariser Parlament erklären. 1787 wurde von Calonne die Notablenversammlung in Paris einberufen, um die Finanzkrise zu beheben, weil der König keine potentiellen Kreditgeber mehr hatte. Eine Notablenversammlung königlicher Vertrauter wurde das letzte Mal 1626 einberufen.
Die Notablenversammlung weigerte sich, die von Calonne unterbreiteten Vorschläge anzunehmen, da ihr der Einblick in die Staatsfinanzen verwehrt wurde.
Als Calonne das volle Defizit bekanntgab, wurde er entlassen. Allein die Aufwendungen für die Zinsen des Staatsdefizits betrugen 63% der Einnahmen (ca.318 Mill. Livres). Dies war die Rechnung für eine Serie aussenpolitischer Misserfolge und eines zu opulenten Hoflebens. Betrugen die Staatsschulden 1683 nur 22%, so betrugen sie 1788 100%. Ludwig XVI. hatte keine Kreditgeber mehr und war politisch betrachtet bankrott. Bosher bezeichnete diesen Zustand als ,, royal bankruptcy "9. Ginge man von dem absolutistischen Selbstverständnis des vom LudwigXIV. geprägten Satzes ,, L'etat, c'est moi." aus, so müsste man sagen, dass der Staat nunmehr bankrott gewesen sei, man also von einem Staatsbankrott sprechen könne.
8.) Der Staatsbankrott
Der Staatsbankrott 1788 schien nur noch vermeidbar gewesen zu sein, wenn man es geschafft hätte, die Einkünfte zu erhöhen, doch hierbei war LudwigXVI. von den Parlamenten abhängig, und diese forderten für ihre Hilfe eine dementsprechende Kompensation in Form von politischem Mitbestimmungsrecht. Es war das Recht der Parlamente, die Generalstände, welche 1614 zuletzt zusammengetreten waren, einzuberufen. Nur die Generalstände allein hatten das Recht auf die dringend nötige Steuerfestsetzung. Die Einberufung der Generalstände wurde bereits am 16.7.1787 vom Pariser Parlament gefordert. Am 8.8.1788 berief die Krone die Generalstände ein, welche das Schicksal des Ancien Regime und des absolutistischen Königs im weiteren Verlauf des Geschichte besiegeln sollten. Hiermit begann der vollständige Machtverfall des Ancien Regime. Eberhard Schmitt kommentierte dies so: ,, Am 8.August 1788 hatte die Krone überraschend ihr seit Ludwig XIII. wahrgenommenes Monopol der Staatsführung preisgegeben, indem sie für Mai 1789 die Einberufung der Generalstände ankündigte, mit deren Hilfe sie das Haushaltsdefizit zu beheben hoffte."10 Die Einberufung der Generalstände stellte die erste Niederlage Ludwigs XVI. dar, ihr sollten noch weitere folgen.
9.) Schluss
Diese Niederlage war das Ergebnis einer lang andauernden Folge mangelnden Durchsetzungsvermögens seitens der französischen Könige, die darüberhinaus noch mit einem enormen Autoritäts- und Prestigeverlust gekoppelt war. Innenpolitisches sowie aussenpolitisches Versagen über Jahrzehnte hinweg führten konsequent zum Staatsbankrott, denn am 16. August 1788 brach ganz der Staatshaushalt zusammen, da die Staatskasse nur noch über Geld für den Bedarf eines Vierteltages, ca. 400.000 Livres, verfügte. Auf Intrigen seiner Gemahlin hin entliess Ludwig XVI. am 25.8.1778 Finanzminister de Brienne, welcher erst wenige Monate im Amt war und seit dem 8.8.1778 einen Reformkurs eingeführt hatte. Als Fazit kann man sagen, dass mit der französischen Intervention in Amerika ein entscheidender Fehler war. Sowohl Turgot als auch Necker hatten Ludwig XVI. davon abgeraten, in Übersee einzugreifen. Nora Temple schrieb: ,, Louis XVI himself, to do him justice, was far from enthusiastic about giving aid to rebels against a fellow monarch. Turgot and Necker were also opposed to French intervention in the war, knowing that it would ruin their efforts to rehabilitate the monarchy`s finances."11 Wie lässt sich dann jedoch Frankreichs Intervention erklären? Ich glaube, dass man das Eingreifen Frankreichs in diesem Krieg als unüberlegtes Handeln eines Monarchen betrachten muss, wenn nicht sogar als eine absolutistische Spielerei. Jedoch selbst in der heutigen Zeit gibt es noch Staatsoberhäupter, die offensichtlich der Meinung sind, dass man innenpolitische Misserfolge durch aussenpolitische Erfolge kompensieren kann.
[...]
1 See, Henrie, The Economic and Social Origin of the French Revolution, in: Schmitt, Eberhard (Hrsg.), Die Französische Revolution - Anlässe und langfristige Ursachen, S.4, Darmstadt 1973.
2 Temple, Nora, The Road to 1789: From Reform to Revolution in France, S.26, Worcester 1992.
3 Temple, Nora, The Road to 1789: From Reform to Revolution in France, S.27, Worcester 1992.
4 See, Henrie, The Economic and Social Origin of the French Revolution, in: Schmitt, Eberhard (Hrsg.), Die Französische Revolution - Anlässe und langfristige Ursachen, S.4, Darmstadt 1973.
5 Fehrenbach, Elisabeth, Vom Ancien Regime zum Wiener Kongress (= Oldenbourg Grundriss der Geschichte, Bd.12), S.20, München 1993.
6 See, Henrie, The Economic and Social Origin of the French Revolution, in: Schmitt, Eberhard (Hrsg.), Die Französische Revolution - Anlässe und langfristige Ursachen, S.15, Darmstadt 1973.
7 See, Henrie, The Economic and Social Origin of the French Revolution, in: Schmitt, Eberhard (Hrsg.), Die Französische Revolution - Anlässe und langfristige Ursachen, S.15, Darmstadt 1973.
8 Maier, Hans und Schmitt, Eberhard (Hrsg.), Wie eine Revolution entsteht, S.82, Paderborn 1988.
9 Bosher, J. F., French Finances 1770 - 1795; Elliott, J. H. und Koenigsberger, H. G. (editors), S.309, Canbridge 1970.
10 Maier, Hans und Schmitt, Eberhard (Hrsg.), Wie eine Revolution entsteht, S.82, Paderborn 1988.
11 Temple, Nora, The Road to 1789: From Reform to Revolution in France, S. ; Worcester 1992.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 1999, Wie kam es zum Staatsbankrott von 1788?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/95129
-
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen. -
Laden Sie Ihre eigenen Arbeiten hoch! Geld verdienen und iPhone X gewinnen.