Colin Crouch, ein britischer Politikwissenschaftler, prägte 2004 den Begriff der Postdemokratie mittels seiner eigens erschienenen Publikation "Postdemocrazia". Als Postdemokratie bezeichnet er eine Variante der Demokratie, die die eigentliche demokratische Phase bereits durchlaufen hat. Die Gesellschaft befindet sich demnach in einer Phase „nach“ der Demokratie.
Um den Begriff der Postdemokratie besser zu verstehen, skizziert Crouch das Modell einer Parabel in einem Koordinatensystem. Er beschreibt mit diesem, wie sich Demokratie zu Postdemokratie entwickelt: X ist dabei das Phänomen, das beschrieben werden soll, post-x (Beispiel hier: Post-Demokratie). Er definiert 3 Zeiträume: Zeitraum 1 ist gekennzeichnet durch fehlende Merkmale, die man mit Demokratie in Verbindung setzt (freie Wahlen, Rechte usw.), im Grunde eine vordemokratische Phase. Zeitraum 2 beschreibt den Höhepunkt der Demokratie. Sämtliche Bereiche werden von der Demokratie beeinflusst. Zeitraum 3 wird als „post-x“ charakterisiert. Seiner Auffassung nach bewegt sich die Postdemokratie also über die Demokratie hinaus.
Inhaltsverzeichnis
1 Postdemokratie nach Colin Crouch
2 Relevanz seiner Diagnose für die Soziale Arbeit
3 Gegenwärtige Bedeutsamkeit seiner Diagnose
4 Literaturverzeichnis
1 Postdemokratie nach Colin Crouch
Colin Crouch, ein britischer Politikwissenschaftler, prägte 2004 den Begriff der Postdemokratie mittels seiner eigens erschienenen Publikation ‚Postdemocrazia‘.
Als Postdemokratie bezeichnet er eine Variante der Demokratie, die die eigentliche demokratische Phase bereits durchlaufen hat. Die Gesellschaft befindet sich demnach in einer Phase „nach“ der Demokratie. (vgl. Crouch 2013, S. 31)
Um den Begriff der Postdemokratie besser zu verstehen, skizziert Crouch das Modell einer Parabel in einem Koordinatensystem. Er beschreibt mit diesem wie sich Demokratie zu Postdemokratie entwickelt: X ist dabei das Phänomen, das beschrieben werden soll, post-x (Beispiel hier: Post-Demokratie). Er definiert 3 Zeiträume: Zeitraum 1 ist gekennzeichnet durch fehlende Merkmale, die man mit Demokratie in Verbindung setzt (freie Wahlen, Rechte, usw.), im Grunde eine vordemokratische Phase. Zeitraum 2 beschreibt den Höhepunkt der Demokratie. Sämtliche Bereiche werden von der Demokratie beeinflusst. Zeitraum 3 wird als „post-x“ charakterisiert: „Etwas Neues ist in Erscheinung getreten, die Bedeutung von x läßt nach, das Neue geht in einem gewissen Sinn über X hinaus“ (ebd., S. 31). Seiner Auffassung nach bewegt sich die Postdemokratie also über die Demokratie hinaus (vgl. ebd.).
Crouch fokussiert 4 zentrale Merkmale einer Postdemokratie:
(1.) Demokratische Institutionen sind formal zwar weiterhin vollkommen intakt, politische Verfahren und Regierungen verändern sich jedoch: Der Einfluss privilegierter Eliten nimmt zu, die egalitäre Gesellschaft gerät in die Krise (vgl. ebd., S.13). Politische Entscheidungen werden im geheimen getroffen und sie orientieren sich stark an den Interessen der Wirtschaft (vgl. ebd., S. 10).
Eine kurze historische Entwicklung dazu:
Auf Grund der Wirtschaftskrise in den 1970er Jahren wurde die keynesianistische Wirtschaftspolitik von einer liberalen Wirtschaftspolitik abgelöst. Der politische Einfluss einer einst starken (Industrie-) Arbeiterklasse und den daraus entstandenen Gewerkschaften wurde schwächer. Wohlfahrtsstaatliche Organisationen zerfielen. Hingegen erlangte der Dienstleistungssektor mehr Macht. Spielräume für wirtschaftliche Lobbyisten wuchsen (vgl. ebd., S. 10).
Seiner Auffassung bezeichnet der Begriff ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden, Wahlen, die sogar dazu führen, das Regierungen ihren Abschied nehmen müssen, in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, daß sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben (ebd.).
Daraus ergibt sich nach Crouch (2.) die Entmachtung der Bürger, die politische Entscheidungen kaum noch beeinflussen können.
Er ergänzt, das Bürger*innen dabei nur eine passive, schweigende und apathische Rolle spielen, in dem sie nur auf die Signale reagieren, die sie zuvor erhalten haben (vgl. ebd.).
Sein idealtypisches Modell von Demokratie setzt voraus, dass sich der/die Bürger*in „lebhaft an ernsthaften politischen Debatten und an der Gestaltung der politischen Agenda beteiligt und nicht allein passiv auf Meinungsumfragen antwortet“ (ebd., S. 9). Sie sollen also nicht nur an Wahlen teilnehmen, sondern sich aktiv an politischen Prozessen beteiligen und das öffentliche Leben mitgestalten.
Crouch beschreibt mit dem Begriff Situationen in denen sich nach einem Augenblick der Demokratie Langeweile, Frustration und Desillusionierung breitgemacht haben, in denen die Repräsentanten mächtiger Interessengruppen […] weit aktiver sind als die Mehrheit der Bürger; […] in denen politische Eliten gelernt haben, die Forderungen der Menschen zu lenken und zu manipulieren; in denen man die Bürger durch Werbekampagnen >>von oben<< dazu überreden muß, überhaupt zur Wahl zu gehen (ebd., S. 30).
Ein weiteres Merkmal für die Krise der Demokratie, ist (3.) der Verfall der politischen Kommunikation, hervorgerufen durch die Bedeutung und Nutzung des Massenjournalismus: „Berichte und Kommentare […], das Informationsmaterial, mit dem die Regierung die Bürger erreichen will und die Parteiprogramme haben sich grundlegend verändert“ (ebd., S. 36). Sprache und politische Debatten sind weniger komplex und sie sind anspruchsloser (vgl. ebd.).
Politiker*innen versuchen durch Showbusiness und Marketingstrategien öffentliche Meinungen zu ermitteln ohne dass Bürger*innen diese Prozesse kontrollieren können. Bürger*innen werden somit zu manipulierten, passiven Teilnehmern politischer Entscheidungen (vgl. ebd., S. 32-33).
Neben den veränderten sprachlichen Merkmalen in politischen Diskursen, fallen beispielsweise während anstehender Wahlen vor allem personalisierte, auf ein Individuum ausgerichtete Kampagnen auf, in denen Politiker ihr charakterstarkes Image vermarkten. Crouch belegt seine Aussage hierzu mit Beispielen von gewonnen Wahlkampagnen Arnold Schwarzeneggers (als österreichisch/US-amerikanischer Schauspieler; gewann eine Wahl ohne jegliches Parteiprogramm), Silvio Berlusconi (italienscher Konzerngründer und Fußballpräsident, setzte verjüngte Fotos seinerseits ein) und Pim Fortuyn (gab seiner Partei seinen Namen, nutzte seine charismatische Persönlichkeit) (vgl. ebd., S. 38-41). Oftmals verlieren sie dadurch jedoch bürgerliches Vertrauen, denn ihr Privatleben gerät zunehmend in den Fokus, bürgerliche Interessen spielen eine Nebenrolle.
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- Quote paper
- Jessica Jänsch (Author), 2020, Die Postdemokratie nach Colin Crouch und die Relevanz für die Soziale Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/950794
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