Gottfried Benn, der seit Veröffentlichung seines ersten Gedichtbandes Morgue (1912) zu den wichtigsten Vertretern des literarischen Expressionismus zählt, nimmt in den 1950er Jahren hinsichtlich seiner lyriktheoretischen Schriften eine zentrale Stellung in der Literatur der Nachkriegszeit ein, wobei die Rede Probleme der Lyrik (1951) eine Art ‘Comeback‘ des poeta doctus darstellt.
Benns Stellung ist dabei nicht singulär:
»Das absolute Gedicht – nein, das gibt es gewiß nicht, das kann es nicht geben!« – Paul Celan bezieht mit diesem Ausruf eine scheinbar klare Gegenposition zu Benn, der 1951 zur ersten Verleihung des Büchner-Preises gegenwärtig war.
Neben Celan gibt es weitere Positionen im Benn'schen Spannungsfeld, wozu u.a. Hans Egon Holthusens Versuch über das Gedicht (1954) und Theodor W. Adornos Rede über Lyrik und Gesellschaft (1957) zuordnen sind. Da Benn und Celan gewissermaßen herausragende Positionen ihrer Zeit darstellen, soll der Fokus dieser Arbeit auf diesen beiden Vertretern und deren poetologischen Konzepten liegen.
Der Begriff der Poetologie stellt dabei eine deskriptive, also theoretisch analysierende, philosophisch systematisierende oder auch historisch typologisierende Beschäftigung mit vergangenen, gegenwärtigen oder zeitübergreifenden Grundsätzen, Regeln, Verfahrensweisen beim Schreiben von Poesie dar.
Ziel dieser Arbeit ist nun zum einen, die poetologischen Konzepte von Gottfried Benn und Paul Celan anhand ihrer wichtigsten theorie-programmatischen Zeugnisse herauszuarbeiten und die These zu untersuchen, inwieweit Celan eine bewusste Gegenpositionen zu Benn einnimmt. Zum anderen soll der Versuch unternommen werden, offenzulegen auf welcher Wirklichkeits- und Sprachauffassung die jeweilige poetologische Theorie begründet wird.
Es wird dafür argumentiert, dass Celan sich in eine bewusste Gegenposition zur Benn'schen Poetologie begibt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einführung
- 2 Gottfried Benns Probleme der Lyrik
- 2.1 Subjektivität
- 2.2 Artistik
- 2.3 Das moderne Gedicht
- 2.4 Form und Worte
- 2.5 Wirklichkeitszertrümmerung
- 2.6 Das „absolute Gedicht“
- 2.7 Zusammenfassung
- 3 Paul Celan
- 3.1 Bremer-Ansprache
- 3.2 Büchner-Preis-Rede
- 3.2.1 Kunst und Dichtung
- 3.2.2 Gegenwort
- 3.2.3 „Ich-Ferne“
- 3.2.4 Atemwende
- 3.2.5 20. Jänner
- 3.2.6 ,,Im Lichte der U-Topie”
- 3.2.7 Meridian
- 3.2.8 Zusammenfassung
- 4 Vergleich
- 4.1 Kunst und Dichtung
- 4.2 Subjektivität und Objektivität
- 4.3 Monolog und Dialog
- 4.4 Zeitlichkeit der Dichtung
- 4.5 Sprache und Wirklichkeit
- 5 Zusammenfassende Beobachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die poetologischen Konzepte von Gottfried Benn und Paul Celan, zwei einflussreichen Dichtern der Nachkriegsmoderne. Sie untersucht, ob Celans Konzepte eine bewusste Gegenposition zu Benns Gedankengut einnehmen und versucht, die Wirklichkeits- und Sprachauffassungen zu beleuchten, auf denen die jeweiligen poetologischen Theorien basieren. Die Arbeit befasst sich mit den wichtigsten theoriepogrammatischen Zeugnissen beider Dichter und argumentiert für die bewusste Gegenposition Celans gegenüber Benns Poetologie.
- Poetische Konzepte von Benn und Celan in der Nachkriegsmoderne
- Gegenposition von Celans Poetologie gegenüber Benns Gedankengut
- Wirklichkeits- und Sprachauffassungen in den jeweiligen poetologischen Theorien
- Analyse der wichtigsten theoriepogrammatischen Zeugnisse beider Dichter
- Bewusste Gegenposition Celans gegenüber der Benn'schen Poetologie
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Arbeit ein und stellt die beiden Protagonisten, Gottfried Benn und Paul Celan, sowie ihre poetologischen Konzepte im Kontext der Nachkriegsmoderne vor. Kapitel zwei analysiert die Poetologie Benns, die er in mehreren Schriften und Essays darlegt. Dabei stehen Themen wie Subjektivität, Artistik und die Gestaltung des modernen Gedichts im Fokus. Das dritte Kapitel widmet sich den poetologischen Konzepten Celans, unter anderem anhand seiner Bremer-Ansprache und seiner Büchner-Preis-Rede. Hierbei werden Themen wie Kunst und Dichtung, Gegenwort, „Ich-Ferne“ und die Zeitlichkeit der Sprache untersucht. Kapitel vier vergleicht die poetologischen Konzepte von Benn und Celan, wobei Aspekte wie Kunst und Dichtung, Subjektivität und Objektivität, Monolog und Dialog sowie die Beziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit beleuchtet werden. Das fünfte Kapitel bietet abschließend zusammenfassende Beobachtungen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit zentralen Themen der literarischen Moderne, insbesondere den poetologischen Konzepten von Gottfried Benn und Paul Celan in der Nachkriegszeit. Der Fokus liegt auf der Analyse von Subjektivität, Artistik, Kunst und Dichtung, Gegenwort, „Ich-Ferne“ und der Zeitlichkeit der Sprache. Die Arbeit untersucht die Beziehung zwischen Sprache und Wirklichkeit und die Frage nach dem „absoluten Gedicht“. Die Analyse der theoriepogrammatischen Zeugnisse beider Dichter, wie z.B. Benns „Probleme der Lyrik“ und Celans Büchner-Preis-Rede, steht im Zentrum der Betrachtung.
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- Flora Hess (Author), 2020, Die poetologischen Konzepte Paul Celans und Gottfried Benns. Gegenkonzepte der Nachkriegsmoderne?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/950159