Dieser Essay setzt sich mit dem Einfluss von gezeigter Gewalt in den Medien auf Jugend und Kinder auseinander und fragt, inwiefern diese dazu beitragen Amokläufe zu begehen.
Von der Öffentlichkeit und auch von Seiten der Wissenschaft folgt nach Amokläufen und Schoolshootings fast reflexhaft eine Diskussion darüber, welchen Anteil Medien und die Presse an solchen massiven Gewalttaten haben und ob diese Gewalttaten bei einer restriktiveren Handhabung von Medieninhalten verhindert werden könnten.
Hierbei kann zwischen zwei Diskussionsschwerpunkten unterschieden werden: Die Diskussion über die Wirkung von Medien mit gewaltdarstellenden Inhalten – vor allem die für besonders wirkungsmächtig gehaltenen audiovisuellen Medien sowie Videospiele – als auch eine Diskussion über die Folgen der Medienberichterstattung.
Das Augenmerk wird dabei vor allem auf Kinder und Jugendliche gerichtet. Diese gelten, da sie sich noch sehr stark in der (Persönlichkeits-)Entwicklung befinden, für mögliche negative Effekte durch Medien als besonders gefährdet. Medien wird eine immer wichtiger werdende Sozialisationsfunktion zugeschrieben, die neben Familie und Schule einen bedeutenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung haben. Denn – so eine zentrale Annahme – Kinder und Jugendliche setzen sich aktiv mit ihrer durch Medien geprägten Umwelt auseinander, interpretieren diese und wirken aktiv auf sie ein, andererseits wiederum wirken und beeinflussen Medien in vielen Persönlichkeitsbereichen auf die Individuen zurück. Kinder und Jugendliche sollen so, um ihnen eine positive Persönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten, vor negativen und schädigenden Einflussfaktoren – und somit auch vor medialen – geschont werden.
Am 22. Juli 2011 werden durch ein Attentat in Norwegen 77 Menschen getötet und zahlreiche teils schwer verletzt. Der Attentäter, ein zu diesem Zeitpunkt 32-jähriger Mann mit Namen Anders Behring Breivik (A.B.B.), wird von Spezialeinsatzkräften ohne Gegenwehr noch am Tatort festgenommen.
Die im Vorfeld minutiös geplante Tat findet an drei Schauplätzen statt. An zwei dieser drei Schauplätze wurden die Tötungen vorgenommen, der dritte Schauplatz soll der Verbreitung einer Ideologie, der Ermutigung zu Nachfolgetaten und der Mythologisierung des Täters und seiner Taten dienen.
Der erste Schauplatz befand sich im Regierungsviertel Oslos. Dort zündete der Täter eine Bombe, die acht Personen das Leben nahm. Im Anschluss daran begab sich Breivik zum zweiten Schauplatz auf die Fjordinsel Ut0ya. Er erschoss dort 69 Personen. Die meist jugendlichen Opfer hatten an einem jährlich stattfindenden Sommercamp der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF teilgenommen. Die dort durchgeführten Tötungen glichen teilweise Hinrichtungen. 56 Opfer wiesen aus nächster Nähe zugefügte tödliche Kopfverletzungen auf.
Weit vor der eigentlichen Tat verfasst der Täter rechtsextremer Gesinnung eine Art Manifest in englischer Sprache, welches mehr als 1500 Seiten umfasst. Darin erläutert er seine Beweggründe für die Tat und untermauert anhand von Quellen und Zitaten unter anderem rechtpopulistischer, islamfeindlicher und rechtsextremer Aktivisten seine Thesen. Am Tag der Tat versendet Breivik dieses Manifest per Email. Neben dem Zweck der Verbreitung seiner Ideologie stellt es aber auch eine Art Handbuch dar, in dem detailreich beschrieben wird, wie bei der Planung und Durchführung von nachfolgenden Operationen vorzugehen sei. Es finden sich darin z.B. Beschaffungstipps für erforderliches Equipment wie Schuss- und Explosionswaffen, Hinweise, wie und wo der Schusswaffengebrauch trainiert werden kann sowie Hinweise auf potenzielle Opfergruppen und -Regionen. Hinzu kommen detaillierte Verhaltensregeln, wie während der Planung der Taten vorzugehen ist, um weder dem sozialen Umfeld noch Behörden aufzufallen sowie Verhaltensregeln bei der Tatausführung, um einen reibungslosen Ablauf mit einer Höchstzahl an Opfern zu ermöglichen. Außerdem beschreibt Breivik Verhaltensregeln, die lange über das eigentliche Tatgeschehen hinaus wirken sollen. Dabei betont er explizit die Rolle der Medien und der Presse und wie diese genutzt werden sollen. Vor allem die Rolle der Medien während des Strafgerichtsprozesses sei dabei von besonderer Wichtigkeit, denn erst durch die Verhaftung und durch den Strafprozess würde durch die Aufmerksamkeit der Presse eine Ausbreitung der entsprechenden Propaganda möglich, wodurch eine umfassende Anzahl an Sympathisanten und Unterstützer zu bekommen sei. Fokussiert auf diese scheinbare Funktion der Medien, ist A.B.B. stets auf eine für seine Zwecke sinnvolle Selbstinszenierung bedacht. Kurze Zeit vor den Massenmorden stellt er teils bearbeitete Fotos von sich zum Download ins Internet. In seinem Manifest rät er Nachahmer dazu, alte und unvorteilhafte Bilder von sich zu löschen, neue Bilder von sich zu machen und sich durch Rasur und Solariumbesuche bestmöglich darauf abzulichten.
Trotz dieser Ausführungen schafft es Breivik, die Presse umfassend für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Seine selbstinszenierten Bilder gehen um Welt, sein Manifest ist bis zum heutigen Tag per Download verfügbar und der Prozess wurde rund um den Globus medial verfolgt oder sogar live übertragen.
Obwohl die Ausführung der Tat in einem solchen Ausmaß weltweit einmalig ist und politische Motive aufweist, sind dennoch Parallelen zu Amoktaten und School Shootings erkennbar, wie sie z.B. in Europa und den USA immer wieder auftreten. Diese Parallelen beziehen sich z.B. auf die Mehrfachtötungen durch Schusswaffen im öffentlichen Raum innerhalb eines Tatereignisses, auf das martialische Auftreten der Täter oder auf die ihnen zuteilwerdende mediale Aufmerksamkeit.
Von der Öffentlichkeit und auch von Seiten der Wissenschaft folgt dabei fast reflexhaft eine Diskussion darüber, welchen Anteil Medien und die Presse an solchen massiven Gewalttaten haben und ob diese Gewalttaten bei einer restriktiveren Handhabung von Medieninhalten verhindert werden könnten.
Hierbei kann zwischen zwei Diskussionsschwerpunkten unterschieden werden: Die Diskussion über die Wirkung von Medien mit gewaltdarstellenden Inhalten - vor allem die für besonders wirkungsmächtig gehaltenen audiovisuellen Medien sowie Videospiele - als auch eine Diskussion über die Folgen der Medienberichterstattung.
Das Augenmerk wird dabei vor allem auf Kinder und Jugendliche gerichtet. Diese gelten, da sie sich noch sehr stark in der (Persönlichkeits-)Entwicklung befinden, für mögliche negative Effekte durch Medien als besonders gefährdet. Medien wird eine immer wichtiger werdende Sozialisationsfunktion zugeschrieben, die neben Familie und Schule einen bedeutenden Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung haben. Denn - so eine zentrale Annahme - Kinder und Jugendliche setzen sich aktiv mit ihrer durch Medien geprägten Umwelt auseinander, interpretieren diese und wirken aktiv auf sie ein, andererseits wiederum wirken und beeinflussen Medien in vielen Persönlichkeitsbereichen auf die Individuen zurück.1 Kinder und Jugendliche sollen so, um ihnen eine positive Persönlichkeitsentwicklung zu gewährleisten, vor negativen und schädigenden Einflussfaktoren - und somit auch vor medialen - geschont werden.
Dem ersten Diskussionspunkt liegen unterschiedliche Thesen und Theorien zugrunde, die zusammengefasst besagen, dass Kinder und Jugendliche durch den Konsum gewaltdarstellender Medieninhalte ein desensibilisiertes Verhältnis zur Gewalt entwickeln und Hemmschwellen zur Akzeptanz und Anwendung von Gewalt abbauen, aggressives Verhalten erlernen und/oder an Empathievermögen verlieren.2 Die Wissenschaft ist sich dabei heute weitgehend einig, „(...) die Annahme einer generellen Ungefährlichkeit von Mediengewalt [wird] fast nicht mehr vertreten."3 Anhand zahlreicher Untersuchungen und Metastudien wird hinreichend deutlich, dass gewaltreiche Medieninhalte die Aggressivität ihrer Rezipienten zumindest kurzfristig steigern. Dies konnten beispielsweise die Psychologen P. Christensen und W. Wood (2007) in ihrer Metastudie nachweisen.4 Nach wie vor gibt es nur wenige verlässliche Langzeitstudien, die langfristige negative Effekte gewalthaltigen Medienkonsums ermitteln konnten. Diese liegen - wenn überhaupt - vorrangig für audiovisuelle Medieninhalte also TV- bzw. Videoformate vor. Zusammenfassend wurden kleine bis mittelstarke Zusammenhänge zwischen der Rezeption gewaltdarstellender Medieninhalte und der Aggressivität ihrer Konsumenten beobachtet. Als besonders durch Negativeffekte von Mediengewalt aus Film und Fernsehen gefährdet gelten nach derzeitigen Erkenntnissen vorrangig junge männliche Personen mit hohem Konsum gewaltdarstellender Medieninhalte, die sowohl in der Schule, als auch in der Familie reale Gewalt erfahren und gleichzeitig „realistisch anmutende bzw. heroisch dargebotene Medieninhalte konsu- mieren"5. Grundsätzlich wird immer wieder betont, dass Mediengewalt häufig lediglich als Verstärker oder Auslöser von bereits bestehendem aggressiven Verhalten fungiert. Neben zahlreichen anderen Ursachen, die zur Entstehung von Aggressivität beitragen, stellen gewaltreiche Medieninhalte somit einen eher begleitenden Faktor dar. Dementsprechend ist eine in vielfältiger Hinsicht differenzierte Betrachtung bei der Ergründung der Wirkung von Mediengewalt von Bedeutung. Denn die Wirkung auf Kinder und Jugendliche bzw. die Verarbeitung gewaltdarstellender Medieninhalte hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Geschlecht, der Persönlichkeit, dem Alter, der Familie, der Schule, der Regelmäßigkeit und der Dauer der Rezeption, von kognitiven Dispositionen oder auch nur von der momentanen Situation.6
Der zweite Diskussionsschwerpunkt bezieht sich auf die Medienberichterstattung, darauf, inwieweit durch eine umfassende und vorrangig täterzentrierte Berichterstattung vor allem Jugendliche beeinflusst und eventuell zu Folgetaten inspiriert werden. Außerdem auf den Aspekt, dass den Tätern durch die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteil wird, ihrem Wunsch entsprochen wird, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Schließlich erwarten aber gerade auch Hinterbliebene und Überlebende, dass Rücksicht auf sie genommen wird. Denn diese werden bei einer intensiven Berichterstattung über die psychischen oder auch physischen Leiden des direkten Tatgeschehens hinaus nun auch in ihrem Alltag, beim Konsum jeglicher tagesaktueller Medien wiederkehrend und unkontrolliert mit dem Täter und der Tat konfrontiert. Eine selbstgesteuerte Bewältigung des Geschehenen durch die direkt Betroffenen ist durch diese sogenannte sekundäre Viktimisierung nur begrenzt möglich. Vor allem der Fall A.B.B. hat dieses Problem abermals deutlich gemacht. Denn, so geben Überlebende und Hinterbliebene der Tat an, es war ihnen kaum mehr möglich einkaufen zu gehen, ohne dass der Massenmörder A.B.B. auf Titelblättern abgedruckt, teils mit Waffe und Kampfmontur, ihnen entgegenblickte.7
An dieser Stelle muss zunächst ausgeführt werden, dass es zahlreiche Untersuchungen gibt, die einen Einfluss der Medienberichterstattung auf Folgetaten festgestellt haben. Vor allem das School Shooting an der Columbine Highschool wird in diesem Zusammenhang als eine Art globales Referenzsystem betrachtet. Unmittelbar nach der Tat in Columbine wurden Aufnahmen von Überwachungskameras der Schule medial weltweit verbreitet, die nach wie vor im Internet vorhanden sind und vielfach abgerufen werden. Einerseits sind darauf panisch flüchtende und sich schützende Schüler/-innen und Lehrer/-innen zu sehen und andererseits die beiden Täter, martialisch, überlegen und machtvoll sowie gleichzeitig amüsiert wirkend, wie sie durch die Schule schreiten. Der amerikanische Medienwissenschaftler Loren Coleman gibt an, „dass die Zahl von School Shootings nach dem massenmedial besonders intensiv verbreiteten Vorfall in Columbine 1999 noch einmal erheblich zugenommen hat“8. Während bis zu diesem Zeitpunkt über die USA hinaus kaum Amokläufe von Jugendlichen an Schulen zu verzeichnen waren, haben sich Vorfälle dieser Art seither global vervielfacht. Zahlreiche nachfolgende Amoktäter haben sich teilweise explizit auf die Columbine-Täter bezogen. Es wurde beispielsweise ihre Bekleidung nachgeahmt, Aussagen rezitiert oder die ihnen zu Teil gewordene mediale Aufmerksamkeit als Anreiz zur eigenen Tatumsetzung genannt. Außerdem fanden sich bei einer Vielzahl nachfolgender Täter unteranderem Bilddateien der Columbine-Täter auf ihren Rechnern. Zwar werden Untersuchungen auch angezweifelt, die einen deutlichen Zusammenhang der Medienberichterstattung mit Nachfolgetaten von Amokläufen festgestellt haben, dennoch, die Tat an der Columbine Highschool hat durch ihre mediale Präsenz, gestützt durch das Bild- und Videomaterial der Überwachungskameras, im kollektiven Bewusstsein einen dominanten Abdruck hinterlassen.
Seit langem schon liegt in Deutschland weitgehender Konsens bezüglich der Berichterstattung über Suizide vor. Beispielsweise begehen durchschnittlich mehr als 1000 Personen jährlich bzw. ca. drei Personen täglich durch den Schienenverkehr in Deutschland Selbstmord. Hierüber finden sich allerdings in der Presse, trotz vorhandenem öffentlichen Interesses, keine oder kaum Informationen. Weder bei aktuellen Hinweisen zu Ausfällen von Zügen, U-Bahnen etc. noch bei Berichten über Einsätze der Polizei oder der Feuerwehr in den Polizeiberichten der lokalen Presse finden sich explizite Hinweise zu Selbstmorden. Im Novellierten Pressekodex des Deutschen Presserats lautet es hierzu in der Richtlinie 8.5 zur Selbsttötung: „Die Berichterstattung über Selbsttötung gebietet Zurückhaltung. Dies gilt insbesondere für die Nennung von Namen und die Schilderung näherer Begleitumstände (,..)"9. Denn bereits in den 1970er Jahren konnten Studien in den USA Nachahmungen von Selbstmorden belegen, über die im Vornherein in der Presse ausführlich berichtet wurde. In nachfolgenden Studien wurde dabei vor allem deutlich, dass Nachahmungen in ihrer Auftretenswahrscheinlichkeit steigen, wenn sie auf einer realen Person/einem realen Ereignis basieren und die Nachahmenden Ähnlichkeiten aufweisen zu der Person, über die berichtet wurde. Der Mediengewaltforscher Michael Kunczik hat in diesem Zusammenhang die folgenden kausalen Variablen für Nachahmungseffekte bei Selbsttötungen ermittelt:10
- Die Intensität der Berichterstattung,
- die Verfügbarkeit der Medien, über die berichtet wird,
- die Anzahl der Rezipienten,
- die Ähnlichkeit der Rezipienten mit der Person, die den Freitod gewählt hat,
- das Alter der Rezipienten (je jünger die Rezipienten, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit der Nachahmung),
- die subjektiv empfundene Attraktivität und die Prominenz des Modells,
- die positive Schilderung der Konsequenzen des Freitods sowie seine
- heroisierende Darstellung.
Die Effekte von verändertem journalistischen Vorgehen wurden in diesem Zusammenhang beispielsweise in den 1980er Jahren in Wien sehr deutlich. Hier reduzierte sich durch eine Nachrichtensperre die Zahl von durchschnittlich neun auf ein bis vier U-Bahn-Selbstmorde pro Halbjahr. Zwar können Nachahmungseffekte bei Berichten über Gewalttaten gegenüber anderen Personen nicht in dem selben Umfang wissenschaftlich nachgewiesen werden, dennoch existieren Studien, die eine Häufung von Gewalt- und Amokfällen nach eben solchen ermittelt haben, die mit hoher medialer Aufmerksamkeit einhergingen. Hierzu gehört beispielsweise die Untersuchung von Armin Schmidke aus dem Jahr 2002. Er hat anhand einer Analyse von Medienberichten ein kumuliertes Auftreten von Amokfällen im nachfolgenden Zeitraum von zehn Tagen auf ein Amokereignis festgestellt. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch der amerikanische Psychiater Spencer Kostinsky. In seiner Untersuchung zum Auftreten von Schulgewalt nach dem Amoklauf an der Columbine Highschool hat er eine signifikante Häufung von gemeldeten Schulgewalttaten in genau demselben Zeitraum, nämlich innerhalb zehn Tage, festgestellt. Zwar sind die Ergebnisse der Studien sowie deren Untersuchungsdesigns nicht unumstritten. Berechtigterweise wird in diesem Zusammenhang mit der erhöhten Sensibilität der Bevölkerung oder auch von Journalisten gegenüber nachfolgender Gewalttaten argumentiert. Denn nach vorangegangenen exzessiven Gewaltfällen mit hoher Medienpräsenz könnte die Schwelle sinken, nachfolgende Gewalttaten bei Behörden zu melden. Ebenso wäre es möglich, dass Journalisten dazu tendieren, unmittelbar nachfolgende Vorfälle als Amoktaten zu bezeichnen, die ohne vorhergegangene Amoktat beispielsweise als Familiendramen, Morde etc. kategorisiert worden wären. Trotz dieser bestehenden Zweifel an einem analogen Wirkungszusammenhang von Nachahmungseffekten im Zuge einer intensiven Medienberichterstattung scheinen anhand der existieren Studienergebnisse Vorsichtsmaßnahmen in der Medienberichterstattung über Amokläufe dennoch ratsam.11
Der Kriminologe und Sozialpädagoge Frank J. Robertz hat dabei folgende Richtlinien für die Medienberichterstattung formuliert:12
- Keine vereinfachte Darstellung der Handlungsmotivationen der Täter.
Dadurch soll verhindert werden, dass potenzielle Nachahmer einen direkten Bezug zu ihrer Lebenssituation finden und eventuell das gleiche Motiv für eine Folgetat bei sich identifizieren.
- Es soll eine Fokussierung auf die Folgen der Tat und nicht auf den/die Täter folgen.
In diesem Zusammenhang soll auch auf volle Namensnennungen oder auf das Abdrucken von Bildern der Täter verzichtet werden. Dadurch soll einer möglichen Idealisierung der Täter entgegengewirkt werden.
- Keine romantisierte oder heroisierende Darstellung der Geschehnisse.
Dadurch sollen Mythen und Emotionalisierungen vermieden werden, die wiederum eine Intensivierung der Berichterstattung bzw. der Aufmerksamkeit von Rezipienten zu Folge haben könnte.
- Keine detaillierte oder zu konkrete Darstellung des Tatgeschehens.
So soll vermieden werden, dass Gewaltphantasien von potenziellen Nachahmern angeregt werden und/oder Tathergänge von diesen - Angefangen bei der Kleidung der Täter bis hin zu ihrer Bewaffnung - imitiert werden können.
- Keine zu anschauliche Darstellung der Täterphantasien oder von emotionalem Bildmaterial.
Es sollen keine Tagebucheintragungen, Briefe etc. der Täter inflationär verbreitet und vereinfacht aufbereitet dargestellt werden, um ein Eintauchen in bzw. einen Anschluss an deren Gedankenwelt zu vermeiden.
In Deutschland stellt die Freiheit der Presse - aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit - ein sehr hohes Gut dar und wird sowohl durch das Grundgesetz in Artikel 5, als auch durch die allgemeinen Gesetze garantiert. Dementsprechend ist die Berichterstattung von gesetzlichen Einschränkungen weitgehend verschont. Allerdings wurde von Seiten der Gesetzgeber die Schaffung des Selbstkontrollorgans für Printmedien Deutscher Presserat in der noch jungen Bundesrepublik begrüßt. Dieser soll einerseits den Schutz der Pressefreiheit wahren und andererseits Fehlentwicklungen und Missstände in der Presselandschaft beobachten und bei gravierenden Verstößen rügen. Hierzu wurde vom Deutschen Presserat in Zusammenarbeit mit den deutschen Presseverbänden der sogenannte Pressekodex entwickelt, der ethische Grundsätze und Leitlinien zum Inhalt hat.
[...]
1 Vgl. Aufenanger in Sander/von Gross/Hugger, S. 88.
2 Vgl. u.a. Krahé/Möller/Berger sowie Selg, S. 50ff.
3 Kunzcik/Zipfel, S. 354.
4 Ausführlich hierzu, Christensen/Wood in Preiss et al., S. 145-168.
5 Robertz/Wickenhäuser, S. 54.
6 Vgl. u.a. Richter/Fuhs, S. 8 u. Robertz/Wickenhäuser, S. 52ff.
7 Vgl. Hölter et al. Online unter: <http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-80362944.html>. Stand: 15.08.2012.
8 Robertz/Wickenhäuser, S. 95.
9 Deutscher Presserat, 2006. S. 19.
10 Vgl. Robertz/Wickenhäuser, S. 98.
11 Vgl. u.a. Robertz/Wickenhäuser, S. 96ff. sowie Kunzcik/Zipfel, S. 88ff.
12 Vgl. Robertz/Wickenhäuser, S. 99f.
- Quote paper
- Katrin Geier (Author), 2012, Medienberichterstattung über Amokläufe und mögliche Konsequenzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/949611
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