"Was wir [ …] über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien." schrieb der Soziologe Niklas Luhmann. Demnach liefern uns Massenmedien, wie Fernsehen, Zeitungen sowie Zeitschriften, Radio und das Internet, die Informationen über die Welt. Bevor der Rezipient jedoch diese Informationen erhält, werden sie von den Medien bearbeitet - und das in der heutigen Zeit digital. Im Fernsehen wird Bildmaterial digital geschnitten, analog geschieht dies mit Tonmaterial beim Radio. Zeitungen entstehen zuerst am Computer, ehe sie in Druck gehen, und das Internet ist von vornherein ein digitales Medium.
Mit zunehmender Konfrontation digitaler Informationen steigt ein Unbehagen . Denn: Digitale Daten sind leichter manipulierbar als analoge, ohne dass dem gefälschten Machwerk dies anzumerken ist. Am Ende des Unbehagens steht die Frage: Kann man seinen Augen und Ohren, jenen Sinnesorganen also, die von Massenmedien den Input erfahren, noch trauen?
Diese schriftliche Ausarbeitung zum am 3. November 2001 vom Verfasser gehaltenen Referat "Die digitale Fälscherwerkstatt" will sich mit dieser Frage am Beispiel der digitalen Fotografie beschäftigen. Zunächst werden die Begriffe analoge und digitale Fotografien definiert, ehe ein Exkurs in die Vergangenheit der analogen Fotomanipulation stattfindet. Es folgt ein Blick in die jüngere Vergangenheit mit ausgewählten Beispielen digital hergestellter Fälschungen von Bildern. Danach widmet sich der Verfasser der Frage der Objektivität von Fotografien. Im Anschluss wird behandelt, inwiefern digitale fotografische Bilderwelten den Realitätsbegriff im philosophischen Sinne verändern und welche Folgen das für die Wahrnehmung von Bildern durch den Rezipienten haben kann. Den Schluss bildet ein Blick auf die Rolle der Medien bei der Bildbearbeitung und das Fazit, in dem die philosophischen Überlegungen und die Wahrnehmungsgewohnheiten Gegenstand sind.
Inhalt
Einleitung
1 Digitale und analoge Fotografien
2 Bildmanipulationen vor der Zeit digitaler Fotografie
3 Digitale Bildmanipulationen
4 Folgen der digitalen Bildmanipulation
4.1 Das nicht neue Problem der fotografischen Objektivität
4.2 Erkenntnistheoretische Probleme durch digitale Fotografie
4.3 Anforderungen an den Rezipienten
4.4 Die Rolle der visuellen Medien
Fazit
Einleitung
„Was wir [ …] über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“[1] schrieb der Soziologe Niklas Luhmann. Demnach liefern uns Massenmedien, wie Fernsehen, Zeitungen sowie Zeitschriften, Radio und das Internet, die Informationen über die Welt. Bevor der Rezipient jedoch diese Informationen erhält, werden sie von den Medien bearbeitet – und das in der heutigen Zeit digital. Im Fernsehen wird Bildmaterial digital geschnitten, analog geschieht dies mit Tonmaterial beim Radio. Zeitungen entstehen zuerst am Computer, ehe sie in Druck gehen, und das Internet ist von vornherein ein digitales Medium.
Mit zunehmender Konfrontation digitaler Informationen steigt ein Unbehagen[2]. Denn: Digitale Daten sind leichter manipulierbar als analoge, ohne dass dem gefälschten Machwerk dies anzumerken ist. Am Ende des Unbehagens steht die Frage: Kann man seinen Augen und Ohren, jenen Sinnesorganen also, die von Massenmedien den Input erfahren, noch trauen?
Diese schriftliche Ausarbeitung zum am 3. November 2001 vom Verfasser gehaltenen Referat „Die digitale Fälscherwerkstatt“ will sich mit dieser Frage am Beispiel der digitalen Fotografie beschäftigen. Zunächst werden die Begriffe analoge und digitale Fotografien definiert, ehe ein Exkurs in die Vergangenheit der analogen Fotomanipulation stattfindet. Es folgt ein Blick in die jüngere Vergangenheit mit ausgewählten Beispielen digital hergestellter Fälschungen von Bildern. Danach widmet sich der Verfasser der Frage der Objektivität von Fotografien. Im Anschluss wird behandelt, inwiefern digitale fotografische Bilderwelten den Realitätsbegriff im philosophischen Sinne verändern und welche Folgen das für die Wahrnehmung von Bildern durch den Rezipienten haben kann. Den Schluss bildet ein Blick auf die Rolle der Medien bei der Bildbearbeitung und das Fazit, in dem die philosophischen Überlegungen und die Wahrnehmungsgewohnheiten Gegenstand sind.
1 Digitale und analoge Fotografien
Eine analoge Fotografie ist das Ergebnis eines fotochemischen Prozesses. Dabei trifft Licht auf lichtempfindliches Material, den Film. Die durch die Linse der Kamera fallende Menge an Lichtquanten hinterlässt einen „Abdruck“ auf dem Film.[3] Wird der Film entwickelt, d. h. mithilfe eines chemischen Prozesses jene Teile vom Film sichtbar, die eine fotochemische Reaktion erfuhren, entsteht das Negativ. Mit dem Negativ lassen sich Abzüge bzw. Positive herstellen: die analogen Fotografien. Sie „bestehen aus winzigen, unbegrenzt angeordneten Komponenten, wie […] die chemisch erzeugte Körnung auf dem Film.“[4]
Ein digitales Foto basiert auf dem „Input […] aus vielen verschiedenen Quellen […], beispielsweise von analogen Kameras, digitalen Stillkameras, Videos, Scannern und Camcordern.“[5] Im Gegensatz zum analogen Foto, das eine unbegrenzte Informationsmenge enthält[6], hat das digitale „eine genau begrenzte Raum- und Farbauflösung und enthält eine exakt feststehende Menge an Informationen.“[7]
Ein digitales Foto ist aus den so genannten Pixeln aufgebaut, kleinen quadratischen Bildpunkten. „Jedes Pixel hat einen festgelegten kartesischen horizontalen und vertikalen Koordinatenwert und einen spezifischen Farbintensitätswert.“[8] Das bedeutet, dass sowohl die Position als auch die Farbe eines Pixels mittels numerischer Werte in Bitform gespeichert wird. Philippe Quéau bezeichnet ein digitales Bild als „abstraktes Bild aus Zahlen, die beliebig verändert werden können.“[9] Damit steht der Bildmanipulation die Tür offen.
2 Bildmanipulationen vor der Zeit digitaler Fotografie
Dass schon vor dem Anbruch der digitalen Revolution im Sektor der Fotografie Fotos gefälscht und manipuliert wurde, zeigt exemplarisch die stalinistische Ära in der Sowjetunion: „Unter Stalins Regime […] logen Fotografien.“[10] In den Jahren von 1929 bis 1953 entwickelte sich eine regelrechte Fälscher-Industrie, die Fotos immer wieder retuschierte und Gegner Stalins aus Bildern tilgte. Was George Orwell in „1984“ als Fiktion belletristisch darstellte, war Realität in der Sowjetunion: die ständige Geschichtsumschreibung.
Begonnen hatte der Prozess mit der Idealisierung des stark pockennarbigen Stalins und anderer Personen auf Fotos. Als zum Ende der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts die großen Säuberungswellen einsetzten, in denen Stalin seine politischen Gegner verfolgen und von der Geheimpolizei umbringen ließ, kam ein weiterer Zweig der Manipulationen hinzu:
„Für die Veröffentlichung bestimmte Fotografien wurden mit Airbrush und Skalpell bearbeitet und neu zusammengestellt, um einst berühmte Persönlichkeiten verschwinden zu lassen.“[11]
Ferner entwickelte sich ein parallel dazu eine weitere Art der Manipulation, „die Stalin als den ,großen Führer und Lehrer des sowjetischen Volkes‘ verherrlichte.“[12] So ließ sich Stalin in verschiedenste Bilder montieren.
Die Manipulation wurde mit mechanischen Mitteln betrieben. Personen, die von Bildern verschwinden sollten, schnitt man mit einem Skalpell aus. Die entstandenen Lücken wurden mit Farbe oder Tinte gefüllt. Die Methode des Ausschneidens wurde auch verwendet, um aus mehreren Fotos ein neues zu erstellen. Eine weitere Methode war das Aufsprühen von Tinte mithilfe einer Druckpatrone, die so genannte „Airbrush-Technik […], bei der das unglückliche Opfer im Bild unter einer Wolke von Tusche oder Farbe verschwand.“[13]
Wenngleich die Manipulation von Fotos gerade in der Stalin-Ära einen Höhepunkt erlebte, bleibt diese Art der Geschichtsschreibung bis zur Regierungszeit Michail Gorbatschows ein probates Mittel. Auch Breschnew bediente sich, nachdem unter Nikita Chruschtschow ein Teil der historischen Wahrheit aufgedeckt wurde, der Fotomanipulation[14]. Das Resultat sind laut Stephen F. Cohen „fünf Jahrzehnte offizieller Verfälschung.“[15]
[...]
[1] Luhmann, Niklas: Die Realität der Massenmedien, 2. erw. Auflage Opladen 1996, S. 9.
[2] vgl. Krieg, Die Inszenierung des Authentischen, S. 91.
[3] vgl. Rötzer, Betrifft: Fotografie, S. 14.
[4] Legrady, Bild, Sprache und Überzeugung in Synthese, S. 90.
[5] Lauenfeld, Die Kunst der Posthistorie, S. 95. – Darauf, wie digitale Bilder entstehen und in den Computer gelangen, wird aus Platzgründen nicht eingegangen.
[6] vgl. Manovich, Die Paradoxien der digitalen Fotografie, S. 61.
[7] Mitchell, William J.: The Reconfigured Eye: Visual Truth in the Postphotographic Era. Cambridge, Mass. 1992. Zit. nach: ibd.
[8] Legrady, Bild, Sprache und Überzeugung in Synthese, S. 90.
[9] Quéau, Die Fotovirtualität, S. 111.
[10] Cohen, Stephen F.: Vorwort. In: King, Stalins Retuschen: Foto- und Kunstmanipulationen in der Sowjetunion, S. 7.
[11] King, a. a. O., S. 9.
[12] ibd.
[13] a. a. O., S. 13.
[14] vgl. Cohen, Vorwort, S. 7.
[15] ibd.
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