Diese Arbeit widmet sich einer hochaktuellen und kontroversen Thematik: der potenziellen Auswirkung niedriger Strahlendosen auf die Entstehung von Krebs. Angesichts der globalen Herausforderungen im Gesundheitssektor, insbesondere im Kampf gegen Krebserkrankungen, rückt die Frage, ob niedrige Strahlendosen Krebs fördern oder behindern, verstärkt in den Fokus wissenschaftlicher Debatten.
Die Einführung führt uns zunächst zu den beunruhigenden Statistiken über Krebstodesfälle in den letzten Jahren, die weltweit Millionen Menschen betreffen. Angesichts dieser alarmierenden Zahlen stellt sich die Frage nach potenziellen Einflussfaktoren auf die Krebsentwicklung. Der Autor nimmt uns mit auf eine Reise durch die komplexen Facetten der Strahlenwirkung, angefangen bei den Radonfolgeprodukten über medizinisch genutzte Strahlenquellen bis hin zur Lebenszeitstudie (LSS), die auf den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki basiert.
Die widersprüchlichen Positionen führender Kommissionen wie der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) und der Biologischen Wirkungen ionisierender Strahlen (BEIR) werden ebenso beleuchtet wie kontroverse Erkenntnisse von Forschern wie Thomas Donell Luckey. Die Debatte um die Existenz einer Schwelle für Strahlendosen ohne Risiko prägt die Auseinandersetzung, während Untersuchungen zu Radon und Lungenkrebs sowie die medizinische Nutzung von Strahlenquellen weitere komplexe Aspekte einführen.
Inhalt
Einführung
Radonfolgeprodukte und Lungenkrebs
Medizinisch vorteilhaft genutzte Strahlenquellen
Lebenszeitstudie (LSS)
Fazit
Quellen
Einführung
In den letzten Jahren starben rund 7 Millionen Menschen jährlich an Krebs. Das sind 15 %, in entwickelten Ländern sogar 26 %. Unter verschiedenen Krebs-formen sind etwa 7 ‰ der gefürchteten Leukämien. Während Krebserkrankungen Körperorgane betreffen, wirken sich Leukämien nach Erkrankungen des blutbildenden Organs auf den gesamten Organismus aus. Die als Spontanrate bezeichnete Mortalität variiert je nach dem Tabakkonsum, falscher Ernährung, Übergewicht, Infektionen, Alkohol, UV-Strahlen und Bewegungs-mangel - um nur einige zu nennen. Deren Schwankungen erschweren die Beurteilung eines möglichen Anteils niedriger Dosen ionisierender Strahlen an der Spontanrate. Verschiedentlich behauptete positive Strahlenwirkungen (Stralenhormesis)1 sehen tonangebende Kommissionen wie die Internationale Strahlenschutzkommission (ICRP), das Komitee der Vereinten Nationen über Strahlenwirkungen (UNSCEAR) oder die Biologische Wirkungen ionisierender Strahlen (BEIR) erforschende Nationale Akademie der Wissenschaften nicht. Sie bestehen vielmehr konservativ auf einem linearen Risikoanstieg mit ansteigender Strahlendosis und lehnen daher eine Schwellendosis unter der kein Risiko bestünde ab. Dem widersprechen andere, die Hormesis 1 im niedrigen Dosisbereich sehr wohl sehen. So Thomas Donell Luckey mit Hinweisen betreffend 200 Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten, ebenso vielen Menschen in Indien, 10 000 Einwohnern in Taipei (die in Co-60 kontaminierten Wohnungen lebten) und 300 000 Radonmessungen in US-Wohnungen. In allen diesen Untersuchungen wurden reduzierte Krebs- und Leukämiefälle durch ionisierende Strahlen niedriger Dosen gesehen.2
Mit „Dosis“ wird die von Strahlen in exponierten Stoffen pro Masseneinheit (kg) hinterlassene Energie (in Joule) bezeichnet. Die Einheitsbezeichnung „Gray“ (1Gy) erinnert an den Strahlenexperten Harold Gray. Die Einheit liegt bei ´1Joule/kg´. Wegen der Zerstörung zu vieler Körperzellen durch hohe Ganzkörperdosen von 4 oder 6 Gy können jeweils 50 oder 90 Prozent Bestrahlter nach einer kurzen Latenzzeit von Tagen oder Wochen sterben. Dosen unter 4 Gy sind dennoch nicht ungefährlich. Das hängt auch von der sie verursachenden Strahlenart ab, weil Neutronen und die dichtionisierenden Alpha-strahlen bei gleicher Dosis ein höheres Krebsrisiko als die locker ionisierenden Beta-, Gamma- und Röntgenstrahlen verursachen. Je niedriger das Alter der exponierten Person desto höher das Risiko. Auch neigen bestrahlte Organe zu unterschiedlicher Bildung von Krebs. Weil medizinische Bestrahlungen meist einzelne Organe, Radon aber hauptsächlich die Lunge betrifft, wird das Risiko einer Teilkörperdosis mit Ganzkörperäquivalenten verglichen.
Deshalb hat der Strahlenschutz Gray-Dosen entsprechend gewichtet, eine „Effektivdosis“ eingeführt und deren Einheit „Sievert“ (Sv) nach dem schwedischen Strahlenschützer Ralph Sievert benannt. Dabei wird ein Gray einer locker ionisierenden Strahlung hinsichtlich des biologischen Effekts mit einem Sievert, die Effektivität von Neutronenstrahlen zwischen 2,5 und 20 Sv gewichtet, abhängig von deren Energie. Ist diese ungewiss wie nach den Kern-waffeneinsätzen in Hiroshima und Nagasaki, wird mit 10 Sv pro Gy gerechnet. Ein Gy einer Alphastrahlung wird mit 20 Sv beurteilt.
Expositionen in Dosen über 1 Gy kommen außer in der Strahlentherapie und im Zentrum größerer Strahlenereignisse selten vor, daher findet man häufig Angaben in Millisievert (Promille der Einheit, kurz mSv).
Die wichtige Dauer der Bestrahlung berücksichtigt die Dosisleistung (Rate). Die unterschiedlich verteilte Hintergrundstrahlung liegt in bewohnten Gebieten zwischen 1 und 260, häufig zwischen 2 und 4 mSv pro Jahr. Der globale Mittel-wert lag zu Beginn des Auftretens irdischer Lebensformen vor dreieinhalb Milliarden Jahren bei geschätzten 7 mSv/a. Durch den radioaktiven Zerfall der ursprünglichen Radioelemente liegt der Mittelwert gegenwärtig global bei nur mehr 2,4 mSv/a, in Japan bei 1,5, in Deutschland bei 2,1, in Österreich bei 2,8, in den USA bei 3,1, in der Schweiz bei 5,5 und in Finnland bei 7 mSv/a. Dosen des Strahlenhintergrunds über 1 mSv/a verursachen gebietsweise erheblich schwankende Radon- oder Thoronkonzentrationen. Beide zerfallen in Ketten die von Uran oder Thorium ausgehen. Letztere sorgen für etwa 70 mSv/a in Indiens Kerala oder im iranischen Ramsar mit dem höchsten gemessenen Wert in bewohnten Gebieten von 260 mSv/a. Ein erhöhtes Krebsrisiko blieb für die dort siedelnden Bewohner aus, eher eine Erhöhung der Lebenserwartung. Scheint doch eine Dosisschwelle vorzuliegen?3
Radonfolgeprodukte und Lungenkrebs
Alphastrahlenpartikel (schnelle Helium-Atomkerne) verlieren ihre relativ hohe kinetische Energie durch Kollisionen mit den Molekülen der bestrahlten Umgebung relativ rasch. Sie hinterlassen daher eine kurze aber dichte Ionisationsspur (in Luft 4 cm, in Organgeweben aber nur 0,02 mm). Deshalb durchdringen sie kaum die äußeren meist verhornten Hautschichten und schützen so das darunter liegende Gewebe. Sie können aber zu einem Problem werden, wenn ihnen nach Inhalation von Alphastrahlern das ungeschützte Lungengewebe ausgesetzt wird. Entscheidend ist also, ob ein Alpha-strahler an der Peripherie oder innerhalb des Körpers zerfällt. Deshalb bevorzugen Radonberichte an Stelle der Dosisangabe die Aktivitätskonzentration Becquerel pro Kubikmeter (Bq/m3 bezeichnet die durchschnittliche Anzahl der in einer Sekunde pro m3 unter Strahlenemission zerfallenden Atomkerne).
In beheizten Häusern wird wegen des Kamineffekts das im Untergrund angereicherte Radongas ins Innere des Hauses verstärkt in Bewegung gesetzt und von unten nach oben abnehmend verteilt. So staut sich dieses Gas in Häusern und ist dann gegenüber der Außenluft deutlich erhöht.
Nach dem 2006-Report der WHO liegt der Mittelwert der Radonkonzentration unter Dach global bei 40 Bq/m3, in der Europäischen Union bei 59, in Deutsch-land bei 49, in Österreich bei 97, in Finnland bei 120 und in Tschechien bei 140 Bq/m3.
Das Radongas zerfällt mit einer Halbwertzeit von 3,8 Tagen in das Polonium-isotop 218, ein Alphastrahler wie dem Zerfall folgende Poloniumisotope 214 und 210 bis die Zerfallskette mit dem stabilen Blei-206 zur Ruhe kommt. Das eingeatmete Radon oder Thoron bleibt nicht im Körper, kann aber an Aero-solen der Luft haften und verbleibt eingeatmet mit diesen länger in den feuchten Atemwegen der Lunge. Dadurch wird dessen Gewebe anhaltend noch dazu mit hoher Effektivität strahlenexponiert. Es lag daher nahe, mit unterschiedlichen Radonmengen in der Atemluft lebende Bevölkerungen hi-sichtlich der Lungenkrebsraten zu vergleichen.
Eine Korrelation zwischen Radon und Lungenkrebs zeigten 1994 nach einer UNSCEAR-Bilanz von insgesamt 19 Studien nur neun, vier zeigten keinen Zusammenhang und in sechs Untersuchungen war die spontane Lungenkrebs-rate mit steigender Radonkonzentration sogar reduziert.
Dafür sprechen auch Untersuchungen von Bernard Cohen von der Universität Pittsburgh. Er verglich schon 1995 die Lungenkrebs-Mortalitätsrisiken in 1729 US Landkreisen (counties) mit 90% der US Bürger und fand, dass die Lungenkrebs-rate mit zunehmender Radonexposition zunächst nicht wie erwartet zu- sondern abnahm – erst bei höheren Radonkonzentrationen stellte sich wie erwartet ein Lungenkrebsrisiko ein.4
Zehn Jahre später untersuchten Sarah Darby und 25 Wissenschaftler Lungen-krebs durch Radon in neun europäischen Ländern. Sie fanden eine 16%-Zunahme an Lungenkrebs pro 100 Bq/m3 Radon. Das absolute Lungenkrebsrisiko im Alter von 75 Jahren und Radonkonzentrationen von 0, 100 und 400 Bq/m3 läge bei etwa 0,4%, 0,5% und 0,7% für lebenslange Nichtraucher und 25 mal höher (10%, 12% und 16%) für Zigarettenraucher.5 Die Analyse ergab dies-mal, dass sich das Lungenkrebsrisiko mit steigender Radonkonzentration linear erhöht. Eine Radonkonzentrationsschwelle unter der kein Risiko bestünde wurde anders als in den erwähnten Gebieten mit höherer Hintergrundstrahlung nicht gesehen. Sollte das korrekt sein und das zusätzliche Lungenkrebsrisiko bei 16% pro 100 Bq/m3 über einen weiten Expositionsbereich gelten, dann könnte in Europa (59 Bq/m3) Radon für 9% aller Lungenkrebs- und daher für 2% aller Krebstodesfälle schuld sein.
Radon in Innenräumen lässt sich durch häufigeres Lüften (Stoßlüften) auf die niederere Radonkonzentration im Freien reduzieren.
Medizinisch vorteilhaft genutzte Strahlenquellen
Zunehmend kommen seit etwa hundert Jahren in entwickelten Ländern er-höhte Dosisraten durch medizinisch genutzte Strahlenquellen: jährlich in Österreich 1,3, in Deutschland 1,9, in den Vereinigten Staaten 3 mSv/a (nach-dem sie 1982 noch bei 0,5 mSv/a und Person lag). Die seit etwa sechzig Jahren eingeführte Nukleartechnologie exponiert durchschnittlich mit unter einem Prozent des mittleren natürlichen Strahlenhintergrunds.
Die ICRP, das Gutachtergremium an deren Empfehlungen sich die Industrie-nationen hinsichtlich der entsprechenden Gesetzgebung orientieren, empfahl ungeachtet der Befunde von Bernard Cohen und der erwähnten Erfahrungen in den stärker bestrahlten Gegenden neuerlich im Jahr 2007 in ihrer Publikation 103 die Bevölkerung keiner Dosisrate über 1 mSv/a zusätzlich zum natürlichen Strahlenhintergrund oder medizinisch gerechtfertigten Expositionen auszusetzen. Dennoch empfahl die Kommission für im Beruf mit Dosimetern überwachte Strahlenexponierte einen Grenzwert von 20 mSv jährlich, der nur dann bis 50 mSv/a erhöht werden darf, wenn in einem Fünfjahreszyklus 100 mSv, also der Bereich niedriger Dosen nicht überschritten wird – nach Zeiten höherer Bestrahlung sollte die berufliche Strahlenexposition entsprechend zurückgenommen werden.
Extreme Strahlendosen untersucht die nach dem kritisierten Einsatz der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki durch die USA.
Lebenszeitstudie (LSS)
Am 6. August 1945 um 8:16 Uhr wurde 600 m über dem Zentrum von Hiroshima eine die Kettenreaktion auslösende Masse von 64 kg stark angereichertem Uran-235 gezündet. Davon – ehe die Bombe auseinanderflog - wurden 0,86 kg gespalten und 63 Billionen Joule plötzlich frei. Die Luft erreichte Sonnen-temperaturen im Explosionszentrum und am Boden noch immer einige tau-send Grad. Diese Aktion forderte bis zum Jahresende 140 000 oder 40% der Bewohner von Hiroshima.
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- Arbeit zitieren
- Hans Grasmuk (Autor:in), 2020, Fördern oder behindern niedrige Strahlendosen Krebs?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/948894
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