England: 1215 bis industrielle Revolution
1215: Magna Charta aufzuzwingen, in der erstmalig die ständischen Rechte schriftlich festgehalten wurden. Die Konflikte setzten sich jedoch unter Heinrich III. fort, u. 1265 trat auf Betreiben des oppositionellen Magnaten Simon von Montfort erstmalig eine Ständeversammlung (Parlament genannt) zusammen, um über die Steuer zu beraten (»parlieren«). Eduard I. schränkte die Rechte des Hochadels u. der Kirche ein. Ihm gelang es auch, 1284 Wales zu erobern; die Wirtschaft (u. damit auch seine Einkünfte) förderte er, indem er der dt. Hanse Handelsvorrechte gewährte. Im Krieg gegen Frankreich, Schottland u. Wales berief er 1295 das Model Parliament (»Musterparlament«) nach Westminster, das erstmals alle sozial u. politisch bedeutsamen Bevölkerungsgruppen vereinigte u. unter Eduard II. erheblich an Macht gewann.
Eduard III. erhob beim Aussterben der französ. Kapetinger 1328 gegenüber den Valois Ansprüche auf den französ. Thron. In dem daraus entstehenden Hundertjährigen Krieg (mit Unterbrechungen 1338-1453) zwischen Franzosen u. Engländern siegten letztere bei Sluis 1340, Crécy 1346 u. Maupertuis 1356. Zu einem schweren Rückschlag kam es, als die Pest 1348-1350 ein Drittel des engl. Volks hinwegraffte. Die damit verbundene Zerrüttung der bestehenden Sozialverfassung setzte indes zugleich die Herausbildung der modernen Gesellschaftsordnung in Gang. Unter Richard II. führte dies im Verein mit den hohen Geldsummen, die die Kriege in Frankreich u. gegen Schottland verschlangen, zu Unruhen, die auf alle Volksschichten übergriffen (Bauernaufstand unter Wat Tyler, Bewegung der Lollarden ). Als Richard II. seit 1397 immer selbstherrlicher regierte, wurde er mit Billigung des Parlaments von Heinrich IV. aus dem Haus Lancaster abgesetzt. Heinrich V. warf die Franzosen völlig nieder u. wurde durch den Vertrag von Troyes als Erbe des französ. Throns anerkannt. Doch gingen infolge seines frühen Todes u. der Minderjährigkeit seines Sohnes Heinrich VI. alle Erfolge verloren; der Festlandsbesitz mußte bis auf Calais aufgegeben werden.
Die Schwäche des Königtums begünstigte den Ausbruch des Adelskrieges 1455-1485 (Rosenkriege) zwischen dem Haus Lancaster (Wappen: rote Rose) u. dem Haus York (Wappen: weiße Rose). Dem Geschlecht York gehörten die Könige Eduard IV. u. Eduard V. (* 1470, † 1483) an. Richard III., der Mörder Eduards V. u. Usurpator, wurde von einem Verwandten der Lancaster, Heinrich Tudor, bei Bosworth besiegt u. fiel im Kampf. Als Heinrich VII. stellte dieser wieder Ruhe u. Ordnung im Land her, indem er, gestützt auf Kleinadel u. Stadtbürgertum, den Feudaladel endgültig entmachtete u. durch seine Finanz- u.
Friedenspolitik die Mitwirkung des Parlaments nahezu ausschloß. Seine Kronmacht beruhte auf dem erweiterten Kronbesitz u. der Stärkung des königl. Haushalts. Wirtschaft u. Handel blühten auf. - Bereits Heinrich VIII. betrieb wieder eine aktivere Außenpolitik. Er kämpfte zunächst abwechselnd gegen den französ. König Franz I. u. Kaiser Karl V., um schließl. zwischen den beiden zu vermitteln. Wegen seiner Ehescheidung geriet er in Gegensatz zum Papst, trennte sich deshalb von Rom u. machte sich unter Mithilfe des Parlaments zum Haupt der engl. Staatskirche. Die sich anschließende Klöstersäkularisation erweiterte die Machtbasis der Krone beträchtlich u. band auch die engl. polit. Elite mit ihren Eigentumsinteressen fortan an die protestantische Sache. Unter den folgenden engl. Herrschern wurde um den Protestantismus hart gerungen. Ein Förderer der neuen Lehre war der Lordprotektor Eduard, Herzog von Somerset (* 1500, † 1552), der Vormund Eduards VI.; Maria die Blutige dagegen verfolgte Protestanten u. erkannte das Papsttum wieder an. 1558 ging Calais verloren. Elisabeth I., unter deren Regierung England einen ebenso großen machtpolit. wie kulturellen Aufstieg erlebte, stellte die Staatskirche auf eine neue Grundlage u. machte England zur prot. Vormacht. Die Auseinandersetzung mit Spanien, dem Vorkämpfer des Katholizismus, endete nach einem langen Krieg (1587-1609) zugunsten Englands (1588 Untergang der span. Armada). England war auf dem Weg zur beherrschenden Seemacht u. unternahm erste Schritte in der Kolonialpolitik. Die Venezianer, die Hanse u. später die Holländer wurden beiseite gedrängt u. überflügelt.
Die engl. Tuchindustrie wurde zum Rückgrat der engl. Wirtschaft. Als Elisabeth I. kinderlos starb u. die Thronfolge an den schott. Stuart Jakob VI. fiel, wurde Schottland zunächst in Personalunion mit England vereinigt. Die so mit Jakob I. beginnende Stuart-Dynastie geriet durch ihre Hinneigung zum Katholizismus ebenso wie durch ihren Anspruch auf eine absolute Herrschaft in Gegensatz zur Führungsschicht des Landes, die das Parlament zu ihrem polit. Forum machte. Der Gegensatz verschärfte sich unter Karl I., der 1629-1640 ohne Parlament regierte. Als sich die Schotten gegen die Unterwerfung unter die engl. Staatskirche mit Waffengewalt zur Wehr setzten, war der König, um das zur Aufstellung eines Heeres nötige Geld zu erhalten, gezwungen, 1640 das Parlament (Langes Parlament) wieder einzuberufen. Dieses beschnitt die Rechte des Königs u. stellte sich auf die Seite der Puritaner, einer streng kalvinist. Strömung mit polit. Engagement, die zahlreiche Anhänger gefunden hatte. Der Streit über die Frage, wer die bewaffnete Macht kontrollieren sollte, entwickelte sich zum offenen Konflikt. Die Puritaner schlugen unter Oliver Cromwell die Königlichen in offener Feldschlacht. Mit der Hinrichtung des Königs 1649 nahm England die republikan. Staatsform an unter einem Staatsrat, der jedoch kaum reale Macht besaß. Der eigentl. Herrscher war Cromwell, der die aufständischen Schotten niederwarf u. Irland eroberte. Er wurde 1654 zum Lordprotektor erhoben. Die Navigationsakte von 1651 versetzte vor allem dem holländ. Seehandel einen vernichtenden Schlag u. schuf die Grundlagen für die engl. Seemacht u. das nach merkantilist. Prinzipien verwaltete erste Kolonialreich. Das Königtum wurde wiederhergestellt (Restauration 1660), als sich zeigte, daß Cromwells Sohn Richard, 1658/59 Lordprotektor, staatsmänn. Fähigkeiten fehlten. Karl II. vermied den offenen Kampf mit dem Parlament, sein kath. Bruder Jakob II. (1685-1688) konnte ihm in der Herrschaft folgen. Da dieser die Rückführung Englands u. Schottlands zum Katholizismus u. einen Machtzuwachs für die Monarchie auf Kosten der polit. Ansprüche der etablierten Führungsschicht erstrebte, wurde er durch seinen vom Parlament gerufenen Schwiegersohn Wilhelm von Oranien vertrieben (Glorreiche Revolution); dieser wurde als Wilhelm III. engl. König.
In den Kriegen gegen die Niederlande in der 2. Hälfte des 17. Jh. war die holländ. See- u. Kolonialmacht zerstört worden. Der durch die Ausbeutung der Kolonien in das Land strömende Reichtum hob England wie vorher Spanien u. Holland über die anderen europ. Mächte empor. - Wilhelm III. bekämpfte die stärkste Festlandsmacht, das Frankreich Ludwigs XIV., u. sicherte sich dabei die Unterstützung der anderen europ. Mächte. Im Span. Erbfolgekrieg, in dem die Engländer unter J. C. Marlborough bei Höchstädt, Ramilliès u. Malplaquet große Siege errangen, wurde Frankreich entscheidend geschwächt; der Friede von Utrecht 1713 brachte außer Kolonialgewinn in Nordamerika die Bestätigung des Besitzes von Gibraltar u. damit die engl. Präsenz im Mittelmeer. Unter Königin Anna (Stuart) wurden England u. Schottland 1707 auch staatsrechtl. durch Zusammenlegung ihrer Parlamente vereinigt u. führten seitdem den Namen Großbritannien.
Die Dynastie Hannover begann mit Georg I. (1714-1727), der von der Partei der Whigs unter Walpole unterstützt wurde, während die strengen Tories Stuart-Anhänger blieben. Das Parlament wurde im Laufe des 18. Jh. endgültig zum unanfechtbaren Machtzentrum u. entwickelte mit der Ausbildung parlamentar. Parteien u. des Zusammenspiels von Regierung u. Opposition im Verein mit der Bindung der Regierung an die Parlamentsmehrheit eine neue polit. Kultur. Unter Georg II. (1727-1760) beteiligte sich England an den festländ. Auseinandersetzungen (Österr. Erbfolgekriege u. Siebenjähriger Krieg) vorwiegend durch Geldzahlungen an seine Verbündeten u. konnte zu gleicher Zeit den See- u. Kolonialwettstreit mit Frankreich zu seinen Gunsten entscheiden (Gewinn Kanadas u. Vorderindiens). Georg III. (1760-1820) scheiterte mit seinem Versuch, die Parlamentsmacht zurückzudrängen, als die nordamerikan. Kolonien sich vom engl. Mutterland unabhängig machten u. er die Schuld an diesem polit. Fehlschlag auf sich nehmen mußte. Die Feindschaft gegen Frankreich u. die Abneigung gegen die Französ. Revolution u. ihren Machtanspruch verursachte einen 22jährigen Kampf (Koalitionskriege, Befreiungskriege), in dem Frankreich mit Hilfe Rußlands, Österreichs u. Preußens niedergerungen wurde.
Nunmehr stieg Großbritannien ungehindert zur vorherrschenden See-, Kolonial- und Weltmacht empor, die durch ihre fortgeschrittene Industrie u. die aus den Kolonien nach England strömenden Reichtümer auch unbestrittene Handels- u. Wirtschaftsvormacht war. Die Unterstützung der immer stärker werdenden freiheitl. u. nationalen Bestrebungen der europ. u. südamerikan. Völker brachte England viel Sympathien ein.
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- Anonymous,, 1999, England: 1215 bis industrielle Revolution, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94831