Der Erfolg einer jeden Friedensmission lässt sich nach ihrer Beendigung an einem bestimmten Punkt feststellen: Hat sie es geschafft, einen selbsttragenden Frieden zu etablieren? Als wichtiges Indiz dafür gilt die Transformation der wichtigsten Kriegsparteien in Organisationen, die ihre Konflikte gewaltlos austragen. Ob eine solche Transformation stattgefunden hat bzw. wie erfolgreich sie war, ist nicht im-mer leicht herauszufinden. Im Seminar „Die Transformation von Konfliktorganisati-onen nach Friedensschlüssen“ an der Philipps-Universität Marburg wurde ein Ana-lyseraster entwickelt, das als ein Hilfsinstrument für die Beantwortung dieser Fra-ge gelten kann.
Die Präsentation am 21.01.2008 befasste sich mit dem Thema „Fallanalyse: Sierra Leone II“. In dieser Präsentation wurden die Punkte IV-VI des Analyserasters be-arbeitet und die Transformation der Rebellenorganisation Revolutionary United Front (RUF) in Sierra Leone analysiert. Die vorliegende Arbeit stellt eine Verschriftlichung der Präsentation dar.
Die hier bearbeiteten Punkte des Analyserasters befassen sich mit der Friedens-mission und ihrem Umgang mit den Konfliktakteuren. Hierbei gibt es verschiedene Arten der Zusammenarbeit, die von Unterstützung bis Zwang reichen. Weiterhin wird geklärt, wie sich die RUF als einer der Hauptakteure des Konfliktes im Verlauf der Jahre verhalten hat und ob eine Transformation der Organisation nach dem Friedensabkommen von Lomé 1999 stattgefunden hat. In einem letzten Schritt wird die allgemeine Bilanz der Friedenskonsolidierung analysiert.
Inhalt
1. Einleitung
2. Umgang der Friedensmission mit den Konfliktakteuren
2.1 Unterstützung
2.2 Anreize
2.3 Sozialisation
2.4 Zwang
3. Die Transformation der Revolutionary United Front
3.1 Die Entstehungsphase zu Beginn des Krieges
3.2 Der Kriegsverlauf
3.3 Nach dem Friedensabkommen von Lomé
4. Allgemeine Bilanz der Friedenskonsolidierung
4.1 Gab es einen erneuten Bürgerkrieg?
4.2 Hielt der Frieden auch nach Abzug der Friedensmission?
4.3 Hat die politisch motivierte Gewalt zugenommen oder nachgelassen?
4.4 Werden politische Konflikte ausschließlich in den legalen Institutionen ausgetragen?
4.5 Ist der Gegenstand des Krieges immer noch dominant?
4.6 Sind neue Konfliktlinien aufgekommen?
5. Anhang
5.1 Tabelle
5.2 Analyseraster für die Fallstudien
6. Literaturliste
1. Einleitung
Der Erfolg einer jeden Friedensmission lässt sich nach ihrer Beendigung an einem bestimmten Punkt feststellen: Hat sie es geschafft, einen selbsttragenden Frieden zu etablieren? Als wichtiges Indiz dafür gilt die Transformation der wichtigsten Kriegsparteien in Organisationen, die ihre Konflikte gewaltlos austragen. Ob eine solche Transformation stattgefunden hat bzw. wie erfolgreich sie war, ist nicht immer leicht herauszufinden. Im Seminar „Die Transformation von Konfliktorganisationen nach Friedensschlüssen“ an der Philipps-Universität Marburg wurde ein Analyseraster entwickelt, das als ein Hilfsinstrument für die Beantwortung dieser Frage gelten kann.
Die Präsentation am 21.01.2008 befasste sich mit dem Thema „Fallanalyse: Sierra Leone II“. In dieser Präsentation wurden die Punkte IV-VI des Analyserasters bearbeitet und die Transformation der Rebellenorganisation Revolutionary United Front (RUF) in Sierra Leone analysiert. Die vorliegende Arbeit stellt eine Verschriftlichung der Präsentation dar.
Die hier bearbeiteten Punkte des Analyserasters befassen sich mit der Friedensmission und ihrem Umgang mit den Konfliktakteuren. Hierbei gibt es verschiedene Arten der Zusammenarbeit, die von Unterstützung bis Zwang reichen. Weiterhin wird geklärt, wie sich die RUF als einer der Hauptakteure des Konfliktes im Verlauf der Jahre verhalten hat und ob eine Transformation der Organisation nach dem Friedensabkommen von Lomé 1999 stattgefunden hat. In einem letzten Schritt wird die allgemeine Bilanz der Friedenskonsolidierung analysiert.
2. Umgang der Friedensmission mit den Konfliktakteuren
Betrachtet man den Umgang der United Nations Mission in Sierra Leone (UNAMSIL) mit den Konfliktakteuren in Sierra Leone nach Abschluss des Friedensabkommens von Lomé, so fällt auf, dass alle im Analyseraster genannten Arten des Umgangs mit den Konfliktparteien zu erkennen sind.
2.1 Unterstützung
Schon im Mandat wird deutlich, dass es sich bei der UNAMSIL nicht um eine unparteiische Mission handelte, die die Konfliktparteien nur auseinander halten sollte. Obwohl UNAMSIL gehalten war, mit allen Parteien des Konfliktes zu kooperieren, ergriff der UN-Sicherheitsrat in der Ausformulierung des Mandats dennoch klar und eindeutig Partei für die Regierung Kabbah. In der Resolution 1346 (2001) vom 30.03.2001 griff der UN-Sicherheitsrat den Vorschlag des UN-Generalsekretärs auf, die Autorität der Regierung Kabbah zu stärken:
"58. The main objectives of UNAMSIL in Sierra Leone remain to assist the efforts of the Government of Sierra Leone to extend its authority, restore law and order and stabilize the situation progressively throughout the entire country, and to assist in the promotion of a political process which should lead to a renewed disarmament, demobilization and reintegration programme and the holding, in due course, of free and fair elections.” (UNO, 2001a: 9).
Schon vor der oben genannten Neuausrichtung des Mandats hatte UNAMSIL die Aufgabe für Recht und Ordnung in Sierra Leone zu sorgen. Als eine der Grundlagen für ein Klima der allgemeinen Sicherheit, galt die Durchführung und Implementierung des Abkommens von Lomé, vor allem die darin vorgesehenen Programme zur Demobilisierung, Entwaffnung und Reintegration („Demobilization, Disarmament, Reintegration“, kurz: DDR) von ehemaligen Kombattanten. Der Teil der Demobilisierung und Entwaffnung wurde dabei von UNAMSIL übernommen.
“To assist the Government of Sierra Leone in the implementation of the disarmament, demobilization and reintegration plan.” (UNO 1999: 2)
Auch wenn es kein explizites Ziel der Mission war den Diamantenhandel zu reglementieren, so war dies doch ein im Friedensabkommen berücksichtigtes Thema. In Lomé wurde das Recht, Diamanten abzubauen, allein der Regierung Sierra Leones zugesprochen. Somit war UNAMSIL auch zur Umsetzung dieser Vereinbarung verpflichtet.
Als Sicherheitsgarantie an die Regierung Sierra Leones kann die Ausbildung der Armee durch Streitkräfte Großbritanniens verstanden werden. In der Vergangenheit demonstrierte die britische Marine des Öfteren durch Manöver vor der afrikanischen Küste ihr Potential, im Falle eines erneuten Krieges schnelle militärische Hilfe leisten zu können.
2.2 Anreize
Um die Spoiler-Wahrscheinlichkeit der Revolutionary United Front (RUF) und ihrer Führungspersönlichkeit Foday Sankoh zu minimieren, wurde in Lomé versucht Sankoh persönlich in die neue Regierung zu integrieren. Ihm wurde der Posten eines Ministers und Quasi-Vizepräsidenten in Form des Vorsitzes der neu zu schaffenden „Commission for the Management of Strategic Resources, National Reconstruction and Development“ (CMRRD) zugeteilt. Durch diese Einbindung Sankohs in die Nachkriegsordnung Sierra Leones erhoffte man sich, die RUF in den Frieden zu integrieren und Sankoh zu kontrollieren.
2.3 Sozialisation
Um einen anhaltenden Frieden zu ermöglichen, verständigten sich die Konfliktparteien auf eine Generalamnestie gegenüber den Kombattanten aller Konfliktparteien. Diese Amnestie bezog sich auf Taten, die im Zeitraum von März 1991 bis zur Unterzeichnung des Friedensabkommens von Lomé im Rahmen der Kampfhandlungen begangen wurden. Durch diesen Schritt sollte die Senkung der Spoiler-Wahrscheinlichkeit von Seiten der Ex-Kombattanten erreicht werden. Die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus 11 Jahren Krieg unter Beteiligung von mindestens 75.500 Kämpfern[1] wäre dagegen kaum möglich gewesen. Allein die Androhung von Verhaftung und Verfolgung hätte die Etablierung eines dauerhaften Friedens gefährdet und den Abschluss des Lomé-Abkommens wohl unmöglich gemacht.
Durch die Einsetzung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission wurde die Aufarbeitung der grausamen Menschenrechtsverletzungen und –verbrechen dennoch ermöglicht.
Die RUF verpflichtete sich im Rahmen des Lomé-Abkommens dazu, ihre Organisation in eine politische Partei umzuwandeln. Mit dieser Umwandlung sollte die neue RUF-Partei (RUF-P) in die neue Regierung und das Parlament integriert und so eine Eingliederung in die politischen Institutionen erreicht werden. Diese freiwillige Einbindung in eine gewaltfreie Konfliktaustragungsform „Parlament“ sollte den ehemaligen Kämpfern der RUF als Zeichen dienen, sich ebenfalls in die Gesellschaft zu reintegrieren - natürlich mit Hilfe der DDR-Programme.
2.4 Zwang
Zwar können die schon erwähnten DDR-Maßnahmen als Mittel zur Sozialisation gesehen werden (vor allem in Hinblick auf Reintegration), allerdings lassen sie sich auch dem Bereich der Zwangsanwendung zuordnen. Natürlich ließen sich nicht alle Kämpfer freiwillig entwaffnen, was sich vor allem schmerzhaft zeigte, als im Mai 2000 ca. 500 UN-Blauhelmsoldaten in Gefangenschaft der RUF-Rebellen gerieten. Die Blauhelmsoldaten kamen zwar bald darauf wieder frei, aber nur die schnelle Entsendung von 1.100 britischen Soldaten (unter britischer Führung) nach Freetown konnte einen erneuten Ausbruch des Krieges verhindern. Der UN-Sicherheitsrat reagierte mit einer Aufstockung der UNAMSIL auf 13.000 Soldaten und einem verstärkten Vorgehen gegen die Rebellen.
Durch die konsequente Umsetzung der Entwaffnung der Rebellen konnte ein dauerhafter Frieden umgesetzt werden, den Präsident Kabbah am 17.01.2002 verkündete.
3. Die Transformation der Revolutionary United Front
Im Folgenden wird die RUF in unterschiedlichen Phasen des Konfliktes betrachtet, um die Transformation der Organisation im Laufe der Zeit zu verdeutlichen.
3.1 Die Entstehungsphase zu Beginn des Krieges
Die RUF trat zum ersten Mal 1991 auf, als ca. 100 Kämpfer von Liberia aus die östlichen Provinzen Sierra Leones angriffen. Ihr Führer Foday Sankoh hatte diese Rebellion bereits früher über BBC Worldservice Africa angekündigt, sollte der damalige Staatspräsident Momoh nicht binnen 90 Tagen sein Amt niederlegen.
In der Anfangsphase des Krieges bestand die RUF vor allem aus in Libyen ausgebildeten Rebellen, die teilweise aus Liberia, Burkina Faso und Sierra Leone stammten. Die RUF war zu diesem Zeitpunkt vor allem ein Ableger der liberianischen „National Patriotic Front of Liberia“ (NPFL) um den Warlord Charles Taylor. Seine persönliche Freundschaft zu Foday Sankoh und das Interesse an den Diamantenvorkommen Sierra Leones ließen ihn 1991 den Konflikt im eigenen Land auf den Nachbarstaat ausweiten. Das propagierte Ziel der RUF, die korrupte Regierung zu stürzen, eine gerechte Ressourcenverteilung durchzusetzen und Bildung für alle zur Verfügung zu stellen, verhalf ihr zu Beginn der Offensive zu einem starken Zulauf vor allem der jugendlichen Bevölkerung Sierra Leones. Somit konnte die RUF schnell die Kontrolle über den Osten des Landes sicherstellen.
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[1] Diese Zahl beruht auf der Anzahl der Personen, die im Laufe der DDR-Maßnahmen entwaffnet wurden. Es soll auf keinen Fall unterstellt werden, dass alle von ihnen an Kriegsverbrechen beteiligt waren.
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