Wenn Politiker und Parteien um die Gunst und Zustimmung ihrer potentiellen Wähler buhlen,
tun sie dies in erster Linie über die Sprache. Ein, vor allem im Rahmen von Wahlkämpfen
genutztes Mittel der politischen Einflussnahme besteht dabei in der Verwendung politischer
Schlagworte. Doch der Begriff des Schlagwortes an sich hat in der Regel eine eher negative
Konnotation. Denn so einprägsam Schlagworte in der Regel sind, so unklar ist meist für den
politischen Laien, was genau der Politiker eigentlich mit einem bestimmten Begriff meint.
Daher kommt gerade dann, wenn sich Politiker undeutlich ausdrücken, kommt in der
Öffentlichkeit leicht der Vorwurf auf, Schlagworte seien in Wahrheit ein Mittel der
Verschleierung und Manipulation, sodass häufig unterstellt wird, es würde sich dabei um
„leere Worthülsen“ handeln. Sind Schlagworte tatsächlich nichts als gut klingende Ausdrücke,
die den Wähler einwickeln sollen aber keine wirkliche Funktion erfüllen?
Die Intention dieser Arbeit ist es, das Wesen des politischen Schlagwortes und seine Rolle in
der politischen Auseinandersetzung, vor allem im Rahmen von Wahlkämpfen zu
untersuchen. Dazu sollen zunächst die grundlegenden Merkmale politischer Schlagworte
und ihre Funktionen in der öffentlich-politischen Kommunikation aufgezeigt werden.
Im Rahmen politischer Auseinandersetzung sind Schlagwörter oft selber umkämpft und es
wird in der Politik mit großem Eifer um sie gerungen – so sehr, dass in der einschlägigen
Literatur bevorzugt die Metapher vom „Kampf“ um politische Schlagworte verwendet wird.
Die Untersuchung des politischen Wortkampfes als wesentliches Merkmal demokratischer
Auseinandersetzungen und die verschiedenen Arten, wie dieser Kampf ausgetragen werden
kann, bilden daher einen weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit.
Um aufzuzeigen, inwiefern diese theoretischen Annahmen in der Praxis tatsächlich
Anwendung finden, soll anschließend der derzeitige Präsidentschaftsvorwahlkampf in den
Vereinigten Staaten in Bezug auf die Verwendung politischer Schlagworte untersucht und
verwendete Typen des politischen Wortkampfes aufgezeigt werden. Dabei wird allerdings
ausschließlich die politische Auseinandersetzung zwischen den beiden demokratischen
Kandidaten Barack Obama und Hillary Clinton betrachtet. Abschließend werden die
Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick darauf gegeben, welche Rolle Schlagworte
künftig in der öffentlich-politischen Kommunikation spielen könnten.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das politische Schlagwort
2.1 Merkmale politischer Schlagworte
2.2 Die semantische Chemie
2.3 Klassifikation von politischen Schlagwörtern
2.3.1 Klassifikation anhand der evaluativen Bedeutung
2.3.2 Klassifikation anhand des gruppeninternen Gebrauchs
3. Der Kampf um politische Schlagworte
3.1 „Begriffe besetzen“ - Eine Metapher und ihre Bedeutung
3.2 Typen des politischen Wortkampfes
3.2.1 Begriffsprägung
3.2.2 Bezeichnungskonkurrenz
3.2.3 Deskriptive Bedeutungskonkurrenz
3.2.4 Deontische Bedeutungskonkurrenz
3.2.5 Konnotationskonkurrenz
4. Analyse: Schlagworte im US-Vorwahlkampf der Demokraten 2007/2008
4.1 Die Verwendung politischer Schlagworte durch Barack Obama
4.2 Die Verwendung politischer Schlagworte durch Hillary Clinton
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis:
1. Einleitung
Wenn Politiker und Parteien um die Gunst und Zustimmung ihrer potentiellen Wähler buhlen, tun sie dies in erster Linie über die Sprache. Ein, vor allem im Rahmen von Wahlkämpfen genutztes Mittel der politischen Einflussnahme besteht dabei in der Verwendung politischer Schlagworte. Doch der Begriff des Schlagwortes an sich hat in der Regel eine eher negative Konnotation. Denn so einprägsam Schlagworte in der Regel sind, so unklar ist meist für den politischen Laien, was genau der Politiker eigentlich mit einem bestimmten Begriff meint. Daher kommt gerade dann, wenn sich Politiker undeutlich ausdrücken, kommt in der Öffentlichkeit leicht der Vorwurf auf, Schlagworte seien in Wahrheit ein Mittel der Verschleierung und Manipulation, sodass häufig unterstellt wird, es würde sich dabei um „leere Worthülsen“ handeln (vgl. Klein 1989: 12). So findet sich beispielsweise in „Meyers grosses Taschenlexikon“ folgende Definition von „Schlagwort“:
„Im heutigen Sprachgebrauch werden mit S. [Schlagwörtern, anm. d. Verf.] im allgemeinen [sic!] unreflektiert, sinnentleert bzw. verschwommen gebrauchte, vorwiegend polit. Begriffe bezeichnet.“1
Doch ist dem wirklich so? Sind Schlagworte tatsächlich nichts als gut klingende Ausdrücke, die den Wähler einwickeln sollen aber keine wirkliche Funktion erfüllen? Die Intention dieser Arbeit ist es, das Wesen des politischen Schlagwortes und seine Rolle in der politischen Auseinandersetzung, vor allem im Rahmen von Wahlkämpfen zu untersuchen. Dazu sollen zunächst die grundlegenden Merkmale politischer Schlagworte und ihre Funktionen in der öffentlich-politischen Kommunikation aufgezeigt werden. Im Rahmen politischer Auseinandersetzung sind Schlagwörter oft selber umkämpft und es wird in der Politik mit großem Eifer um sie gerungen - so sehr, dass in der einschlägigen Literatur bevorzugt die Metapher vom „Kampf“ um politische Schlagworte verwendet wird. Die Untersuchung des politischen Wortkampfes als wesentliches Merkmal demokratischer Auseinandersetzungen und die verschiedenen Arten, wie dieser Kampf ausgetragen werden kann, bilden daher einen weiteren Schwerpunkt dieser Arbeit.
Um aufzuzeigen, inwiefern diese theoretischen Annahmen in der Praxis tatsächlich Anwendung finden, soll anschließend der derzeitige Präsidentschaftsvorwahlkampf in den Vereinigten Staaten in Bezug auf die Verwendung politischer Schlagworte untersucht und verwendete Typen des politischen Wortkampfes aufgezeigt werden. Dabei wird allerdings ausschließlich die politische Auseinandersetzung zwischen den beiden demokratischen Kandidaten Barack Obama und Hillary Clinton betrachtet. Abschließend werden die Ergebnisse zusammengefasst und ein Ausblick darauf gegeben, welche Rolle Schlagworte künftig in der öffentlich-politischen Kommunikation spielen könnten.
2. Das politische Schlagwort
2.1 Merkmale politischer Schlagworte
Heiko Girnth beschreibt das Schlagwort als die „auffälligste sprachliche Erscheinung in der öffentlich-politischen Kommunikation“ (Girnth 2002: 52f) und auch Walther Diekmann zufolge bestand für dieses sprachliche Mittel „in der Forschung von jeher das größte Interesse“ (Diekmann 1969: 101). Trotzdem scheint es innerhalb der Sprachwissenschaft bislang keine einheitliche Definition des Begriffes „Schlagwort“ zu geben. Allerdings lassen sich bei genauerer Betrachtung einige wesentliche Merkmale von Schlagwörtern ausmachen, über die in der einschlägigen Literatur zu diesem Thema weitestgehende Übereinstimmung herrscht.
So handelt es sich beim Schlagwort, wie der Begriff schon impliziert, zunächst um einen kurzen Ausdruck unterhalb des Satzformats, also meist um ein Substantiv (beispielsweise „Risikogesellschaft“), teilweise mit attributiver Erweiterung (wie etwa „Soziale Marktwirtschaft“) (vgl. Mayer 2002: 70). Schlagwörter zeichnen sich zudem durch eine hohe Gebrauchsfrequenz aus und werden häufig an hervorgehobener Stelle verwendet, wie beispielsweise in Überschriften (vgl. Klein 2008: 4).
Ein Wort ist allerdings niemals von sich aus ein Schlagwort, sondern wird lediglich als solches gebraucht (vgl. Klein 1989: 12). Walther Diekmann beschreibt das Schlagwort in diesem Zusammenhang auch als „Erscheinung der parole, nicht der langue“ (Diekmann 1969: 102). So ist zu erklären, dass ein und dasselbe Wort gleichzeitig als Schlagwort und als gewöhnliches Element des Wortschatzes fungieren kann. Ein Wort wird erst in dem Moment zum Schlagwort, in dem sich der Emittent, also der politische Autor oder Sprecher, in der Öffentlichkeit befindet und diese im eigenen Sinne zu beeinflussen gedenkt.
Hier verdeutlicht sich auch der Unterschied zu einem ähnlichen Konzept, dem so genannten Modewort: Dieses wird zwar in ähnlich inflatorischer Weise in der Öffentlichkeit verwendet, zielt aber im Gegensatz zum Schlagwort nicht darauf ab, diese zu beeinflussen (vgl. Diekmann 1969, S. 102).
Schlagwörter können also als ein äußerst geeignetes Instrument der politischen Einflussnahme angesehen werden, mit denen „Denken, Gefühle und Verhalten“ gesteuert werden sollen (sofern sie politisch relevant sind), indem sie entweder die eigene politische Einstellung ausdrücken oder aber sich provozierend auf die Konzepte der politischen Konkurrenz beziehen (vgl. Klein 1989: 11). In diesem Zusammenhang wird auch vom persuasiven Grundzug politischer Schlagwörter gesprochen, also dem Anspruch, den Adressaten von dem eigenen Programm zu überzeugen und Vertrauen in den Emittenten und seine Botschaft zu schaffen (vgl. Klein 2008: 3). Von Persuasion, und das sei an dieser Stelle angemerkt, wird im Übrigen nicht nur dann gesprochen wenn das rhetorische Ideal des Überzeugens durch, wie Christian Efing es bezeichnet, inhaltliche, (dia-)logische Argumentation vorliegt, sondern auch dann, wenn die politische Kommunikation durch einen inhaltsarmen und monologischen „Ein-Weg-Kommunikationsfluss“ wie in der kommerziellen Werbung gekennzeichnet ist, für den der Begriff des „Überredens“ weitaus zutreffender erscheint (Efing 2005: 223).
Ein weiteres Merkmal politischer Schlagwörter besteht in deren Anspruch, in prägnanter Form komplexe Zusammenhänge und Sachverhalte vereinfacht und verständlich darzustellen. Im Rahmen der politischen Kommunikation dienen sie folglich dazu, Zustimmung und Legitimation durch die potentiellen Wähler zu erlangen, indem politische Botschaften und Programme in kondensierter Form zur Zielgruppe transportiert werden. Der Eigenwert des politischen Schlagwortes ist Diekmann zufolge dabei so groß, dass es selbst dann noch verstanden wird, wenn es vollkommen vom eigentlichen Kontext isoliert wird, etwa auf Wahlplakaten (vgl. Diekmann 1969: 103f).
An dieser Stelle ist es angebracht, ein weiteres, dem Schlagwort sehr ähnliches Konzept anzusprechen: Das Symbolwort. Girnth verweist auf dieses sprachliche Mittel und attestiert ihm dieselben Funktionen wie dem Schlagwort, nämlich die Reduktion der komplexen Wirklichkeit und den Anspruch, emotional zu wirken (vgl. Girnth 2002: 52). Der Unterschied zwischen beiden, so argumentiert Girnth, liege aber darin, dass ein Symbolwort einen „historisch gewachsenen Orientierungspunkt“ darstelle und „fest in das ideologische Wertesystem einer Gemeinschaft eingebunden ist“, während das Schlagwort von der politischen Aktualität des bezeichneten Sachverhaltes abhängig sei, somit also de facto eine kürzere Lebensdauer aufweise (vgl. Girnth 2002: 52). Eine Unterscheidung von Symbol- und Schlagwörtern soll jedoch in dieser Arbeit nicht gemacht werden, da, wie Girnth selbst zugibt, die Grenzen zwischen beiden Konzepten äußerst fließend sind und sowohl ein Schlagwort durch beständigen Gebrauch zum Symbolwort, als auch umgekehrt ein Symbolwort als Schlagwort benutzt werden kann.
Ein weiteres Merkmal politischer Schlagworte ist die bereits zu Beginn angesprochene Tatsache, dass diese in der Regel relativ vage formuliert sind und sich die „wahre“ Bedeutung des Wortes dem Adressaten nicht sofort erschließt. Dies ist auf die heutigen Kommunikationsbedingungen zurückführen, die es dem Emittenten ermöglichen, mithilfe der Massenmedien eine sehr große Zahl von Menschen mit seiner politischen Botschaft anzusprechen.
Daraus folgt, dass sich die Zielgruppe des politischen Schlagwortes äußerst heterogen gestaltet und der Emittent daher vor die schwierige Herausforderung gestellt wird, den Ansprüchen vieler verschiedener Gruppen gerecht zu werden, damit sich diese mit den getroffenen Aussagen und der eigenen Person oder Partei identifizieren. Zudem hat der Emittent aufgrund des einseitigen Kommunikationsflusses nicht die Möglichkeit, unmittelbar zu reagieren und seine Aussagen notfalls zu korrigieren oder zu ergänzen, wenn das Gesagte beim Adressatenkreis auf starken Widerspruch stoßen sollte (vgl. Diekmann 1969: 103). Diese Vagheit dient also in erster Linie dazu, eine allgemeine Zustimmungsbereitschaft bei der Zielgruppe zu erzeugen, welche auch als „Integrationsleistung“ bezeichnet wird, und ist daher eine Bedingung für die Wirksamkeit politischer Schlagworte (vgl. Meyer 2002: 82).
2.2 Die semantische Chemie
Entgegen der anfänglichen Annahme, Schlagwörter seien eine Art „leere Worthülsen“, dienen diese dazu, in der öffentlich-politischen Kommunikation wesentliche Funktionen, welche als zeichentheoretische Aspekte oder Bedeutungsdimensionen bezeichnet werden, zu erfüllen. Diese finden sich trotz vereinzelter terminologischer Differenzen bei allen relevanten Autoren. Die sinnvollste Einteilung ist jedoch die von Josef Klein, der die verschiedenen Bedeutungsdimensionen unter dem Oberbegriff der „Semantischen Chemie“ politischer Schlagworte zusammenfasst (wobei Ausdruck und Referenzobjekt nicht direkt als Bedeutungsebene zu betrachten sind) (vgl. Klein 1991: 50):
(1) Ausdruck: Hierbei handelt es sich um die jeweilige Wortform des verwendeten Schlagwortes, also die Frage, ob es sich beispielsweise um ein Fremdwort oder ein Wort aus dem täglichen Sprachgebrauch handelt.
(2) Deskriptive Bedeutung: Diese Bedeutungsebene, welche von Klein als „deskriptive Funktion“ (vgl. Klein 1989: 12) und von Girnth als „denotative Bedeutungskomponente“ (vgl. Girnth 2002: 51) bezeichnet wird, beschreibt die inhaltlichen Merkmale des Sachverhaltes, auf den sich der Emittent bei Verwendung des jeweiligen Schlagwortes bezieht. Eine Analyse dieser Bedeutungsebene ist oft gerade im Bereich der politischen Schlagwörter schwer, da es sich hier meist um Begriffe aus dem so genannten Ideologievokabular2 handelt und weniger um „greifbare“ Sachverhalte aus dem alltagssprachlichen Gebrauch. Trotzdem ist es wichtig, die jeweilige objektive Grundbedeutung politischer Schlagworte zu erkennen, vor allem wenn verschiedene politische Gruppierungen sich mit ein und demselben Schlagwort auf unterschiedliche außersprachliche Objekte oder Zustände beziehen. Dies wird im Teil über den politischen Wortkampf noch weiter erläutert. Es sollte an dieser Stelle angemerkt werden, dass sich die deskriptive Bedeutung in der Regel nicht auf die lexikalische Bedeutung des verwendeten Wortes bezieht, sondern immer im Verwendungskontext zu betrachten ist, da viele Begriffe im Sprachgebrauch mehrdeutig verwendet werden. Dies ist beispielsweise dann wichtig, wenn Metaphern als Schlagwort gebraucht werden.
(3) Deontische Bedeutung: In Bezug auf diesen zeichentheoretischen Aspekt ergeben sich bei den verschiedenen Autoren terminologische Differenzen, die der Klärung bedürfen:
So versteht Heiko Girnth unter diesem Begriff lediglich den Appell an den Adressaten, sich in Bezug auf das Referenzobjekt in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Es handelt sich also um eine indirekte Handlungsaufforderung, in der „Sollens- oder Nicht-Sollens-Aussagen kodifiziert“ sind (Girnth 2002: 51). Der Adressat der politischen Botschaft wird implizit aufgefordert, die gleiche Position gegenüber dem Referenzobjekt einzunehmen wie der Emittent. Girnth trennt diese Funktion politischer Schlagwörter strikt von der Bewertung des beschriebenen Sachverhaltes, welche er als „evaluative Bedeutungskomponente“ bezeichnet (vgl. Girnth 2002: 51) und im Rahmen derer Bewertungen und Emotionen in Bezug auf den bezeichneten Sachverhalt ausgedrückt werden um diesen so mit einer tendenziell positiven oder negativen Bedeutung zu versehen.
Im Gegensatz dazu fasst Josef Klein Bewertung und normativen Appell an den Adressaten nach dem Vorbild von Fritz Herrmanns unter dem Begriff der deontischen Bedeutung zusammen (vgl. Klein 1991: 50). Dies ist durchaus sinnvoll, bedenkt man, wie eng Bewertung und Appell beieinander liegen. In der politischen Sprachverwendung ist es eigentlich die Regel, dass eine Bewertung eines Sachverhaltes die dazugehörige Handlungsaufforderung mit einschließt. Klein zufolge sind diese beiden Bedeutungskomponenten daher lediglich analytisch zu trennen und bilden eine integrale Bedeutungsebene (vgl. Klein 1989: 13).
(4) Konnotation: Hiermit sind diejenigen Assoziationen gemeint, die vom Adressaten des Begriffes mit eben diesem verbunden werden und die häufig mit positiven oder negativen Emotionen verknüpft sind. Etwas verwirrend ist in diesem Zusammenhang, dass auch Girnth diesen Begriff verwendet, allerdings in einem etwas anderen Zusammenhang: Im Gegensatz zu Klein trennt er deontische Bedeutung und Konnotation nicht voneinander, sondern beschreibt Bewertung und Appell als Bestandteile der Konnotation (vgl. Girnth 2002: 51).
(5) Referenzobjekt: Das Referenzobjekt stellt denjenigen aussersprachlichen Sachverhalt dar, auf den sich mit der Verwendung des Schlagwortes bezogen wird.
Es bietet sich an dieser Stelle an, die verschiedenen Bedeutungskomponenten zum besseren Verständnis an einem, zugegebenermaßen etwas ungewöhnlichen, jedoch äußerst prägnanten Beispiel zu verdeutlichen:
Im Rahmen des Genozids im ostafrikanischen Kleinstaat Ruanda im Jahr 1994 verwendeten Vertreter der Volksgruppe der Hutu, welche die Regierung des Landes stellten, unter anderem das Wort „Inyenzi“, zu deutsch „Kakerlaken“, als Bezeichnung für Angehörigen ihres politischen Gegners, der Volksgruppe der Tutsi.
Das Referenzobjekt, also derjenige Sachverhalt, auf den sich mit der Verwendung dieses Begriffes bezogen wird, sind also einfach diejenigen Menschen, die dieser rivalisierenden Volksgruppe angehören.
Die deskriptive Funktion, die das Schlagwort in diesem Kontext erfüllt ist die Darstellung des politischen Gegners als möglicherweise schädlich, zumindest aber störend und überflüssig. Ein Schlagwort wie „Kakerlaken“ ist natürlich alles andere als wertneutral, sondern im Gegenteil eindeutig negativ evaluiert und wird in der Regel vom Adressaten mit lästigem Ungeziefer assoziiert. Hieraus folgt auch der normative Appell dieses verwendeten Schlagwortes: Indem nämlich die Hutu ihren politischen Gegner mit einem Wort, welches sofort mit störendem Ungeziefer assoziiert wird, betiteln, fordern sie den Adressaten, also die Bevölkerung implizit dazu auf, die Angehörigen der Volksgruppe der Tutsi zu vernichten, wie man es in der Regel mit Ungeziefer tut. Gerade dadurch, dass man einen Begriff wie „Kakerlaken“ verwendete, sollte der Mord an diesen Menschen verharmlost und legitimiert werden, impliziert eine solche Bezeichnung doch, dass die Tutsi keine menschlichen Wesen und daher von geringerem Wert als die Hutu seien. Hätten die Hutu beispielsweise den ähnlich negativ evaluierten Begriff „Terroristen“ verwendet, hätte dies zumindest noch impliziert, dass es sich beim Gegner um menschliche Individuen handelt. Die deontische Bedeutung des Schlagwortes „Kakerlaken“ setzt sich also zusammen aus der negativen Bewertung und dem Appell, die Tutsi zu töten. Die Konnotation, die sich dabei in den Köpfen der Adressaten durchsetzen sollte, war das Bild von den Tutsi als parasitäres Ungeziefer, welches dem Volk der Hutu schadet.
[...]
1 Meyers grosses Taschenlexikon, 4. Auflage, Band 19, 1992, S.249
2 Das Ideologievokabular ist ein Teil des politischen Wortschatzes und beinhaltet diejenigen Wörter, mit denen politische Gruppen ihre Deutungen und Wertungen sozialer Tatsachen formulieren, also die beispielsweise Werte und Handlungsaufforderungen zum Ausdruck bringen (Bsp. Freiheit, Gerechtigkeit) oder Prinzipien der Organisationen des politischen Lebens formulieren (Bsp. Gewaltenteilung, Pluralismus) (vgl. Klein 1989: 7f)
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- Christopher Schwarzkopf (Author), 2008, Schlagworte und ihre Verwendung in der öffentlich-politischen Kommunikation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94191
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