Die Arbeit stellt eine umfangreiche Zusammenführung der theoretischen Grundlagen von Auktionen sowie eine Überführung der daraus gewonnenen Erkenntnisse in den betriebspraktischen Kontext von Aluminiumgussteilen in der Automobilindustrie dar. Je nach Grad der notwendigen Kooperation mit dem Lieferanten, der Anzahl fähiger Lieferanten, der Gefahr von Kollusionen, dem Interesse und der zeitlichen Abfolge von Vergabepaketen sowie der vorliegenden Angebotsspreizung versprechen jeweils unterschiedliche Auktionsformen ein bestmögliches zu erwartendes Auktionsergebnis. Neben einer Assistenz bei der zielgerichteten Auswahl geeigneter Auktionsformen in Form eines grafischen Leitfadens präsentiert die vorliegende Ausarbeitung zusätzlich Empfehlungen hinsichtlich verschiedener Gestaltungselemente wie die Form der Beendigung, die Nutzung von Reservations- und Eintrittspreisen, die optimale Höhe der Gebotsinkremente sowie der ideale Grad der Transparenz in Bezug auf die Identität der Bieter und der Gebote. Sofern sich die Einkäufer bei ihrer täglichen Arbeit an dem Leitfaden orientieren, die Empfehlungen und Spielregeln berücksichtigen und es den Unternehmen gelingt, interne Widerstände gegen die Einführung von Auktionen aufzulösen, ist von einem stark zunehmenden Einsatz von Auktionen in der professionellen Beschaffung auszugehen, um dem Wandel in der Automobilindustrie bestmöglich begegnen zu können.
Die Automobilindustrie befindet sich zurzeit in einer Dynamik, die mit erheblicher Geschwindigkeit alle Unternehmensbereiche zu einem Umdenken zwingt. Um den daraus neu entstehenden Anforderungen gerecht werden zu können, muss vor allem die Beschaffung neue Opportunitäten identifizieren, um das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft leiten zu können. Beschaffungsauktionen stellen dabei ein geeignetes Instrument dar, um bei zielgerichtetem Einsatz und Design eine maximale Einstandspreisreduzierung, Verkürzung des Beschaffungsprozesses, Senkung der Prozesskosten sowie Produktivitätssteigerung zu realisieren. Durch den Einsatz einer Auktion muss der Beschaffungsprozess nicht komplett neu definiert werden: Die Auktion stellt vielmehr eine besondere Form der Vergabeverhandlung dar und zwingt den Einkauf die bereits vorhandenen Prozesse strikt einzuhalten. Speziell bei Aluminiumdruckgussbauteilen oder weiter gefasst bei Schlüsselprodukten eignet sich der Einsatz von Auktionen im Besonderen.
Inhalt
Kurzfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. DerEinkauf-Träger des Wandels
2. Betrachtungsfe
2.1 Auktionen in der Beschaffung
2.1.1 Auktion - ein neues altbekanntes Instrument?
2.1.2 Auktion - prozessuale Einordnung
2.1.3 Auktion - eine effektive Form der Verhandlung?
2.2 Auktion - eine warengruppenspezifische Eingrenzung
2.2.1 Auktionseignung im Rahmen des Strategischen Beschaffungsmanagements
2.2.2 Aluminiumdruckguss - warengruppenspezifische Zuordnung
3. Auktionen und Paramete
3.1 Auktionsformen
3.2 Gestaltungsaspekte und beeinflussende Faktoren von Auktionsdesigns
3.2.1 Prämissen und Spielregeln einer Auktion
3.2.2 Varianz von Bieterlisten
3.2.3 Anzahl derteilnehmenden Bieter
3.2.4 Risikoeinstellung der Bieter
3.2.5 Gegenseitige Abhängigkeit der Auktionsgutsbewertung
3.2.6 Asymmetrische Kostenverteilung zwischen den Bietern
3.2.7 Transparenzen - Anzahl der Bieter, Bieteridentitäten, Gebote
3.2.8 Reservations-und Eintrittspreise
3.2.9 Beendigung von Auktionen und Gebotsinkremente
3.2.10 Berücksichtigung mehrerer Attribute
3.2.11 Zeitliche Abfolge bei Mehrgüterauktionen
3.2.12 Einfluss nicht-rationaler Aspekte
3.3 Leitfaden zur zielgerichteten Anwendung von Auktionen
4. Kritische Betrachtung und Ausbl
Litera
Anhang
A Leitfaden zum zielgerichteten Einsatz von Auktionsformen A-l
B Übersicht der untersuchten Auktionsparameter A-2
Kurzfassung
Die Automobilindustrie befindet sich zurzeit in einer Dynamik, die mit erheblicher Geschwindigkeit alle Unternehmensbereiche zu einem Umdenken zwingt. Um den daraus neu entstehenden Anforderungen gerecht werden zu können, muss vor allem die Beschaffung neue Opportunitäten identifizieren, um das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft leiten zu können. Beschaffungsauktionen stellen dabei ein geeignetes Instrument dar, um bei zielgerichtetem Einsatz und Design eine maximale Einstandspreisreduzierung, Verkürzung des Beschaffungsprozesses, Senkung der Prozesskosten sowie Produktivitätssteigerung zu realisieren. Durch den Einsatz einer Auktion muss der Beschaffungsprozess nicht komplett neu definiert werden: Die Auktion stellt vielmehr eine besondere Form der Vergabeverhandlung dar und zwingt den Einkauf die bereits vorhandenen Prozesse strikt einzuhalten. Speziell bei Aluminiumdruckgussbauteilen oder weiter gefasst bei Schlüsselprodukten eignet sich der Einsatz von Auktionen im Besonderen, da hierdurch die Potenziale des vorhandenen Wettbewerbs bestmöglich ausgeschöpft werden können.
Die vorliegende Ausarbeitung stellt eine umfangreiche Zusammenführung der theoretischen Grundlagen von Auktionen sowie eine Überführung der daraus gewonnenen Erkenntnisse in den betriebspraktischen Kontext dar. Je nach Grad der notwendigen Kooperation mit dem Lieferanten, der Anzahl fähiger Lieferanten, der Gefahr von Kollusionen, dem Interesse und der zeitlichen Abfolge von Vergabepaketen sowie der vorliegenden Angebotsspreizung versprechen jeweils unterschiedliche Auktionsformen ein bestmögliches zu erwartendes Auktionsergebnis. Neben einer Assistenz bei der zielgerichteten Auswahl geeigneter Auktionsformen in Form eines grafischen Leitfadens präsentiert die vorliegende Ausarbeitung zusätzlich Empfehlungen hinsichtlich verschiedener Gestaltungselemente wie die Form der Beendigung, die Nutzung von Reservations- und Eintrittspreisen, die optimale Höhe der Gebotsinkremente sowie der ideale Grad der Transparenz in Bezug auf die Identität der Bieter und der Gebote. Sofern sich die Einkäufer bei ihrer täglichen Arbeit an dem Leitfaden orientieren, die Empfehlungen und Spielregeln berücksichtigen und es den Unternehmen gelingt, interne Widerstände gegen die Einführung von Auktionen aufzulösen, ist von einem stark zunehmenden Einsatz von Auktionen in der professionellen Beschaffung auszugehen, um dem Wandel in der Automobilindustrie bestmöglich begegnen zu können.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Der klassische Einkaufsprozess und der Einfluss einer Einkaufsauktion
Abbildung 2: Kostenentwicklung durch den Einsatz von Auktionen
Abbildung 3: Portfoliokonzept nach Kraljic
Abbildung 4: Wirtschaftlichkeitsbereich von Gießverfahren
Abbildung 5: Darstellung des Druckgussprozesses
Abbildung 6: Beispielhafte Nutzenfunktion eines risikoaversen Bieters
Abbildung 7: Beispielhafte Funktionen des erwarteten Nutzens eines risikoaversen und risikofreudigen Bieters
Abbildung 8: EmpfohlenerTransparenzgrad einer Englischen Auktion
Abbildung 9: Mögliche Ausgangsszenarien im Falle von Gebotsinkrementen
Abbildung 10: Preis-Mengen-Bildung simultaner Auktionen
Abbildung 11: Preis-Mengen-Bildung sequenzieller Auktionen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Kategorien von Auktionsformen
Tabelle 2: Kategorisierung einfacher Auktionen
1. DerEinkauf-TrägerdesWandels
Die Automobilindustrie erlebt aktuell einen tiefgreifenden Wandel und steht vor der Herausforderung sich anders oder gänzlich neu aufstellen zu müssen, um die Gesellschaftsanforderungen hinsichtlich Mobilität vollends erfüllen zu können. Viele Unternehmen haben die Trends, welche durch die Schlagwörter automatisiertes Fahren, Elektromobilität, Digitalisierung und Mobilitätsdienstleistungen beschrieben werden, längst erkannt und stellen sich entsprechend breiterodersogargänzlich neu auf. Mag dieser Wandel als disruptiv und möglicherweise als der weitreichendste der Branche seit jeher wahrgenommen werden, so kündigten sich viele tiefgreifende Veränderungen bereits vor der Jahrtausendwende an: Kürzer werdende Produktlebenszyklen sowie wachsender Preis- und steigender Wettbewerbsdruck einhergehend mit einer verstärkten Fokussierung auf die eigenen Kernkompetenzen rückten die Bedeutung des Einkaufs in den Mittelpunkt. Vor allem mit letzterer Entwicklung ging eine vermehrte Verlagerung von Leistungsumfängen auf die Zulieferer einher, wodurch der Verantwortungsbereich des Einkaufs auf über 70 %‘ des Wertschöpfungsanteils anwuchs und damit seinen Einfluss auf den Unternehmenserfolg verstärkte.1 2 Folglich entwickelte sich der Einkäufervon einem reinen Bestellabwickler hin zum aktiven Unternehmensgestalter3, was einer deutlichen Veränderung des Anforderungsprofils mit sich brachte.4
Besonders heute, im Angesicht des Wandels und der vorherrschenden Unsicherheit, kommt der Flexibilität eine besondere Bedeutung zu. Die Industrie muss schnell auf die sich verändernden Rahmenbedingungen reagieren, was zwangsläufig zu einer weiteren Einbindung verschiedenster, auch fremdartiger, Lieferanten führt. Der Einkauf wird in dieser Welt infolgedessen weiter an Bedeutung gewinnen und die erhöhte Komplexität managen müssen.5 Gleichwohl bleibt die Kernaufgabe des Einkaufs unangetastet - die Versorgung des Unternehmens mit den richtigen Gütern, zur richtigen Zeit, in der richtigen Menge, in der richtigen Qualität, am richtigen Ort, zum bestmöglichen Preis.6 Um all den Anforderungen gerecht werden und seine Potenziale voll ausschöpfen zu können, muss der moderne Einkauf Strategien und Werkzeuge zur Reduzierung der Materialkosten sowie Effizienzsteigerung der prozessualen Abläufe entwickeln.7 Ziel muss es dabei stets sein, mit akzeptablem Aufwand einen Einstandspreis zu erzielen, der mit den Grenzkosten des Lieferantenmarkts konvergiert.
Ein wichtiges Instrument zur Erreichung dieses Ziels stellt im Rahmen des strategischen Beschaffungsprozesses die Auktion zur Lieferantenauswahl dar. Während diese um die Jahrtausendwende ihre Hochkonjunktur erfuhr und sowohl von der Wissenschaft wie auch von der Praxis in allem Übermaß gelobt wurde, ist seitdem die Anzahl der Veröffentlichung stark zurückgegangen.8 Auch in der Praxis nahm das Interesse nach Ausbleiben des Erfolgs - begründet durch einen zu euphorischen und unüberlegten Einsatz - ab.9 Gleichwohl hat die Auktion ihre Daseinsberechtigung und kann bei richtiger Anwendung die strategische Entscheidung zur Auswahl des richtigen Lieferanten positiv unterstützen. Die vorliegende Arbeit hat den Anspruch, die Frage nach der richtigen Anwendung und Gestaltung von Beschaffungsauktionen zu beantworten und damit Unternehmen und Einkäufern, die Auktionen zu etablieren versuchen, dahingehend zu unterstützen. Dabei werden nach einer Eingrenzung des Betrachtungsfelds verschiedene Auktionen und Parameter theoretisch analysiert und schließlich in praxisorientierte Handlungsempfehlungen überführt. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein Leitfaden, der als leicht verständliche Entscheidungsgrundlage die Anwendbarkeit und das Design einer Auktion definiert, um ein optimales Resultat zu erzielen und damit den strategischen Einkäufer beim Sourcing-Prozess zielführend anzuleiten. Aus Komplexitätsgründen beschränkt sich die vorliegende Untersuchung zunächst auf die Gütergruppe der Aluminiumdruckgussbauteile in der Automobilindustrie. Eine mögliche Übertragbarkeit auf andere Gütergruppen ist separat zu prüfen. An dieser Stelle ist weiterhin anzumerken, dass die Befolgung des Leitfadens das aus theoretischer Sicht bestmögliche zu erwartende Ergebnis verspricht, jedoch keine Garantie für den tatsächlichen Erfolg und keine Einhaltung der Zielvorgaben darstellen kann.
2. Betrachtungsfeld
2.1 Auktionen in der Beschaffung
2.1.1 Auktion - ein neues altbekanntes Instrument?
Bei einer Auktion handelt es sich um ein dynamisches Preisbildungsverfahren10, dessen prinzipielle Funktionsweise den meisten seit dem Erfolgskurs der elektronischen Auktionsplattform eBay bekannt sein dürfte. Doch der Ursprung der Auktion ist deutlich vor dem Internetzeitalter zu datieren, schließlich gehört sie zu den ältesten Transaktionsmechanismen überhaupt. Laut Überlieferungen wurden Auktionen bereits in Babylon 500 v. Chr. auf Heiratsmärkten durchgeführt, um heiratsfähige Frauen „an den Mann zu bringen". Die attraktivsten Frauen erzielten auf diesen Märkten die höchsten Gebote und wurden somit an den Meistbietenden und damit zukünftigen Ehemann verkauft.11 Auch in der römischen Geschichtsschreibung ist häufig von Auktionen die Rede, in denen Beute von Feldzügen und Sklaven durch einzelne Legionäre versteigert wurden. Die bekannteste Überlieferung behandelt die Versteigerung des gesamten Römischen Reichs im 2. Jhd. n. Chr. an Didius Juliannus.12
Auktionen sind folglich keine Erfindung der Neuzeit und beschränken sich zudem weder auf den privaten Handel noch auf die Darbietung von seltenen Kunstgegenständen oder Antiquitäten. Tatsächlich hat die Auktion jedoch erst durch die Verbreitung des Internets in den 90er Jahren einen festen Platz auf der Agenda der betriebswirtschaftlichen Forschung erhalten - mit einem Unterschied zu den bisher erwähnten, traditionellen Auktionsformen:13 Im Beschaffungswesen initiiert der Käufer die Auktion für einen spezifizierten Bedarf und qualifizierte Lieferanten unterbieten sich gegenseitig, um den Beschaffungsauftrag zu gewinnen. Dies bedeutet, dass im Gegensatz zur klassischen Verkaufsauktion nicht das Angebot den ersten Schritt darstellt, sondern die Formulierung eines Bedarfs.14 Auf Grund dieser umgekehrten Funktionsweise wird die Einkaufsauktion häufig auch als reverse Auktion bezeichnet und kann trotz des weit zurückliegenden Ursprungs der traditionellen Auktion als neues Instrument in der Beschaffung bezeichnet werden. Laut des letzten Barometers des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), der in Zusammenarbeit mit der Universität Würzburg und der Hochschule Leipzig Anfang 2018 durchgeführt wurde, setzen bereits 53 % der befragten Unternehmen Auktionen im Beschaffungsprozess ein.15 Bei einer ähnlichen Befragung des BME aus dem Jahr 2006 lag der Wert noch bei 44 %.16 Vor allem Großunternehmen (>2.000 Mitarbeiter) nutzen diese mit 67 %, heute meist mit Hilfe von elektronisch unterstützten Tools, vermehrt.17 Dies unterstreicht, dass Auktionen mittlerweile einen festen Platz im Werkzeugkasten des modernen Einkäufers gefunden haben und ein zielgerichteter, routinierter Einsatz zwingend erforderlich ist.
In den nachfolgenden Ausführungen der vorliegenden Ausarbeitung bezieht sich der Begriff Auktion ausschließlich auf Einkaufsauktionen. Eine inhaltliche Übertragung auf Verkaufsauktionen ist separat zu prüfen.
2.1.2 Auktion - prozessuale Einordnung
Um nachfolgend die Beweggründe von Unternehmen, Auktionen im Beschaffungsprozess einzusetzen, und damit die Vorteile dieses Werkzeugs nachvollziehbar zu machen, findet im Folgenden zunächst eine prozessuale Einordnung in den Sourcing- Prozess statt. Dieser Geschäftsprozess verkörpert die jeweilige Einkaufsstrategie des Unternehmens mit einer klar strukturierten Vorgehensweise und verfolgt das Ziel, die Bezugsquelle wie auch die -bedingungen zukünftiger Bedarfe unter Berücksichtigung der Gesamtkosten auszuwählen.18
Häufig wird je nach Organisationsaufbau die Verantwortung einzelner Beschaffungsschritte zwischen dem strategischen, dem operativen sowie dem Projekteinkauf aufgeteilt. Dabei übernimmt der Stratege häufig vorgelagerte Tätigkeiten wie die Bestimmung der Lieferanten- und Warengruppenstrategie und definiert damit die Rahmenbedingungen für den operativen Einkauf, der auf diese Konditionen zurückgreift und die Bestellvorgänge routiniert abwickelt. Der Projekteinkauf koordiniert dabei alle Einkaufsaktivitäten in Bezug auf das jeweilige Projekt.19 Die genauen prozessualen Übergänge können jedoch je nach Unternehmen unterschiedlich ausgestaltet sein und sind maßgeblich von der jeweiligen Aufbauorganisation abhängig. Der übergeordnete Beschaffungsprozess hingegen bleibt unabhängig davon, ob der Einkauf zentral, dezentral oder als kombinierter Ansatz in Form eines Lead-Buyer-Konzepts aufgestellt ist, unberührt. Daher kann der im Folgenden vorgestellte klassische Einkaufsprozess als allgemeingültiger Prozess verstanden und damit die Einordnung der Einkaufsauktion vorgenommen werden (Abbildung 1).
Abbildung 1: Der klassische Einkaufsprozess und der Einfluss einer Einkaufsauktion
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: in Anlehnung an Krampf 2012, S. 7, mit eigenen Erweiterungen und Anpassungen.
Im Ersten Schritt findet die Bedarfsermittlung statt, welche bei Serienprodukten vorzugsweise deterministisch bestimmt wird und damit die benötigten Einsatzfaktoren für die Produktion bestimmt. Basis dieser Berechnung ist der Primärbedarf, welcher auf den geplanten Verkaufszahlen des Endprodukts beruht und über den Vertrieb in die Organisation einfließt. Mit Hilfe von Stücklisten findet eine Auflösung in den Sekundärbedarf statt, welcher die Einzelteile für das Endprodukt umfasst. Für den Einkauf sind hierbei lediglich die Zukaufsteile von Bedeutung.20 Der Bruttobedarf, der sich aus dem Sekundärbedarf und eventuellen Zusatzbedarfen errechnet und somit einen Gesamtbedarf darstellt, muss in Zusammenarbeit mit dem Bedarfsträger hinsichtlich der Qualität und Funktion eindeutig charakterisiert werden,21 damit dann, unter Berücksichtigung vorhandener Bestände, verbindliche Angebote eingeholt werden können.22 Unter bestimmten Umständen ist direkt im Anschluss oder auch erst später im Sourcing-Prozess, wenn alle Lieferantenangebote vorliegen, eine Make-or-Buy-Entscheidung zu treffen. Diese ist unter Berücksichtigung der vorhandenen Kapazität sowie Kompetenz durchzuführen.23 Häufig kann dieser Prozessschritt aber durch eine fortwährende Strategieplanung übergangen werden. Im nächsten Teilprozess wird im Falle einer Buy-Entscheidung der zuvor definierte Bedarf an bestimmte Lieferanten übermittelt. Die Pflege des Lieferantenpools und die Festlegung der Bieterliste wird dabei ebenfalls durch die Strategieplanung begleitend durchgeführt. Um die Angebote der potenziellen Lieferanten bewerten und vergleichen zu können, ist es unabdingbar die Anfrage präzise zu formulieren. Neben einer eindeutigen Spezifikation inklusive der technischen Zeichnungen sind daher auch klare Volumenszenarien, angestrebte Projektmeilensteine sowie die zu Grunde gelegten Einkaufsbedingungen zu determinieren und an die Lieferanten zu übermitteln.24 Nachdem die angefragten Lieferanten ihre Rückmeldung in Form eines verbindlichen Angebots abgegeben haben, sind diese zunächst formal zu prüfen, um die Konformität von Anfrage und Angebot zu gewährleisten. Sind keine Abweichungen festzustellen, findet ein umfassender Angebotsvergleich statt. Neben dem Einstandspreis fließen auch Aspekte wie Lieferzeit, Vorlaufzeit, Kapazität, Standort und Versorgungsrisiko in die Bewertung mit ein.25 In diesem Prozessschritt finden in der Regel in Zusammenarbeit mit der Entwicklung und dem Qualitätsmanagement technische Reviews statt, um die Umsetzbarkeit des jeweiligen Lieferantenvorschlags umfassend zu prüfen. Erst durch die Freigabe aller Stakeholder findet das Lieferantenangebot im nächsten Hauptprozessschritt, der Vergabeverhandlung, Berücksichtigung.
Die Vergabeverhandlung mit dem Zulieferer stellt die Kernaufgabe des Einkäufers dar und ist der wesentliche Bestandteil des gesamten Sourcing-Prozesses,26 welcher oftmals sehr zeit- und arbeitsintensiv ist. So können aufwendige Verhandlungen sogar Monate in Anspruch nehmen bevor Einsparungen tatsächlich realisiert bzw. Ergebnisse erzielt werden.27 Hierfür ist eine ausgiebige Vorbereitung essenziell, um das bestmögliche Ergebnis für das Unternehmen zu erreichen. Zu dieser zählen die Analyse der Ausgangsposition, der Verhandlungsstrategie, der Potenziale und Risiken, des Handlungsspielraums sowie die Erarbeitung verschiedener Lösungsalternativen. In der Praxis wird die Vorbereitung auf Grund von Zeitmangel und Unwissenheit jedoch vielfach vernachlässigt,28 obwohl bis zu 80 % des zukünftigen Verhandlungserfolgs darauf fußen. Ebenfalls ist eine gründliche Nachbereitung im Anschluss an die Verhandlung ratsam, um daraus resultierende Lerneffekte bei bevorstehenden Verhandlungen einfließen zu lassen. Der Beschaffungsprozess wird durch die Auftragsvergabe an den wettbewerbsfähigsten Lieferanten und der Bestellschreibung abgeschlossen. Zukünftige Bedarfe werden im Falle eines Serienvertrags durch spätere Bestellabrufe getätigt.29
Zwar sind konventionelle Einkaufsverhandlungen das am weitest verbreitete Instrument zur Preisfindung, prinzipiell kann ein Vergabeumfang jedoch auch per Auktion verhandelt werden.30 Kongruent zum klassischen Einkaufsprozess muss beim Einsatz einer Auktion zuerst der Bedarf ermittelt und die Anfrage eindeutig spezifiziert werden. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der sehr sorgfältigen Spezifikationserstellung des zu auktionierenden Bedarfs, denn spätere Konkretisierungen oder Überarbeitungen, die beim klassischen Einkaufsprozess in der Verhandlungsphase noch einfließen können, sind während der Auktion nicht mehr möglich.31 Die beiden Prozessschritte Anfrage und Angebotsvergleich sind auch bei der Nutzung einer Auktion durchzuführen, um den Markt einschätzen, einzelne Lieferantenangebote auf technische Durchführbarkeit bewerten und vor allem das Auktionsdesign in der Verhandlungsvorbereitung planen zu können. Ist die Verhandlungsvorbereitung bei der konventionellen Verhandlung bereits ein wichtiger, aber oft vernachlässigterTeilprozessschritt, so ist dies bei der Nutzung einer Auktion unabdingbar. Im Rahmen der Vorbereitung wird nämlich das Design entwickelt, welches die Dynamik des Auktionsverlaufs und damit den Erfolg maßgeblich mitbestimmt. Zur Vorbereitung gehört ebenfalls ein umfangreiches Lieferanten-Briefing, sodass diese die Angebotsoptionen verstehen und damit eine Prozesstransparenz hergestellt wird.32 In der anschließenden Durchführungsphase geben die teilnehmenden Lieferanten ihre Gebote gleichzeitig ab und der Zuschlag kann sofort erfolgen. Aufwendige Verhandlungsmarathons gehören damit der Vergangenheit an. Eine anschließende, gründliche Nachbereitung stärkt das Marktwissen und Lerneffekte können in zukünftige Auktionsdesigns einfließen.33
Die Auktion ist demzufolge eine besondere Form einer optimal vorbereiteten Einkaufsverhandlung mit einer bestmöglichen Verhandlungsposition des Einkäufers, bei der die Bieter ihre Gebote nicht in sukzessiv geführten Einzelverhandlungen, sondern gleichzeitig in transparenter Weise abgeben. Es werden stets „Äpfel mit Äpfel" verglichen, wie es bei der konventionellen Verhandlung ebenso der Fall sein sollte.34 Der Einsatz einer Auktion verändert den klassischen Beschaffungsprozess daher auch nur bedingt. Deren Einsatz erzwingt allerdings eine stringente Einhaltung der einzelnen Prozessschritte, wodurch sich die Prozessdisziplin als Ganzes verbessert.35 Eine Aufweichung des Beschaffungsprozesses mit einhergehender Verlagerung vieler Tätigkeiten bis kurz vor die Vergabeentscheidung auf Grund von anfänglichen Versäumnissen wird daher unterbunden.
2.1.3 Auktion - eine effektive Form der Verhandlung?
Abgesehen von der Steigerung der Prozessdisziplin liegt der primäre Beweggrund, sich Auktionen in der Beschaffung zu Nutze zu machen, bei der Minimierung der Einstandspreise.36 Durch die dynamische Preisbildung wird, verglichen mit der konventionellen Verhandlung, ein deutlich größerer Preisdruck auf die Lieferanten ausgeübt, da die Bieter unmittelbar auf die Gegengebote zu reagieren haben.37 Keine Verhandlungsstrategie kann den Bieterglaubhaftervon seiner fehlenden Wettbewerbsfähigkeit überzeugen als wenn er es selbst sieht. Der Erfolg dieser Intensivierung des Wettbewerbs spiegelt durchschnittlich realisierte Preissenkungen in Höhe von 10-20 % wider.38 Darüber hinaus haben Auktionen im Vergleich zu klassischen Verhandlungen den Vorteil, dass der Auktionator durch die Festlegung des Auktionsdesigns seine Verhandlungsmacht stärkt. So zeigten Versuchsreihen, dass sich die Preise stets zum Nachteil des Preisinitiators entwickeln, dessen Position bei einer typischen Einkaufsauktion die bietenden Lieferanten einnehmen. Diejenige Partei, die kein eigenes Angebot abzugeben hat, erzielt ein besseres Ergebnis.39 Als positiver Nebeneffekt erhöhen Auktionen zusätzlich die interne Transparenz, da sich durch die einfache Dokumentation des Auktionsverlaufs die Vergabeentscheidung belegen lässt.
Eine Hauptproblematik der klassischen Verhandlung liegt darin, dass beide Seiten unvollständige Informationen besitzen. So kennt der Einkäufer nicht den Mindestpreis des Lieferanten und dieser wiederum kennt nicht die Zahlungsbereitschaft des Einkäufers. Dadurch besteht die Gefahr, getrieben durch übermäßige Forderungen beider Seiten, dass keine Einigung erzielt wird. Dies kann von großen Verzögerungen durch mehrfach wiederholte Verhandlungen bis hin zum kompletten Verhandlungsabbruch führen. Hinzukommend hat der Einkäufer innerhalb des Beschaffungsprozesses ähnliche Verhandlungen mit mehreren Lieferanten sequenziell durchzuführen, was einen enormen Zeiteinsatz erfordert. Eine Auktion hingegen parallelisiert diese Verhandlungsrunden und forciert bei einem durchdachten Design ein Verhandlungsergebnis.40 Dies kann zu einer Verkürzung des gesamten Beschaffungsprozesses um bis zu 50 % führen.41 Neben der Senkung der Prozesskosten ermöglicht dies Zeitersparnis auch einen Zeitvorteil am Absatzmarkt,42 was besonders bei den kürzer werdenden Produktlebenszyklen von Vorteil ist. Durch die gewonnene Zeit kann der Einkäufer mehr Beschaffungsvorgänge abwickeln oder diese Zeit in strategische Aufgaben erfolgsbringend investieren - die Produktivität steigt.43
Die Auktion verfolgt damit zwei Stoßrichtungen: die Einstandspreissenkung sowie die Prozesskostenreduktion durch eine Prozessstandardisierung und -beschleunigung. An dieser Stelle ist anzumerken, dass vor allem beim erstmaligen Einsatz von Auktionen, besonders bei elektronisch unterstützen Auktionen, Investitionen in Form von Schulungen oder Software anfallen, die zu höheren Kosten der Beschaffungsorganisation führen und damit den positiven Effekt der Einstandspreissenkungen schmälern. Werden Auktionen regelmäßig durchgeführt und gehören sie damit zum Standardrepertoire der Beschaffungsorganisation, sinken die Organisationskosten wieder auf ein Minimum. Gleichzeitig sinken aberauch mit zunehmender Nutzungsdauerdie Preissenkungseffekte während die Prozesskostensenkung auf Grund von Lerneffekten in den Vordergrund tritt.44 Die Entwicklungen der Kostenstruktur und des Preisniveaus durch den regelmäßigen Einsatz von Auktionen ist in Abbildung 2 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Damit lässt sich festhalten, dass die Auktion im Vergleich zur konventionellen Verhandlung effektiver bei der Durchsetzung günstiger Einkaufspreise und gleichzeitig effizienter in ihrer Durchführung ist. Die Auktion ist folglich eine sinnvolle Alternative zur konventionellen Verhandlung und sollte im Sourcing-Prozess einen festen Platz finden.
2.2 Auktion - eine warengruppenspezifische Eingrenzung
2.2.1 Auktionseignung im Rahmen des Strategischen Beschaffungsmanagements
Nachfolgend wird untersucht, ob die im Kapitel zuvor beschriebenen Potenziale einer Auktion bei allen Produkten gleichermaßen zu heben sind und die Nutzung für die Beschaffung von Aluminiumdruckgussteilen für die Automobilindustrie geeignet ist. Während viele Arbeiten Anfang der Jahrtausendwende lediglich indirektes Material mit Auktionen in Verbindung brachten, vorrangig auf Grund der unternehmensunspezifischen Produkte einhergehend mit hohem Wettbewerb zwischen den Lieferanten, wird an dieser Stelle davon ausgegangen, dass sich prinzipiell auch direktes Material zielführend über Auktionen beschaffen lässt. Hierfür wird, um allgemeingültige Aussagen treffen zu können, eine Grundkonzeption zur Beurteilung einer Auktionseignung benötigt. Einen systematischen Ansatz bietet das Portfoliokonzept von Peter Kraljic, in dem dieser Beschaffungsbedarfe hinsichtlich der Komplexität des Beschaffungsmarktes und der Relevanz für den Unternehmenserfolg klassifiziert. Für die daraus ableitbaren Produktkategorien lassen sich unterschiedliche Handlungsstrategien ableiten.45
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Portfoliokonzept nach Kraljic
Quelle: in Anlehnung an Kraljic 1983, S. lllf.
Strategische Produkte besitzen eine hohe Relevanz für den Unternehmenserfolg bei gleichzeitig schwieriger Versorgungssituation. Bei dieser Warengruppe ist es daher besonders wichtig ein gutes und langfristiges Verhältnis mit den Lieferanten aufzubauen, dieses aktiv zu pflegen und parallel nach weiteren Alternativlieferanten zu suchen. Gegebenenfalls bietet sich in Einzelfällen auch ein Wechsel hin zur Eigenfertigung an. Ziel muss es stets sein, das unternehmerische Risiko zu minimieren.46 Als Strategie wird eine vertikale Integration des Lieferanten in die Wertschöpfungsstruktur des eigenen Unternehmens empfohlen, was zu einer Single-Source-Strategie führt und hohe Wechselkosten mit sich bringt.47 Der Fokus der Auktion, die Minimierung der Prozesskosten sowie der Einstandspreise, rückt bei strategischen Produkten in den Hintergrund. Folglich lassen sich strategische Produkte auf Grund der Komplexität des Beschaffungsmarktes nur bedingt über Auktionen sourcen.48
Ein ähnliches Fazit lässt sich bei den Engpassprodukten ziehen: Die Relevanz für den Unternehmenserfolg ist auf Grund des geringen Einkaufvolumens gering und es besteht ein latentes Versorgungsrisiko. Eine Reduktion der Einstandspreise ist daher bei dieser Warengruppe von untergeordneter Bedeutung. Ziel muss es stets sein, Engpässe durch langfristige Lieferverträge und hohe Lagerbestände zu vermeiden.49 Der Einsatz von Auktionen ist folglich auch bei Engpassmaterial nicht zielführend.
Geringwertige Güter, d. h. Standardmaterial, verkörpern in der obigen Matrix die unkritischen Produkte und können den sogenannten C-Teilen gleichgesetzt werden. Es bestehen keine Versorgungsrisiken und das Einkaufsvolumen ist gering, wodurch sich Einstandspreisreduzierungen nur unwesentlich auf das Unternehmensergebnis auswirken. Daher liegt der Fokus dieser Warengruppe auf einer möglichst effizienten, standardisierten und damit kostengünstigen Abwicklung der Beschaffungsvorgänge.50 Folglich sind Auktionen mit der Zielsetzung Prozesskosten zu minimieren geeignet. Empfehlenswert ist eine automatisierte, elektronische Durchführung sowie die Nutzung weiterer e-Purchasing Tools, auf die an dieser Stelle aber nicht weiter eingegangen werden kann.
Schlüsselprodukte, häufig auch Hebelmaterial genannt, werden durch ein hohes Einkaufsvolumen bei gleichzeitig hoher Materialverfügbarkeit klassifiziert. Durch die Verfügbarkeit vieler potenzieller Lieferanten können bei dieser Warengruppe Einsparungen durch den Aufbau von Wettbewerb und die Ausnutzung der Verhandlungsmacht mit Hilfe von Auktionen besonders gut realisiert werden.51 Gleichzeitig sind die Einsparpotenziale auf Grund des hohen Warenwerts erheblich.52
Es lässt sich festhalten, dass für unkritische Produkte und besonders für Schlüsselprodukte die Auktion ein geeignetes Beschaffungsinstrument mit jeweils unterschiedlichen primären Zielsetzungen darstellt. Auktionen sind immer dann sinnvoll, wenn sich der Einkäufer in einer Marktsituation mit hinreichendem Wettbewerb befindet. Nichtsdestotrotz ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass nicht nur die Warengruppe, sondern auch die Größe des beschaffenden Unternehmens Einfluss auf die Anwendbarkeit von Auktionen hat. Schließlich sind große Auftraggeber für viele Lieferanten attraktiver und verfügen meistens eine besonders große Marktmacht. Aus diesem Grund lässt sich die Erkenntnis, der Einsatz einer Auktion eignet sich besonders bei Schlüsselprodukten, nicht verallgemeinern und muss immer unternehmensspezifisch untersucht werden.
2.2.2 Aluminiumdruckguss - warengruppenspezifische Zuordnung
Aluminiumguss ist ein relativ neuer und gleichzeitig fundamentaler Konstruktionswerkstoff für verschiedenste Anwendungen und es stellt sich die Frage wie sich Aluminiumgussbauteile in das Materialportfolio einordnen lassen (Abbildung 3) und inwiefern sie damit im Rahmen der Beschaffung für Auktionen geeignet sind.
Seit den 1960ern erfreut sich die Aluminiumgussindustrie über eine stetig wachsende Nachfrage für alle möglichen Anwendungsbereiche. Wurden anfangs noch 120.000 Tonnen Formguss weltweit hergestellt, waren es im Jahr 2012 bereits knapp sechsmal so viel - mittlerweile hauptsächlich aus recycelten Schrotten. Durch diese Recy- celbarkeit und damit Nachhaltigkeit wird der Aluminiumguss auch in den nächsten Jahren die erste Wahl für viele Bauteile bleiben. Daneben bestehen auch eine Reihe sehr wünschenswerter technischer Eigenschaften, wie eine geringe Dichte, ein hoher Korrosionswiderstand, eine hohe elektrische wie auch thermische Leitfähigkeit, eine geringe Versprödungsneigung sowie die Eignung für dekorative Oberflächen.53
Vor allem die Automobilindustrie ist mit einer Produktionsmenge von 70 % der Hauptabnehmer sämtlicher Aluminiumgussbauteile in Form von Motorblöcken, Ölwannen, Getriebekomponenten, Struktur- und Fahrwerksteilen, Kolben, Zylinderköpfen und mit wachsender Bedeutung von Gehäusen für elektronische Systeme.54 Durch die evolutionäre Entwicklung hin zum autonomen Fahren wird eine Vielzahl von Sensoren, Radar- und Lidarsystemen in modernen Fahrzeugen benötigt, deren Kühlung häufig ein physikalisches Problem darstellt. Auf Grund der guten Wärmeleitfähigkeit bei gleichzeitig kostengünstigen Fertigungsverfahren55 und geringem Gewicht wird hier vorwiegend Aluminiumdruckguss eingesetzt. Infolgedessen erfährt dieser Markt für Aluminiumdruckguss aktuell Wachstumsraten in Höhe von circa 30 % jährlich.
Reines Aluminium wird jedoch nur in seltensten Fällen eingesetzt, da die Festigkeitseigenschaften für viele Anwendungsbereiche unzureichend sind und die Gefahr einer starken Lunkerbildung56 beim Gießen große technische Anstrengungen mit sich bringt. Aus diesem Grund werden vorwiegend Legierungen eingesetzt, durch die das Aluminium erst seine hohe Bedeutung in der Automobilindustrie erlangen konnte. Bereits ein paar Prozent eines Legierungselements können die technischen Eigenschaften des finalen Bauteils enorm verbessern.57 Häufige Legierungselemente sind Silizium, Kupfer und Mangan, jedoch existieren noch und viele weitere, denn Aluminium kann mit beinahe allen Metallen legiert werden.58 Zum Zwecke der Standardisierung werden die wichtigsten Legierungen in der Europäischen Norm EN 1676 beschrieben.59
Für die Herstellung von Aluminiumgusslegierungen stehen heute verschiedene Gießverfahren zur Verfügung, die zwischen Techniken mit verlorenen Formen und Dauerformen untergliedert werden: Bei Ersterem muss für jedes herzustellende Bauteil mit Hilfe eines Modells eine eigene Form erstellt werden, die während des Herstellungsprozesses zwangsläufig zerstört wird. Als Form wird häufig tongebundener Formsand oder synthetisch gebundener Quarzsand verwendet. Zu diesen Verfahren zählen das Sandguss-, das Lost Foam-, das Feingieß- und ein paar Sonderverfahren. Auf Grund der geringen Bedeutung dieser kostenintensiven Herstellungsverfahren mit einem Gesamtproduktionsanteil von Aluminiumguss von lediglich 11 % in Deutschland, werden diese Verfahren im Folgenden nicht weiter betrachtet.60 Durch die relativ geringen Gießtemperaturen von Aluminiumguss zwischen 660°C und 800°C können die wirtschaftlich deutlich günstigeren Dauerformverfahren mit wenigen Einschränkungen eingesetzt werden. Diese gliedern sich in das Schleuder- und Stranggussverfahren sowie Kokillengieß- und Druckgussverfahren. Die ersten beiden spielen für die Formgießer eine untergeordnete Rolle, da sich hiermit lediglich rotationssymmetrische bzw. kontinuierliche Profile gießen lassen. Deutlich bedeutender sind daher der auf Schwerkraft oder Niederdruck basierende Kokillenguss mit einem Marktanteil von 35 % und der Druckguss mit einem Anteil von circa 53 %.61 Bei beiden Verfahren werden die Formen einmalig als Negativabdruck der erwünschten Bauteilgeometrie erstellt und können für die Herstellung vieler Bauteile verwendet werden. Der Herstellungsaufwand der Formen ist bei Dauerformverfahren deutlich höher als bei den Verfahren mit verlorenen Formen. Gleichzeitig ist aber die Zykluszeit besonders beim Druckgießverfahren deutlich geringer. Je nach Produktionsmenge ist daher zu entscheiden, welches Verfahren aus ökonomischen Gesichtspunkten vorzugsweise einzusetzen ist. Die folgende Abbildung teilt die Fertigungsverfahren hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit qualitativ ein.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Prinzipiell lassen sich mit allen Verfahren auch komplexere Geometrien mit Hilfe von Kernen herstellen. Jedoch steigen die Fertigungskosten mit der Komplexität beim Druckguss stark an, wodurch bei sehr komplexen Bauteilen auch bei höheren Produktionsmengen der Kokillenguss oder sogar Sandguss zielführender ist.
Da in der Automobilindustrie der Absatz von Druckgussbauteilen bei mehreren Zehntausend bis Millionen Teilen pro Jahr bei gleichzeitig geringer bis mittlere Komplexität liegt, findet das Druckgussverfahren die meiste Anwendung - insbesondere bei kleineren Gehäusen mit einem Gewicht von bis zu einem Kilogramm. Daher wird dieses Verfahren im Folgenden näher betrachtet.
Für die Herstellung von Druckgussbauteilen wird eine zweigeteilte Form aus Stahl benötigt (Abbildung 5 Schritt 1). Nach Schließen der Form wird die flüssige Aluminiumlegierung unter Druckbeaufschlagung in die Dauerform aus Stahl geschossen. Die An tu Schnittgeschwindigkeit des flüssigen Materials erreicht dabei 10 bis 80 — (Abbildung 5 Schritt 2). Die Schmelze kühlt in der Form unter Druck ab, bis sie schließlich erstarrt (Abbildung 5 Schritt 3). Auf Grund des Volumenverlusts beim Übergang vom flüssigen in den festen Zustand muss Material nachgespeist werden, damit es nicht zu einer unerwünschten Lunkerbildung kommt. Überläufe und Zwangsentlüftungen innerhalb der Form gewährleisten eine schnelle Ableitung von Gasen innerhalb des Formhohlraums und fördern einen störungsfreien Nachspeisprozess. Nach Abkühlung des Gussbauteils kann dieses nach Öffnung der Form entnommen werden (Abbildung 5 Schritt 4). Abschließend muss die Form mit Hilfe von Sprühköpfen gereinigt und mit Trennmitteln versehen werden, um eine gleichbleibend gute Oberflächenstruktur der Bauteile zu gewährleisten (Abbildung 5 Schritt 5). In einem weiteren Bearbeitungsschritt werden die Angüsse, die zur Formspeisung notwendig sind, abgeschlagen und das Bauteil gegebenenfalls nachgeschliffen.62
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: in Anlehnung an Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 37.
Durch den sehr hohen Druck während des Füll- sowie Erstarrprozesses können sehr dünnwandige Bauteile mit guter Oberflächenbeschaffenheit, hoher Maßgenauigkeit und feinem Gefüge hergestellt werden.63 Auch komplexere Geometrien können durch die Verwendung von Dauerkernen aus Eisen realisiert werden. Lediglich bei Geometrien mit Hinterschneidungen muss auf andere Gießverfahren wie das Kokillen- oder Sandgussverfahren ausgewichen werden.64
Die Automobilindustrie stellt immer höhere Anforderungen an Aluminiumgussbauteile hinsichtlich des Fertigungsprozesses, der Qualität sowie der technischen Eigenschaften bei gleichzeitig kürzer werdenden Entwicklungszeiten.65 Die Werkstoffpotenziale sind bestmöglich auszuschöpfen, um den gehobenen Ansprüchen der Kunden gerecht werden zu können. Gleichzeitig steigt der Aluminiumpreis auf dem Weltmarkt stetig an, wodurch letztendlich der relative Kostenanteil des Aluminiumgussbauteils an einem Gesamtmodul oder System erheblich ist. Folglich definieren maßgeblich die Kosten des Gussbauteils den Verkaufspreis des Endprodukts (z. B. eines Radarsystems zur Abstandsmessung), wodurch die Relevanz für den Unternehmenserfolg als hoch einzustufen ist. Gleichzeitig kann die Komplexität des Beschaffungsmarkts wegen der hohen Anzahl an Gießern je nach Bauteilkomplexität und Abnahmemenge als gering bis mittel eingestuft werden. Demzufolge handelt es sich bei Aluminiumdruckgussbauteilen um Schlüsselprodukte (Kapitel 2.2.1), bei denen Kosteneinsparungen wirkungsvoll zu realisieren sind. Auktionen sind daher im Rahmen des Sourcing-Prozesses für Aluminiumdruckgussbauteile prinzipiell geeignet.
3. Auktionen und Parameter
3.1 Auktionsformen
Nach der Frage der prinzipiellen Anwendbarkeit von Auktionen in Kapitel 2.2 wird im Folgenden die Form und Gestaltung eines fallabhängigen, optimalen Auktionsdesigns diskutiert. Hierbei wird bewusst nur die einfache Auktion betrachtet, bei der pro Auktion nur ein Gut vergeben wird. Die Vergabe mehrerer Beschaffungsaufträge im Rahmen einer einzelnen Auktion ist im Beschaffungsalltag, vor allem bei Schlüsselprodukten, eine Ausnahme und bedarf einer separaten Analyse.
In der Praxis gibt es mittlerweile vielfältige Formen von Auktionen, die sich durch eine Vielzahl von auktionstheoretischen Arbeiten herausgebildet haben. Fast alle haben gemein, dass sie einer der Standardauktionsformen entspringen, die sich nach den folgenden drei Kriterien einteilen lassen:
Tabelle 1: Kategorien von Auktionsformen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: in Anlehnung an Kräkel 1992, S. 13.
Folgende fünf Auktionsformen bilden die Gruppe der Standardauktionsformen: Englische Auktion, Japanische Auktion, Holländische Auktion, Erstpreisauktion und Vick- rey-Auktion.
Die Englische Auktion ist die älteste und wahrscheinlich bekannteste sowie meist verwendete Auktionsform überhaupt, bei der sich die teilnehmenden Lieferanten schrittweise in transparenter Form unterbieten, um einen zuvor eindeutig spezifizierten Auftrag zu gewinnen.66 Über die Zeit steigen einzelne Teilnehmer aus dem Transaktionsverfahren aus bis schließlich nur noch ein aktiver Bieter mit dem niedrigsten Gebot übrig bleibt und damit den verbindlichen Zuschlag gemäß seinem letzten Preisangebot67 oder einem festgelegten Schritt unterhalb des zweitbesten Gebots erhält. In der nachfolgenden Betrachtung wird davon ausgegangen, dass die Preisfindung der Englischen Auktion auf dem zweitbesten Gebot basiert.
Die Japanische Auktion (oder auch Ticker-Auktion) ist die Umkehrung der Englischen Auktion, bei der der Auktionator schrittweise den Plattformpreis senkt, welcher von den Lieferanten für die weitere Teilnahme zu bestätigen ist. Die Auktion ist beendet, wenn nur noch ein Lieferant den Plattformpreis bestätigt und damit den Zuschlag erhält.68
Die Holländische Auktion wird häufig bei der Versteigerung von Frischprodukten wie Blumen eingesetzt, da sich mit dieser Auktionsform eine Vielzahl von Geschäftsabwicklungen in kurzer Zeit realisieren lassen. Der Auktionator gibt einen geringen Startpreis vor, der sukzessiv ansteigt, bis der erste Lieferant den aktuellen Preis akzeptiert und damit den Zuschlag erhält.69 Bei dieser Auktionsform kann daher jeder Bieter nur ein einziges Angebot abgeben. Eine Reaktion auf Gegengebote ist nicht möglich.70
Bei der Erstpreisauktion (oder auch verdeckte Höchstpreisauktion) geben die Lieferanten nur ein einziges Preisangebot zu Beginn der Auktion verdeckt ab, wobei sie die Gebote der Mitbewerber nicht einsehen können. Der Lieferant mit dem niedrigsten Gebot erhält den Zuschlag zum angebotenen Kaufpreis. Eine Nachbesserung des ersten Angebots ist nicht möglich.71
Sehr ähnlich funktioniert die Vickrey-Auktion (oder auch Zweitpreisauktion), bei der die Bieter wie bei der Erstpreisauktion ein eimaliges, verdecktes, schriftliches Angebot abgeben und derjenige Bieter mit dem besten Gebot den Zuschlag erhält. Der einzige Unterschied zur Erstpreisauktion besteht bei der Preisbildung. Während bei der Erstpreisauktion der Kaufpreis durch das beste Gebot festgesetzt wird, definiert sich der Kaufpreis bei der Vickrey-Auktion durch das zweitbeste Gebot.72
Die fünf beschriebenen Standardauktionsformen lassen sich damit wie folgt kategorisieren.
[...]
1 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 39.
2 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 246.
3 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 245.
4 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 179.
5 vgl. Gabath 2011, S. 159f.
6 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. lf.
7 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 245.
8 vgl. Arnold 2012, S. 393.
9 vgl. Gabath 2011, S. 163.
10 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 195.
11 vgl. Herodotus übersetzt von Henry Cary 1899, S. 77.
12 vgl. Edward Gibbon 1776, ohne Seitenzahlen. Chapter 5 - Sale OfThe Empire To Didius Julianus.
13 vgl. Gabath 2011, S. 162.
14 vgl. Arnold 2012, S. 393.
15 vgl. Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky und Prof. Dr. Holger Müller 2018, S. 1/30.
16 vgl. Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky 2006, S. 2.
17 vgl. Prof. Dr. Ronald Bogaschewsky und Prof. Dr. Holger Müller 2018, S. 1/30.
18 vgl. Gabath 2011, S. 160.
19 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 3f.
20 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 40.
21 vgl. Gabath 2011, S. 160.
22 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 40.
23 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 15f.
24 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 40f.
25 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 41.
26 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 141.
27 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 151.
28 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 146.
29 vgl. Gabath 2011, S. 160.
30 vgl. Gabath 2011, S. 175.
31 vgl. Arnold 2012, S. 394.
32 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 98f.
33 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 98ff.
34 vgl. Gabath 2011, S. 175.
35 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 103.
36 vgl. Arnold 2012, S. 394.
37 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 195.
38 vgl. Arnold 2012, S. 394.
39 vgl. Smith 1974, S. 16.
40 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 201.
41 vgl. Smeltzer und Carr 2003, S. 483.
42 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 92.
43 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 196.
44 vgl. Arnold 2012, S. 395f.
45 vgl. Kraljic 1983, S. lllf.
46 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 41.
47 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 87.
48 vgl. Beall 2003, S. 31.
49 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 204.
50 vgl. Elektronische Beschaffung 2007, S. 86.
51 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 204.
52 vgl. Weigel und Rücker 2015, S. 201.
53 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 17.
54 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 17/28.
55 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 28.
56 Als Lunker werden in der Metallurgie unerwünschte Hohlräume in erstarrten Gussbauteilen bezeichnet. Sie entstehend durch die Volumenabnahme des Aluminiums beim Phasenübergang von flüssig nach fest.
57 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 109.
58 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 109.
59 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 17.
60 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 28f.
61 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 28.
62 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 36ff.
63 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 36.
64 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 39.
65 vgl. Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie 2013, S. 201.
66 vgl. Stoll 2008, S. 68.
67 vgl. Kräkel 1992,S. 13.
68 vgl. Shoham und Leyton-Brown 2008, S. 330.
69 vgl. Stoll 2008, S. 68.
70 vgl. Kräkel 1992,S. 14.
71 vgl. Shoham und Leyton-Brown 2008, S. 331.
72 vgl. Kräkel 1992,S. 14.
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