Sättigungserscheinungen auf dem heimischen Markt, immer kürzere Produktlebenszyklen, die stagnierende Konjunktur am Heimatmarkt oder Kostenvorteile in anderen Märkten sind nur einige Gründe, warum auch immer mehr mittelständische Unternehmen über eine Expansion ins Ausland nachdenken. Hierbei werden den mittelständischen Unternehmen durch die Öffnung der ost- und zentraleuropäischen Märkte neue Chancen geboten. Vor diesem Hintergrund wird in der Arbeit der Frage nachgegangen, wie mittelständische Unternehmen am besten die Märkte der Transformationsländer in Ost- und Zentraleuropa erschließen sollen, um Chancen zu nutzen und unnötige Risiken zu vermeiden. Im Prinzip liegt es auf der Hand, dass die Erschließung von ausländischen Märkten bei mittelständischen Unternehmen – aufgrund vergleichsweise geringer finanzieller, know-how-bezogener und managementbezogener Ressourcen – anders aussehen muss als bei Großunternehmen. Hauptaspekt der vorliegenden Arbeit ist es daher, eine für mittelständische Unter-nehmen geeignete Form der Markterschließung zu finden. Vorab lässt sich hierzu jedoch gleich sagen, dass keine Form der Auslandsmarkterschließung existiert, die uneingeschränkt und situationsübergreifend als überlegen für sämtliche mittelständische Unternehmen bezeichnet werden könnte. Vielmehr ist die optimale Form zur Erschließung der ost- und zentraleuropäischen Märkte von der konkreten Situation des markterschließenden Unternehmens und dem gewählten Zielmarkt abhängig.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung der Arbeit
1.3 Aufbau der Arbeit
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Relevante Besonderheiten des Internationalen Markteintritts
2.2 Begriff und Ziele der Auslandsmarkterschließung
2.3 Hemmnisse der Auslandsmarkterschließung
2.4 Formen und Strategien der Auslandsmarkterschließung
3. Planung der Markterschließung am Beispiel eines mittelständischen Unternehmens im Bereich Sondermaschinenbau
3.1 Das Unternehmen
3.2 Markterschließungsrelevante Besonderheiten von mittelständischen Unternehmen
3.3 Notwendige Analysen zur Beurteilung der geeigneten Form der Markterschließung
3.3.1 Analyse der internen Unternehmenssituation
3.3.2 Markt- und Umfeldanalysen
3.3.3 SWOT-Analyse
3.4 Fazit
4. Wahl einer geeigneten Form der Markterschließung - Fokus Zentral- und Osteuropa
4.1 Chancen und Risiken der Märkte Zentral- und Osteuropas
4.2 Einflussfaktoren auf die Wahl der Markterschließungsform
4.3 Nutzen einer kooperativen Markterschließung im Vergleich zu einer nicht-kooperativen Markterschließung
4.4 Identifizierung einer geeigneten Form der Markterschließung
5. Zusammenfassung und Fazit
6. Literaturverzeichnis
Abstract
Sättigungserscheinungen auf dem heimischen Markt, immer kürzere Produktlebenszyklen, die stagnierende Konjunktur am Heimatmarkt oder Kostenvorteile in anderen Märkten sind nur einige Gründe, warum auch immer mehr mittelständische Unternehmen über eine Expansion ins Ausland nachdenken. Hierbei werden den mittelständischen Unternehmen durch die Öffnung der ost- und zentraleuropäischen Märkte neue Chancen geboten. Vor diesem Hintergrund wird in der Arbeit der Frage nachgegangen, wie mittelständische Unternehmen am besten die Märkte der Transformationsländer in Ost- und Zentraleuropa erschließen sollen, um Chancen zu nutzen und unnötige Risiken zu vermeiden. Im Prinzip liegt es auf der Hand, dass die Erschließung von ausländischen Märkten bei mittelständischen Unternehmen - aufgrund vergleichsweise geringer finanzieller, know-how-bezogener und managementbezogener Ressourcen - anders aussehen muss als bei Großunternehmen. Hauptaspekt der vorliegenden Arbeit ist es daher, eine für mittelständische Unternehmen geeignete Form der Markterschließung zu finden. Vorab lässt sich hierzu jedoch gleich sagen, dass keine Form der Auslandsmarkterschließung existiert, die uneingeschränkt und situationsübergreifend als überlegen für sämtliche mittelständische Unternehmen bezeichnet werden könnte. Vielmehr ist die optimale Form zur Erschließung der ost- und zentraleuropäischen Märkte von der konkreten Situation des markterschließenden Unternehmens und dem gewählten Zielmarkt abhängig.
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 : Anteile des Auslandsumsatzes der Unternehmen in einigen Branchen (Quelle: Wambach, 2005, S. 2)
Abb. 2: Entwicklung der weltweiten Exporte seit 1950 (Quelle: Backhaus/Büschken/ Voeth, 2003, S. 26)
Abb. 3: Volkswirtschaftliche Vorteile der Globalisierung (Quelle: Weltbank 2001, zitiert nach Backhaus, K./Büschken,j./Voeth, M., 2003, S. 28)
Abb. 4: Internationalisierungszwänge und -anreize (Quelle: in Anlehnung an Backes-Gellner/Huhn, 2000, S. 185)
Abb. 5: Verkürzte Produktlebenszeiten als wichtiger Grund für eine Internationalisierung (Quelle: Fu, 2005, S. 125)
Abb. 6: Ziele der Auslandsmarkterschließung (Quelle: Mann, 1998, S. 228)
Abb. 7: EU-Erweiterung als Chance für international tätige Mittelständler
(Quelle: Wambach, 2005, S. 2)
Abb. 8: Internationalisierungshemmnisse der mittelständischen Unternehmen (Quelle: Markt und Mittelstand, 1999, zitiert nach Gutmann, 2000, S. 18)
Abb. 9: Formen des internationalen Markteintritts (Quelle: Kutscher/Schmidt, 2002, S. 890)
Abb. 10: Rangliste der Empfängerländer von ausländischen Investitionen in den Transformationsländern in Ost- und Mitteleuropa (Quelle: Bank Austria 2006)
Abb. 11: Wasserfallstrategie (Quelle: Backhaus/Büschken/Voeth, 2003, S. 164)
Abb. 12: Sprinklerstrategie (Quelle: Backhaus/Büschken/Voeth, 2003, S. 173)
Abb. 13: Meilensteine in der Unternehmensgeschichte von UVA
Abb. 14: Holdingsstruktur der KMT Gruppe
Abb. 15: Definition von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) gemäß den Kriterien der europäischen Union (EU) (Quelle: EU, 2006)
Abb. 16: Für die Auslandsmarkterschließung relevante Stärken und Schwächen von mittelständischen Unternehmen
Abb. 17: Exemplarisches Stärken- und Schwächenprofil
Abb. 18: Faktoren zur Beurteilung von Auslandsmärkten (Quelle: in Anlehnung an Berndt/Fantapie-Altobelli/Sander, 2002, S. 24)
Abb. 19: Exemplarische SWOT-Matrix für die UVA International AB
Abb. 20: Durchgeführte Direktinvestitionen in verschiedenen Weltregionen (Quelle: Wambach, 2005, S. 3)
Abb. 21 : Transparency Korruptionsindex von 2005 (Quelle: www.transparency.de/ uploads/media/05-10-05_CPI_2005_PressKitFinal.pdf, Zugriff am 04.06.2006)
Abb. 22: Arbeitskosten in Zentral- und Osteuropa (Quelle: Wambach, 2005, S. 4)
Abb. 23: Nominale Steuerbelastung von Kapitalgesellschaften (Quelle: Wambach, 2005, S. 4)
Abb. 24: Bruttoinlandsprodukt ausgewählter Märkte in Zentral- und Osteuropa (Quelle: Bank Austria Creditanstalt, www.ba-ca.com)
Abb. 25: Übergeordnete Einflussfaktoren auf die Wahl der Markterschließungsform
Abb. 26: Vor- und Nachteile einer kooperativen Auslandsmarkterschließung am Beispiel eines JOINT Ventures (Quelle: in Anlehnung an FU, 2005, S. 142; Hentze/Kammel, 2000, S. 222)
Abb. 27: Grundlegende Markteintrittsformen und Ressourcenbeanspruchung (Quelle: in Anlehnung an Helm,1997, S. 49)
Abb. 28: Diagramm quantitative SWOT-Analyse (Quelle: Karner, Helmut F., 2006)
Abb. 29: Scoring-Tabelle zum Diagramm der quantitativen Swot-Analyse in Abb. 28 (Quelle: Karner, Helmut F., 2006)
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Seit den 80er Jahren ist eine kontinuierliche Globalisierung der Märkte zu beobachten: Die weltwirtschaftlichen Verflechtungen der verschiedenen nationalen Volkswirtschaften sowie die grenzüberschreitenden Geschäftstätigkeiten von Unternehmen nehmen seit diesem Zeitpunkt signifikant zu.1 Dieser Trend zur Globalisierung hat sich durch die Bildung (und Erweiterung) eines gemeinsamen EU-Binnenmarktes, neue dynamische Wachstumszentren im asiatisch-pazifischen Raum (zum Beispiel in China, Vietnam, Indien, Indonesien, Thailand, Malaysia) sowie der marktwirtschaftlichen Öffnung der ehemaligen Ostblockstaaten in den 90er Jahren noch verstärkt und setzt sich auch aktuell unvermindert oder gar verstärkt fort. So ist das Wort „Globalisierung“ aus den aktuellen Nachrichten kaum noch wegzudenken. Fast die Hälfte des Umsatzes der deutschen Industrie wird inzwischen im Ausland erwirtschaftet. Umgekehrt werden die Inlandsmärkte zu über 40 Prozent von ausländischen Unternehmen bedient.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Anteile des Auslandsumsatzes der Unternehmen in einigen Branchen (Quelle: Wambach, 2005, Sì 2)
Wie hoch die Anteile des Auslandsumsatzes der Unternehmen in einigen Branchen bereits sind, zeigt die Abbildung 1. So macht der Anteil des Auslandsumsatzes am Gesamtumsatz beispielsweise bei Autos und Motoren bereits 66,3 Prozent aus, im Luft- und Raumfahrzeugbau 60,8 Prozent; auch beim Schiffbau, bei der Radio-, TV- und Nachrichtentechnik, in der Chemiebranche sowie im Maschinenbau liegt der Auslandsanteil über 50 Prozent. Demgegenüber ist im Bereich des Ernährungsgewerbes (13,3 Prozent) sowie in der Möbel- (10 Prozent), Glas- und Keramikindustrie (23,5 Prozent) der Auslandsanteil noch recht niedrig, so dass in diesen Branchen durchaus noch hohes Internationalisierungspotenzial steckt.
Unternehmen nutzen nicht nur die Absatzpotenziale in neu erschlossenen ausländischen Märkten, sondern versuchen auch mögliche Kostenvorteile durch eine Produktionsverlagerung ins kostengünstigere Ausland zu realisieren.2 Mit anderen Worten lässt sich somit sagen, dass neben der Internationalisierung der Absatzmärkte gleichzeitig die Internationalisierung in der Produktion deutlich zugenommen hat. Insbesondere arbeitsintensive Teilproduktionsschritte werden zunehmend in Länder mit geringerem Lohnniveau, wie beispielsweise Südostasien oder Osteuropa, verlagert. Ein typisches Beispiel in diesem Zusammenhang ist die Bekanntgabe der Schließung des AEG-Werkes in Deutschland und die Verlagerung der Produktion nach Polen, wo die Lohnkosten um ein Vielfaches geringer sind als in Deutschland. Weitere Beispiele für die Verlagerung von Produktionsstätten in Länder mit günstigeren Kostenstrukturen lassen sich fast täglich den Wirtschaftsteilen der entsprechenden Tageszeitungen entnehmen. Dabei ist die Geschwindigkeit der Globalisierung heutzutage deutlich höher als noch vor 20 bis 30 Jahren.
Noch nie in der Geschichte der Menschheit spielte die geographische Distanz in der Wirtschaft eine geringere Rolle, war die internationale Arbeitsteilung so hoch und die verschiedenen nationalen Wirtschaftssysteme so stark miteinander verflochten wie zum aktuellen Zeitpunkt. „Alles kann an jedem beliebigen Ort der Erde produziert und überall verkauft“ werden, so lautet die zwar vereinfachte aber dennoch anschauliche These des US-Ökonomen Lester Thurow zur Globalisierung der Märkte.3 Dass diese These stimmt oder zumindest nicht gänzlich falsch ist, legt die Abbildung 2 nahe, die die rasante Entwicklung der weltweiten Exporte seit dem Jahre 1950 bis in die Gegenwart verdeutlicht. Demnach haben sich die weltweiten Exporte in den letzten 50 Jahren mehr als verzwanzigfacht, wobei gerade in den letzten Jahren nochmals ein deutlicher Anstieg der Exporte zu verzeichnen ist. Auch in der aktuellen Situation ist kaum davon auszugehen, dass dieser Entwicklungstrend nach lässt. Vielmehr werden neue starke Volkswirtschaften wie China, Indien oder Russland dafür sorgen, dass die Zahl der Exporte weiterhin signifikant zunehmen werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Entwicklung der weltweiten Exporte seit 1950 (Quelle: Backhaus/Büschken/Voeth, 2003, S. 26)
Eine der zentralen und grundlegenden Problemstellungen bzw. Herausforderungen, mit denen Unternehmen bei der Internationalisierung ihrer Absatz- und Beschaffungsaktivitäten konfrontiert sind, ist die strategische Erschließung von (neuen) Auslandsmärkten. In der wissenschaftlichen Diskussion zu diesem Thema wurde in der Vergangenheit der Fokus primär auf die Problematik von Großunternehmen gelegt, da diese die Vorreiterrolle bei der Internationalisierung von Unternehmensleistungen spielten (in diesem Zusammenhang wird häufig auch von den sog. Global Playern gesprochen, die sich selbst als Weltkonzerne oder multinationale Konzerne betrachten).4 Erst neuere Untersuchungen haben sich speziell mit den Besonderheiten bei der Internationalisierung von mittelständischen Unternehmen auseinandergesetzt.5 Im Prinzip liegt es auf der Hand, dass die Umsetzung der Internationalisierungsstrate- gien bei mittelständischen Unternehmen - aufgrund vergleichsweise geringer finanzieller, know-how-bezogener und managementbezogener Ressourcen - anders aussehen muss als bei Großunternehmen.
Gründe für eine zunehmende internationale Ausrichtung mittelständischer Unternehmen sind unter anderem:6
- Sättigungserscheinungen auf dem nationalen Markt („der Heimatmarkt wird zu eng“),
- die stagnierende konjunkturelle Lage am Heimatmarkt,
- wachsender Kostendruck auf dem nationalen Markt,
- Abbau bestehender Handelshemmnisse und Deregulierung der Märkte (zum Beispiel entstehen im Zuge der EU-Erweiterung neue Chancen zur Internationalisierung),
- zunehmende internationale Konzentrations- und Kooperationsprozesse,
- internationale Ausrichtung der Kunden (und damit verbundenes „Client Following“), zum Beispiel durch die Bildung multinationaler Netzwerke,
- Internationalisierung der Konkurrenz und somit Wettbewerbszwänge,
- Entwicklungen in der Informations- und Kommunikationstechnologie, die zum Beispiel Direktverkäufe ins Ausland erleichtern oder eine kostengünstige Kommunikation zwischen verschiedenen Auslandsniederlassungen erst ermöglichen,
- Verkürzung von Produktlebenszyklen, die eine frühzeitige Einführung von neu entwickelten Produkten in möglichst vielen Märkten erforderlich machen, zumal der Eintritt in neue Märkte als Pionier7 in der Regel auch mit größeren Erfolgen verbunden ist.
Anders als Großunternehmen haben mittelständische Unternehmen in der Regel seltener die Gelegenheit, auf jahrzehntelange Erfahrung bei der internationalen Ausrichtung ihrer Marktaktivitäten zurückgreifen zu können. Und anders als Großunter nehmen können mittelständische Unternehmen fehlgeschlagene Auslandsengagements zumeist nicht durch Quersubventionierungen aus anderen Unternehmensbereichen ausgleichen oder erst jahrelang Verluste hinnehmen, in der Hoffnung, dass diese irgendwann in der Zukunft wieder ausgeglichen werden. Dennoch zeigen die oben dargestellten Gründe der Internationalisierung bzw. Notwendigkeiten für ein Engagement im Ausland, dass es heute auch für mittelständische Unternehmen keine ernsthafte Alternative sein kann und darf, sich der Erschließung von Auslandsmärkten dauerhaft zu verweigern. Darüber hinaus kann es nicht das Ziel von mittelständischen Unternehmen sein, den großen und multinationalen Unternehmen die Auslandsmärkte kampflos zu überlassen. Zumal viele mittelständische Unternehmen sich in Marktnischen am Heimatmarkt bestens etabliert haben und ihre entsprechend spezifischen Produkte häufig weltweit nachgefragt sind.
Auch in der Unternehmenspraxis von mittelständischen Betrieben ist diese Botschaft in der Zwischenzeit angekommen. So wollen - gemäß einer Erhebung des sog. Mittelstandsbarometers der deutschen Gesellschaft für Mittelstandsberatung (DMG) in Kooperation mit dem Institut für Handel und internationales Management der Universität des Saarlandes in Saarbrücken - die meisten mittelständischen Unternehmen ihren Auslandsanteil in Zukunft erheblich steigern. Bis zum Jahre 2020 wollen die befragten Unternehmen durchschnittlich 50 Prozent ihres Umsatzes im Ausland erzielen.8 Zum Zeitpunkt der Befragung lag der Auslandsanteil der betreffenden mittelständischen Unternehmen bei ca. 30 Prozent. Hierbei werden den mittelständischen Unternehmen durch die Öffnung der ost- und zentraleuropäischen Märkte (die entsprechenden Länder werden häufig auch Transformationsstaaten genannt) neue Chancen geboten, die es zu realisieren gilt. Deswegen steht der Markteintritt in diese Märkte im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit.
Dass die Globalisierung nicht nur aus betriebswirtschaftlicher, sondern auch aus volkswirtschaftlicher Sicht vorteilhaft ist, zeigt die Abbildung 3, die sich auf entsprechende Zahlen der Weltbank stützt. Demnach ist das Einkommenswachstum der in den Welthandel einbezogenen Entwicklungsländern (Gruppe der sog. „Globalisierer“) deutlich höher als bei nicht integrierten Ländern (Gruppe der sog. „Nicht- Globalisierer“). So stieg das Einkommen der ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung in Ländern, die in den Welthandel einbezogen sind, um jährlich 2,6 Prozent, wohingegen bei den „Nicht-Globalisierer-Ländern“ das Einkommen in dieser Bevölkerungsgruppe lediglich um 0,8 Prozent jährlich stieg - der Anstieg also deutlich geringer ausfiel. Auch beim durchschnittlichen Einkommenswachstum bestätigten sich die Vorteile einer Integration in den Welthandel: Bei den in den Welthandel einbezogenen Ländern stieg das durchschnittliche Einkommen jährlich um 2,4 Prozent, bei den in den Welthandel nicht integrierten Ländern demgegenüber nur um 1,7 Prozent.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Volkswirtschaftliche Vorteile der Globalisierung (Quelle: Weltbank 2001, zitiert nach Backhaus, K/Büschkenj./Voeth, M., 2003, S. 28)
1.2 Zielsetzung der Arbeit
Vor dem Hintergrund großer praktischer Relevanz und der aufgezeigten Forschungsdefizite in der aktuellen Managementwissenschaft besteht das Ziel der vorliegenden Arbeit darin, die Erschließung von Auslandsmärkten (in den Transformationsländern in Zentral- und Osteuropa) speziell aus der Perspektive mittelständischer Unternehmen zu analysieren und näher zu betrachten. Im Einzelnen sollen dabei vor allem die folgenden drei, miteinander in Beziehung stehenden, Fragestellungen betrachtet werden:
1. Wie lässt sich die Auslandsmarkterschließung systematisch angehen?
Bevor die eigentliche Entscheidung getroffen werden kann, welche Art der Auslandsmarkterschließung (zum Beispiel Export vs. Direktinvestition) für ein bestimmtes mittelständisches Unternehmen geeignet ist, sind zunächst umfangreiche Analysen durchzuführen, die sich sowohl auf das auslandsmarkterschließende Unternehmen beziehen als auch auf den entsprechen Auslandsmarkt. Nur so kann das Risiko, das mit einer Auslandsmarkterschließung in der Regel immer verbunden ist, möglichst gering gehalten werden. Welche Analysen hier im Einzelnen notwendig sind, um eine systematische und zielgerichtete Auslandsmarkterschließung sicherzustellen, wird exemplarisch anhand eines konkreten Unternehmensbeispiels (der UVA International AB, einem schwedischen Unternehmen, das im Bereich des Sondermaschinenbaus tätig ist) aufgezeigt.
2. Welche Formen der Markterschließung eignen sich besonders für mittelständische Unternehmen zum Eintritt in die zentral- und osteuropäischen Märkte?
Als zweite Forschungsfrage gilt es, die in der traditionellen Internationalisierungsliteratur aufgezeigten Formen der Markterschließung, wie beispielsweise Export, Franchising, Gründung von Tochterniederlassungen, Bildung von Joint Ventures oder internationalen Netzwerken, näher zu betrachten und deren Angemessenheit für die Auslandsaktivitäten des in der Fallstudie beschriebenen Unternehmens, bzw. mittelständischer Unternehmen im Allgemeinen, abzuwägen. Dabei soll der Fokus auf der Erschließung von zentral- und osteuropäischen Märkten liegen. In diesem Zusammenhang wird auch der Nutzen einer kooperativen im Vergleich zu einer nichtkooperativen Erschließung von Auslandsmärkten kritisch diskutiert. Die besondere Betonung dieses Aspekts lässt sich insbesondere dadurch erklären, dass eine gelungene Kooperation häufig als zentraler Erfolgsfaktor bei der Internationalisierung des Mittelstands genannt wird.9
3. Welches sind die Schlüsseleinflussfaktoren für die Wahl der Markterschließung?
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Wahl der Markterschließungsform im Einzelfall abhängig von einer Vielzahl von unterschiedlichen Einflussfaktoren ist (zum Beispiel von der finanziellen Situation des Unternehmens, dem Know-how des Managements oder der Umweltunsicherheit des zu erschließenden Marktes). Eine geeignete Form der Markterschließung kann somit grundsätzlich nur situativ bestimmt werden. Es gibt keine Form zur Erschließung eines ausländischen Marktes, die uneingeschränkt überlegen ist. Entsprechend besteht ein weiteres Ziel der Arbeit darin, die wichtigsten Einflussfaktoren auf die Wahl der Markterschließung herauszuarbeiten, um somit für Unternehmen einen Überblick zu verschaffen, worauf es bei dieser strategischen Grundsatzentscheidung ankommt.
Die aufgezeigten Forschungsfragen verdeutlichen nochmals, dass die Erschließung eines Auslandsmarktes eine komplexe Aufgabe darstellt. Somit sind ad hoc Entscheidungen bei diesem Aspekt des strategischen Managements zu vermeiden. Vielmehr muss es darum gehen, die Auslandsmarkterschließung als eine systematische Managementaufgabe zu verstehen, die eine Menge Zeitaufwand und Kompetenz von allen beteiligten Entscheidungsträgern abverlangt.
1.3 Aufbau der Arbeit
Zur Beantwortung der im vorhergehenden Abschnitt aufgezeigten drei Forschungsfragen wird wie folgt vorgegangen: Nachdem in Kapitel 1 der Problemhintergrund dargelegt und die mit der vorliegenden Arbeit verbundenen Zielstellungen erläutert wurden, werden in Kapitel 2 die theoretischen Grundlagen der Auslandsmarkterschließung diskutiert. Hierbei werden zunächst die relevanten Besonderheiten des internationalen Markteintritts thematisiert und der Begriff der Auslandsmarkterschließung geklärt sowie die Motive aufgezeigt, die Unternehmen zu einem (in der Regel risikobehafteten) Auslandsengagement bewegen. Daran anschließend gilt es, Hemmnisse und Risiken aufzuzeigen, die ein Auslandsengagement bei vielen mittelständischen Unternehmen bisher verhindert haben. Im darauf folgenden Teilabschnitt werden verschiedene Formen und Strategien der Auslandsmarkterschließung betrachtet. Dabei werden unterschiedliche Expansions-, Timing- und Markteintritts strategien erläutert. Das Hauptaugenmerk gilt dabei dem Markteintritt, da dieser die zentrale Grundlage für die weiterführende Argumentation in den nachfolgenden Kapiteln bildet.
Im dritten Kapitel der vorliegenden Arbeit wird am Beispiel eines mittelständischen Unternehmens aus dem Maschinenbau aufgezeigt, wie die Erschließung von Auslandsmärkten idealtypisch geplant werden kann. Hierzu wird zunächst das Unternehmen, die UVA International AB, als mittelständisches Unternehmen vorgestellt. Darauf aufbauend werden die markterschließungsrelevanten Besonderheiten mittelständischer Unternehmen aufgezeigt. Im Anschluss daran werden exemplarisch verschiedene Analysemethoden vorgestellt, die zur Beurteilung einer situativ geeigneten Markteintrittsform notwendig sind. Im Einzelnen sind dies Analysen der internen Unternehmenssituation, Marktanalysen, Wettbewerbs- und Branchenanalysen, Umfeldanalysen sowie die SWOT-Analyse.
Im vierten Kapitel wird die Wahl einer geeigneten Markteintrittsstrategie speziell für zentral- und osteuropäische Märkte diskutiert. Hierzu werden zunächst exemplarisch die Chancen und Risiken dieser Märkte beleuchtet sowie Einflussfaktoren auf die Wahl der Markterschließung erörtert. Im Anschluss daran wird der Nutzen einer kooperativen Markterschließung im Vergleich zu einer nicht-kooperativen Markterschließung analysiert. Zuletzt wird - auf Basis der im dritten Kapitel herausgearbeiteten Besonderheiten von mittelständischen Unternehmen sowie vor dem Hintergrund der Chancen und Risiken auf zentral- und osteuropäischen Märkten - eine geeignete Form der Markterschließung für das in der Fallstudie vorgestellte Unternehmen (UVA International AB), bzw. für vergleichbare mittelständische Unternehmen im Allgemeinen, identifiziert.
Im abschließenden fünften Kapitel werden die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit kurz zusammengefasst sowie ein Fazit gezogen.
2. Theoretische Grundlagen
2.1 Relevante Besonderheiten des internationalen Markteintritts
Zunächst stellt sich die Frage, wie sich der nationale Markteintritt (zum Beispiel Tätigwerden in Inlandsregionen des Heimatmarktes, in denen das Unternehmen bisher noch nicht aktiv ist) vom internationalen Markteintritt unterscheidet. D.h., es gilt zu klären, welche Besonderheiten die Erschließung eines Auslandsmarktes mit sich bringen. In diesem Zusammenhang nennen Backhaus/Büschken/Voeth10 vier zentrale Besonderheiten, die teilweise miteinander zusammenhängen:
1. Erhöhter Informationsbedarf: Vor dem Eintritt in einen neuen Auslandsmarkt muss sich das betreffende Unternehmen in der Regel zunächst eine Vielzahl von Informationen besorgen, da es selbst noch über keine eigenen Erfahrungen mit dem neuen Markt und den entsprechenden Marktbesonderheiten verfügt. Beispielsweise sind Informationen zu erheben über rechtliche und steuerliche Besonderheiten, tarifäre oder nichttarifäre Handelshemmnisse (englisch: Nontariff Barriers, sind, wie der Name schon sagt, Beschränkungen des internationalen Handels, die nicht Zölle darstellen, also z.B. Importkontingente oder bestimmte Standards, die von ausländischen Unternehmen kaum einzuhalten sind), volkswirtschaftliche Indikatoren, infrastrukturelle Rahmenbedingungen, kulturelle Eigenarten (Kultur lässt sich hierbei als Orientierungssystem auffassen, das allen Mitgliedern vertraut ist, und das Wahrnehmen, das Denken und die Handlungen der Mitglieder beeinflusst), mögliche Beschaffungsquellen, Wettbewerber, Zahlungsmoral des Kunden, spezifische Kundenbedürfnisse im Zielmarkt usw. Ziel der Informationserhebung ist es, einen möglichst validen und umfassenden Überblick über die Chancen und Risiken des Marktes zu erhalten. Nur so können fundierte Entscheidungen in Bezug auf ein (potenzielles) Auslandsengagement getroffen werden.
2. Erhöhtes unternehmerisches Risiko: Je nach ausgewähltem Zielmarkt und in Abhängigkeit von der Form der geplanten Auslandsaktivitäten kann das unternehmerische Risiko bei einer Auslandsmarkterschließung vergleichsweise hoch sein. Plant ein Unternehmen beispielsweise die Errichtung einer Niederlassung in einem Krisengebiet wie Afghanistan oder dem Irak, so lässt sich das Risiko durchaus als ausgesprochen hoch bezeichnen. Aber auch in Ländern wie Russland oder der Ukraine sind Auslandsengagements vergleichsweise risikoreich (vergleiche hierzu auch die Ausführungen in Kap. 4). Darüber hinaus bedingt die zuvor erwähnte mangelnde Erfahrung mit einem neuen Auslandsmarkt, dass der Unternehmer sich bei seinen Entscheidungen insbesondere auf externe Informationen (zum Beispiel Marktinformationen der AHK) verlassen muss. Welches Risiko in manchen ausländischen Märkte besteht, lässt sich besonders dramatisch am Beispiel Venezuela aufzeigen: So erklärte der Präsident dieses lateinamerikanischen Landes Ende Juli 2005, dass derzeit die Enteignung einer Vielzahl von Unternehmen geprüft wird. Die Verfassung der Republik Venezuela ermöglicht dem Staat gemäß Kapitel VII, Artikel 115 Enteignungen in bestimmten Fällen. Das Recht auf Eigentum und die Verfügung darüber wird zwar grundsätzlich garantiert, einschränkend heißt es dort jedoch: „Das Eigentum ist den Abgaben, Einschränkungen und Verpflichtungen unterworfen, die das Gesetz mit dem Ziel des öffentlichen Nutzens und im allgemeinen Interesse festlegt. Nur aufgrund bestehenden gesellschaftlichen Interesses, mittels eines rechtskräftigen Urteils und angemessener Zahlung einer gerechten Entschädigung kann die Enteignung jeglicher Art von Gütern erklärt werden“.11 Welche Konsequenz dieser Verfassungsartikel hat, mussten einige Unternehmer schmerzlich spüren.
3. Zusätzlicher Koordinationsbedarf: Mit der Erschließung von Auslandsmärkten entsteht für das betreffende Unternehmen ein zusätzlicher Koordinationsbedarf. Beispielsweise sind Marktforschungsinstitute im Zielland zu beauftragen, ggf. Mitarbeiter einzustellen und zu koordinieren, neue Logistikwege sowie Beschaffungsquellen zu erschließen, eine Vielzahl neuer Kunden zu betreuen (Gefahr des Serviceengpasses) usw. Das Unternehmen muss also nach Lösungen suchen, wie es - trotz der räumlichen Distanz - die notwendigen Koordinationsaufgaben adäquat durchführen kann. Gleichzeitig darf der zusätzliche Koordinationsbedarf nicht dazu führen, dass die Unternehmensaktivitäten im heimischen Markt darunter leiden.
4. Hohe Komplexität der Managementaufgaben: Aus den zuvor aufgezeigten Punkten lässt sich auch schlussfolgern, dass bei der Planung und Umsetzung von Auslandsmarkterschließungen die Anforderungen an das Management vergleichsweise hoch sind. So müssen beispielsweise interkulturelle Marktforschungsaufgaben wahrgenommen, internationale Steuerrichtlinien verstanden oder sprachliche Barrieren überwunden werden. Ein ausgeprägtes Verständnis der im internationalen Kontext zu bewältigenden Hindernisse und Hürden ist für eine erfolgreiche Abwicklung unbedingt erforderlich und kann dabei helfen, die Erfolgschancen der Auslandsmarkterschließung signifikant zu erhöhen.
Insgesamt zeigt sich somit, dass die Erschließung von Auslandsmärkten eine Reihe von Besonderheiten aufweist und diese nicht ohne vorhergehende, unternehmensund auslandsmarktspezifische Analysen durchgeführt werden sollte. Die hohe Unsicherheit, die mit einer Auslandsmarkterschließung verbunden ist, sowie das vergleichsweise hohe finanzielle Risiko eines Auslandsengagements (insbesondere im Falle von Direktinvestitionen im ausländischen Markt) erfordern hierbei ein besonders sorgfältiges Vorgehen - dauerhafter Erfolg im Ausland kann nur das Ergebnis einer intensiven, systematischen Vorbereitung sein. Obwohl das Vorgehen zur Erschließung eines Auslandsmarktes scheinbar Parallelen zur Erschließung neuer regionaler Märkte auf dem Heimatmarkt aufweist, dürfen dennoch die Besonderheiten, die aus unterschiedlichen rechtlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Gegebenheiten resultieren, nicht außer Acht gelassen werden.
2.2 Begriff und Ziele der Auslandsmarkterschließung
Die Auslandsmarkterschließung bezeichnet das Tätigwerden eines Unternehmen auf einem neuen, grenzüberschreitenden Markt, auf dem dieses zuvor noch nicht aktiv war.12 Dabei kann die Auslandmarkterschließung zum einen als ein Ereignis im Sinne eines Markteintritts begriffen werden (erstmaliges Tätigwerden auf einem geographisch neuen Markt). Zum anderen lässt sich die Auslandsmarkterschließung auch als Prozess interpretieren (im Sinne eines Markterschließungsprozesses), der eine Reihe von unterschiedlichen Marketingaktivitäten umfasst, wie zum Beispiel die Marktauswahl, die Absatzförderung, die Erschließung von Beschaffungsquellen oder die Marktsegmentierung. Da das Ereignis des Markteintritts und der Markterschließungsprozess jedoch untrennbar miteinander verbunden sind bzw. sich gegenseitig beeinflussen, scheint es wenig sinnvoll, die beiden Aspekte vollkommen unabhängig voneinander zu betrachten. Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit zwar das Hauptaugenmerk auf unterschiedlichen Formen des Markteintritts (zum Beispiel Export, Gründung eines Joint Ventures, Errichtung einer Auslandsniederlassung usw.) und deren Eignung für kleine und mittlere Unternehmen beim Eintritt in ost- und zentraleuropäische Märkte liegen, dennoch müssen zum Beispiel Marktwahlentscheidungen als beeinflussende Variablen mit in diese Betrachtung einbezogen werden.
Die Ziele und Motive der Unternehmen bei einer Auslandsmarkterschließung sind vielfältig und wurden exemplarisch bereits im ersten Kapitel der vorliegenden Arbeit aufgezählt. Möchte man eine Systematisierung bei den Motiven und Zielen vornehmen, so können Push-Faktoren und Pull-Faktoren der Internationalisierung differenziert werden. Zu den Push-Faktoren - also zu jenen Faktoren, die ein Ausweichen aus dem aktuellen Markt bedingen (sog. Internationalisierungszwänge) - zählen zum Beispiel ein gesättigter Heimatmarkt (keine Absatzsteigerung mehr realisierbar), unzureichende Kaufkraftentwicklung in den bisherigen Märkten, hoher Wettbewerbsdruck, Abhängigkeit von international agierenden Abnehmern (wie zum Beispiel häufig bei Zulieferbetrieben der Automobilindustrie, die aufgrund „Just in Time Produktion“ gezwungen sind, den Automobilkonzernen bei ihren Standortentscheidungen zu folgen), Kostendruck (zum Beispiel steigende Lohnstückkosten oder hohe Steuerquoten im Heimatmarkt) oder eine zu hohe Regulierungsdichte im Heimatmarkt. Demgegenüber lassen sich als Pull-Faktoren (Ziellandbezogene Gründe, die das Nachdenken über eine Auslandsmarkterschließung fördern bzw. sog. Internationalisierungsanreize), beispielsweise günstigere Wachstumserwartungen im Zielmarkt, Vorhandensein von speziellen Kompetenzen zur Erschließung des Zielmarktes (zum Beispiel Sprachkenntnisse), Kaufkraftzuwächse im Zielmarkt, höhere Preisniveaus im Zielmarkt, verbesserte Infrastruktur im Zielland oder die niedrigere Regulierungsdichte und geringere Arbeitskosten im Zielmarkt anführen.13
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Internationalisierungszwänge und -anreize (Quelle in Anlehnung an Backes-Gellner/Huhn, 2000, S 185)
Darüber hinaus finden sich noch direkte, unternehmensbedingte sowie makroökonomische Gründe für die Erschließung von Auslandsmärkten, die nicht eindeutig als Pull- oder Push-Faktoren identifiziert werden können.14 So können durch weltweite Absatzmärkte unterschiedliche Konjunkturzyklen besser abgefedert werden (Risikostreuung); Skaleneffekte können besser ausgenutzt werden, so dass die Stückkosten sinken (Reduzierung der Fixkosten für Forschung und Entwicklung; Reduzierung der Fixkosten bei der Produktion; Erschließung von Einkaufspotenzialen); bei sehr kurzen Produktlebenszyklen, die in immer mehr Branchen zum Alltag werden, steigt die Chance, den Break-Even-Point (d.h., den Punkt im Lebenszyklus eines Produktes, an dem Erlös und Kosten aus der Produktion gleich sind) zu erreichen und dann auch Gewinne zu erzielen (vgl. Abbildung 5). Teilweise wird die Entscheidung zur Erschließung von bestimmten Auslandsmärkten aber auch von persönlichen Präferenzen der Unternehmensleitung bestimmt (zum Beispiel des Zielland entspricht dem bevorzugten Urlaubsland des Unternehmenseigentümers). Letzteres spricht allerdings eher weniger für eine systematische Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken des jeweiligen Marktes und sollte daher vor dem Hintergrund einer strategischen Unternehmensführung vermieden werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Verkürzte Roduktlebenszeiten als wichtiger Grund für eine Internationalisierung (Quelle: Fu, 2005, S. 125)
In den seltensten Fällen ist lediglich ein einzelnes Motiv für die Entscheidung zur Erschließung von Auslandsmärkten ausschlaggebend. Vielmehr werden zumeist mehrere Gründe den Ausschlag für die Entscheidung zur Aufnahme von Auslandsaktivitäten geben (zum Beispiel Kostengründe, erhöhter Konkurrenzdruck im Heimatmarkt und die Wahrnehmung von Chancen in neuen Zielmärkten), wobei sicherlich das übergeordnete Motiv einer internationalen Geschäftstätigkeit darin besteht, vorhandene Absatzmärkte zu sichern und neue zu erschließen.15 So schreibt die IHK Stuttgart zum Thema Auslandsmarkterschließung: „Die Erschließung neuer und der Ausbau bestehender Auslandsmärkte sind für die stark exportabhängige Wirtschaft [...] von entscheidender Bedeutung. Markterschließung, Erfüllung von Kundenwünschen und die Nähe zum Kunden stehen im Vordergrund eines Engagements im Ausland. Internationales Sourcing zur Optimierung der Kostenstruktur spielt [...] ebenfalls eine wichtige Rolle.“16 Eine empirische Untersuchung zur relativen Wichtigkeit und Bedeutung von Internationalisierungszielen deutscher Unternehmen17 bestätigt dies (vgl. Abbildung 6) und zeigt, dass sowohl interne (zum Beispiel Sicherung des Unternehmenswachstums, Auslastung bestehender Kapazitäten) als auch externe Ziele (zusätzliche Marktchancen) von hoher Bedeutung für die Internationalisierungsabsichten sind.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Ziele der Auslandsmarkterschließung (Quelle: Mann, 1998, S. 228)
2.3 Hemmnisse der Auslandsmarkterschließung
Trotz der Vielzahl der im vorhergehenden Kapitel aufgezeigten Zwänge und Anreize zur Internationalisierung gibt es auch einige Faktoren, die die Bereitschaft zur Auslandsmarkterschließung auf Seiten der Unternehmen hemmen. Zu den wichtigsten Hinderungsgründen, die einer Internationalisierung entgegen stehen, zählen vor allem die Angst vor risikoreichen finanziellen Investitionen oder mangelnde finanzielle Rücklagen, die unzureichenden Erfahrungen in internationalen Märkten sowie das fehlende Internationalisierungs-Know-how.18
- Angst vor finanziellen Risiken oder mangelnde finanzielle Ressourcen für eine Auslandsmarkterschließung: Im Vergleich zu unternehmerischen Aktivitäten im Inland weisen Auslandsengagements besondere Risiken auf. Dies sind zum einen Risiken hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit der potenziellen Kunden. Insbesondere im osteuropäischen Markt ist die Angst vor einer schwachen Zahlungsmoral der Kunden besonders ausgeprägt.19 Zum anderen kommen in manchen Ländern zusätzlich politische Risiken hinzu (zum Beispiel Risiken in Bezug auf plötzliche Steueränderungen: ein aktuelles Beispiel in diesem Zusammenhang ist Ungarn. Ungarn hat über lange Zeit Steuergeschenke gegenüber Unternehmen gemacht, um möglichst viele ausländische Investoren anzuziehen. Aufgrund eines immer größer werdenden Haushaltsdefizits wurde jetzt jedoch - quasi über Nacht - beschlossen, dass eine umfangreiche Steuerreform notwendig ist. In diesem Zusammenhang wurde auch geplant, den vereinfachten Unternehmenssteuersatz von derzeit 15 auf 25 Prozent zu erhöhen).20 und, wenn das Geschäft in einer Fremdwährung fakturiert wird, auch Währungsrisiken (auch hier ist Ungarn ein „gutes“ Beispiel: Die Landeswährung sank nach der Ankündigung der geplanten Steuerreform auf einen historischen Tiefstwert von etwa 280 Forint pro Euro und verlor damit binnen weniger Wochen gut neun Prozent ihres Werts.)21
Häufig vergehen erst viele Jahre oder im Extremfall gar Jahrzehnte, bis eine Auslandsinvestition sich finanziell lohnt, d.h., bis Gewinne durch das Auslandsengagement realisiert werden können. Die Vorlaufkosten, die Beratungen, Informationsbeschaffung, Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter, Reisekosten, Werbematerial, amtliche Übersetzungen usw. umfassen, sind enorm. Um diese lange „Vorlaufzeit“ finanziell überbrücken zu können ist es entsprechend notwendig, dass das Unternehmen über hinreichende finanzielle Ressourcen verfügt. Ein Auslandsengagement bindet in jedem Fall zunächst finanzielle Mittel, die dann entsprechend nicht für andere Investitionen genutzt werden können. Gerade mittelständische Unternehmen können hohe Anfangsinvestitionen zumeist nicht durch Mischkalkulationen oder Refinanzierungsmodelle auffangen und scheuen externe Finanzierungsmodelle.
- Mangelnde Erfahrung mit Auslandsmärkten: Ein weiterer Grund, warum die Erschließung von Auslandsmärken häufig trotz erkannter Chancen nicht angegangen wird, liegt in der unzureichenden Erfahrung mit der Internationalisierung der Geschäftstätigkeit und den damit verbundenen Informations- und Wissensdefiziten. Hierzu zählen beispielsweise Unkenntnis der lokalen Nachfragepräferenzen (Welche Produkte verkaufen sich besonders gut auf dem neuen Zielmarkt? Welche Preise sind die Kunden bereit für verschiedene Qualitätsstandards auszugeben? Welche Zielsegmente gibt es im Auslandsmarkt und wie groß sind diese?), unterschiedliche institutionelle Rahmenbedingungen, schwieriger Zugang zu informellen Netzwerken, mangelnde Sprachkenntnisse und heterogene kulturelle Normen. Die Standort- und Netzwerkpartnersuche erweist sich im „Dschungel der Bürokratie“ all zu oft als äußerst schwierig.22 Die wahrgenommene Unsicherheit steigt dabei zum einen mit zunehmender kulturellen Entfernung des Ziellandes und ist zum anderen umso höher, je geringer die Internationalisierungserfahrung des Unternehmens ist. Da viele kleine und mittlere Unternehmen erst am Beginn einer Internationalisierungsstrategie stehen, ist bei diesen Unternehmen die Hemmschwelle, einen neuen Auslandsmarkt zu erschließen, besonders hoch. So sind es - entsprechend den Ergebnissen des Mittelstandsbarometers von 2004 - auch insbesondere die bereits international tätigen mittelständischen Unternehmen, die sich von der EU-Erweiterung Vorteile für ihr eigenes Unternehmen erhoffen. Die in der Internationalisierung erfahrenen Unternehmen begreifen demnach die EU-Erweiterung zu 83 Prozent als vorteilhaft und als Chance für das eigene Geschäft bzw. das eigene Unternehmen. Demgegenüber sind die nur auf dem nationalen Markt tätigen Unternehmen wesentlich skeptischer: 49 Prozent dieser Unternehmen betrachten die EU-Erweiterung als Gefahr für das eigene Unternehmen, 50 Prozent betrachten sie als nicht relevant für ihre Geschäftstätigkeit und lediglich 1 Prozent empfinden die EU-Erweiterung als Chance (vgl. Abbildung 7).23
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 7: EU-Erweiterung als Chance für international tätige Mittelständler (Quelle: Wambach, 2005, S. 2)
- Engpässe beim Management: Der Gang ins Ausland erfordert eine systematische Analyse der Rahmenbedingungen des ausländischen Marktes bzw. sämtlicher in Betracht kommender ausländischer Märkte sowie eine strategische Planung zu deren Erschließung. Diese - auf dem Konzept des strategischen Managements - aufbauende Vorgehensweise erfordert vom Management sowohl einen hohen zeitlichen Aufwand als auch ausgeprägte Kenntnisse im (internationalen) Management. Sind diese beiden Voraussetzungen nicht gegeben, so verhindert dies oftmals, dass neue Märkte und Chancen überhaupt als solche erkannt und Risiken im Auslandsgeschäft sorgfältig und systematisch abgewogen werden. Gerade im Mittelstand sind die Führungskräfte oftmals sehr stark in das operative Tagesgeschäft eingebunden, dass keine Zeit für aufwendige Analysen über Absatzoder Produktions- bzw. Beschaffungsmöglichkeiten auf Auslandsmärkten bleibt.
Analog zu der im vorhergehenden Teilkapitel aufgezeigten Rangfolge bei den Zielen der Auslandsmarkterschließung sind in Abbildung 8 die am häufigsten genannten Internationalisierungshemmnisse aufgezeigt und in eine Rangreihenfolge gebracht werden. Die Zahlenwerte stammen aus einer Befragung der Zeitschrift Markt und Mittelstand. Demnach betrachten zwei von drei der befragten Mittelständler Verwaltungshürden als gravierende Hemmnisse bei grenzüberschreitenden Tätigkeiten; auch fehlende Managementkapazitäten und Qualifikationen (von 51 % der Befragten als gravierendes Problem eingestuft) sowie fehlende Kooperationspartner im Zielmarkt (50 %) sind häufig genannte Internationalisierungshemmnisse. Danach folgen Schwierigkeiten bei der Entwicklung von Markteintrittskonzepten (45 %), Probleme bei der Verständigung sowie kulturelle Barrieren (35 %), Engpässe bei der Finanzierung (31 %) und Schwierigkeiten beim Verhandeln mit ausländischen Partnern (24 %).24
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Internationalisierungshemmnisse der mittelständischen Unternehmen (Quelle: Markt und Mittelstand, 1999, zitiert nach Gutmann, 2000, S. 18)
2.4 Formen und Strategien der Auslandsmarkterschließung
Bei der Erschließung ausländischer Märkte können zum einen unterschiedliche Formen der Internationalisierung, wie beispielsweise Exportbeziehungen, Lieferverträge, Franchisevereinbarungen bis hin zu eigenen Tochtergesellschaften, differenziert werden, zum anderen lassen sich auch diverse Internationalisierungsstrategien (zum Beispiel idealtypische Timingstrategien und Expansionsstrategien) unterscheiden. Im Folgenden werden zunächst die unterschiedlichen Markteintrittsformen diskutiert und anschließend die erwähnten Internationalisierungsstrategien aufgezeigt.
Der Markteintritt stellt den „strukturellen Kontext dar, innerhalb dessen die Wertschöpfungsaktivitäten des Unternehmens stattfinden und beeinflusst dadurch in vielfältiger Weise die innerhalb und außerhalb des Unternehmens ablaufenden Geschäftsprozesse“.25 In der Literatur zum internationalen Marketing bzw. internationalen Management werden internationale Markteintrittsformen häufig auch als „internationale Markteintrittsstrategien“, „Markterschließungsstrategien“, „Auslandsmarkterschließungsformen“, „internationale Marktbearbeitungsformen“ oder „Internationalisierungsformen“ bezeichnet.26 Dabei existieren unterschiedliche Kriterien zur Systematisierung der verschiedenen Formen des internationalen Markteintritts, wobei insbesondere die folgenden Systematisierungskriterien in der entsprechenden Literatur zu finden sind:27
- Managementleistungen und Kapitaleinsatz im In- und Ausland,
- Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten der Auslandsaktivitäten,
- Kooperationsabhängigkeit,
- Institutionelle Ansiedelung der Aktivitäten.
Die Unterscheidung in Management- und Kapitalleistungen im Stamm- vs. Gastland bietet sich aufgrund ihrer Einfachheit und Stringenz an (vgl. hierzu Abbildung 9). Dabei kann davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeiten der Steuerung und Kontrolle eines Auslandsengagements umso höher sind, je stärker das Unternehmen Kapital- und Managementleistungen ins Gastland transferiert. Beispielsweise sind die Kontrollmöglichkeiten im Zielland bei einem Export im Vergleich zu der Gründung einer Auslandsniederlassung deutlich niedriger, wobei diese beiden Formen der Auslandsmarkterschließung die beiden Pole eines Kontinuums zwischen sehr hoher und sehr geringer Einflussnahme auf den zu erschließenden Zielmarkt bilden. Während das Unternehmen im Falle einer eigenen Auslandsniederlassung beispielsweise eine aktive Marktbeeinflussung durch verschiedene Instrumente des Marketing durchführen kann, sind diese Steuerungsmöglichkeiten beim indirekten Export nur eingeschränkt möglich bzw. gar nicht gegeben.
[...]
1 Vgl. Backhaus/Büschken/Voeth, 2003, S. 22ff.
2 Vgl. Gutmann/Kabs, 2000, S. 15.
3 Zitiert nach Beckes-Gellner/Huhn, 2000, S. 177.
4 Vgl. zum Beispiel Cavusgil, 1980, 1983; Ohmae, 1989.
5 Vgl. zum Beispiel Gutmann/Kabs, 2000.
6 Vgl. Weber 1997, S. 1; Gutmann/Kabs, 2000, S. 15ff.; Kabs, 2004, S. Iff.; Berndt/Fantapie-Altobelli/Sander, 2002, S. 1ff.
7 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschnitt 2.4.
8 Vgl. Gutmann/Kabs, 2000, S. 18.
9 Vgl. Gutmann/Kabs, 2000, S. 20.
10 Vgl. Backhaus/Büschken/Voeth, 2003, S. 50ff.
11 Vgl. http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Venezuela/azzellini2.html, Zugriff am 20.06.2006.
12 Vgl. Hünerberg, 1994, S. 113; Helm 1997, S. 21.
13 Vgl. Berndt/Fantapie-Altobelli/Sander, 2002, S. 7ff.
14 Vgl. Wambach, 2005, S. 3.
15 Vgl. Beckes-Gellner/Huhn, 2000, S. 184.
16 Vgl. http://www.stuttgart.ihk24.de, Zugriff am 22.06.2006.
17 Vgl. Mann 1998, S. 228.
18 Vgl. Schmidt et al. 1995, S. 94; Backes-Gellner/Huhn, 2000, S. 186f.
19 Vgl. Gaisbauer/Springer, 1998, S. 274.
20 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 18.07.2006, S. 19.
21 Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 18.07.2006, S. 19.
22 Vgl. Heydenreich/Ziegler/Pietschmann, 2002, S. 7.
23 gl. Wambach, 2005, S. 2.
24 Vgl. Gutmann, 2000, S. 18.
25 Fu, 2005, S. 10.
26 Vgl. Fu, 2005, S. 10 sowie die dort zitierte Literatur.
27 Vgl. Kutschker, 1992, S. 500ff.; Meissner, 1995, S. 52ff.; Kutschker/Schmid, 2002, S. 890ff.
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