1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit untersucht, ob konstruktivistische Denkansätze für das Lehr-/Lerngeschehen in christlichen Hausbibelkreisen nutzbar gemacht werden können. Dabei interessiert auch die Frage, in wie weit eine solche Perspektivenerweiterung mit dem Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens zu vereinbaren ist.
Die Epistemologie des Konstruktivismus besagt, dass nicht nur unsere religiöse, sondern die gesamte menschliche Wahrnehmung auf Glaubensüberzeugungen beruht. Eine objektiv feststellbare und allgemeingültige Realität wird gemäß konstruktivistischer Überzeugung zwar nicht geleugnet, ist unserem Erkennen aber nicht zugänglich. Denn, „so sehr wir uns auch um Objektivität bemühen - stets sind wir es, die die Welt beobachten“ (Siebert 2003, S. 7, Hervorhebung im Original).
Diese Grundannahmen des pädagogischen Konstruktivismus werden im ersten Abschnitt näher erläutert. Daran anschließend wird deren praktische Relevanz für Lerngruppen in der Erwachsenenbildung dargestellt.
In einem weiteren Schritt werden die Besonderheiten von Hausbibelkreisen als Lernumgebung für Erwachsene entfaltet und Wege konstruktivistischer Bibelauslegung aufgezeigt. Denn die alte biblische Frage des Apostels Philippus, „Verstehst du auch was du liest?“ (Apg.8,30) , steht bis heute im Zentrum des gemeinsamen Bibelstudiums.
Anhand einer konkreten Bibelstelle soll erläutert werden, wie Themen so aufbereitet werden können, dass sie an verschiedene Lebenserfahrungen und Glaubensauffassungen anschlussfähig werden, damit alle Beteiligten von- und miteinander lernen können.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Konstruktivistische Erwachsenenbildung
2.1. Grundannahmen des pädagogischen Konstruktivismus
2.2. Konstruktivistische Didaktik in Lerngruppen
3. Hausbibelkreise als Lerngruppen
3.1. Hauskreisformen in Geschichte und Gegenwart
3.2. Wege konstruktivistischer Bibelauslegung
3.3. Umsetzung am Beispiel von Lk.10,38-42
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die vorliegende Hausarbeit untersucht, ob konstruktivistische Denkansätze für das Lehr-/Lerngeschehen in christlichen Hausbibelkreisen nutzbar gemacht werden können. Dabei interessiert auch die Frage, in wie weit eine solche Perspektivenerweiterung mit dem Wahrheitsanspruch des christlichen Glaubens zu vereinbaren ist.
Die Epistemologie des Konstruktivismus besagt, dass nicht nur unsere religiöse, sondern die gesamte menschliche Wahrnehmung auf Glaubensüberzeugungen beruht. Eine objektiv feststellbare und allgemeingültige Realität wird gemäß konstruktivistischer Überzeugung zwar nicht geleugnet, ist unserem Erkennen aber nicht zugänglich. Denn, „so sehr wir uns auch um Objektivität bemühen - stets sind wir es, die die Welt beobachten“ (Siebert 2003, S. 7, Hervorhebung im Original).
Diese Grundannahmen des pädagogischen Konstruktivismus werden im ersten Abschnitt näher erläutert. Daran anschließend wird deren praktische Relevanz für Lerngruppen in der Erwachsenenbildung dargestellt.
In einem weiteren Schritt werden die Besonderheiten von Hausbibelkreisen als Lernumgebung für Erwachsene entfaltet und Wege konstruktivistischer Bibelauslegung aufgezeigt. Denn die alte biblische Frage des Apostels Philippus, „Verstehst du auch was du liest?“ (Apg.8,30)[1], steht bis heute im Zentrum des gemeinsamen Bibelstudiums.
Anhand einer konkreten Bibelstelle soll erläutert werden, wie Themen so aufbereitet werden können, dass sie an verschiedene Lebenserfahrungen und Glaubensauffassungen anschlussfähig werden, damit alle Beteiligten von- und miteinander lernen können.
2. Konstruktivistische Erwachsenenbildung
2.1. Grundannahmen des pädagogischen Konstruktivismus
Nach Horst Siebert lautet die Kernthese des Konstruktivismus:
„Menschen sind autopoietische, selbstreferenzielle, operational geschlossene Systeme. Die äußere Realität ist uns sensorisch und kognitiv unzugänglich. Wir sind mit der Umwelt lediglich strukturell gekoppelt, das heißt, wir wandeln Impulse von außen in unserem Nervensystem ‘strukturdeterminiert’, das heißt auf der Grundlage biographisch geprägter psycho-physischer, kognitiver und emotionaler Strukturen um. Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Repräsentation, keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine funktionale, viable Konstruktion, die von anderen Menschen geteilt wird und die sich biographisch und gattungsgeschichtlich als lebensdienlich erwiesen hat. Menschen als selbstgesteuerte ‘Systeme’ können von der Umwelt nicht determiniert, sondern allenfalls perturbiert, das heißt ,gestört’ und angeregt werden“ (Siebert 2003, S. 5f.).
Anders ausgedrückt spiegelt das menschliche Gehirn keine objektiv vorfindbare Realität wider, sondern konstruiert und modifiziert unsere subjektive Wirklichkeit und unser Ich ständig neu. Vor dem Hintergrund individueller biografischer Erfahrungen „erfinden“ wir somit unsere Umwelt und unsere eigene Identität. Als selbsterhaltende (autopoietische) „Systeme“ reagieren wir Menschen stets im Sinne unserer eigenen Bedingungen, sind also strukturdeterminiert. Als Systeme sind wir mit anderen Systemen (etwa mit anderen Menschen oder der Welt) gekoppelt. Deshalb sind unsere Konstrukte, unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung, abhängig von der jeweiligen Epoche und Kultur, in der wir leben, von unserem Alter, Geschlecht, und sozialen Milieu, aber auch von ganz persönlichen lebensgeschichtlichen Eindrücken, Lebensplänen und Lebensstilen. Alle menschliche Erkenntnis bleibt somit vorläufige und wandelbare Deutung. Unsere Wahrnehmung und unser Wissen beeinflussen sich gegenseitig, und unsere Lebenswelt ist ein Produkt unserer Erinnerung. Erinnern und Vergessen sind Teil unserer Viabilität, d.h. unserer Lebens- bzw. Überlebensstrategie. Man bewertet frühere Erlebnisse nämlich so, wie sie subjektiv und situativ plausibel und zweckmäßig erscheinen.
Rolf Arnold weist darauf hin, dass es „den“ Konstruktivismus nicht gibt, sondern dass der Begriff vielmehr zahlreiche Theorien und Konzepte aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen auf sich vereint (vgl. Arnold 2005, S. 32).
Zu nennen sind hier unter anderem Strömungen aus der Kommunikationswissenschaft (Watzlawick), der Kognitionsforschung (Glaserfeld), der Neurobiologie (Maturana / Varela) oder der Systemtheorie (Luhmann). Gemeinsam ist all diesen Richtungen jedoch die Vorstellung, „dass der Mensch keinen unmittelbaren erkenntnismäßigen Zugang zur Wirklichkeit hat, sondern lediglich das zu erkennen - auf sich ‘wirken’ zu lassen - vermag, was er mit seinen Sinnen realisieren und mit seinen kognitiven und emotionalen Ressourcen verarbeiten kann. Erkenntnis hat somit immer etwas sehr Ausschnitthaftes und Subjektives“ (Arnold 2005, S. 32).
Vertreter[2] des sogenannten „Radikalen Konstruktivismus“ halten jede Wahrnehmung für beobachterabhängig und leugnen die Annahme einer Wirklichkeit, die sich allen Menschen in gleicher Weise erschließt. Im Gegensatz dazu spricht sich Horst Siebert für einen „moderaten Konstruktivismus“ aus. Demnach entsteht zwar unser Weltbild aus subjektiven Ansichten, dennoch können wir uns über unsere Konstrukte zumindest teilweise mit anderen austauschen und sie mit empirisch belegbaren Fakten vergleichen. Siebert hält fest, dass ohne diese Annahme Wissensvermittlung unmöglich wäre:
„Unsere mentalen Strukturen, die unser Wahrnehmen und Denken ’determinieren’, sind ja im Prozess der Sozialisation erworben worden, also doch ,von außen’ beeinflusst. Hier wird der radikale (individualpsychologische) Konstruktivismus notwendigerweise ergänzt. ,Strukturdeterminiert’ schließt strukturelle Kopplungen nicht aus, sondern ein. (...) Wenn es aber nicht eine gewisse Korrespondenz zwischen unseren Wahrnehmungen und der Außenwelt gäbe, würden unsere Wirklichkeitskonstruktionen auch nicht ,viabel’ sein können“ (Arnold / Siebert 2006, S. 14).
Verbindliches Allgemeinwissen lässt sich dennoch kaum definieren, denn gelernt wird ganz individuell, je nach Vorerfahrungen und Anwendungsinteressen. “Wissenserwerb ist eine biographische Synthetisierung“ (Arnold u.a. 2005, S. 34). Der Lernende bezieht sich bei der Auseinandersetzung mit neuen Inhalten auf sein eigenes Wissen zurück (Selbstreferenz), das ihm als Orientierungspunkt dient, um Neues einzuordnen. Gelernt wird einerseits das, was an Bekanntes anschlussfähig ist, andererseits das, was uns neu und wichtig ist, und gemäß unserer schon vorhandenen Erinnerung durch den Aktualitäts- und Relevanzfilter des Gedächtnisses passt. Der Lernprozess bei Erwachsenen ist somit ein autonomer Entscheidungsprozess unseres Gehirns, der die Einsicht in den Sinn und Zweck der Lerninhalte voraussetzt. Erwachsene sind aus diesem Grund „lernfähig, aber unbelehrbar“ (Siebert 2006, S. 27). Erwachsenenbildung kann daher nur Impulse geben und Reflexionsprozesse unterstützen. Sie kann Menschen dazu verhelfen, sich ihrer Möglichkeiten bewusst zu werden und sie auf den aktuellen Stand zu bringen. Dazu gehört auch die sogenannte Perturbation. Dieser Fachbegriff bedeutet wörtlich „Verstörung“ und meint die Konfrontation mit neuen, fremden, möglicherweise irritierenden Inhalten. Denn nur wenn unsere eigenen Überzeugungen instabil werden, ist Offenheit für ein Reframing gegeben, d.h. für eine neue Umrahmung unserer alten Wahrnehmungen und Erkenntnisse. Zugleich besteht in der Regel ein Bedürfnis nach Stabilität und Kontinuität, denn nur wer sich sicher fühlt, kann sich auch auf Verunsicherungen einlassen.
Nachhaltiges, verstehendes Wissen kommt zudem nicht ohne emotionale Beteiligung zustande. Allerdings kann sich eine zu starke persönliche Betroffenheit auch lernhemmend auswirken, weil sie eine rationale Distanz verhindert. Grundsätzlich können zwar auch negative Gefühle den Lernprozess anstacheln, aber in der Regel begünstigen eher positive Empfindungen den Lernerfolg. In jedem Fall werden Lernende im Sinne einer „selbsterfüllenden Prophezeiung“ dahingehend beeinflusst, dass Lehrende von ihnen etwas erwarten bzw. ihnen etwas zutrauen.
Rolf Arnold prägte auf der Basis dieser Erkenntnisse den Begriff der „Ermöglichungsdidaktik“. Ermöglichungsdidaktik wendet sich von der gängigen Überzeugung ab, „dass die Teilnehmer/innen das lernen, was wir lehren, dass Lernen also die Abbildung und Widerspiegelung des Gelehrten ist“ (Arnold u.a. 2005, S. 34).
Während die Erzeugungsdidaktik an die „Machbarkeit“ von Lernergebnissen glaubt und darauf abzielt Stoff zu transportieren, ist die Ermöglichungsdidaktik darum bemüht, Angebote für die selbstgesteuerte Aneignung bereit zu stellen.
„Die Aktivität und Entscheidungsbefugnis über den Lernprozess verlagert sich damit dahin, wo sie nach Auffassung der konstruktivistischen Vorstellungen von Lernen sich auch stets befindet - sie verlagert sich zur lernenden Person“ (vgl. Arnold / Gómez Tutor 2007, S. 95).
Welche Konsequenzen sich daraus für das didaktische Handeln in Lerngruppen ergeben, wird im Folgenden skizziert.
[...]
[1] Biblische Verweise und Zitate sind, soweit nicht anders angegeben, der revidierten Lutherbibel 1984 entnommen. © 1985 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.
[2] Aus Gründen der Vereinfachung wird ausschließlich die männliche Form verwendet. Personen weiblichen wie männlichen Geschlechts sind darin gleichermaßen eingeschlossen.
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