Was immanente Kritik im Speziellen bedeutet und wie sich dies in einen radikalen Diskurs niederschlägt, wird im folgenden näher beleuchtet. Chantal Mouffe erörtert in ihrer Diskurstheorie Bedingungen demokratischer Politik in der Moderne. Sie versucht die Frage zu beantworten, wie Gruppen, Identitäten und Probleme im fortwährenden politischen Prozess Teilhabe zu einem integrativen Bestandteil machen können. Dabei spricht sie den Mangel an, dass sich die konstitutiven Prinzipien „Freiheit und Gleichheit für alle“ noch nicht erfolgreich im praktischen Leben bestehender Gesellschaften entfaltet und durchsetzt haben. Um diesem Ziel näher zu kommen, beansprucht die Linke nach Auffassung der Autorin eine „radikale und plurale Demokratie“ des Konfliktes.
Inhaltsverzeichnis
1. Anknüpfungspunkte
2. Diskussion
3. Literaturverzeichnis
1. Anknüpfungspunkte
Chantal Mouffe erörtert in ihrer Diskurstheorie Bedingungen demokratischer Politik in der Moderne. Sie versucht die Frage zu beantworten, wie Gruppen, Identitäten und Probleme im fortwährenden politischen Prozess Teilhabe zu einem integrativen Bestandteil machen können. Dabei spricht sie den Mangel an, dass sich die konstitutiven Prinzipien „Freiheit und Gleichheit für alle“ noch nicht erfolgreich im praktischen Leben bestehender Gesellschaften entfaltet und durchsetzt haben. Um diesem Ziel näher zu kommen, beansprucht die Linke nach Auffassung der Autorin eine „radikale und plurale Demokratie“ des Konfliktes. Ihre immanente Kritik sieht eine linkspopulistische Strategie der Radikalisierung bestehender Institutionen vor, die nur in einer wachsenden Zahl sozialer Beziehung das Ziel eines notwendig gewordenen revolutionären Bruchs im Sinne eines Neuanfangs bedeuten kann. Auf der Suche nach Lösungsvorschlägen zur Korrektur des unzulänglichen politischen Systems bedarf es jedoch keiner unrealistischen Forderungen, sondern einer konstitutiven Offenheit gegenüber Debatten im Wettstreit um die Etablierung eines neuen Common Sense. Es wird deutlich, dass im Kampf um Machtverhältnisse nichts als selbstverständlich angesehen werden dürfe. Insbesondere der demokratisch vorherrschende radikale Diskurs soll eben diese Infragestellung von Unterordnungsverhältnissen ermöglichen (Mouffe 2018: S. 51f).
Auf der Suche nach Anknüpfungspunkten für die zu verteidigenden Prinzipien unserer Demokratie könne kurz auf die Zeit der Französischen Revolution verwiesen werden, die sich zu damaliger Zeit erstmalig auf ein neues Beharren auf der absoluten Macht des Volkes bezog. Ungleichheit als Kritik wurde als illegitime Form des politischen und sozialen Lebens durch eine neue symbolische Form gesellschaftlicher Institution ersetzt. Nach über 200 Jahren finden sich in den Neuen sozialen Bewegungen der Gegenwart immer noch gleiche Formen der Infragestellung ungleicher Herrschaftsformen wieder. Die Kraft demokratischer Imaginäre erstreckt sich in einer neuen Vielzahl gesellschaftlicher Ansprüche, die auf der Suche nach dem Streben nach Gleichheit und Freiheit in Einklang zu bringen sind. Die Disartikulation nicht zeitgemäßer Praktiken könnte heutzutage mehr einer zeitgemäßen Re-Artikulation neuer Praktiken weichen, die notwendigerweise mit den gleichen verfassungsmäßigen liberal-demokratischen Rechten und Pflichten einhergehen muss, jedoch neue sozialökonomische Modifikationen hervorbringt. Unter welchen Umständen sich Identitäten und Relationen entwickeln, ist jedoch durch die inhärente Logik nicht absehbar (Westphal: S.5). Damit ist eine hegemoniale Transformation gemeint, weg von den Kräften des Marktes mit ihrem beinahe unbegrenzten Individualismus, hin zu neuen Formen der Demokratieausgestaltung ohne Fixierung des Neoliberalismus, versehen mit ethisch-politischen Prinzipien, die nicht ihrer Legitimität beraubt werden. Die revolutionäre Politik als die dritte Art von Politik strebt immer einen totalen Bruch mit einer bestehenden Ordnungspolitik an. Der Staat ist kein homogenes Medium, sondern umkämpftes Gebiet kristallisierender Machtverhältnisse, die nur durch die vorherrschenden hegemonialen Akteure und Elemente zusammengehalten werden.
Tragender Inhalt sozialer Divergenzen ist, dass jeder Kritikansatz neoliberaler Ordnung als linksextrem relativiert wird, ohne den Anspruch an eine ehrliche Infragestellung der bestehenden hegemonialen Ordnung zu erlauben (Mouffe 2018: S. 60). Laclau und Mouffe sehen darin eine erfolgreiche neoliberal geführte Fixierung von Knotenpunkten innerhalb des Diskurses als Durchsetzung der konkurrierenden hegemonial-artikulatorischen Praktiken gegenüber schwächeren Formationen (Westphal: S.7).
Können die neoliberalen Verteidiger des Status Quo ihre hegemoniale Stellung erfolgreich behaupten, ist es sozioökonomisch betrachtet nicht verwunderlich, weshalb soziale Bewegungen immer häufiger radikale Elemente hin zu einer hegemonialen Macht- und Ordnungsverschiebung verfolgen. Immer mehr Menschen bekommen den Eindruck, dass die neoliberale Ökonomiebeschleunigung sich ihrer Menschlichkeit beraut hat und die Grundfeste unserer Gesellschaft bedrohe. Dies hat unmittelbare und direkte destruktive Auswirkungen auf das Leben der Bürger (Navidi, 2016). Nicht besser ist es nach dem Verständnis von Chantal Mouffe mit dem Keynesianismus bestellt, der nach ihr durch eine Belebung der Konsumnachfrage als Ursache für Umweltverschmutzungen gesehen wird. In Anlehnung an Gramscis und Mouffe sollte der Staat den politischen Charakter einer Zivilgesellschaft verinnerlichen, indem neben dem traditionellen Regierungsapparat eine Vielzahl weiterer öffentlicher Räume existiert, die im Prozess der Radikalisierung um die Hegemonie ringen (Mouffe 2018: S. 59).
Weitere Anknüpfungspunkte sind gemäß Hardt und Negrie postulierte Ideen der „Kommunen“, was einer Kooperation der Arbeiterschaft gleich kommt, die versucht, eine kapitalintensive Produktionsweise zu substituieren, um neue Möglichkeiten auszuloten, unsere ökologischen und sozialen Fragen der Zeit zu lösen (Mouffe 2018: S. 67). Es soll aber nicht das einzig wahre Organisationsprinzip einer Gesellschaft sein, sondern ein Teil des großen Ganzen.
2. Diskussion
Die radikale Demokratietheorie hat durch die Ergreifung von sozialen Problemen an ihrer Wurzel die Chance, das politische und gesellschaftliche Machtgefüge erneut zu verändern, sodass der Status Quo aufgebrochen und um Prinzipien der Freiheit und Gleichheit gestärkt werden. Punktuelle Brüche und Auseinandersetzungen mit ökonomischen Interessenpartikularitäten sind im revolutionären Reformismus auch in Zukunft erwartbar und werden in derzeitigen Klima- Sozial und Postwachstumsbewegungen immer häufiger öffentlich und radikal-demokratisch ausgetragen. Dies wird beispielsweise im politischen und medialen Diskurs und in anderen Formen des Widerstreites weltweit sehr gut sichtbar. Bewegungen von links wie auch von rechts der Mitte scheuen inzwischen nicht mehr den konfliktären Charakter des Antagonismus, um sich so ein Gehör und die gesellschaftliche Teilhabe konfliktär zu erstreiten. Die zum Teil heftig geführten Auseinandersetzungen zeigen aber auch auf, dass trotz subversiver Dimension der Reformen und der Intention eines grundlegenden Systemwechsels in der Struktur sozioökonomischen Machtverhältnissen ein immer noch auf demokratischem Wege ausgefochtener Diskurs geführt wird. Diesen Anspruch müssen in einer - zwar radikalen aber legitimen und repräsentativen Demokratie - dennoch alle beteiligten Akteure besitzen und verteidigen. Neu im 21. Jahrhundert sind die globale Dimension agonistischer Bewegungen, die Beteiligung junger Akteure am Weltgeschehen sowie der teilweise große Eifer nach unbändigem Willen des totalen Bruchs mit dem Status Quo. Oftmals ist es ein diffuses Unbehagen verschiedenste sozioökonomischer und ökologischer Fehlentwicklungen, weshalb das Vertrauen in die demokratische Grundfeste des gegenwärtigen hegemonialen Ordnungssystems erschüttert ist, wie bereits im vorherigen Kapital mit der kurzen Kapitalismuskritik angedeutet. Die von der Wirtschaft zusehends abgekoppelte Finanzwelt ist für die Menschen zu abstrakt und unverständlich geworden und führt zu immer häufiger auftretenden politischen und sozialen Verwerfungen, die es überall auf der Welt zu vermeiden gilt. Wichtig bei all der Diskussion und des Widerstreits ist deshalb auch die Tatsache, zwischen der liberal-demokratischen Politikordnung auf der einen Seite als Notwendigkeit einer streitbaren politischen Kultur und der neoliberalen Produktionsweise systemrelevanter Multikooperativen auf der anderen Seite zu differenzieren. Es ist die falsche Verteilung von Ressourcen, die einen gesellschaftlichen Zusammenhalt zum Erliegen bringen kann, nicht die liberale Grundordnung politischen Zusammenlebens. Die lebendige Demokratie muss antagonistische Beziehungen durch Repräsentation aller Akteure erlauben und aushalten, sonst kann kein Kollektiv politischer Subjekte durch Re-Artikulation die Modifikation sozialer Ordnung entwickeln. Der schwierige Prozess mit nicht zu überwindenden Konflikten kann durch ein institutionelles Austragen dieser Konflikte reformiert werden. Die Prinzipien Freiheit, Gleichheit, Solidarität und Kooperationsbereitschaft können so um den radikal-pluralistischen, konfliktären Charakter des Sozialen ihre Eigendynamik entwickeln.
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- Arbeit zitieren
- Marcus Herzberg (Autor:in), 2019, Chantal Mouffes agonale Demokratietheorie. Eine immanente Kritik an der Politik der Moderne, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/938169
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