Welche Maßnahmen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sind geeignet, um beruflich bedingten Technostress zu reduzieren? In der Arbeit werden dabei sowohl Maßnahmen auf Verhaltens- als auch auf Verhältnisebene aus der bereits bestehenden Literatur herangezogen, auf die Eignung zur Reduktion von Technostress kritisch hinterfragt und im Konzept der betrieblichen Gesundheitsförderung verortet.
Als theoretischer Rahmen zur Einordnung und Legitimation der Maßnahmen in den Kontext der betrieblichen Gesundheitsförderung wurde das Job - Demands - Ressources Modell und das Modell der Salutogenese gewählt und auf das Problemfeld Technostress und mögliche Interventionen angewendet. Gemäß der Arbeit eignen sich Maßnahmen zur Reduktion von Technostress, die arbeitsbezogene und persönliche Ressourcen der Beschäftigten stärken, einen moderierenden Effekt auf die Arbeitsanforderungen ausüben und das Kohärenzgefühl der Beschäftigten stärken. Somit könnten beispielsweise gesundheitliche und arbeitsbezogene negative Effekte von Technostress vermindert und die Gesundheit der Beschäftigten gefördert werden. Ein praxistaugliches BGF-Konzept zur Reduktion von Technostress setzt eine nachhaltige Implementierung in die betrieblichen Abläufe voraus. Die Maßnahmen zur Reduktion von Technostress sollten sowohl auf der Verhaltens- als auch der Verhältnisebene angesiedelt sein und erfordern die Kooperation verschiedener Akteure der betrieblichen Gesundheitsförderung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen und ökonomischen Aspekten.
Technostress ist ein zunehmendes Problem der in der heutigen Arbeitswelt und ist in verschiedenen Branchen anzutreffen, wo die Arbeit mit Informations- und Kommunikationstechnologien einen großen Teil der Arbeitsprozesse ausmacht, beispielsweise bei Büroangestellten. Technostress führt zu einem reduzierten Wohlbefinden, einer verminderten Arbeitszufriedenheit und löst Stresssymptome und Arbeits – Freizeit – Konflikte aus. Diese Konsequenzen von Technostress sind bekannte Risikofaktoren für die psychische Gesundheit und sind mit negativen Folgen für Unternehmen verbunden, wie etwa gehäuften Fehlzeiten. Technostress kann daher als relevantes Thema in der betrieblichen Gesundheitsförderung angesehen werden, da durch diese Stressform die psychische Gesundheit beeinträchtigt wird.
Inhalt
1 Einleitung und Problemstellung
2 Grundlagen
2.1 Gesundheit, Krankheit und Technostress
2.1.1 Gesundheit und Krankheit Begriffsdefinitionen
2.1.2 Stress und Stressreaktion
2.1.3 Theorien und Konzepte von Arbeitsstress
2.1.4 Informations- und Kommunikationstechnologien als Arbeitsmittel
2.1.5 Technostress am Arbeitsplatz
3 Ein BGF-Konzept zur Reduktion von Technostr
3.1 Das Konzept der betrieblichen Gesundheitsförderung
3.1.1 Rechtliche Grundlagen der betrieblichen Gesundheitsförderung
3.1.2 Grundsätze und Ziele der betrieblichen Gesundheitsförderung
3.1.3 Akteure in der betrieblichen Gesundheitsförderung
3.1.4 Wirtschaftliche Aspekte von BGF
3.1.5 Relevanz von Technostress in der betrieblichen Gesundheitsförderung
3.2 Maßnahmen zur Reduktion von Technostress
3.2.1 Technostress reduzieren durch Technologiekompetenz
3.2.2 Arbeitspausen zur Reduktion von Technostress
3.2.3 Lösungsorientierte Bewältigungsstrategien zur Reduktion von Technostress
3.2.4 Technostress reduzieren durch Work-Life-Balance Maßnahmen
3.2.5 Technostress reduzieren durch gesundheitsförderliche Softwaregestaltung
4 Diskussi
5 Fa
Abstract
Technostress ist ein zunehmendes Problem der in der heutigen Arbeitswelt und ist in verschiedenen Branchen anzutreffen wo die Arbeit mit Informations- und Kommunikationstechnologien einen großen Teil der Arbeitsprozesse ausmacht, beispielsweise bei Büroangestellten. Aus der Literatur sind negative Folgen von Technostress auf gesundheitlicher und betrieblicher Ebene bekannt (z.B. La Torre et al 2019). Technostress führt zu einem reduzierten Wohlbefinden, einer verminderten Arbeitszufriedenheit und löst Stressymptome und Arbeits - Freizeit - Konflikte aus. Diese Konsequenzen von Technostress sind bekannte Risikofaktoren für die psychische Gesundheit und sind mit negativen Folgen für Unternehmen verbunden, wie etwa gehäuften Fehlzeiten. Psychische Gesundheitsprobleme sind, nach der Literatur, ein bekanntes Problemfeld in Unternehmen (z.B. Marschall et al. 2018). Sie sind die zweithäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit. Technostress kann daher als relevantes Thema in der betrieblichen Gesundheitsförderung angesehen werden da durch diese Stressform die psychische Gesundheit beeinträchtigt wird.
Im Zentrum dieser Arbeit steht daher folgende Fragestellung: „Welche Maßnahmen im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sind geeignet, um beruflich bedingten Technostress zu reduzieren?“ Es werden dabei sowohl Maßnahmen auf Verhaltens- als auch auf Verhältnisebene aus der bereits bestehenden Literatur herangezogen, auf die Eignung zur Reduktion von Technostress kritisch hinterfragt und im Konzept der betrieblichen Gesundheitsförderung verortet.
Als theoretischer Rahmen zur Einordnung und Legitimation der Maßnahmen in den Kontext der betrieblichen Gesundheitsförderung wurde das Job - Demands - Ressources Modell und das Modell der Salutogenese gewählt und auf das Problemfeld Technostress und mögliche Interventionen angewendet. Gemäß der vorliegenden Arbeit eignen sich Maßnahmen zur Reduktion von Technostress, die arbeitsbezogene und persönliche Ressourcen der Beschäftigten stärken, einen moderierenden Effekt auf die Arbeitsanforderungen ausüben und das Kohärenzgefühl der Beschäftigten stärken. Somit könnten beispielsweise gesundheitliche und arbeitsbezogene negative Effekte von Technostress vermindert und die Gesundheit der Beschäftigten gefördert werden. Ein praxistaugliches BGF-Konzept zur Reduktion von Technostress setzt eine nachhaltige Implementierung in die betrieblichen Abläufe voraus. Die Maßnahmen zur Reduktion von Technostress sollten sowohl auf der Verhaltens- als auch der Verhältnisebene angesiedelt sein und erfordern die Kooperation verschiedener Akteure der betrieblichen Gesundheitsförderung unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Interessen und ökonomischen Aspekten.
There is some evidence in today's scientiftic literature for technostress becoming an increasing problem in occupations these days. Technostress is emerging in various industries where working with information and communication technologies displays a core part of the working process, for example in the context of clerical working environments. Negative consequences of technostress on employees health and the companies themselves are known from existing literature (e.g. La Torre et al. 2019). Technostress leads to the reductions of employees well - being, reduced job satisfaction, triggers stress symptoms and work - life - balance - conflicts. These consequences of technostress are well known risk factors for mental health and are associated with negative corporate outcomes, such as increased absenteeism. According to the literature, mental health problems displays known problems at work in general (e.g. Marschall et al. 2018). They are the second leading cause of disability. Technostress can therefore be regarded as a relevant topic in workplace health promotion because this type of stress affects many mental health outcomes.
At the center of this work stands the question of “Which types of intervention are suitable to reduce work - related technostress within the context of workplace health promotion?” Behavioral interventions as well as interventions adressing the workplace environment from already existing literature were screened and critically questioned of weather they were suitable for the reduction of technostress within the context of workplace health promotion. As a theoretical framework to classify and legitimize the possible interventions in the context of workplace health promotion, the Job - Demands - Ressources model (Bakker/Demerouti 2007) and the model of salutogenesis (Antonovsky 1997) were chosen and applied to the problem field of technostress and possible intervetions.
According to this thesis suitable interventions to reduce techno-stress withing the context of workplace health promotion are likely to strengthen workers 'work and personal resources, having a moderating effect on work requirements, and strengthen employees' sense of coherence. Thus, for example, health and work-related negative effects of technostress could be reduced and the health of employees could be promoted. A practicable concept for the reduction of Technostress presupposes a sustainable implementation in the operational processes. The interventions for the reduction of technostress should be located both on the behavioral as well as the workplace - environmental level and require the cooperation of different actors of workplace health promotion taking into account the different interests and also economic aspects
Glossar
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung und Problemstellung
„[...] „Wenn man in meinem Unternehmen zwei, drei Wochen nicht in sein Postfach schaut, dann hat man gut 1000 E-Mails drin“, so eine [...] Firmenvertreterin (Strobel 2013: 16).“
Die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) wie beispielsweise E-Mail (Bitkom: 2018a) gewinnt zunehmend an Bedeutung. 2018 gehen im Schnitt doppelt so viele Emails im Postfach eines deutschen Erwerbstätigen ein wie noch vor 7 Jahren. Während im Jahre 2016 durchschnittlich noch circa eine halbe Stunde für die Bearbeitung von Emails aufgewendet wurde so waren es laut einer Forsaumfrage im Jahre 2018 bereits 45 Minuten. Ähnlich verhält es sich mit der Nutzung von Telefon oder Messengern (SevenOne Media 2018). Ausgehend von diesen Entwicklungen stellt sich nun die Frage inwiefern sich die zunehmende Verbreitung der neuen IKT in der Arbeitswelt auf die Gesundheit auswirkt. Der Beantwortung dieser Fragestellung wurde in der Literatur bereits nachgegangen. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff „Technostress“ im wissenschaftlichen Diskurs geprägt (z.B. Brod 1984). Forschungsergebnisse legen nahe, dass die Nutzung von IKT auch schädigende Einflüsse auf die Gesundheit ausüben kann. In dem Zusammenhang wurde der Begriff Technostress bereits 1984 von dem Wissenschaftler Craig Brod gebildet. Die Arbeitswelt hat sich im Zuge der Digitalisierung gewandelt: IKT sind heutzutage ein Standardwerkzeug zu Aufgabenerfüllung in den meisten Brancen. Vor allem kommt sie in Büroarbeitsplätzen zum Einsatz Gegenstand der theoretischen Analyse sind deshalb statische und mobile Formen der Büroarbeit, wo die Arbeit mit IKT einen Großteil der Arbeit ausmacht In diesem Setting soll das Aufkommen von Technostress bei den Beschäftigten zunächst dargestellt, und in Beziehung zur Gesundheit der Beschäftigten gesetzt werden. Anschließend sollen mögliche Strategien zur Reduktion von Technostress aufgeführt werden. Die dafür gewählte Handlungsstrategie bildet in der vorliegenden Arbeit das Konzept der betrieblichen Gesundheitsförderung. Der Grund für die Beschränkung auf diese Klassifikation von Arbeitsplätzen erklärt sich durch die begriffliche Definition von Technostress. Im beruflichen Bereich entsteht Technostress überwiegend in diesen Settings, wie auch ein aktuelles systematisches Review zusammenfasst (La Torre et al. 2019). In der Literatur wird auf die Notwendigkeit zur Entwicklung von Strategien zur Reduktion von beruflichem Technostress vor dem Hintergrund der negativen gesundheitlichen sowie wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Phänomens verwiesen (Tarafdar et al. 2007: 328; Ayyagar et al 2011: 852). Aktuell ist die Reduktion von Technostress kein eigenständiges Handlungsfeld der betrieblichen Gesundheitsförderung im Sinne des Leitfadens für Prävention. Jedoch werden bereits angrenzende Themenfelder wie z.B. Stressbewältigung in enger Verbindung mit mit bereits im Katalog aufgenommen (GKV Spitzenverband 2018: 119). Die daraus resultierende Weiterentwicklung mündete in der Fragestellung der Entwicklung von einem BGF-Konzept um den gesundheitsschädigenden Folgen von Technostress in Unternehmen zu begegnen. Deshalb lautet die zentrale Fragestellung der Arbeit: „Welche Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung sind geeignet, um Technostress zu reduzieren?“. Die vorliegende Arbeit ist in 5 Oberkapitel aufgeteilt. In Kapitel 2.1 sollen zunächst die Grundlagen von Gesundheit, Krankheit und Technostress erläutert werden. Bezogen auf den Untersuchungsgegenstand Technostress in der Arbeitswelt werden Gesundheit und Stress zunächst aus arbeitsmedizinischer Perspektive betrachtet. Ergänzend wird der Stress- und Gesundheitsbegriff aus der Perspektive der Gesundheitsförderung betrachtet. Das ist notwendig, da sich diese beiden Sichtweisen sich in der betrieblichen Gesundheitsförderung ergänzend gegenüberstehen aber einen unterschiedlichen Fokus haben (Bamberg et al. 2004: 14f.). Anschließend wird im Kapitel 2.1.4 und 2.1.5 Auf die Präsenz von Informations- und Kommunikationstechnologien in der Berufswelt eingegangen sowie in diesem Zusammenhang auf das Problemfeld Technostress. Im Kapitel 3 werden konzeptionelle Möglichkeiten zur Reduktion von Technostress aufgeführt. Dazu wird im Kapitel 3.1 das Konzept der betrieblichen Gesundheitsförderung zunächst in seinen Grundzügen erläutert und auf das Themenfeld Technostress angewendet. Im folgenden Kapitel 3.2 wird auf Basis der in Kapitel 2. Aufgeführten Grundlagen ein mögliches BGF Konzept aus verschiedenen Maßnahmen zur Reduktion von Technostress aufgezeigt.
2 Grundlagen
2.1 Gesundheit, Krankheit und Technostress
2.1.1 Gesundheit und Krankheit Begriffsdefinitionen
Gesundheit wird in der Literatur sowohl als Zustand des Gleichgewichts als auch als Zustand der Flexibilität beschrieben (Franke 2010:41 f.). Bär (2016: 40) zum Beispiel verortet das Salutogenesemodell von Antonovsky in der Tradition des heterostatischen Defnition der Gesundheit. Die WHO (2013: 206) definiert Gesundheit als "[...] Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur [dem] Freisein von Krankheit oder Gebrechen." Franke beschreibt die Gesundheit als Erscheinung, die unterschiedliche Dimensionen umfasst. „Gesundheit als Störungsfreiheit“ beschränkt das Begriffsverständnis auf die Abwesenheit von Krankheit (Franke 2010: 36)“. Den Aspekt des Wohlbefindens für die Gesundheit (Franke 2010: 36) hebt die WHO in ihrer Gesundheitsdefinition hervor. Bei Parsons wird das Ausmaß an Funktionalität im Sinne der Rollenerfüllung stellvertretend für den Gesundheitsbegriff (Franke 2010: 38). Der amerikanische Soziologe Parsons stellt die Rollenerfüllung einer Person als Grundlage für die Gesundheit dar (Parsons 1968 zit. nach Franke 2010: 33).
Es gibt in der Literatur somit keine eindeutigen und festgeschriebenen Begriffsbestimmungen von Gesundheit und Krankheit (Franke 2010: 22). Franke (2010 23f.) benennt in diesem Zusammenhang sieben Punkte, die eine einheitliche Deklaration von Gesundheit und Krankheit erschweren: Zunächst fehle es an einer gemeinsamen Definition dieser Begriffe. Unterschiedliche Forschungsdisziplinen interpretieren die Begriffe dabei jeweils im Zusammenhang mit ihrer Disziplin. Der Objektivierung von Krankheit und Gesundheit seien durch gegenwärtige diagnostische Rahmenbedingungen Grenzen gesetzt und somit seinen deren Interpretationen Kontextabhängig. Das Ausmaß der objektiv messbaren Gesundheitseinschränkungen korreliere nicht zwangsläufig mit dem subjektiven Befinden eines Individuums. Die der Medizin zugrunde liegenden normierten Messwerte innerhalb dessen ein Individuum krank oder gesund ist, seien stetigem Wandel unterworfen und nicht jede Normabweichung werde entsprechend gleichgesetzt mit einem Zustand der Krankheit. Die Interpretationen von Gesundheit und Krankheit seien selbst International verschieden, so die Autorin weiter, müssen somit immer Kontext der jeweiligen Kulturen und Gesellschaften betrachtet werden und erhalten somit auch eine soziologische Komponente. Das einschränkende Ausmaß einer Krankheit, wie beispielsweise einer Allergie sei demnach weiterhin abhängig von den Umgebungsbedingungen (Franke 2010:26). Selbst wenn die Krankheit besteht, trete sie nur bei einer Expositionserfahrung mit dem betreffenden Allergieauslöser zutage und verliere, so Franke, in anderen Situationen ihren krankheitswert. Auch der Soziologe Bär (2016: 17) verweist darauf, dass der Gesundheitsbegriff nicht losgelöst von den Lebensverhältnissen betrachtet werden kann. Der Autor sieht den Vorteil der verschiedenen Bestimmungen von Gesundheit darin, dass so ein besseres Verständnis dessen daraus erfolgen kann.
Zuletzt wird von Franke (2010: 26) noch auf den Punkt der Interessen der verschiedenen Interessengruppen bei der Definition von Gesundheit und Krankheit eingegangen. Die Autorin führt hier in diesem Zusammenhang den physiologischen Zustand der Menopause als Beispiel für eine interessengeleitete Pathologisierung zu Gunsten der pharmazeutischen Industrie auf (Franke 2010: 27). Hier führt die Pathologisierung eines physiologischen Zustandes beispielsweise zu höheren Absatzzahlen für hormonell wirksame Medikamente, was für die pharmazeutische Industrie wirtschaftliche Vorteile und für die vermeintlich Kranken potenzielle Gesundheitsschäden mit sich bringen könne (Boardman 2015 zit. nach Franke: 27).
In der Medizin werden Krankheiten durch Diagnosesysteme klassifiziert. Das ICD-10 ist ein System, welches Krankheiten nach dem Verständnis der Medizin auflistet (Franke2010: 59). Die Grundlage der Medizinische-naturwissenschaftlichen Krankheitsdefinition bilden die Überlegungen von Virchow. Nach diesen ist die Krankheit ein auf den Körper beschränkter Zustand (Franke 123). Aufbauend auf diesen Grundlagen entstand das biomedizinische Modell der Krankheit, welches Aktuell interdisziplinär am häufigsten verwendet werde um Krankheit zu definieren (Franke 2010: 127). Auch die gesetzliche Gesundheitsdefinition beruht auf den Gesundheits- und Krankheitsvorstellungen der Biomedizin. Bär (2016: 33) verweist in dem Zusammenhang auf das Sozialgesetzbuch V (§27), das Krankheit im Sinne des biomedizinischen Modells als Normabweichung deklariert. Zum Krank sein gehöre gemäß dieser Begriffsbestimmung zusätzlich eine Indikation zur medizinischen Diagnostik Therapie (§ 27 SGB V).
Die Grundannahmen des biomedizinischen Modells sehen Krankheit im Gegensatz zu Antonovskys Überlegungen als widernatürlich an, entkoppeln sie vom Begriff der Gesundheit und isolieren sie von den soziokulturellen Zusammenhängen. Nach diesem Modell ist ein betroffenes Individuum nicht wesentlich in der Lage diesen Zustand zu beeinflussen. Der Behandlungserfolg liege demnach in der Hand der medizinischen Experten (Franke 2010: 129). Die Psychosomatik, als medizinisch-psychologische Fachdisziplin geht bei jeder Erkrankung von der Psyche als Einflussvariable aus und geht davon aus, dass das Krankheitsgeschehen durch psychische Belastungen, wie zum Beispiel Stress, beeinflusst werden kann (Franke 2010: 135).
2.1.2 Stress und Stressreaktion
Die Grundlagen der Stressforschung beruhen auf den Überlegungen von Cannon (Nitsch 1981: 52). Seine Forschung vertritt im Kern die Annahme einer Reaktion als Resultat auf unterschiedliche Reize aus der Umgebung oder körperlichen und emotionalen Vorgängen. Diese Reaktion wurde fortan in der wissenschaftlichen Literatur als Stressreaktion bezeichnet (Nitsch 1981; 53). In der Fachdisziplin Biologie wird Stress als “unspezifische Reaktion des Organismus auf jede Anforderung“ definiert. Dieser Terminus ist neutral und sagt zunächst nichts darüber aus inwieweit Stress die Gesundheit beeinflusst (Selye 1981: 171). In der Literatur haben sich zwei grundlegende Stresskonzepte etabliert. Zum einen das biologische Stresskonzept von Selye (Franke 2010: 101), das die körperlichen Stressreaktionen veranschaulicht und das Transaktionale Stressmodell nach Lazarus (Franke 2010: 112) welches psychologische Aspekte von Stress in den Vordergrund rückt und in dessen Wechselwirkung mit Mensch und Umwelt, Transaktion, zu erklären vermag (Lazarus/Launier 1981: 249).
Die Grundlagen zum biologischen Stressverständnis hat der Mediziner Hans Seyle untersucht und die biologischen Vorgänge im Körper die durch den Stress hervorgerufen werden, als Allgemeines Anpassungssyndrom bezeichnet Kaluza (2018: 18f.). Kaluza (2018:18) beschreibt Stress als einen Zustand, in dem der Körper aus seinem biologischen Gleichgewicht gerät. Der Körper sei demnach im Gleichgewicht, was in der Medizin als Homöostase bezeichnet wird, wenn einem Individuum die Anpassung, an die sich ändernden Bedingungen der Außenwelt, gelinge. Überlasten die äußeren Faktoren die Kompensationsmechanismen eines Individuums entstehe eine Reaktion, die als Stress bezeichnet wird. Die sich ändernden äußeren Bedingungen im Lebensraum eines Individuums werden als Stressoren bezeichnet (Kaluza 2018: 19). Die akute Stressreaktion ist laut Kaluza nicht gesundheitsgefährdend, sondern ein physiologischer Prozess. Der menschliche Körper ist evolutionsbedingt auf die Reaktion von kurzfristigen Stressbelastungen ausgelegt (Kaluza 2018:31). Verschiedene Autoren betonen, dass ein bestimmtes Maß an Stress essenziell für den Menschen ist (Rutenfranz 1981: 379; Selye 1981: 171). Selye spricht in diesem Zusammenhang von Eustress. Der Begriff Eustress setzt sich zusammen aus den Begriffen Eu und Stress. Eu bedeutet im Griechischen gut. Somit sei Eu-Stress als guter bzw. gesundheitsförderlicher Stress zu betrachten (Selye 1981: 171).
Im Folgenden werden die biologischen Körpervorgänge erklärt, die durch Stress ausgelöst werden. Dabei wird auf die Grundlagen des Stresskonzepts nach Selye zurückgegriffen. Die Grundüberlegungen zu Selyes Forschung war die Beantwortung der Frage weshalb Menschen mit unterschiedenen Krankheiten gleiche Symptome aufwiesen (Selye 1966 zit. in Selye 1981: 164). Dazu führte er ein Experiment durch: Er injizierte Ratten Hormone von Rindern. Ursprünglich sollten in dem Experiment bisher noch nicht ergründete hormonelle Wirkungen überprüft werden, jedoch zeigte sich stattdessen drei biologische Reaktionen, welche von ihm bei Patienten mit Kollagenosen, Nierenerkrankungen und Hauterkrankungen aus dem atopischen Formenkreis beobachtet wurden: Die Vergrößerung der Nebennierenrinde und Entleerung der Nebennierengranula, die Rückbildung von lymphatischen Körperstrukturen wie z.B. den Lymphknoten und dem Auftreten von Magengeschwüren. Er folgerte daraus, dass diese Reaktionen eine universelle biologische Reaktion auf eine Schädigung darstellten und bezeichnete diese Triade als Allgemeines Adaptionssyndrom (A.A.S.) (Selye 1981: 164ff.). Auf Basis dieser biologischen Körpervorgänge erkannte er den weiteren Verlauf der Schädigungen und teilte das A.A.S in drei Stadien. Dem Stadium der Alarmreaktion, dem Stadium des Widerstands und, letztlich dem Erschöpfungsstadium (Selye 1981: 167). Solche körperlichen Vorgänge im Sinne des A.A.S. können wie im Beispiel des Experiments durch körperliche Schädigungen oder aber auch bei psychologischen Zuständen wie Furcht und Frustration oder Erschöpfung auftreten. Selye (1981: 169) bezeichnet sie als innere oder äußere Reize und fasst sie unter dem Begriff Stressoren zusammen. Die biologische Reaktion, die bei Stress aktiviert wird, erfolgt über den Weg der Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrindenachse (Kaluza 2018: 24). Dabei wird in einem Bereich des Gehirns, dem Hypothalamus ein Hormon namens Corticotropin-Releasing-Faktor (CRF) ausgeschüttet, welches über die Blutbahn in die Hirnanhangdrüse im Gehirn transportiert wird. Letztere reagiert mit der Freisetzung von adrenocorticotropem Hormon ins Blut, um die Nebennierenrinde zur Produktion des Hormons Kortisol zu fördern. Das Hormon Kortisol bewirkt somit die physiologischen Anpassungen, die im Körper bei einer chronischen Stressbelastung ablaufen (Kaluza 2018: 24). Selye misst der Aktivierung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden Achse einen Stellenwert in der Beeinflussung von körperlichen Erkrankungen bei (Selye 1981: 168). Corticoide haben auch auf das Immunsystem eine unterdrückende Wirkung und sorgten dafür, dass in der Leber die Bildung von Glucose und Speicherung als Form der Energiereserven eingeleitet werde (Selye 1981: 175). Neben dem Hormon, Cortisol, welches, wie bereits beschrieben in der Nebennierenrinde produziert wird, werden bei der Stressreaktion im Nebennierenmark sogenannte Katecholaminie gebildet, die durch die Erhöhung von Puls und Blutdruck eine bessere Versorgung der Muskeln mit Sauerstoff gewährleisten damit der Körper in der Alarmphase gezielt mit Flucht oder Angriff reagieren kann. Der Weg der Stressreaktion über die Katecholamie erfolgt jedoch bei akutem und kurzfristigen Stress, wie Kaluza (2018: 24) betont. Wie Antonovsky (Franke 2010: 165) geht auch Selye (1981: 183) davon aus, dass im Sinne des Heterostase-Konzeptes, die stetige Neuanpassung des Organismus an die Umwelt eine normale Erscheinung darstellt. Er spricht davon von, Heterostase durch die Einwirkung von Stressoren herausgebildet wird und Selbstheilungsmechanismen in Gang setzt. Die Folgende Tabelle stellt die biologischen Vorgänge von chronischem und akutem Stress gegenüber.
Tabelle 1 Gegenüberstellung von chronischem und akutem Stres
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle (Tabelle 1): Eigene Darstellung nach Kaluza (2018: 24)
Die Reaktion auf diesen dauerhaften Stress ist laut Kaluza (2018:31) ein Risikofaktor für ernste Erkrankungen. Durch diese Stressform hat der Körper keine Gelegenheit zur Entspannung. Bereits Selye (1981: 165) verweist auf durch Stress ausgelöste messbare Veränderungen des menschlichen Körpers. Es können sich beispielsweise Geschwüre des Verdauungstraktes ausbilden und es kommt zum Wachstum der Nebennierenrinde. Inzwischen gilt als bewiesen, dass die durch dauerhaften Stress ausgelösten hohen Blutkortisolwerte zu objektiv nachweisbaren Umbaureaktionen im menschlichen Gehirn führen, was wiederum einen möglichen Erklärungsansatz der Einschränkung der Gedächtnisfunktion durch Dauerstress darstellt (Kaluza 2018: 32). Selye (1981:170) spricht über diese Form von chronischem und somit länger andauerndem Stress auch von DisStress. In dieser Arbeit wird im Folgenden der Begriff Stress als in seiner gesundheitsgefährdenden Form, dem Dis-Stress, zugrunde gelegt. Wenn der Begriff Stress auftaucht wird er im Sinne einer gesundheitlichen Belastung interpretiert. Eine strake Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit bis hin zu Depressionen ist eine mögliche Nachwirkung von dauerhaftem Stress (Kaluza 2018: 34).
Stress ist nach Selye (1981: 179) jedoch kein isolierter Auslöser von Erkrankungen. Aber er spielt bei der Krankheitsentstehung (Pathogenese) vor allem von sogenannten multifaktoriellen Erkrankungen eine Rolle als Katalysator. Als multifaktorielle Erkrankungen werden, nach Selye solche bezeichnet, für dessen Manifestation es mehrerer krankmachender Faktoren bedarf als nur eine einzige Ursache. Als Beispiele dafür führt er psychische und Erkrankungen des Verdauungsapparates auf. Kaluza (2018: 36) bezeichnet Stressoren als jene Einflüsse, die das körperliche und psychische Gleichgewicht, Homöostase genannt, bedrohen. Insgesamt lässt sich festhalten, dass Stress eine Form der psychischen und physischen Belastung darstellt woraus dann eine Beanspruchung folgt. Dies wird auch deutlich, wenn man die Definition von psychischer Belastung der DIN EN ISO 10075 - betrachtet. Demnach ist die Psychische Belastung zu verstehen als „[...] Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken (Joiko et al. 2010: 9). Gemäß DIN EN ISO 10075 - 1 wird die psychische Beanspruchung definiert als Konstrukt, welches ein Mensch individuell in Anhängigkeit seiner Coping-Strategien erlebt (Joiko et al. 2010:9).
Lazarus und Launier betrachten Stress im transaktionalen Stressmodell als einen Prozess der Wechselwirkung zwischen einem Individuum und seiner Umgebung (Lazarus/Launier 1981: 213). Das Erleben von Stress setze sich zusammen aus der gedanklichen Bewertung und der Bewältigungsart einem möglicherweise Stressverursachenden Ereignis zu begegnen (Lazarus/Launier 1981: 233). Damit es zu einer Stressbelastung kommt muss die Transaktion als bedrohlich erlebt werden (Lazarus/Launier 1981: 226).
Die Autoren messen dem gedanklichen Bewertungsprozess bei der Entstehung von Stress einen hohen Stellenwert zu. Sie gehen von drei Variablen aus, die ein Stresserzeugendes Potential innehaben. Es sind schädigende, bedrohende und herausfordernde Ereignisse. Sie beschreiben, dass Stress davon abhängig ist welche Fähigkeiten ein Mensch besitze, um diese Ereignisse zu bewältigen (Lazarus/Launier 1981: 214). Demnach seien Schädigende Variablen dadurch gekennzeichnet, dass diese in der Vergangenheit liegen und somit bereits eingetreten sind. Als Beispiele nennen die Autoren einen zwischenmenschlichen Verlust oder eine Verletzungsfolge. Bedrohende Einflüsse sind jene noch nicht eingetreten Ereignisse, die mit einer Schädigung einhergehen könnten. Schädigung und Bedrohung seien jedoch in der Praxis häufiger gemeinsam anzutreffen, so dass sich die Bedrohung aus der Schädigungsfolge erlebe, so die Autoren. Dies sei der Fall wenn ein Individuum aus der Folge einer Erkrankung seine Funktionsfähigkeit verliere und somit die Ausübung der Erwerbstätigkeit eingeschränkt sei, was mit finanziellen und sozialen Einbußen einhergehe (Lazarus/Launier 1981: 235). Stress entstehe demnach als Folge der eingeschränkten Funktionsfähigkeit und somit würde durch Stress nach Parsons Auslegung des Gesundheitsbegriffs (Parsons 1968 zit. nach Franke 2010: 33) die Funktionsfähigkeit als Grundlage der Gesundheit destabilisiert werden und zu Krankheit führen können. Um ein potenziell schädigendes Ereignis als Herausforderung betrachten zu können bedürfe es nach Lazarus/Launier (1981: 236) einer Haltung, die es ermöglicht dieses Ereignis als Bewältigbar zu erleben. Dieser Bewertungsprozess erfolge in zwei Stufen, der primären (Lazarus/Launier 1981: 233) und der sekundären (Lazarus/Launier: 1981: 238) Bewertung. Auf der Stufe der primären Bewertung könne ein Ereignis als nicht relevant, förderlich oder hinderlich und somit stresshaft bezeichnet werden. Nicht relevante Ereignisse wirkten sich neutral aus und könnten demnach keine Stressreaktion in Gang setzen. Förderliche Ereignisse brächten der Person einen Nutzen für ihr Wohlbefinden und lösten positive Emotionen wie zum Beispiel Freude aus. Die Anforderung bestünde demnach hierin sich um die Erhaltung der bestehenden Bedingungen zu bemühen (Lazarus/Launier 1981: 234). Dies lässt die Vermutung zu es handle sich hierbei nach der Definition von Selye (1981: 133) um eine Form Eustress. Stressende Ereignisse stellten eine wahrgenommene oder tatsächliche Bedrohung des Wohlbefindens dar (Lazarus/Launier 1981: 235). Die sekundäre Bewertungsstufe folgt gemäß Lazarus/Launier (1981: 238) nicht auf die Erste, sondern läuft parallel dazu ab. Der Fokus liegt auf dieser Bewertungsstufe auf den Bewältigungsprozess des Individuums in einer Situation. Gemäß dem transaktionalen Stressmodell wird, laut den beiden Autoren Bewältigung als eine Ansammlung von innerpsychischen und verhaltensbedingten Anstrengungen angesehen, die dazu dienen die Anforderungen der Umgebung zu meistern. Sie haben die Form der Bewältigung in 2 Strategien aufgeteilt, die unterschiedlichen Zwecken dienen. Auf der einen Seite wäre es die Strategie der instrumentellen Bewältigung, die (Lazarus/Launier 1981: 244 f.) die darauf abzielt das Gleichgewicht wiederherzustellen, indem die Bedrohung reduziert wird. Auf der anderen Seite steht die palliative Bewältigung, die darauf abziele, die Gefühle zu regulieren, so Lazarus/Launier weiter. Die Förderung des instrumentellen Bewältigungsstils ist nach Kaluza (2018: 46) eine Aufgabe der Gesundheitsförderung.
2.1.3 Theorien und Konzepte von Arbeitsstress
Um im Folgenden das Phänomen Technostress im Kontext der Arbeitswelt durch Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung zu behandeln bedarf es theoretischer Grundlagen zum Stressverständnis in der Arbeitswelt. Diese Grundlagen werden im vorliegenden Kapitel zunächst aus dem Blickwinkel der Arbeitsmedizin betrachtet. Zuerst wird das Belastungs- Beanspruchungsmodell erläutert, da es in der Literatur als grundlegendes Modell zum Stressverständnis in der Arbeitspsychologie angesehen wird und durch seine Komplexität als Grundlage angewandt wird, um Zusammenhänge von beruflichem Dis-Stress abzubilden (Schaper 2011: 480). Auf den Grundlagen des Belastungs- Beanspruchungsmodells aufbauend wird ergänzend das Job-Demands- Ressources Modell nach Bakker und Demerouti in seinen Grundzügen erläutert. Dieses Modell bietet eine lösungsorientierte Ergänzung zum Belastungs- Beanspruchungsmodell, da es sich der Förderung der Ressourcen eines Individuums in der Arbeitswelt annimmt (Schaper 2011: 482) und eine sinnvolle Überleitung zum nächsten Kapitel erlaubt in welchem der Ressourcenaspekt im Zusammenhang mit dem Stressverständnis in der Gesundheitsförderung thematisiert wird.
Nach Rutenfranz (1981: 382), dem Begründer des Beanspruchungs- Belastungsmodells gibt es drei Variablen, die den Ausprägungsgrad der Beanspruchung im Sinne der Arbeitsmedizin bestimmen, die Belastung, die Beanspruchung und die intervenierende Variable. Der Begriff der psychischen Belastung ist zunächst ohne Wertung zu interpretieren (Joiko 2010: 10). Als Beispiele für Belastungen nennt Rutenfranz (1981: 385) psychische Anforderungen wie beispielsweise Handlungsstrategien oder den Grad der Verantwortung innerhalb eines Unternehmens. Als Intervenierende Variablen bezeichnet er beispielsweise Stressbewältigungsstile oder die Persönlichkeitseigenschaften eines Individuums wie beispielsweise ob jemand eher neurotisch oder stabil ist. Er benennt hier als Beispiel, dass ein Beschäftigter der neurotisch Veranlagt ist auf ein Belastendes Ereignis wie der Erkrankung eines nahen Angehörigen stärker psychisch belastet zu sein und eher Fehler im Arbeitsprozess eingeht als ein Beschäftigter mit einer stabilen psychischen Grundverfassung (Rutenfranz 1981: 385). Denn die Wirkungsweise von psychischen Belastungen ist vom Verhalten und den individuellen Dispositionen abhängig (Joiko et al. 2010: 10). Angewendet auf Stressbelastungen werden Stressoren als Belastung und die Stressreaktion als Beanspruchung definiert (Schaper 2011: 477). Entscheidend für das Ausmaß der erlebten Beanspruchung sei somit die Kombination von Belastungsvariable und Intervenierender Variable (Rutenfranz 1981: 381). Im Folgenden werden die Zusammenhänge zwischen Belastung, Intervenierender Variable und Beanspruchung grafisch dargestellt.
Die psychische Belastung könne sich demnach sowohl positiv als auch negativ auf den Gesundheitszustand eines Beschäftigten sowie die Organisation auswirken (Joiko et al. 2010: 12). Joiko et al (2010: 9) beschreiben nach dem Belastungs- Beanspruchungsmodell 5 Gruppen von Arbeitsbedingungen, die auf das Individuum einwirken und im folgenden Abschnitt erläutert werden: Zum einen bestehe die Gruppe der Arbeitsaufgaben. Darunter würden die Aufgabenart und der Aufgabenumfang festgelegt, beispielsweise ob es sich um repetitive oder eher um Abwechslungsreiche Tätigkeiten handle. Eine weitere Kategorie seien laut den Autoren die der Arbeitsmittel. Unter Arbeitsmitteln würden alle Arbeitsmittel wie zum Beispiel Werkzeuge oder auch Computer und deren Funktionszustand zusammengefasst. Hierbei kommt der Interaktion zwischen Menschen und Maschinen eine Bedeutung zu wie sie zum Beispiel auch bei der Entstehung von Technostress stattfindet. Eine weitere Subgruppe von Arbeitsbedingungen bilde die Arbeitsumgebung, so die Autoren weiter. Darunter sei sowohl die zwischenmenschliche und soziale Komponente als Umgebungsfaktor zu verstehen wie auch die unmittelbaren physikalischen Einwirkungen aus der Umgebung. Als vierte Gruppe der Arbeitsbedingungen nennen die Autoren die Arbeitsorganisation. Darunter seien beispielsweise die Gestaltung von Pausen sowie Abläufen im Arbeitsprozess zu verstehen (Joiko et al. 2010: 9). Der Grad der erlebten psychischen Beanspruchung einer Person hänge von der Art ab wie eine Person darauf reagiere. Daneben sei noch die Intensität der psychischen Belastung für den Grad der Ausprägung erlebter psychischer Beanspruchung bedeutsam (Joiko et al. 2010: 10). Ein gewisses Ausmaß an psychischer Belastung sei durchaus wünschenswert, habe eine aktivierende Wirkung auf körperlicher und psychischer Ebene und gehe mit einer verbesserten Arbeitsleistung einher. Dies gelte vor allem für kurzfristige psychische Belastungen (Joiko et al. 2010: 13). Auf der anderen Seite kann gemäß dem Belastungs- Beanspruchungsmodell durch ein Übermäßiges Maß an Belastung eine Beeinträchtigung im Sinne einer Fehlbeanspruchung entstehen. eine mögliche Folge dieser Fehlbeanspruchung sei Stress (Joiko et al 2010: 13). In der folgenden Tabelle ist eine Gegenüberstellung der Folgen von aktivierender Beanspruchung und beeinträchtigender Beanspruchung zu sehen:
Tabelle 2 Gegenüberstellung von aktivierender und beeinträchtigender Beanspruchun
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle (Tabelle 2): Eigene Darstellung nach Joiko et al. (2010: 14)
Symptome von Stress sind laut einer Erwerbstätigenbefragung der Pronova BKK (2018: 33) weit verbreitet. Zu den häufigsten zählten die Befragten Rückenschmerzen (23%), Müdigkeit, Erschöpfung (23%) und Schlafstörungen (21%). Psychische Beschwerden und Erkrankungen, die im direkten Zusammenhang mit Stressbelastungen stehen erzeugen hohe Präsentismusraten. Gerade Frauen neigen gemäß dieser Umfrage zu Präsentismus (Pronova Bkk 2018. 38): Viele Beschäftigte fühlen sich laut einer Umfrage der Pronova BKK (2018: 24) vor allem durch folgende Arbeitsanforderungen ständig gestresst: Die meisten Befragten (34%) aus einem Sample von 1650 Beschäftigten gaben ständigen Termindruck als Hauptbelastungsfaktor an. Ein Viertel der Befragten fühle sich durch die ständige Erreichbarkeit gestresst, eine mangelhafte Ausstattung des Arbeitsplatzes sowie die Schwierigkeit Beruf und Privatleben miteinander zu vereinbaren empfanden 22% bzw. 21% der Befragten als stressig. 8% hatten das Gefühl durch die schnelleren Wege der Kommunikation, die durch neue IKT stetig weiterentwickelt werden, besonders gestresst zu werden. Dies traf am häufigsten bei den Berufsgruppen zu, die hauptsächlich sitzend tätig waren (Pronova BKK 2018: 25). Das ließe sich möglicherweise damit erklären, dass Berufe, die IKT als Arbeitsmittel nutzen müssen häufig sitzend arbeiten und beispielsweise E-Mails bearbeiten müssen.
Bakker und Demerouti (2007: 311) kritisieren die Einfachheit der bisherigen Modelle zur Abbildung psychischen Befindens von Beschäftigten innerhalb einer Organisation. Sie entwickelten deshalb ein eigenständiges Modell in Anlehnung an das Job-Demands- Control Modell von Karasek und Theorell aus den 90er Jahren. Auch Schaper (2011: 481) bestätigt diese Aussage und kritisiert, das interindividuelle Unterschiede bezüglich der Ressourcen einer Person nicht einbezogen werden.
Die Grundaanahme vom Job - Demands - Ressources Modell (JDR Modell) von Bakker und Demerouti (2007: 312) ist, dass jedes betriebliche Setting seine individuellen Faktoren für die Entstehung von beruflich bedingtem Stress hat. Diese Faktoren teilt er auf in berufliche Anforderungen und berufliche Ressourcen. Berufliche Anforderungen sind nach Bakker und Demerouti (2007: 312) beispielsweise hohe Arbeitsbelastungen, oder emotional belastende Interaktionen mit Kollegen oder Klienten. Berufliche Anforderungen können unterschiedlicher Art sein und sich sowohl auf psychischer, sozialer als auch auf körperlicher Ebene zeigen (Bakker / Demerouti 2007: 313). Berufliche Ressourcen sind ebenfalls auf diesen drei Ebenen zu verorten. Hinzu kommt noch arbeitsbezogene Ebene der Ressourcen. Psychosoziale Ressourcen sind beispielsweise die Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte sowie Aufstiegsmöglichkeiten (Bakker / Demerouti 2007: 313). Arbeitsbezogene Ressourcen addressieren sowohl die Arbeitsaufgabe selbst als auch als auch Gestaltung der Arbeitsbedingungen. Die Arbeitsaufgabe sei demnach eine Ressource, wenn sie einen hohen Grad an Autonomie ermöglicht und mit regelmäßigen Rückmeldungen zur Arbeitsleistung einhergeht. Eine wichtige Ressource bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen stelle nach Bakker und Demerouti (2007: 313) beispielsweise die Mitarbeiterpartizipation in unternehmerische Entscheidungen dar. Im JDR Modell ist die Beziehung zwischen Anforderungen und Ressourcen negativ verbunden. Das bedeute, dass die auf die Steigerung der Arbeitsanforderungen mit einer Steigerung der Ressourcen geantwortet müsse um die Arbeitsbelastung zu senken oder konstant zu halten und die Arbeitsmotivation zu steigern oder Konstant zu halten. Das Zusammenspiel der Arbeitsbelastung und Motivation bestimme dann die organisationalen Outcomes (Bakker / Demerouti 2007: 313) wie zum Beispiel die Arbeitszufriedenheit. Im Folgenden wird das JDR Modell grafisch dargestellt um die gegenseitigen Wechselwirkungen der einzelnen Komponenten Arbeitsanforderungen, Arbeitsressourcen, Arbeitsbelastung, Arbeitsmotivation und Outcomes übersichtlich darzustellen.
Das Modell wurde vor dem Hintergrund entwickelt auf unterschiedliche berufliche Settings universell einsetzbar zu sein (Bakker / Demerouti 2007: 312). Nach dem JDR Modell steigt die Arbeitsbelastung, an, wenn hohe Arbeitsanforderungen auf begrenzte bzw. nicht auf die Bewältigung der Anforderungen angepasste Ressourcen treffen, dementsprechend sinkt auch die Motivation, was in negativen organisationalen Outcomes resultiert( Bakker / Demerouti 2007: 323), wie einem geringeren Arbeitseinsatz oder Arbeitsunzufriedenheit. Überraschenderweise können auch hohe Arbeitsanforderungen zu mehr Produktivität führen, sofern geeignete Bewältigungsressourcen als Puffer ausreichend verfügbar seien. Die folgende Abbildung veranschaulicht das Zusammenwirken von Arbeitsanforderungen und Ressourcen im Hinblick auf die Arbeitsmotivation des Beschäftigten.
2.1.4 Informations- und Kommunikationstechnologien als Arbeitsmittel
Eigner et al. (2012: 2) verstehen unter dem Begriff Informationstechnologie ein Konstrukt das der Verarbeitung von Daten und dem Informationstransfer dient. Die Verarbeitung von Daten geschehe demnach durch „[...] organisierten Umgang mit großen Datenmengen in elektronischer Form“. Unter Kommunikationstechnologie, so die Autoren, sind „wissenschaftliche] Grundlagen, Methoden und Prinzipien zum Austausch von Daten und Informationenen“ zu verstehen Das digitale Zeitalter beginnt bereits 1941 mit der Patentierung des ersten Computers des Erfinders Konrad Zuse (Kruppke/Jost 2007: 65). Der Computer wird von Brod (1984: 4), stellvertretend für die Sichtweise der damaligen amerikanischen Bevölkerung, umschrieben als bedeutsamste Entwicklung in der Zivilisationsgeschichte.
Das Gabler Wirtschaftslexikon beinhaltet eine Umfassende Definitions des Digitalisierungsbegriffs. Darin wird Digitalisierung (Bendel, 2019) als mehrdeutiges Konstrukt definiert. Digitalisierung kann einerseits verstanden werden als „[...] digitale Umwandlung [,] Darstellung [oder] Durchführung von Information und Kommunikation [...]“, also die Digitalisierung von Sprache und Gedanken. Unter Digitalisierung wird darüber hinaus noch „[...] die digitale [Veränderung] von [Gebrauchsgegenständen des Alltags wie Computern] sowie Fahrzeugen [...]“ verstanden (Bendel, O.). Aus Historischer Perspektive betrachtet wird die Grundlegende Umstrukturierung unterschiedlicher privat- und betriebswirtschaftlicher Bereiche Digitalisierung als eigenständige Revolutionsform betrachtet (Bendel 2019). Die Voraussetzungen um Digitalisierung stattfinden zu lassen sind die erforderlichen Rahmenbedingungen. Zunächst muss das Vorhandensein von Breitbandzugängen gegeben sein. Als nächsten Schritt müssen Geräte zur Verfügung stehen, die über diese Zugänge kommunizieren können. Das wären vor allem Computer, Smartphones oder Laptops (Etezadzadeh 2015: 39). Bis der Computer ein Element des täglichen Arbeitsalltags wird dauert es ab der Patentierung durch seinen Erfinder Zuse ab diesem Zeitpunkt 20 Jahre. Der Computer, der zunächst zu mathematischen Kalkulation in Raumfahrt und Kriegsführung dient, findet immer breitere Anwendung in anderen Bereichen. Softwareunternehmen erkennen dessen Potential und beginnen ab den 60er Jahren mit der Entwicklung vielfältiger Anwendungen (Kruppke/Jost 2007: 66).
Obwohl das Telefon schon 1861 Jahren Alexander Graham Bell entwickelt wurde fand es erst 1960, also 100 Jahre später, einen Flächendeckenden Einzug in die (Arbeits-) Gesellschaft der damaligen Zeit. Das lag zum Großteil an der innovationsfeindlichen Betriebspolitik, die von Frederic Taylor geprägt war. Er sah in den Beschäftigten vornehmlich "willenlos[e] Roboter". Folglich, so die Autoren weiter, sei es eine Voraussetzung, dass die betrieblichen Rahmenbedingungen so gestaltet sein müssten, dass die Verankerung neuer Informationstechnologien mit (Wettbewerbs-)Vorteilen assoziierte werden könne. Das heißt, dass einerseits die Technik so nutzerfreundlich wie möglich gestaltet sein muss andererseits auch die Nutzer über notwendige Anwendungskompetenzen verfügen müssen (Kruppke/Jost 2007: 64f.). Die Implementierung der Computertechnologien erfolgte fünf mal schneller.
Zentraler Ausgangspunkt des sogenannten digitalen Wandels bildet der flächendeckende Einzug von IKT in das Privat- und Arbeitsleben. Diese Entwicklung verändert unterschiedliche Dimensionen im Arbeitsleben (BMAS 2015a:14).
Da Unternehmen zunehmend den Wert auf die Umsetzung von "[...]Geschäftsideen in Echtzeit" legen (Kruppke/Jost 2007:69) sind Informations- und Kommunikationsmedien zu einem immanenten Bestandteil der Arbeitswelt geworden. Durch die Implementierung der IKT in Unternehmen werden Mitarbeitern größere Entscheidungs- und Handlungsspielräume bei der Mitgestaltung von Unternehmensprozessen zugestanden (Kruppke/Jost 2007: 70). Analog dazu konnte durch die Digitalisierung eine Abflachung von Hierarchen innerhalb vieler Organisationen stattfinden. Das impliziert den Erhalt von größeren Wirkungsbereichen hinsichtlich ihrer Arbeitsgestaltung für die dort beschäftigten Mitarbeiter.
[...]
- Quote paper
- Anonymous,, 2019, Ansätze zur Reduktion von Technostress in der betrieblichen Gesundheitsförderung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/938113
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