Thema der folgenden Untersuchung soll die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates sein. Dieser völkerrechtliche Vertrag zum Schutz bedrohter Sprachen ist bisher einmalig in der Welt, wenige Untersuchungen sind zum Thema erschienen. Daher versucht die vorliegende Arbeit, diese Lücke zumindest etwas zu schließen und stützt sich in erster Linie auf eigene Beobachtungen. Sekundärliteratur spielt daher nur eine untergeordnete Rolle. Es soll der Versuch unternommen werden, eine umfassende Analyse der Charta zu erstellen. Im Vordergrund steht dabei der interdisziplinäre Ansatz der Untersuchung. Um die Tragweite und das Potential der Charta vollends zu erfassen, ist es nötig, politische und kulturelle Wechselwirkungen zu erkennen, welche von ihr ausgehen. Außerdem ist eine Betrachtungsweise aus juristischer Perspektive notwendig, um die tatsächliche Wirksamkeit der Charta analysieren zu können. All diese verschiedenen Untersuchungsansätze sollen in dieser Arbeit berücksichtigt werden.
Zunächst werden einige Vorüberlegungen zur Notwendigkeit der Erarbeitung dieser Charta angestellt. Es folgen dann einige allgemeine Informationen zum Vertrag, bspw. bzgl. des Ratifikationsstands etc. Daraufhin wird der Inhalt des Dokuments, sprich enthaltene Maßnahmen, aber auch spezielle Regelungen zur Umsetzung der Maßnahmen, zur Bildung entsprechender Kontrollgremien etc., zunächst wertungsfrei dargestellt. Erst im Anschluss wird der Versuch unternommen, die Charta anhand verschiedener Kriterien auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen und zu bewerten, konkret des Vertragsinhalts, der Durchsetzungsmechanismen, der Herstellung von Öffentlichkeit, der allgemeinen Verständlichkeit sowie des Ratifikationsstandes. Dabei wird das Kriterium des materiellen Inhalts von entscheidender Bedeutung sein, da die Effektivität des Vertrags selbsterklärend in erster Linie von der in ihm enthaltenen Verpflichtungen für die Staaten abhängt. Die Untersuchung schließt dann mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Fazit und gibt Auskunft über offen gebliebene Fragestellungen und weitere Untersuchungsansätze.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vorüberlegungen zur Charta
3. Die Charta
3.1 Inhalt
3.2 Durchsetzungsmechanismen
4. Evaluation der Charta
4.1 materieller Inhalt
4.1.1 Bildung
4.1.2 Justizbehörden
4.1.3 Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe
4.1.4 Medien
4.1.5 Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen
4.1.6 Wirtschaftliches und soziales Leben
4.1.7 Grenzüberschreitender Austausch
4.2 Durchsetzungsmechanismen
4.3 Herstellung von Öffentlichkeit
4.4 Allgemeine Verständlichkeit
4.5 Ratifikationsstand
5. Fazit
6. Literatur, Rechts- und Internetquellen
1. Einleitung
Thema der folgenden Untersuchung soll die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen des Europarates sein. Dieser völkerrechtliche Vertrag zum Schutz bedrohter Sprachen ist bisher einmalig in der Welt, wenige Untersuchungen sind zum Thema erschienen. Daher versucht die vorliegende Arbeit, diese Lücke zumindest etwas zu schließen und stützt sich in erster Linie auf eigene Beobachtungen. Sekundärliteratur spielt daher nur eine untergeordnete Rolle. Es soll der Versuch unternommen werden, eine umfassende Analyse der Charta zu erstellen. Im Vordergrund steht dabei der interdisziplinäre Ansatz der Untersuchung. Um die Tragweite und das Potential der Charta vollends zu erfassen, ist es nötig, politische und kulturelle Wechselwirkungen zu erkennen, welche von ihr ausgehen. Außerdem ist eine Betrachtungsweise aus juristischer Perspektive notwendig, um die tatsächliche Wirksamkeit der Charta analysieren zu können. All diese verschiedenen Untersuchungsansätze sollen in dieser Arbeit berücksichtigt werden.
Zunächst werden einige Vorüberlegungen zur Notwendigkeit der Erarbeitung dieser Charta angestellt. Es folgen dann einige allgemeine Informationen zum Vertrag, bspw. bzgl. des Ratifikationsstands etc. Daraufhin wird der Inhalt des Dokuments, sprich enthaltene Maßnahmen, aber auch spezielle Regelungen zur Umsetzung der Maßnahmen, zur Bildung entsprechender Kontrollgremien etc., zunächst wertungsfrei dargestellt. Erst im Anschluss wird der Versuch unternommen, die Charta anhand verschiedener Kriterien auf ihre Anwendbarkeit hin zu überprüfen und zu bewerten, konkret des Vertragsinhalts, der Durchsetzungsmechanismen, der Herstellung von Öffentlichkeit, der allgemeinen Verständlichkeit sowie des Ratifikationsstandes. Dabei wird das Kriterium des materiellen Inhalts von entscheidender Bedeutung sein, da die Effektivität des Vertrags selbsterklärend in erster Linie von der in ihm enthaltenen Verpflichtungen für die Staaten abhängt. Die Untersuchung schließt dann mit einer kurzen Zusammenfassung und einem Fazit und gibt Auskunft über offen gebliebene Fragestellungen und weitere Untersuchungsansätze.
2. Vorüberlegungen zur Charta
Die Gründe, eine gemeinsame Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen im Rahmen des Europarates zu erarbeiten, sind vielfältig.
Am Anfang stand die Erkenntnis, dass die verschiedenen Regional- und Minderheitensprachen Teil des gemeinsamen europäischen Kulturerbes sind, die es unbedingt zu schützen und zu erhalten gilt. Europa definiert sich heute über seine kulturelle Mannigfaltigkeit, Die Europäische Union bringt dies sogar direkt über den Slogan „In Vielfalt geeint“ zum Ausdruck.[1] Die Europäer haben Jahrhunderte lang zahlreiche Kriege gegeneinander geführt. Die Gründung der Europäischen Union und des Europarates und die damit eingeleitete Europäische Integration haben den entscheidenden Beitrag zur Friedenssicherung in Europa geleistet. Religiöse, kulturelle, sprachliche oder andersartige Unterschiede zwischen den europäischen Völkern werden nicht länger als Bedrohung, sondern als Bereicherung empfunden. Eine gemeinsame Charta zum Schutz verschiedener Regional- und Minderheitensprachen versucht, diese Bereicherung zu schützen, wirkt so demokratiefördernd und trägt dadurch zur Friedenssicherung bei.[2]
Desweiteren ist die Charta von enormer wirtschaftlicher Relevanz. Durch die immer weiter voranschreitende Globalisierung muss Europa als einheitlicher Akteur agieren, wenn es sein politisches und wirtschaftliches Gewicht in der Welt halten will. Diese Einheit wiederum ist nur durch bestimmte Voraussetzungen zu erreichen, unter anderem der der Mehrsprachigkeit, denn nur durch intensive Kontakte der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union und der in ihnen lebenden Menschen kann eine immer engere Zusammenarbeit langfristig gewährleistet werden. Dazu schreibt Peter Nelde treffend: „Dass der einsprachige Europäer in einer so vielsprachigen Struktur kaum zukunftsfähig ist, dürfte bei der noch zunehmenden Zahl der Sprachkontakte einsichtig sein. […] Der Einsprachige stößt […] zunehmend auf Schwierigkeiten, seine wirtschaftlichen oder politischen Interessen in einem mehrsprachigen Europa nachdrücklich vertreten zu können.“[3]
Heinz-Werner Arens, Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages a.D., spricht von drei wesentlichen Chancen der Charta, nämlich:[4]
- Die Charta als Chance der Identifikation
- Die Charta als Chance zur Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für Minderheiten und Volksgruppen
- Die Charta als Chance für eine europäische und nationale Minderheitenpolitik
Für jedes Volk wirkt die Nutzung der eigenen individuellen Sprache identitätsstiftend und -sichernd. Eine Einschränkung oder gar Unterdrückung dieser erzeugt ein Gefühl der Bedrohung bei den betroffenen Angehörigen der Sprachgemeinschaft und führt letztendlich sowohl innerstaatlich als auch über die Staatsgrenzen hinaus immer zu ethnischen Konflikten. Dies gilt es durch die Stärkung des öffentlichen Bewusstseins für Minderheiten und damit mehr Toleranz zu verhindern, wofür die Charta ein wichtiges Instrument darstellt. Der Schutz solcher Sprachen erleichtert das Zusammenleben verschiedener Ethnien und fördert zudem den Dialog mit in Nachbarländern lebenden Angehörigen der Sprachgemeinschaft und trägt damit aktiv zur Förderung des Europäischen Integrationsprozesses bei. Damit kann die Charta ein entscheidender Schritt in Richtung eines wirksamen Minderheitenschutzes in Europa sein und „Das Nebeneinander mehrerer Sprachen, […] wird dann leichter akzeptiert werden. Mehrsprachigkeit wird selbstverständlich“[5].
3. Die Charta
Die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen dient dem Schutz bedrohter Regional- und Minderheitensprachen hauptsächlich im europäischen Kulturraum und wurde am 25. Juni 1992 vom Ministerkomitee des Europarates verabschiedet und am 5. November 1992 in Straßbourg zur Ratifikation freigegeben. Sie trat am 1. März 1998 in Kraft und gilt seit 1. Januar 1999 auch in der BRD. Derzeit ist sie von 23 Staaten ratifiziert worden.[6] Sie besteht aus einer Präambel sowie fünf separaten Teilen.
3.1 Inhalt
Zu Beginn definiert der Vertragstext in Teil I genau, welche Sprachen in den Schutzbereich der Charta fallen. Demzufolge sind zu schützende Sprachen solche, welche innerhalb eines bestimmten Gebietes von einer bestimmten Gruppe von Staatsangehörigen traditionell gesprochen werden, die kleiner als der übrige Teil der Bevölkerung ist. Sie müssen sich außerdem von den Amtssprachen des Staates unterscheiden. Dialekte der offiziellen Amtssprachen sowie Sprachen von Migranten sind vom Schutzbereich ausgenommen.[7]
Außerdem sind hier und im Teil V weitere Begriffsbestimmungen und Regelungen zur Anwendung der Charta enthalten, welche für die vorliegende Untersuchung größtenteils nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Im Teil II des Vertragstextes werden dann allgemeine Grundsatzregeln und hauptsächliche Prinzipien und Ziele benannt, welche den Erhalt und die Förderung bedrohter betroffender Sprachen sichern soll. Sie sind für alle ratifizierenden Staaten gleichermaßen bindend und für alle benannten Regional- und Minderheitensprachen ausnahmslos umzusetzen.[8] Hierzu zählen:[9]
- die Anerkennung der Regional- und Minderheitensprachen als Ausdruck des kulturellen Reichtums
- die besondere Schutzbedürftigkeit des Territoriums, auf welchem die entsprechenden Sprachen beheimatet sind
- die Aufforderung, entschlossen zur Förderung der Sprachen beizutragen
- die Erleichterung des Gebrauchs der Sprachen in allen Lebensbereichen
- die Förderung des gegenseitigen Verständnisses der Sprachgruppen
- die Bereitstellung geeigneter Lehrmittel, Einrichtungen und Personal zur Verbreitung der Sprachen
- die Förderung des Studiums und der Forschung im Bereich der Regional- und Minderheitensprachen
- die Förderung des grenzüberschreitenden Austauschs im Bereich der betroffenen Sprachen.
Weiterhin enthält Artikel 7 ein allgemeines Diskriminierungsverbot für Regional- und Minderheitensprachen und eröffnet den Staaten sogar die Möglichkeit der positiven Diskriminierung zugunsten der zu schützenden Sprachen. D.h., „Das ergreifen besonderer Maßnahmen […], welche die Gleichstellung zwischen den Sprechern dieser Sprachen und der übrigen Bevölkerung fördern sollen oder welche ihre besondere Lage gebührend berücksichtigen, gilt nicht als diskriminierende Handlung gegenüber den Sprechern weiter verbreiteter Sprachen.“[10]
Teil III enthält nun sehr konkrete 68 Maßnahmen aus sieben Bereichen des öffentlichen Lebens, welche zum Schutz bedrohter Sprachen beitragen sollen. Diese konkreten Bereiche sind die folgenden:[11]
- Bildung
- Justizbehörden
- Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe
- Medien
- Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen
- Wirtschaftliches und soziales Leben
- Grenzüberschreitender Austausch
Neben den ausnahmslos umzusetzenden allgemeinen Bestimmungen des Teils II müssen zudem eine bestimmte Anzahl von Maßnahmen aus diesem Katalog nach einem gesondert festgelegten Schlüssel von den Ratifikationsstaaten umgesetzt werden. Der Vertrag besagt, dass mindestens 35 Maßnahmen aus Teil III umzusetzen sind, wobei mindestens je drei die Artikel 8 und 12 betreffen müssen, sprich Bildung und Kulturelle Tätigkeiten und Einrichtungen, sowie je eine die Artikel 9, 10, 11 und 13, also Justizbehörden, Verwaltungsbehörden und öffentliche Dienstleistungsbetriebe, Medien und Wirtschaftliches und soziales Leben.[12]
3.2 Durchsetzungsmechanismen
In Teil IV nennt die Charta im Wesentlichen vier Durchsetzungsmechanismen, welche der Erreichung Ihrer Ziele dienen:[13]
- Regelmäßige Staatenberichte
- Prüfung der Staatenberichte und Ausarbeitung von möglichen Empfehlungen durch einen Sachverständigenausschuss
- Prüfung des Sachverständigenberichts durch das Ministerkomitee des Europarats und Kommunikation geeigneter Empfehlungen an die Signatarstaaten
- Regelmäßiger Bericht des Generalsekretärs an die Parlamentarische Vollversammlung des Europarates bzgl. der Anwendung der Charta
Auffällig ist hier, dass der Vertrag keinerlei Möglichkeiten zur Aussprache von Sanktionen beinhaltet. Demzufolge handelt es sich hierbei nicht um ein Beschwerde-, sondern lediglich um ein Berichtsverfahren. Eine genauere Analyse dieses Verfahrens erfolgt in 4.2.
[...]
[1] S. Website der Europäischen Union, URL: http://europa.eu/abc/symbols/motto/index_de.htm, Stand 24.02.2008.
[2] Einen kurzen Abriss der Entstehungsgeschichte der Charta gibt Elle, L.: Sprachencharta, Bautzen 2004, S. 5 ff.
[3] Nelde, P.: Sprachpolitik, 2001, S. 26 f.
[4] S. Arens, H.: Vortrag Fachtagung, Kiel 1999, S. 14.
[5] Arens, H.: Vortrag Fachtagung, Kiel 1999, S. 16.
[6] Eine Übersicht des derzeitigen Ratifikationsstandes bietet der Europarat auf seiner Homepage.
URL: http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/ChercheSig.asp?NT=148&CM=1&DF=&CL=GER, Stand 23.02.2008.
[7] S. Art. 1a Sprachencharta, Bonn 2004, S. 481.
[8] S. Art. 2 Abs. 1 Sprachencharta, Bonn 2004, S. 481.
[9] S. Art. 7, Abs. 1 u. Abs. 3 Sprachencharta, Bonn 2004, 483.
[10] Art. 7 Abs. 2 Sprachencharta, Bonn 2004, S. 483
[11] S. Art. 8 – 14 Sprachencharta, Bonn 2004, S. 484 ff.
[12] S. Art. 2 Abs. 2 Sprachencharta, Bonn 2004, S. 481.
[13] S. Art. 15 – 17 Sprachencharta, Bonn 2004, S. 493 f.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Leuschner (Autor:in), 2008, Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93737
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