Im Rahmen dieser Arbeit wurde mithilfe leitfadengestützter Interviews der Versuch unternommen, explorativ die Relevanz von Social-Media Influencern für das Gesundheitshandeln Studierender zu erfassen. Die Befunde legen nahe, dass eine Betrachtung aus dem Blickwinkel der Kommunikationswissenschaft in diesem Zusammenhang Orientierungspunkte liefern kann und somit einen Beitrag bei der Erklärung des Gesundheitshandelns einer speziellen Population leistet. Insbesondere die Bedeutung einzelner Prinzipien der Beeinflussung, sowie die Bedeutung und Bedingungen einer peripheren Verarbeitungsroute konnten verdeutlicht werden.
Die Bedeutung des digitalen Raums für den Alltag der westlichen Bevölkerung nimmt stetig zu. Influencer erreichen mit einem einzigen Post Millionen von Menschen, ohne dass die von ihnen vermittelten Inhalte einer Qualitätskontrolle unterliegen.
Bislang fokussierten Forschungsvorhaben fast ausschließlich wirtschaftliche Belange, die Gruppe der Konsument*innen blieb zumeist außen vor. Insbesondere im Gesundheitsbereich ist diese Tatsache als höchst problematisch anzusehen, könnte auf diesem Wege doch das Gesundheitshandeln und -verhalten großer Bevölkerungsgruppen, insbesondere in einem Alter hoher Empfänglichkeit für Beeinflussungsversuche, nachhaltig verändert werden.
Die Relevanz von Fitness- und Gesundheitsinfluencern für das Gesundheitshandeln Studierender - eine explorative Studie
Eingangsbemerkung zur geschlechtergerechten Formulierung
Zusammenfassung - Abstract
1. Einleitung
2. Stand der Forschung
2.1 Desiderate im Forschungskontext und Problemstellung
2.2 Bisherige Erkenntnisse
2.2.1 Charakteristika von Influence™
2.2.2 Gesundhandeln, -verhalten und (soziale) Medien
2.2.3 Erfolgsmodell Influencer-Marketing
2.3 Identifikation der Forschungslücke
3. Bedingungen und Faktoren des Gesundheitshandelns und -verhaltens
3.1 Prinzip der Beeinflussung
3.2 Persuasionsforschung und das Elaboration-Likelihood-Modell
3.3 Potenzieller Einfluss von Influence™ auf das Gesundheitshandeln und -verhalten
4. Methode
4.1 Versuch eines neuen Zugangs
4.2 Zentrale Forschungsfrage und untergeordnete Fragestellungen
4.3 Datenerhebung
4.4 Datenauswertung
5. Ergebnisse
5.1 Bedeutung der Prinzipien der Beeinflussung im Kontext
5.2 Identifikation verschiedener Verarbeitungsstrategien
5.3 Einfluss auf spezifische Gesundheitshandlungen
5.4 Auftreten von Gefahren- und Risikobewusstsein
6. Diskussion
6.1 Die Relevanz von Fitness- und Gesundheitsinfluencern für das Gesundheitshandeln Studierender
6.2 Reflexion des methodischen Vorgehens
6.3 Theoriezusammenhang und wissenschaftlicher Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Anhang
Eingangsbemerkung zur geschlechtergerechten Formulierung
Da dem Wissen des Autors nach bislang keine einheitlichen Empfehlungen für die Handhabung des Genderns englischsprachiger Begriffe im Deutschen existieren, wird in folgender Arbeit ausschließlich die vermeintlich männliche Form der Begriffe „Influencer" und „Follower" genutzt. Dies soll eine bessere Lesbarkeit ermöglichen, jedoch keinesfalls eine Geschlechter- diskriminierung oder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zum Ausdruck bringen. Gängige deutsche Begriffe wurden nach bestem Wissen und Gewissen des Autors geschlechtergerecht formuliert.
Zusammenfassung
Die Bedeutung des digitalen Raums für den Alltag der westlichen Bevölkerung nimmt stetig zu. Influencer erreichen mit einem einzigen Post Millionen von Menschen, ohne dass die von ihnen vermittelten Inhalte einer Qualitätskontrolle unterliegen. Bislang fokussierten Forschungsvorhaben fast ausschließlich wirtschaftliche Belange, die Gruppe der Konsumentinnen blieb zumeist außen vor. Insbesondere im Gesundheitsbereich ist diese Tatsache als höchst problematisch anzusehen, könnte auf diesem Wege doch das Gesundheitshandeln und -verhalten großer Bevölkerungsgruppen, insbesondere in einem Alter hoher Empfänglichkeit für Beeinflussungsversuche, nachhaltig verändert werden. Im Rahmen dieser Arbeit wurde mithilfe leitfadengestützter Interviews der Versuch unternommen, explorativ die Relevanz von Social-Media Influence™ für das Gesundheitshandeln Studierender zu erfassen. Die Befunde legen nahe, dass eine Betrachtung aus dem Blickwinkel der Kommunikationswissenschaft in diesem Zusammenhang Orientierungspunkte liefern kann und somit einen Beitrag bei der Erklärung des Gesundheitshandelns einer speziellen Population leistet. Insbesondere die Bedeutung einzelner Prinzipien der Beeinflussung, sowie die Bedeutung und Bedingungen einer peripheren Verarbeitungsroute konnten verdeutlich werden.
Abstract
The importance of digital space for western population's everyday life is steadily increasing. Influencers reach millions of people with a single post without even controlling the quality of the content they convey. So far, research projects have focused almost exclusively on economic issues, while the group of consumers has mostly been left out. In the health sector in particular, this fact can be regarded as highly problematic, since it could change both, the health actions and health behavior of large groups in population, especially at an age of high susceptibility for social interference. In this thesis, structured interviews are used to explore the relevance of social media influencers for students' health activities. The findings suggest that considerations from the point of view of communication studies can provide landmarks in this context and thus contribute to the explanation of the health action of a specific population. In particular, the importance of individual principles of influence, as well as the meaning and conditions of a peripheral processing route were clarified.
1. Einleitung
„@akk erwägt die Regulierung von Meinungsäußerungen vor Wahlen... Das kann ich kaum glauben. Wir brauchen im Gegenteil mehr offene Debatten, auch in Sozialen Medien." Welches Ereignis mag wohl FDP-Chef Lindner zu einer solchen Aussage über die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer getrieben haben? Wenige Tage zuvor und im Vorfeld der Europawahlen 2019 hatte ein Mittzwanziger mit blauen Haaren, der sich selbst Rezo nennt ein fast einstündiges Video unter dem Titel „Die Zerstörung der CDU" veröffentlicht, in dem er mit Hilfe von mehr oder weniger belastbaren Fakten die Versäumnisse der Regierung in den letzten Jahren anprangerte (Youtube, 2019). Kurz darauf schließen sich ihm mehrere Dutzende weiterer Youtuber an und fordern ihre Follower auf, bei der anstehenden Wahl, u.a. nicht die CDU zu wählen. Könnte man dies im ersten Moment als Spinnerei einiger Jugendlicher oder junger Erwachsener im bedeutungslosen Internet abtun, wird an der Stellungnahme KrampKarrenbauers, in der sie eine Diskussion über Regeln für den Online-Raum fordert, deutlich, dass die Meinung sogenannter Influencer mittlerweile als in allerhöchstem Maße relevant angesehen wird.
Nun würde der fragwürdige Umgang einiger Politikerinnen mit dem digitalen Raum eine eigene Arbeit füllen können, deutlich wird jedoch: Online-Persönlichkeiten und Influencer sind im öffentlichen Diskurs angelangt und üben ihren Einfluss auf vielerlei Ebenen aus. Je nach Studie geben knapp 20 - 59% der Befragten an, mindestens einem Influencer zu folgen (Bitkom, 2018; Byrne, Kearney & MacEvilly, 2017, S. 103), gleichzeitig hat das Internet unser Informationsverhalten grundlegend verändert (Jahnke, 2018, S. 2).
Da es sich bei dem Begriff „Influencer", wie er im folgenden Kapitel definiert wird, um keine geschützte Bezeichnung handelt und sich somit theoretisch jeder Einzelne als solcher bezeichnen kann, drängt sich unweigerlich die Frage auf, welche Qualifikation diese, von Millionen von Menschen verfolgten Personen eigentlich vorweisen.
Insbesondere im Gesundheitsbereich warnen Expertinnen eindringlich vor der Einflussnahme durch Unqualifizierte und stellen die Bedeutung ausgebildeter Expertinnen heraus (Byrne et al., 2017). Es sei nämlich kaum möglich, sich den Onlineangeboten zu den Themen Fitness, Gesundheit, Ernährung oder Naturmedizin überhaupt noch zu entziehen (Miller, 2012, S. 1). Eine besondere Brisanz erlangt diese Problematik im Gesundheitsbereich vor allem deshalb, weil Fehlinformationen unter Umständen zu ernsthaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen könnten. Die aktuelle Zahl von 353 Millionen Beiträgen mit der Bildunterschrift „tffitness" allein auf der Bildplattform Instagram lässt die Menge an täglich in die Welt gesetzten Informationen erahnen (Instagram, 2019). Dass dieses Wissen primär auf subjektiven Erfahrungen der Kommunikator*innen basiert, möglicherweise jedoch als faktisch präsentiert wird, sollte als problematisch angesehen werden.
Gegenstand dieser Arbeit soll es jedoch nicht sein, die Qualität oder Richtigkeit dieser Beiträge zu überprüfen. Vielmehr ist das Anliegen, erstmalig und explorativ zu erkunden, welchen Einfluss Influencer aus dem Fitness- und Gesundheitsbereich auf das Gesundheitshandeln einer Population nehmen. Denn bereits vor einigen Jahren war man der Ansicht, Laiengesundheitswissen beeinflusse das Alltagshandeln der Menschen in nicht zu vernachlässigendem Umfang (Flick, 1998). Als Orientierungshilfe hierbei fungiert ein kommunikationswissenschaftliches Modell zur Erklärung auftretender Einstellungs- und Verhaltensänderungen in Folge einer per- suasiven Botschaft. Auf Basis der, aus den im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Interviews gewonnenen Daten, sollen darüber hinaus Empfehlungen für den weiteren Umgang mit Influence™ aus dem Gesundheitsbereich abgeleitet werden können.
2. Stand der Forschung
In folgenden Teilkapiteln sollen auf Basis der definitorischen Abgrenzung einiger Begrifflich- keiten bestehende Desiderate im Forschungskontext verdeutlicht und die grundlegende Fragestellung dieser Arbeit vorgestellt werden. Die Ausführungen zum Zusammenhang von Gesundheitshandeln und -verhalten und sozialen Medien, sowie den Möglichkeiten des Influencer-Marketings geben anschließend Aufschluss über bisherige wissenschaftliche Erkenntnisse, verdeutlichen aber auch Lücken im Diskurs.
Dem englischsprachigen Ursprung (engl. „to influence" = beeinflussen, einwirken, prägen), entsprechend, werden als Influencer solche Personen bezeichnet „die aus eigenem Antrieb Inhalte (Text, Bild, Audio, Video) zu einem Themenbereich in hoher und regelmäßiger Frequenz veröffentlichen und damit eine soziale Interaktion initiieren" (Deges, 2018, S. 14) und deren Bezeichnung sich in der Folge maßgeblich aus der Fähigkeit speist, andere Personen beeinflussen zu können. Es handelt sich demnach um Meinungsführerinnen, auch nach dem klassischen, analogen Verständnis (Schach, 2018, S. 29ff.). Hierbei besitzen sie gleichermaßen Einfluss auf das Handeln, als auch die Meinungen anderer Personen (Jahnke, 2018, S. 4). Im Gegensatz zu sog. Testimonials müssen Influencer vor ihrem Engagement nicht zwingend ein gewisses Maß an Prominenz vorweisen, im Gegensatz zu reinen Multiplikatoren (z.B. Politikerinnen oder Journalistinnen) ist ihr Einfluss auch nicht allein in ihrer konstitutionellen Stellung begründet (Von Lewinski, 2018, S. 88). Der typische „Lebenszyklus" eines Influencers lässt sich vielmehr wie folgt beschreiben. Zunächst geschieht eine Veröffentlichung von Inhalten nur in Erwartung von (im besten Fall positiven) Reaktionen des Netzwerkes, wie z.B. Feedback, Weiterempfehlung oder ein Wachstum der Community. Durch die intendierte und so ermöglichte Vergrößerung der Reichweite, ist von einem Anstieg der Reputation innerhalb der Szene zu rechnen (Wolf, 2007, S. 46). So könnte laut Wolf (2007) eine Verschiebung des Antriebs von anfänglichem Altruismus hin zu sozialer Anerkennung vermutet werden. Erst bei einem ausreichenden Bekanntheitsgrad zu einem meist späteren Zeitpunkt, rückt der Influencer möglicherweise in den Fokus kommerzieller Unternehmen und ihrer Marketing-Bestrebungen (Deges, 2018, S. 14ff.). Ein Influencer kann dementsprechend keineswegs auf seinen Nutzen als Marketing-Instrument reduziert werden. Tatsächlich hat der Großteil der potenziellen Influencer diesen Schritt noch nicht vollzogen (Deges, 2018, S. 14ff.).
Die Möglichkeiten der Einflussnahme, welche u.a. auch in Kapitel 2.2.2 näher beleuchtet werden, beruhen laut Schach im Falle von Social-Media Influencer im Gegensatz zu Testimonials und Multiplikatoren grundsätzlich auf anderen Merkmalen:
Influencer sind Personen, die aufgrund ihres digitalen Netzwerks, ihrer Persönlichkeitsstärke, einer bestimmten Themenkompetenz und kommunikativen Aktivität eine zugesprochene Glaubwürdigkeit für bestimmte Themen besitzen und diese einer breiten Personengruppe über digitale Kanäle zugänglich machen können. (Schach, 2018, S. 31)
Obwohl Influencer theoretisch in jeder Altersgruppe und Schicht zu finden sind, ist eine hohe Social-Media-Kompetenz die Voraussetzung für ein erfolgreiches Interagieren mit der Community (Deges, 2018, S. 20f.). Communities werden als „zwanglose und informelle Gemeinschaften als Beziehungs- bzw. Freundschaftsnetzwerke individueller Akteure mit gleichen Interessen, Einstellungen und Werten" (Weyer, 2014, S. 4) bezeichnet. In der Rolle als Knotenpunkte dieser Communities weisen Influencer eine große Bedeutung für eben diese auf (Deges, 2018, S. 73). Die Akzeptanz des Influencers hängt darüber hinaus nicht nur, aber in großem Maße von der Zugehörigkeit zur selben Generation wie die Mitglieder seiner Community ab (Deges, 2018, S. 29). Grundsätzlich weisen vergleichsweise kleinere Communities eine höhere Homogenität auf, in größeren Gruppen steigt die Anonymität (Ahlf, 2013, S. 132). Eine Typisierung bestehender Communities, bzw. ihrer Influencer ließe sich anhand verschiedener Kategorien vornehmen. So würden sich diese z.B. anhand der bespielten Social-Media-Kanäle, des Themenspektrums, der Reichweite, der Soziodemografie, des gesellschaftlichen Status oder verschiedener Sonderformen gegeneinander abgrenzen und kategorisieren lassen (Deges, 2018, S. 20ff.; Marten & Kirchmeer, 2018). Mittlerweile benennt „Influencer" nicht mehr nur ein bestimmtes Individuum, sondern darüber hinaus auch einen Berufsstand. Diese Bezeichnung impliziert neben der Kerntätigkeit und dem Einfluss auf die dazugehörige Community zu einem großen Teil auch einen gewissen, meist dem allgemein vorherrschenden Zeitgeist entsprechenden Lebensstil und ausgeprägte Multimedialität (Jahnke, 2018, S. 9).
Der Status als Fitness- oder Gesundheitsinfluencer speist sich in erster Linie aus der Selbstbezeichnung. Nach Wissen des Autos existiert bisher keine anerkannte oder einheitliche Definition dazu, unter welchen Bedingungen sich ein Influencer als ein solcher bezeichnen darf. Dieser Arbeit wird die Annahme zu Grunde gelegt, dass es, neben der eigenen Entlohnung, das Ansinnen von Fitness- und Gesundheitsinfluencern ist, durch die Inhalte ihrer Angebote einen positiven Beitrag zum Erhalt- oder der Verbesserung der Gesundheit ihrer Follower zu leisten. Dies kann sich in der Präsentation von Übungen, der theoretischen Anleitung, dem Bereitstellen von Motivationshilfen, dem Empfehlen spezieller Geräte oder Hilfsmittel oder dem Vorstellen von gesunden Rezepten und mehräußern. In Kapitel 3.3 dieser Arbeit wird zur weiteren Verdeutlichung der Einflussmöglichkeiten ein reales Beispiel beschrieben.
2.1 Desiderate im Forschungskontext und Problemstellung
Neben der beschriebenen Person des Influencers und der ihm zugehörigen Community, sind auch kommerzielle Unternehmen häufig, jedoch im „Lebenszyklus" eines Influencers wie beschrieben nicht immer Teil des betrachteten Kommunikationskonstrukts. So kann ein gegebenes Unternehmen einen Influencer damit beauftragen, bestimmte Produkte oder die Marke als Ganzes unter seinen Followern zu bewerben. Dementsprechend ergibt sich eine wie in Abbildung 1 dargestellte Kommunikationssituation. Diese unterscheidet sich von klassischen Modellen der Werbung oder Kommunikation in erster Linie durch die Zwischenschaltung eines Influencers. Bei der Betrachtung der bisherigen Forschung zeigt sich bereits schnell ein Defizit auf Seiten der Zielgruppe bzw. der Konsument*innen. Als Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtung aus unternehmerischer Perspektive präsentierten sich in der Vergangenheit z.B. ökonomische Kennzahlen, wie der Return-On-Investment (ROI) (Gretzel, 2018; Kirkpatrick, 2016; Manguic, 2009), die Auswahl eines geeigneten Influencers (z.B. Jahnke, 2018) sowie die richtige Positionierung des Influencer-Marketings innerhalb des Marketing-Mixes (z.B. Nirschl & Steinberg, 2018). Auch Abhandlungen, welche die Person des Influencers fokussieren, häufen sich mitunter. So wurden, wie in Kapitel 2.2.1 beschrieben, ausführlich die Charakteristika von Influence™ im Lichte verschiedener Annahmen betrachtet (z.B. Kim & Kim, 2018; Smith, Kendall, Knighton & Wright, 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1. Influencer-Kommunikation und Interaktion (mehrdirektional) (Deges, 2018, S. 9).
Darüber hinaus war auch die zunehmende Professionalisierung (Deges, 2018; Krasniak, 2016) und die kritische Betrachtung der Kenntlichmachung von Werbung (z.B. Mathur, Narayanan & Chetty, 2018; Scheunert, Schlütz, Link & Emde-Lachmund, 2018) in jüngster Vergangenheit von Forschungsinteresse. Angesichts der enormen Menge an Erkenntnissen über die zwei Gruppen der Unternehmen und Influencer, erscheint die Kenntnislage bezüglich der Zielgruppe verschwindend gering. Zudem fokussierten viele dieser Befunde indirekt ebenfalls Belange ökonomischer Natur, wie beispielsweise die Untersuchung von Lu, Chang und Chang (2014) zur Einstellung gegenüber gesponserten Posts und der Kaufintention der Zielgruppe. Ähnlich geartete Studien zu den Auswirkungen bestimmter Faktoren auf die Kaufintention fertigten auch weitere Autoren(-gruppen) an (z.B. Lindh & Lisichkova, 2017). Ob hierbei tatsächlich die Belange der Konsument*innen, oder einmal mehr kommerzielle Erkenntnissinteressen von Unternehmen verfolgt werden, bleibt offen. Andere Forschungsunternehmungen konzentrierten sich auf psychologische Belange, wie etwa der Nutzung von Emotionen als Informationsquelle durch die Nutzer*innen (Avent, Pham & Stephen, 2012). Eine Konsequenz abseits des Aufstellens eines Modells zur Verdeutlichung der Komplexität dieser Annahme blieben die Autoren jedoch weitgehend schuldig.
Stephen (2016) identifizierte in einer umfangreichen Übersichtsarbeit zusammenfassend fünf vorherrschende Themenbereiche im Forschungskontext zum weit gefassten Zusammenhang von Social-Media-Marketing und dem Konsument*innenverhalten: Das Nutzungsverhalten (z.B. die Wahrnehmung des eigenen Selbst im digitalen Raum), die Reaktion auf digitale Werbemaßnahmen, mobile Möglichkeiten, Mundpropaganda im digitalen Raum, sowie die Effekt digitaler Einrichtungen auf das Konsument*innenverhalten (Stephen, 2016, S. 18f.). Im Bereich der Effekte auf das Konsument*innenverhalten, welchem auch diese Arbeit zuzuordnen ist, beschränkten sich die Betrachtungen trotz des wachsenden Stellenwertes in den letzten Jahren und großer zukünftiger Relevanz bisher z.B. auf Aggressivitätsverhalten im Netz oder den Einfluss auf die Selbstkontrolle (Stephen, 2016, S. 18f.).
Über den Zusammenhang von Influence™ und/oder Social-Media und dem Gesundheitshandeln und -verhalten insgesamt existieren, wie in Kapitel 2.2.2 näher beschrieben, nur wenige Befunde, obwohl zumindest das präventive Gesundheitsverhalten in der „Ätiologie von verschiedenen Krankheiten weitgehend anerkannt" ist (Faltermaier, 1998, S. 311). Aktuell ist dem Autor dieser Arbeit darüber hinaus keine wissenschaftliche Untersuchung explizit zum Einfluss von Fitness- und Gesundheitsinfluencern auf das Gesundheitshandeln im Allgemeinen bekannt. Laut des Verständnisses von Faltermaier (2019) können als Gesundheitshandeln all diejenigen Handlungen verstanden werden, welche „mehr oder weniger bewusst mit dem Ziel der Gesunderhaltung und im alltäglichen sozialen Kontext" erfolgen (S. 2). Hierbei ist das Gesundheitshandeln nicht auf bestimmte Bereiche begrenzt und kann auch in Differenz zur Ex- pert*innenmeinung stehen:
Je nach subjektiver Sicht kann das Gesundheitshandeln mehrere Verhaltensebenen (Bewegung, Ernährung, Umgang mit wahrgenommenen Risiken und Belastungen, Aufbau und Erhaltung von personalen und sozialen Ressourcen) zu einer Lebensweise kombinieren und muss nicht in Einklang mit Expertenwissen stehen. Je nach sozialem Kontext kann sich das Gesundheitshandeln unterschiedlich manifestieren. (Faltermaier, 2019, S. 2)
Das relativ komplexe Konstrukt des Gesundheitshandelns setzt sich laut Faltermaier aus mehreren Komponenten zusammen (Faltermaier, 1994, S. 174-181; Faltermaier, 2017, S. 200201):
1) Bewusstes Handeln für die eigene Gesundheit
2) Umgang mit dem eigenen Körper und seinen Beschwerden
3) Umgang mit Krankheiten
4) Umgang mit wahrgenommenen Risiken und Belastungen
5) Herstellung und Aktivierung von gesundheitlichen Ressourcen
6) Soziales Handeln für die Gesundheit
7) Veränderung der gesundheitlichen Lebensweise
Insbesondere durch die Betonung der subjektiven Bedeutsamkeit, sowie der potenziellen Beeinflussung durch gesellschaftliche und soziale Faktoren grenzt sich das noch recht junge und bisher wenig diskutierte Gesundheitshandeln so vom Gesundheitsverhalten ab, welches normativen Vorgaben folgt und maßgeblich von Expertinnen definiert wird (Faltermaier, 2017, S. 204ff.) und darüber hinaus mit dem Begriff des Verhaltens in behavioristischer Tradition Bewusstsein und subjektive Zielgerichtetheit eben nicht mit einschließt (Ellinger, 2010, S. 271ff.; Faltermaier, 1994, S. 172; Heckhausen & Heckhausen, 2009, S. 120ff.). Gesundheitshandeln könnte somit dem geschlossenen System aus Deutungen, Orientierungspunkten und Plausibilitäten zugeordnet werden, welches Alfred Adler auch als „private Intelligenz" bezeichnet (Adler, 1933, S. 33).
Gesundheitshandlungen können jedoch auch mit dem professionell begründeten Gesundheitsverhalten übereinstimmten und weisen mitunter große Schnittmengen auf, wobei nicht jede Gesundheitsverhaltensweise gleichzeitig individuell als subjektiv bedeutsam wahrgenommen und in Handlung umgesetzt wird (Faltermaier, 1994).
Da sich hierzu selbst in den Ausführungen Faltermaiers teils widersprüchliche oder inkonsistente Aussagen finden und im internationalen Diskurs keine derart definierte klare Unterscheidung zwischen Gesundheitsverhalten („health behaviour") und Gesundheitshandeln („health action") festzustellen ist, soll in den folgenden Ausführungen der Fokus stets auch auf das Gesundheitsverhalten gerichtet werden. Faltermaier versuchte sich bereits im vergangenen Jahrhundert daran, ein Modell des Gesundheitshandelns mit seinen Komponenten zu entwerfen. Dieses ist in Abbildung 2 zu sehen und verdeutlicht die Komplexität des Konstrukts.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2. Das Konstrukt „Gesundheitshandeln" und seine Komponenten (Faltermaier, 1994, S. 175).
Der Fitness- und Gesundheitssektor stellt im Influencertum einen der größten, einer Bitkom- Studie zufolge sogar den größten Markt überhaupt dar. Mit 46% Anteil aller Influencer liegt der Bereich Sport und Fitness somit knapp vor dem Bereich Mode mit 44% (Bitkom, 2018).
Rund 13 Millionen Follower erreichten die weltweit führenden Fitnessinfluencer Michelle Lewin und Jen Selter laut Abfrage der Website „Likometer" im Juni 2019, Tendenz steigend. Pamela Reif, als führende Persönlichkeit in diesem Bereich im deutschsprachigen Raum weist zum selben Zeitpunkt deutlich über 4 Millionen Follower auf (Likeometer, 2019). 44% aller Social-Media-Nutzer gaben darüber hinaus in einer Studie, die im Auftrag des Bundesverbandes für Digitale Wirtschaft (BVDW) durchgeführt wurde an, sich im Bereich Ernährung am häufigsten von Influence™ beraten zu lassen (BVDW, 2017). Angesicht dieser beeindruckenden Zahlen überrascht die bisherige Vernachlässigung der Betrachtungen von Effekten auf Gesundheitshandlungen der Gefolgschaft solcher Influencer, insbesondere unter Berücksichtigung einer hohen Relevanz bis hin zur Gefahr durch Falschinformationen für den Follower. So warnen z.B. Carlsohn und Steinhorst (2018), dass zusätzlich zur extremen Heterogenität der Qualität der Gesundheitsinformationen im Internet vier generelle Tendenzen bei der Nutzung solcher Inhalte zu beobachten seien: Die Berücksichtigung der Qualität durch die Nutzer, eine präferierte Verarbeitung von Inhalten, welche die eigene Meinung untermauern, eine präfe- rierte Verarbeitung positiver Befunde bei Nutzern, die sich bedroht fühlen, sowie die unter dem Begriff „Cyperchondrie" bekannt gewordene Konzentration auf negative Inhalte (Sassenberg, 2017, S. 650ff.). Jede dieser Tendenzen kann laut Rossmann zu einer „verzerrten Wahrnehmung von Gesundheitsrisiken führen" (2016, S. 303). Wird mit einem Influencer eine weitere, möglicherweise nicht neutrale Instanz zwischengeschaltet, könnten sich diese Verfälschungen potenzieren. Dem betreffenden Influencer muss in diesem Fall nicht immer Vorsatz vorgeworfen werden, es kann schlicht und einfach auch die Expertise im betreffenden Gebiet fehlen, mit teils katastrophalen Folgen, welche sowohl im Bereich der konkreten Übungsausführung, dem eigenen Körperbild oder der Ernährung denkbar sind (Carlsohn & Steinhorst, 2018, S. 265f.).
Basierend auf der bisherigen Erkenntnislage, sowie der Lücken im Diskurs, wird folgende grundlegende Problemstellung für die Anliegen dieser Arbeit gewählt: Welche Relevanz besitzen Fitness- und Gesundheitsinfluencerfür das Gesundheitshandeln Studierender? Die Begründung der Zielgruppe der Studierenden ist in Kapitel 4.3 dieser Arbeit zu finden. Da sich zum Zwecke der Beantwortung dieser Frage auf keine dichte Befundlage zurückgreifen lässt, soll ein qualitatives Vorgehen zum Tragen kommen, da sich dieses für eine „sinnvolle Erkundung neuer und theoretisch noch wenig strukturierender Gegenstandsbereiche" (Lamnek, 2005, S. 90) in besonderem Maße eignet. Ein qualitativer Ansatz erscheint so aufgrund des explorativen Charakters und der Berücksichtigung der Beteiligten als umfassend gegenstandsangemessen (Kuckartz, Dresing, Rädiker & Stefer, 2008; Lamnek, 2005). Auch diese Untersuchung könnte so der Rolle der qualitativen Forschung nach Meinung von Flick und Kollegen als unverzichtbare Voraussetzung folgender Forschungsvorhaben gerecht werden (Flick, von Kar- doff, Keupp, von Rosenstiel & Wolff, 1995, S. 4).
Im Folgenden sollen die bisherigen Befunde in, der Problemstellung angrenzenden Bereichen erläutert, sowie ihre Relevanz für die Beantwortung der Forschungsfrage verdeutlicht werden.
2.2 Bisherige Erkenntnisse
Ausgehend von der bereits kurz skizzierten Forschungslücke soll folgendes Kapitel die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse in den, für die Thematik dieser Arbeit relevanten Feldern, näher beleuchten. Hierbei liegt der Fokus zunächst auf den Charakteristika von Influence™ und der Forschung zum Zusammenhang von neuen sozialen Medien und dem Gesundheitshandeln und -verhalten. Anschließend soll die Frage geklärt werden, ob es sich beim Phänomen „Influencer-Marketing" tatsächlich um ein Erfolgsmodell handelt, das auch sinnvoll für den Gesundheitsbereich fruchtbar gemacht werden kann.
2.2.1 Charakteristika von Influencern
Anders, als dies bei Prominenten aus „klassischen" Disziplinen wie Sport oder Musik üblich ist, weisen Influencer oftmals keine herausragenden Fähigkeiten in bestimmten Bereichen auf. Ihr Erfolg steht vielmehr in direkter Abhängigkeit in den von ihnen zur Schau getragenen Charaktereigenschaften (Scholz, 2014, S. 80ff.). Dementsprechend intensiv befanden sich jene Charakteristika auch im Fokus der Forschung der letzten Jahre, wie im Folgenden dargestellt werden soll. Auch bei einer möglichen Einflussnahme auf das Gesundheitshandeln der Follower kommen bestimmte charakterliche Merkmale möglicherweise maßgeblich und in entscheidender Funktion zum Tragen.
Der Großteil aller Influencer bewegt sich in der Altersspanne zwischen 20 und 28 Jahren, 60% dieser geben an, nur nebenberuflich als Influencer tätig zu sein (Jahnke, 2018, S. 10). Sowohl die Influencer, als auch ihre Communities entspringen in erster Linie den sog. Generationen „Y" und „Z", sind also „Digital Natives" der Jahrgänge ab 1980 (Scholz, 2014, S. 87ff.).
Allgemein wird eine Reihe idealtypischer Eigenschaften als erfolgsbestimmend angesehen. An erster Stelle sei hier die Authentizität zu nennen, welche gemeinhin als wichtigstes Charakteristikum eines Influencers gilt (Moore, Yang & Kim, 2018; Nguyen, Simkin & Canhoto, 2016; Sudha & Sheena, 2017). Eng hiermit verbunden scheint, wie eine Vielzahl von Untersuchungen nahelegt, die Glaubwürdigkeit (Deges, 2018). Diese kann durch von Zeit zu Zeit negative Berichterstattung oder Kritisierung einzelner Produkte, nachvollziehbare Expertise durch den Influencer selbst oder auch durch eine hohe Anzahl von Followern gesteigert werden (Chatzigeorgiou, 2017). Besonders sog. Micro-Influencern (Influencer mit vergleichsweise kleiner Community) wird trotz ihrer geringen Reichweite oft ein überdurchschnittliches Maß an Glaubwürdigkeit und Kompetenz nachgesagt (Schach, 2018). Aus einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit entstehend, wird Vertrauen als weiteres wichtiges Charakteristikum oder sogar zentrale Intention aller Influencer ins Feld geführt (Scott, 2018). Einer Beschädigung des Vertrauens ihrer Follower in sie, versuchen Influencer zumeist durch die Übereinstimmung ihrer Botschaft und ihres eigenen Lebensstils entgegenzuwirken (Helm, 2013, S. 147). Als ähnlich zentrale Eigenschaft wird darüber hinaus die Fähigkeit der Identifikation beschrieben (z.B. Kroeber-Kiel & Gröppel-Klein, 2013). Diese kann vor allem durch eine, in Differenz zu den Strategien „klassischer" Prominenter stehende Offenlegung und Zur-Schau-Stellung des Privatlebens produziert werden (Deges, 2018).
Mithilfe der Abfrage von 100 möglichen Attributen unter den Followern bestimmter Influencer identifizierten Freberg, Graham, McGaughey und Freberg die verbale Kompetenz, Klugheit, Ehrgeiz, Produktivität und Selbstsicherheit als diejenigen Attribute, welche Influence™ in besonderem Maße zugeschrieben wurden. Selbstmitleid, Unentschlossenheit, eine geringe Frustrationstoleranz, Selbstzerstörung und Ziellosigkeit wiesen dagegen eine besonders geringe Attribuierung auf (Freberg et al., 2011). Diese Zuschreibungen der Konsumentinnen deckten sich somit größtenteils mit den Zuschreibungen für CEOs in einer früheren Studie der selben Forschungsgruppe (Freberg, Graham, McGaughey & Freberg, 2010). Influencer selbst beschrieben in qualitativen Interviews Charisma, Ehrlichkeit, Offenheit und qualitativ hochwerte Posts als direkt erfolgsentscheidend für ihre Tätigkeit (Smith, Kendall, Knighton & Wright, 2018).
Auch in dieser Arbeit soll ein besonderer Fokus auf vorkommende und relevante Charaktereigenschaften der Fitness-Influencer gelegt werden. Hieraus sollen später Konsequenzen für die Beantwortung der zu Grunde liegenden Problemstellung gezogen werden.
2.2.2 Gesundheitshandeln, -verhalten und (soziale) Medien
Bereits früh betonten bekannte Persönlichkeiten aus dem Gesundheitswesen die Möglichkeit der Übernahme spezifischer Aspekte des Social-Marketings in die Gesundheitsförderung, wie z.B. die klare Zielgruppenorientierung (Buchanan, Reddy & Hossain, 1994). Im Jahr 2018 waren erstmals mehr als 90% der Bundesbürger online, wovon 75% laut einer Studie des ARD und ZDF das Internet täglich nutzten (Frees & Koch, 2018, S. 398). Obwohl der Fernseher in der Gesamtbevölkerung noch immer das meist genutzte Medium darstellt, verbrachten im Jahr 2018 Jugendliche und junge Erwachsene im, für die Zwecke dieser Arbeit relevanten Alter zwischen 14 und 29 Jahren im Schnitt 344 - 353 Minuten pro Tag im Internet, wovon 186 - 202 Minuten auf die mediale Internetnutzung (Videos, Bilder, Podcasts, Sendungen, Musik) entfielen (Frees & Koch, 2018, S. 404ff.). Die beliebtesten sozialen Netzwerke, Facebook und Instagram, werden von gut einem Drittel aller Befragten in diesem Alter täglich genutzt (Frees & Koch, 2018, S. 410). Hierbei stellen die sozialen Netzwerke einen Teilbereich der sozialen Medien dar, welche „der- häufig profilbasierten -Vernetzung von Benutzern und deren Kommunikation und Kooperation über das Internet" (Bendel, 2019) dienen. Angesichts dieser Zahlen präsentieren sich soziale Medien allgemein als ein vielversprechendes Feld, um besonders Jugendliche und junge Erwachsene zu erreichen, da das Internet in all seinen Facetten besonders in dieser Gruppe das tägliche Leben maßgeblich prägt (Yonker, Zan, Scirica, Jethwani & Kinane, 2015, S. 4).
Umso mehr überrascht die geringe Anzahl qualitativ hochwertiger Untersuchungen zu Video- und Bildplattformen wie Youtube oder Instagram, die über rein deskriptive Befragungen hinausgehen, wird in diesen Netzwerken immerhin u.a. hochrelevantes Gesundheitswissen unter Millionen von Menschen verbreitet und nimmt so potenziell großen Einfluss auf das Gesundheitshandeln und -verhalten dieser Gruppe (Reifegerste & Baumann, 2018, S. 30). Digitalen Ansätzen und Interventionen kann insgesamt ein hohes Potenzial zur Gesundheitsförderung im Allgemeinen nachgesagt werden, sie offenbaren jedoch auch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten, wie Murray und Kolleginnen in ihrem Paper ausführlich beschreiben (Murray et al., 2016). Es wird so z.B. angenommen, dass bereits 50-60% aller Nordamerikanerinnen und Europäerinnen Gesundheitsinformationen aus dem Internet beziehen (Carlsohn & Steinhorst, 2018, S. 265). Eine Ausweitung der meist auf den Marktführer Facebook beschränkten wissenschaftlichen Betrachtung in alle denkbaren relevanten Bereiche des Internets hinaus wäre somit wünschenswert (Adebahr & Kriwy, 2018, S. 4). Rossmann geht auf Basis der aktuellen Erkenntnislage davon aus, dass „die verzerrte Darstellung von Gesundheit und Krankheit in den Medien auch zu einer verzerrten Wahrnehmung und zu ungesundem Verhalten seitens der Nutzerinnen und Nutzer beitragen kann" (Rossmann, 2016, S. 305). In einem groß angelegten Review, unter Berücksichtigung von Veröffentlichungen im Zeitraum von 1980 bis 2006, kommen Nunez-Smith und Kolleginnen zu dem Ergebnis, dass 80% der von ihnen analysierten Studien einen Einfluss des Medienkonsums u.a. auf den Gebrauch suchterzeugender Substanzen und das Gewicht nahelegen (Nunez-Smith, Wolf, Huang, Emanuel & Gross, 2008, S. 3). Welche Mechanismen genau zu Grunde liegen könnten und in welcher Form die Art der konsumierten Inhalte hierbei eine Rolle spielten bleibt jedoch offen.
Das frei zugängliche (Gesundheits-) Wissen im Internet wird teilweise zwar auch von Gesund- heitsexpert*innen zur Verfügung gestellt, der Großteil der Inhalte dort wird allerdings nach wie vor von Laien produziert, was auch aufgrund des Fehlens einer Kontrolle die Gefahr massiver Fehlinformation birgt (Reifegerste & Baumann, 2018, S. 12). Eine aktuelle Untersuchung zeigt zum Beispiel, dass mit 84% der überwältigende Großteil aller online angebotenen Videos zur Thematik der Nahrungsergänzungsmitteleinnahme keinerlei Hinweise auf mögliche und durch Expertinnen als relevant eingestufte Risiken liefert (Carlsohn & Steinhorst, 2018, S. 267f.).
Im direkten Vergleich mit den klassischen Printmedien lassen sich eine ausgeprägte Heterogenität der Inhalte, sowie extreme Unterschiede in der Qualität feststellen, was es erschwert, allgemeingültige Aussagen über das vermittelte Wissen in Online-Medien zu treffen, abgesehen davon, dass diese oftmals sehr viel speziellere Themenschwerpunkte setzen (Reifegerste & Baumann, 2018, S. 29f.). Inhalte in sozialen Medien weisen zudem eine verstärkte Subjektivität auf, was auch das Auftreten extremer Standpunkt begünstigt (Reifegerste & Baumann, 2018, S. 29f.). Nicht zuletzt aufgrund der hohen Medienkompetenz jedes Einzelnen in der heutigen Gesellschaft gestaltet es sich als zunehmend schwierig, zwischen professionell und amateurhaft produzierten Inhalten zu unterscheiden (Reifegerste & Baumann, 2018, S. 29). Dass dies durchaus lebensbedrohende Ausmaße annehmen kann, verdeutlicht ein Beispiel zur Causa Gebärmutterhalskrebs. Während die Weltgesundheitsorganisation ausdrücklich eine Impfung bei Mädchen empfiehlt, lehnt der überwältigende Großteil aller amateurhaft produzierter Inhalte im Internet zu der Thematik eine Impfung ab, meist jedoch auf Basis zweifelhafter Argumentationsstrukturen (Reifegerste & Baumann, 2018, S. 30). Als problematisch gestaltet sich zudem die Tatsache, dass 32,6% der Studentinnen einer umfangreichen Umfrage angaben, eine Information aus dem Internet trage in der Regel eher zur Verunsicherung als zur Klärung bei (Matusiewicz, Krol, Stender & Lux, 2017).
Auch weitere Felder moderner Medien weisen trotz hoher Wachstumsraten große Forschungslücken auf. So konnten im Jahr 2014 weltweit bereits über 100 000 Apps zum Thema Gesundheit gezählt werden, erst zwei Jahre später beschäftigte sich dann ein erstes systematisches Review mit der Wirksamkeit solcher Anwendungen und den Effekten auf das Gesundheitsverhalten (Zhao, Freeman & Lin, 2016, S. 287). Jenes Review identifizierte immerhin 17 hochwertige Studien, in denen signifikante Veränderungen des individuellen Gesundheitsverhaltens erreicht werden konnten. Hierbei steigerten vor allem ein nutzerfreundliches Design, Echtzeit-Feedback, individualisierte Elemente, detaillierte Informationen und die offensichtliche Beteiligung professioneller Gesundheitsexperten die Effektivität (Zhao, Freeman & Lin, 2016).
Im Zusammenhang neuer Medien und der Gesundheit wird an vielen Stellen die soziale Komponente besonders hervorgehoben. Lin und Chang (2018) attestieren sozialen Netzwerken insbesondere deshalb eine gute Eignung zum Austausch über gesundheitsrelevante Themen, da in einer ihrer Untersuchungen zum Thema, eine Interaktion zwischen zwei Menschen höhere gesundheitliche Effekte (z.B. eine Erhöhung der Kompetenzerwartung) bewirkte, als eine Situation in dersich ein Individuum nur mit schriftlichen Informationen auseinandersetzte (Lin & Chang, 2018). Ähnlich einzuordnen sind die Befunde einer randomisierten und kontrollierten Untersuchung von Zhang und Kolleginnen (2015), welche nahelegen, dass der soziale Einfluss einer Peer-Group höhere Effekte auf die körperliche Aktivität aufweist, als werbende Nachrichten in Schrift- und/oder Bildform (Zhang, Brackbill, Yang & Centola, 2015). Die zugrundeliegenden Mechanismen basieren hierbei auf der sozialen Integration bzw. Isolation, der Möglichkeit und den Zugängen zu Ressourcen auf der Strukturebene, sowie der positiven (instrumentell, emotional, informell) und negativen (Konflikte, Belastungen) sozialen Unterstützung (Adebahr & Kriwy, 2018).
Bisherige Ansätze zur Veränderung des durch Expertinnen definierten Gesundheitsverhaltens thematisieren bisher besonders die Bereiche des riskanten Sexualverhaltens, des Alkohol-, Nikotin- und Drogenmissbrauchs, die geistige Gesundheit und den gesamtgesundheitlichen Zustand (Yonker, Zan, Scirica, Jethwani & Kinane, 2015, S. 4). Auch die Diskussion eines recht breiten Spektrums an gesundheitsrelevanten Ernährungsthemen kann in den sozialen Medien beobachtet werden. Die Thematiken reichen hierbei von gesunder Ernährung und Fitness über Methoden zum Abnehmen bis hin zu Essstörungen (Endres, 2018, S. 111). Besonders hierbei läuft der Nutzer bzw. die Nutzerin Gefahr, jederzeit auf unqualifizierte oder sich widersprechende Aussagen zu treffen, die ausschließlich auf eigenen Erfahrungen anderer Nutzer basieren (Endres, 2018, S. 111).
Im Dunstkreis neuer Medien erlebten auch weitere technische Errungenschaften, wie z.B. tragbare Devices (z.B. Fitnessuhren, Schrittzähler etc.) einen Aufschwung. Laut aktuellen Erkenntnissen werden Verhaltensänderungen und gesundheitsförderliche Handlungen durch diese zwar nicht ausgelöst, sie können bei der richtigen Anwendung jedoch unterstützend und verstärkend wirken (Patel, Asch & Volpp, 2015, S. 460). Trotz offenkundiger Forschungslücken exploriert die Forschungsgemeinschaft bereits neue Verfahren und Möglichkeiten, auch da vielversprechende digitale Ansätze zur Gesundheitsförderung zwar vielfältig vorhanden sind, bisher jedoch nur selten umgesetzt wurden (Michie, Yardley, West, Patrick & Greaves, 2017, S. 233). Internationale Workshops mit dem Ziel, Herausforderungen zu diskutieren und Lösungsansätze zu produzieren, forderten, sich auch verstärkt der Methoden, Ansätze und Modelle anderer Disziplinen zu bedienen (Michie et al., 2017). Als eine Ergänzung zu vorhandenen Maßnahmen versteht sich der personen-basierte Ansatz von Yardley, Morrison, Bradbury und Muller (2015). Im Rahmen der 18-monatigen Entwicklung dieses Ansatzes wurde erörtert, wie dieser in Interventionen zur Veränderung des Gesundheitsverhaltens integriert werden kann und somit das Individuum wieder stärker in den Fokus rückt, wodurch eine langfristige und unabhängige Aufrechterhaltung des Verhaltens ermöglicht werden soll (Yardley et al., 2015). Kurioserweise sind zeitgleich Bestrebungen zu beobachten, das Individuum als Schwachstelle des Persuasionsprozesses aus der Gleichung zu streichen. Da viele dieser Verfahren auf der Motivation und den Fähigkeiten der Zielperson basieren, sich diese interindividuell aber massiv unterscheiden, seien hohe Fehlschlagquoten vorprogrammiert (Adams, Costa, Jung & Choudhury, 2015, S. 719). Technologien, welche nicht vom Konsumenten/der Konsumentin, bzw. seiner/ihrer Motivation und Aufmerksamkeit abhängig sind, sondern vielmehr von einem unterbewussten, automatischen Verarbeitungssystem jedes Menschen ausgehen, sollen in Zukunft ihren Beitrag zu einer subtilen Beeinflussung von Verhaltensweisen (Adams et al., 2015, S. 728) leisten. Die Erforschung spezifischer Störungsbilder oder Vorhaben in Forschungsbereichen mit einem extrem hohen Bedarf an Teilnehmerinnen können von den neuen Möglichkeiten sozialer Medien und ihrer enormen Reichweite zusätzlich profitieren (Feinhofer & Klier, 2018, S. llf.)
Fasst man den Fokus innerhalb des Themengebiets „Soziale Medien und Gesundheit" weiter, muss auch die vom Konsumenten/der Konsumentin wahrgenommene indirekte, potenziell gesundheitsgefährdende Wirkung solcher Medien berücksichtigt werden. Insbesondere auch deshalb, weil in vergangenen Studien belegt werden konnte, dass der Medienkonsum in direkter Konkurrenz mit der körperlichen Aktivität steht und eine Zunahme der Beschäftigung in einem der zwei Bereiche eine Verringerung in anderen Bereich nach sich zieht (Spengler, Mess & Woll, 2015). Eine andere Befragung von über 1000 Studentinnen, wies nach, dass 59,9% dieser befürchten, die Nutzung digitaler Medien könne sich negativ auf ihre Körperhaltung auswirken, 34% befürchten negative Auswirkungen auf ihre Sehkraft in der Folge der Nutzung (Matusiewicz, Krol, Stender & Lux, 2017). In einer umfangreichen Erhebung derTech- niker Krankenkasse unter Studierenden konnten bislang jedoch keine Zusammenhänge zwischen dem allgemeinen Gesundheitszustand und der Nutzung sozialer Medien bestätigt werden (Techniker Krankenkasse, 2015, S. 18). Die technologische Entwicklung im Allgemeinen brachte sowohl neue gesundheitliche Problemfelder (z.B. problematische Ausprägungen des Computerspielens) hervor, erweiterte darüber hinaus aber auch bekannte Störungen um neue Aspekte (z.B. Hypochondrie) (Feinhofer & Klier, 2018, S. 11)
Bisher existieren keine verlässlichen Untersuchungen dazu, ob Social-Marketing-Ansätze im Feld der neuen Medien global größeren Erfolg oder eine höhere Effektivität hinsichtlich der Gesundheitsförderung versprechen als klassische Interventionen (Loss et al., 2016). Jedoch wurden schon seit Einführung des Social-Marketings Bedenken und Kritik an den Bestrebungen geäußert, die zu Grunde liegenden Prinzipien auch für die Gesundheitsförderung fruchtbar zu machen, insbesondere deshalb, weil solche Bemühungen meist nur auf individuelle Veränderungen abzielen und nicht auf strukturelle oder soziale Anpassungen (Loss, Lang, Ult- sch, Eichhorn & Nagel, 2016, S. 399). So entstehe der öffentliche Eindruck eines Aktionismus, ohne sich dabei der sehr viel schwerfälligeren Strukturveränderungen anzunehmen (Loss et al., 2016, S. 399).
2.2.3 Erfolgsmodell Influencer-Marketing
Trotz der, in der Vergangenheit der Betrachtung dieser Thematik geäußerten Bedenken soll im Folgenden verdeutlicht werden, worin die Potenziale des Social-Marketings im Allgemeinen, aber auch des Influencer-Marketings im Speziellen liegen und ob diese für die Übertragung in den Gesundheitsbereich geeignet erscheinen. Das Influencer-Marketing tritt hierbei als Teil des Social-Marketings auf, welches definiert werden kann als „die Bestrebung, eigene Inhalte, Produkte oder Dienstleistungen in sozialen Netzwerken bekannt zu machen und mit vielen Menschen - (potenziellen) Kunden, Geschäftspartnern und Gleichgesinnten - in Kontakt zu kommen" (Weinberg, 2012, S. 8). Innerhalb dieses weitläufigen Feldes ist das Influencer-Marketing wie folgt einzugrenzen:
Influencer Marketing ist die Planung, Steuerung und Kontrolle des gezielten Einsatzes von Social-Media-Meinungsführern und -Multiplikatoren, um durch deren Empfehlungen die Wertigkeit von Markenbotschaften zu steigern und das Kauf- verhalte der Zielgruppe positiv zu beeinflussen. (Deges, 2018, S. 35)
Als entscheidende^ Akteur*in dieses, sich im Internet abspielenden Marketings, tritt der Influencer als Meinungsführerin, wie zu Beginn des Kapitels 2 beschrieben auf, wobei Popularität, Autorität und ein gewisser Status hierbei große Relevanz besitzen (Jahnke, 2018, S. 4). Internationale Ansätze der Definition heben darüber hinaus die Bedeutung des Identifikationsprozesses potenzieller Meinungsführerinnen hervor (Thorne, 2008, S. 277). Angesichts dessen hält Deges die Entwicklung hin zu einem dem Sport ähnlichen Talent-Scouting für möglich (Deges, 2018, S. 132). Der Begriff der Influencer-Relations beschreibt in diesem Zusammenhang das Management und die Pflege langfristiger Beziehungen zu geeigneten Influence™ seitens beteiligter Unternehmen (Schach, 2018, S. 45).
Mehrere digitale Kanäle weisen die Eignung zum Influencer-Marketing auf. Sogenannte Blogs, ein textbasiertes Angebot, das oftmals in Tagebuchformat verfasst wird, kann für sich laut des „Blogosphärenreports 2008" sogar in Anspruch nehmen, eine höhere Glaubwürdigkeit zu besitzen als Herstellerinformationen (Weinberg, 2012). Dort vermittelte Inhalte besitzen somit eine hochgradige Relevanz für mögliche Kaufentscheidungen der Leser (Weinberg, 2012). Neben dieser, durchaus noch mit analogen Medien vergleichbaren Plattform existieren darüber hinaus mit Instagram und Youtube weitere Kanäle, die in erster Linie auf Bild- und Videoangeboten basieren. In Deutschland wird die /nstogrom-Nutzerzahl bis 2021 auf geschätzte 16 Millionen wachsen. Rund jede*r fünfte Deutsche könnte somit Ziel von in Bildern oder Videos beworbenen Produkten werden (Nirschl & Steinberg, 2018, S. 22f.). Die Plattform Youtube weist darüber hinaus sogar eine eigene Influencer-Datenbank und Agentur auf und unterstreicht somit ihren Anspruch als ernstzunehmende Alternative für TV-Werbung (Nirschl & Steinberg, 2018, 23f.). Dass laut Aussage einer repräsentativen Umfrage bereits 2016 rund 60% aller Marketing-Professionellen in der Vergangenheit mit Influence™ zusammenarbeiteten oder dies in naher Zukunft planen, unterstreicht dieses Selbstverständnis (Krasniak, 2016). In Folge dessen betrug das weltweite Volumen des Influencer-Marketings im selben Jahr geschätzt 10 bis 15 Milliarden Dollar (Morin, 2016), während relevante Influencer aus der Modebranche bei den Schauen der großen Marken längst Plätze in der ersten Reihe besetzen (Deges, 2018, S. 37).
An den Beispielen aktueller Entwicklungen, wie etwa der Gründung einer „Influencer-Marke- ting-Akademie" (Jahnke, 2018, S. 8) und der Installation des „Influencer Marketing e.V." im Jahr 2017 als Interessensvertretung in Deutschland (Deges, 2018, S. 131), wird der mittlerweile erreichte Status eines seriösen Geschäftszweigs innerhalb des Marketings deutlich. 56% der Social-Media-Nutz*innen nehmen das Influencertum mittlerweile als gängigen und Beruf mit Daseinsberechtigung wahr (Bitkom, 2018). Die maßgebliche Begründung für diese zunehmende Professionalisierung, welche gleichzeitig den Zugang von Unternehmen erleichtert (Gretzel, 2018, S. 152), liegt hierbei vermutlich in den vorliegenden Befunden zur Wirksamkeit solcher Marketing-Bemühungen.
Eine Vielzahl der Untersuchungen zum ökonomischen Nutzen solcher Maßnahmen betont die, dem Influencer-Marketing zu Grunde liegenden Mechanismen der Empfehlung. So legen ganz allgemein 83% der Konsument*innen mehr Vertrauen in eine Empfehlung, als in herkömmliche Werbeformate (Nielsen, 2015). Die Empfehlung eines Meinungsführers bzw. einer Meinungsführerin bewirkt darüber hinaus eine positivere Wahrnehmung des Produkts oder der Inhalte, eine zügigere Entscheidung, sowie eine geringerer Preissensibilität als herkömmliche Marketing-Ansätze (Schüller, 2014). Ein Influencer eignet sich somit perfekt als Auslöser, der als wichtigstes Instrument des Marketings geltenden Mundpropaganda (Word-of-Mouth- Marketing, WOM) (Kozinets, De Valck, Wojnicki & Wilner, 2010, S. 71), weshalb das InfluencerMarketing von einigen Autoren auch als das digitale Pendant zum analogen WOM angesehen wird (Byrne, Kearney & MacEvilly, 2017, S. 103). Auch Deges sieht den überragenden Vorteil des Influencer-Marketings in der digitalen Mundpropaganda (Deges, 2018, S. 36). So sei eine epidemische Ausbreitung der Inhalte innerhalb der Community und somit eine insgesamt sehr breitflächige und kosteneffiziente Verbreitung möglich (Kreutzer, 2013, S. 379f.). Eine solch epidemische Ausbreitung kann selbstverständlich nicht nur Informationen zu beworbenen Produkten, sondern auch Tipps oder Empfehlungen ohne kommerziellen Hintergedanken betreffen.
Die Entwicklung geeigneter Messmethoden und Strategien zur Maximierung des ROI, wie auch die Erfassung des anderweitigen Einflusses von Influencern auf ökonomische Kennzahlen war in der Vergangenheit bereits häufig Gegenstand wissenschaftlicher Bestrebungen (z.B. Booth & Matic, 2011; Coleman & Herriot, 2014; Kaske, Kügler & Smolnik, 2012; Kumar & Mir- chandani, 2012). Die Einstellung und eng damit verbunden das Kaufverhalten gegenüber der beworbenen Marke steht hierbei unter anderem auch in Zusammenhang mit der Sympathie gegenüber dem Influencer, welche, wie experimentelle Studien belegen konnten, wiederum in Abhängigkeit von der Anzahl der Follower steht (De Veirman, Cauberghe & Hudders, 2017). In der Konsequenz kann sich bei richtiger Anwendung ein, der klassischen Werbung deutlich überlegener ROI ergeben (Gretzel, 2018, S. 151). Kirkpatrick taxiert den Wert sogar auf ein bis zu 11-faches im Vergleich zu klassischen Verfahren (Kirkpatrick, 2016). Auch in weiteren experimentellen Studien konnte eine höhere Kaufbereitschaft in der Zielgruppe von 18 bis 21 Jahren für ein Produkt beobachtet werden, das durch einen Influencer beworben wurde, als für dasselbe Produkt, in dessen Vermarktung nur klassische Werbemaßnahmen eingesetzt wurden (Nandagiri & Philip, 2018, S. 64). Zur Ermittlung des ROIs können z.B. QR-Codes, bestimmte Links oder Coupons genutzt werden, um den Einfluss eines einzelnen Influencers greifbar zu machen (Gretzel, 2018, S. 149). Gleichzeitig sieht eine Vielzahl von Autorinnen in diesem Zusammenhang eine ganze Reihe von Schwierigkeiten. So gebe der ROI keine Auskunft über nicht-finanzielle Indikatoren (Manguic, 2009; Pooja, Black, Cao, Berger & Weinberg, 2012) und auch die Feststellung quantitativ belastbarer Aussagen gestalte sich in diesem Zusammenhang als schwierig (Ferguson, 2008). Als problematisch wird darüber hinaus insbesondere ein tendenziell kurzfristig gefasster Fokus bei der Betrachtung des ROI thematisiert, während Langzeiteffekte oft außen vor bleiben (Hoffman & Fodor, 2010; Kaske, Kügler & Smolnik, 2012; Pooja et al., 2012). Auch eine bisherige Ausklammerung mittelständischer Unternehmen in der Betrachtung wird kritisch gesehen (Dahnil, Marzuki, Langgat & Fabeil, 2014).
In die Kritik geriet das Influencer-Marketing jüngst insbesondere aufgrund der unklaren Grenze zwischen Inhalt und Werbung, welche so durchaus auch beabsichtigt ist (Scheunert et al., 2018, S. 76). Diese Art des Marketings basiert oftmals auf einer möglichst unauffällig platzierten Werbebotschaft, beispielsweise durch kostenlos bereitgestellte und wie selbstverständlich in den Posts verwendete Produkte. Dem geltenden Erkennbarkeits- oder Trennungsgrundsatz der Werbung konnte so nicht immer Folge geleistet werden (Scheunert, Schlütz, Link & Emde-Lachmund, 2018, S. 76). In einer großen Stichprobe konnten Mathur und Kolleginnen lediglich bei rund 10% der in Frage kommenden Posts, eine den geltenden gesetzlichen Bestimmungen entsprechende Kenntlichmachung feststellen (Mathur, Narayanan & Chetty, 2018, S. 9ff.). Angesichts teils siebenstelliger Jahreseinnahmen von Influence™ sollte dieser Problematik in der Zukunft hohe Priorität eingeräumt werden (Nirschl & Steinberg, 2018, S. 2) und auch eine Überprüfung der Auswirkungen einer radikalen Offenlegung der Werbung angestrebt werden (Evans, Phua, Lim & Jun, 2017). Eine große Aufmerksamkeit erlangte die Thematik im April 2019 durch das öffentlich ausgetragene Gerichtsverfahren um Cathy Hummels, welcher vorgeworfen wurde, Schleichwerbung zu betreiben. Dem InfluencerMarketing kann somit in Theorie und Praxis ein stetes Wandeln auf dem schmalen Grat zwischen neutraler Berichterstattung und klar ökonomisch orientiertem Marketing nachgesagt werden (Jahnke, 2018, S. 4). Neuere experimentelle Untersuchungen legen jedoch nahe, dass eine Kenntlichmachung von Werbung keine signifikanten Unterschiede bei der Wahrnehmung als Werbung bewirkt (Scheunert, Schlütz, Link & Emde-Lachmund, 2018, S. 79ff.). Die Darbietung dreier verschiedener Posts (Influencer-Account ohne Kenntlichmachung der Werbung, Hersteller-Account mit Verlinkung des Influencers, Hersteller-Account mit Kenntlichmachung der Werbung) mit demselben beworbenen Produkt offenbarten in einer Einzelstudie nur ein beschränktes Wirkungspotenzial des Influencer-Marketings (Scheunert, Schlütz, Link & EmdeLachmund, 2018, S. 79ff.).
Da als maßgebliche Charaktereigenschaft eines Influencers die Authentizität (siehe hierzu auch Kapitel 2.2.1) beschrieben wird, diese im Rahmen einer kommerziellen Partnerschaft mit Unternehmen jedoch direkt bedroht zu sein scheint, verfolgen Influencer in der Regel bestimmte Strategien, um diese zu erhalten (Audrezet, De Kerviler & Moulard, 2017, S. 509f.). Diese Strategien, beispielhaft erhoben anhand von 49 Interviews mit Influencern aus dem Mode- und Beautybereich, lassen zwei Hauptmuster unterteilen: Erstens das Ausdrücken des inneren Selbst und der Leidenschaft, selbst im Kontext einer kommerziellen Partnerschaft („Leidenschaftliche Authentizität") oder zweitens die Betonung der Ehrlichkeit bezüglich der Zusammenarbeit mit Unternehmen und das Erbringen von Beweisen über die beworbenen Produkte („Informierende Authentizität") (Audrezet et al., 2017, S. 509f.). In der Praxis kann darüber hinaus häufig auch eine Verflechtung beider Muster beobachtet werden (Audrezet et al., 2017, S. 509f.).
Theoretisch eignen sich die Mechanismen dieser Marketing-Strategie auch für den Einsatz im Gesundheitsbereich. Sowohl die kommerzielle Vermarktung zertifizierter Gesundheitsprodukte, Nahrungsergänzungsmittel oder Sport-Equipment, als auch die Verbreitung von gesundheitsrelevantem Wissen kann durch Influencer-Marketing vorangetrieben werden. Aktuelle Veröffentlichungen warnen jedoch vor dem Einfluss von Meinungsführerinnen, die in den betreffenden Bereichen (z.B. dem Konsum von Nahrungsergänzungsmitteln) keine Expertise aufweisen (Carlsohn & Steinhorst, 2018). Eine umfangreiche Likert-Fragebogen-Unter- suchung förderte zu Tage, dass eine nicht vorhandene Expertise überraschenderweise in keinem Zusammenhang steht mit der Kaufintention. Selbst dann nicht, wenn dem Konsumenten bewusst war, dass die Empfehlung auf der Einschätzung einer unqualifizierten Person basierte (Lim, Radzol, Cheah & Wong, 2017, S. 29).
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- Quote paper
- Jan Ellinger (Author), 2019, Die Relevanz von Fitness- und Gesundheitsinfluencern für das Gesundheitsbewusstsein Studierender. Eine explorative Studie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/936982
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