Ziel dieser Arbeit ist es herausstellen, wie stark und in welchen Aspekten sich die chinesische zur deutschen Kultur unterscheidet und inwiefern Motivationsanreize in ihrer Gestaltung auf kulturelle Eigenschaften und Werte angepasst werden müssen, um die Mitarbeitermotivation im interkulturellen Kontext optimieren zu können.
Im darauffolgenden Kapitel werden durch die Beschreibung der für diese Arbeit essenziellen Motivationstheorien, Anreizsysteme und Kulturdimensionen konzeptionelle Grundlagen gelegt, um einen Überblick über bestehende Ansätze der Motivations- und Kulturwissenschaften zu geben. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Kultureigenschaften Deutschlands und Chinas, um auf den kulturellen Vergleich von Motivationsanreizen in Kapitel 5 vorzubereiten. In diesem Teil der Bachelorarbeit sollen kulturelle Besonderheiten beider Länder aufgegriffen und in Verbindung mit wichtigen Motivationsanreizen gebracht werden, wodurch es möglich werden soll, im Fazit eine Schlussfolgerung über die Einflussnahme der Kultur in der Mitarbeitermotivation ziehen zu können.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Thematische und begriffliche Eingrenzung
2.1 Begriff Motivation
2.2 Definition von Motiv, Bedürfnis und Werte
2.3 Bedeutung der Mitarbeitermotivation
3 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
3.1 Motivationstheoretische Ansätze
3.1.1 Maslows Bedürfnishierarchie
3.1.2 Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie
3.1.3 Leistungs-Motivationstheorie nach McClelland
3.2 Leistungsbezogene Anreizsysteme
3.2.1 Materielle und immaterielle Anreize
3.2.2 Intrinsische und extrinsische Anreize
3.3 Kultur
3.3.1 Kulturdimensionen nach Hofstede
3.3.2 Kulturdimensionen nach Hall
3.3.3 Kulturdimensionen der GLOBE-Studie
4 Kultureigenschaften Deutschlands und Chinas im Vergleich
4.1 Kulturelle Besonderheiten Deutschlands
4.1.1 Traditionelle Werthaltungen
4.1.2 Hofstedes Kulturdimensionen: Deutschland
4.1.3 Moderne Werthaltungen
4.2 Kulturelle Besonderheiten Chinas
4.2.1 Traditionelle Werthaltungen
4.2.2 Hofstedes Kulturdimensionen: China im Vergleich zu Deutschland
4.2.3 Moderne Werthaltungen
5 Kultureller Vergleich von Motivationsanreizen
5.1 Entlohnung
5.2 Sozialleistungen
5.3 Karriereentwicklung und Weiterbildungsmöglichkeiten
5.3.1 Karriere
5.3.2 Weiterbildung
5.4 Arbeitsklima und Interne Kommunikation
5.4.1 Arbeitsklima
5.4.2 Betriebsinterne Kommunikation
5.5 Führung
6 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Differenzierung eines zunächst unspezifizierten Motivs
Abbildung 2: Maslowsche Bedürfnispyramide
Abbildung 3: Kulturdimensionen nach GLOBE
Abbildung 4: Hofstedes Kulturdimensionen Deutschland
Abbildung 5: 'Wu Lun', die fünf Beziehungen des Konfuzianismus
Abbildung 6: Hofstedes Kulturdimensionen China
Abbildung 7: Ergebnisse der Entlohnungsungleichheitsserie Liu-Kiels
Abbildung 8: Beispiele freiwilliger betrieblicher Sozialleistungen
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
In der Wirtschaft werden Länder oft nur anhand von Kennzahlen wie dem Bruttoinlandsprodukt, der Kaufkraft oder dem Wirtschaftswachstum verglichen, wohingegen Arbeitnehmer, die zur Erzeugung dieser Vergleichswerte maßgeblich beitragen, dabei selten im Fokus stehen. Um die Wirtschaftsleistung eines Landes erbringen und konstant halten zu können, ist es jedoch von Bedeutung, um die Bedürfnisse von Angestellten sowie um ihre Arbeitsmotivation Bescheid zu wissen.
Zusätzlich rücken seit einigen Jahren interkulturelle Kompetenzen in den Fokus qualifizierter Arbeitnehmer, was sich mitunter in der Vielzahl von Kursangeboten an Hochschulen und Fortbildungsangeboten für Angestellte äußert. Durch die Ansiedlung deutscher Unternehmen im Ausland und der generellen Internationalisierung der Wirtschaft, durch die es oft zu Geschäftsverhältnissen verschiedenster Länder kommen kann und ein Austausch wie auch eine Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Kulturen stattfinden können, werden im globalen Umgang zunehmend Handlungskompetenzen verlangt. Insbesondere in der Personalführung internationaler Unternehmen ist das Wissen um kulturelle Unterschiede wichtig, um auf die Bedürfnisse und Erwartungen von Mitarbeitern eingehen, diese dementsprechend motivieren und an das Unternehmen binden zu können. Mitarbeiter könnten diesbezüglich von ihrer jeweiligen Kultur geprägt oder beeinflusst sein, was in der vorliegenden Bachelorarbeit durch einen kulturellen Vergleich untersucht werden soll.
Hierfür sollen die Länder Deutschland und China als Beispiele dieser Arbeit dienen. China eignet sich zum einen sehr gut, da es als eine der ältesten Zivilisationen der Welt eine lange Geschichte mit alten Traditionen besitzt und zudem im asiatischen Raum liegt, welcher sich kulturell stark vom europäischen Raum unterscheidet. Zum anderen konnte in China in den letzten Jahrzehnten ein enormer wirtschaftlicher Aufstieg beobachtet werden; das Land ist mittlerweile im Inbegriff, eine neue globale Wirtschaftsmacht zu sein. Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist China für Deutschland schon seit Jahren der stärkste Handelspartner.1 Diese Wirtschaftsbeziehung zu Deutschland erfordert es, im Umgang eines interkulturellen Arbeitsverhältnisses, sowie in der Gestaltung des Personalmanagements auf etwaige kulturelle Besonderheiten zu achten.
Ziel dieser Arbeit ist es herausstellen, wie stark und in welchen Aspekten sich die chinesische zur deutschen Kultur unterscheidet und inwiefern Motivationsanreize in ihrer Gestaltung auf kulturelle Eigenschaften und Werte angepasst werden müssen, um die Mitarbeitermotivation im interkulturellen Kontext optimieren zu können.
Um in das vorliegende Thema einzusteigen, wird zunächst der Begriff Motivation mit seinen Teilkomponenten beschrieben und mit einer Arbeitsdefinition eingegrenzt, anschließend soll kurz auf die Bedeutung der Mitarbeitermotivation in Unternehmen eingegangen werden. Im darauffolgenden Kapitel werden durch die Beschreibung der für diese Arbeit essenziellen Motivationstheorien, Anreizsysteme und Kulturdimensionen konzeptionelle Grundlagen gelegt, um einen Überblick über bestehende Ansätze der Motivations- und Kulturwissenschaften zu geben. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Kultureigenschaften Deutschlands und Chinas, um auf den kulturellen Vergleich von Motivationsanreizen in Kapitel 5 vorzubereiten. In diesem Teil der Bachelorarbeit sollen kulturelle Besonderheiten beider Länder aufgegriffen und in Verbindung mit wichtigen Motivationsanreizen gebracht werden, wodurch es möglich werden soll, im Fazit eine Schlussfolgerung über die Einflussnahme der Kultur in der Mitarbeitermotivation ziehen zu können.
2 Thematische und begriffliche Eingrenzung
2.1 Begriff Motivation
Für den Begriff Motivation ist in der Literatur eine Vielzahl von Definitionen und Auslegungen aus verschiedensten Blickwinkeln zu finden, was auf die Allgegenwärtigkeit der Motivation in unterschiedlichen Lebensbereichen zurückzuführen ist. So ist die Frage nach der Motivation laut Hans Thomae „die Frage nach dem Warum des menschlichen Verhaltens und Erlebens.“2 Die Beweggründe dieses Verhaltens sollten dabei allerdings nicht nur unmittelbar aus äußeren Einflüssen rühren, um von Motivation sprechen zu können.3 Zudem wird Motivation in der Literatur als inneres Potenzial oder Energiequelle verstanden, die zu zielgerichtetem Verhalten antreibt.4
Aufgrund der Tatsache, dass der Begriff der Motivation so vielseitig angewandt werden kann, erfolgt innerhalb dieser Arbeit eine Eingrenzung in Richtung der Leistungs- und Arbeitsmotivation. So ist „Motivation […] die Richtung, Intensität und Ausdauer einer Verhaltensbereitschaft hinzu oder weg von Zielen.“5
Des Weiteren ist zu erwähnen, dass Motivation nicht mit Zufriedenheit gleichzusetzen ist. Gegenteiliges wurde in den Anfängen der Motivationsforschung von Herzberg behauptet, eine Übereinstimmung der beiden Begriffe hat sich allerdings „[…] empirisch nur sehr begrenzt finden lassen, teilweise gibt es sogar gegenläufige Effekte.“6 Demnach kann ein Mitarbeiter also an sich stark motiviert sein, äußere Umstände könnten ihm aber seine Arbeit erschweren oder behindern, was zu extremer Unzufriedenheit führen kann. Ein gegenläufiges Beispiel wäre ein unmotivierter Mitarbeiter, der wenig leistet und genau deswegen zufrieden ist.
2.2 Definition von Motiv, Bedürfnis und Werte
Motivation entsteht, wenn Anreize unter einer aktuell wirksamen Situation auf einzelne, individuelle Motive einwirken und diese aktivieren.7 Wie Menschen auf Anreize reagieren, hängt dabei von den individuellen Motiven ab, die eine Person durch Einflüsse der Kultur, der Familie oder der sozialen Umgebung entwickelt hat und daher sehr unterschiedlich sein können.8 Generell sind Motive isolierte Beweggründe des Verhaltens, die sich auf bestimmte Ziele oder Werte richten.9 In der Motivationsforschung werden Motive unterschieden nach angeborene oder erlernte, konditionierte Motive, wobei sich letztere spezifisch nach der jeweiligen Kultur richten. Als angeborene, oder auch primäre Motive sind lediglich Hunger, Durst, Schlaf- und Wärmebedürfnis zu nennen. Sekundäre Motive sind erlernt oder durch Konditionierung erworben und überwiegen beim Verhalten moderner Kulturen. Diese Art der Motive eignet sich der Mensch individuell durch Umwelteinflüsse wie Kultur, soziale Beziehungen oder Erfahrungen an.10 11 Sollte also ein angeborenes Motiv wie Durst in einer Kultur immer mit Buttertee befriedigt werden, so entwickelt sich mit der Zeit ein kulturspezifisches, erlerntes Motiv: das Bedürfnis nach Buttertee (siehe Abbildung 1).
Als weiteres Beispiel für die Entstehung von sekundären Motiven führt Rosenstiel das Bedürfnis nach Geld an. Geld war zunächst nur Mittel zum Zweck, um angeborene Bedürfnisse wie Durst und Hunger befriedigen zu können. Im Laufe der Zeit wurde durch Konditionierung Geld an sich zu einem sekundären Motiv. Das ursprüngliche Mittel zur Bedürfnisbefriedigung wurde also zu einem eigenen, neuen Motiv des Menschen.12
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Die Differenzierung eines zunächst unspezifizierten Motivs13
Die Begriffe Bedürfnis und Motiv wurden erst mit zunehmender Forschung zum Thema Motivation voneinander abgegrenzt und werden daher in der Literatur teilweise als Synonyme verwendet (wie bei Maslow oder McClelland). Ein Bedürfnis stellt dabei eine Motivform dar, bei der ein Mangelzustand zugrunde liegt. Als Beispiel nennt Becker Durst mit einem Mangel an Flüssigkeit, als Negativbeispiel das Motiv der Schmerzvermeidung, das keine Mängel oder Defizite aufweist.14
Werte werden von Motiven aktiviert und können von mehreren Menschen geteilt werden, wodurch Gruppen mit den gleichen Wertvorstellungen entstehen können und Kulturen infolgedessen leichter zu unterscheiden sind. „Werte (Wertvorstellungen) sind allgemein erstrebenswerte, moralisch oder ethisch als gut befundene spezifische Wesensmerkmale einer Person innerhalb einer Wertegemeinschaft. Aus den präferierten Werten und Normen resultieren Denkmuster, Glaubenssätze, Handlungsmuster und Charaktereigenschaften.“15
2.3 Bedeutung der Mitarbeitermotivation
Die Rolle der Mitarbeiter am Erfolg eines Unternehmens ist essenziell: Motivierte Mitarbeiter sind glücklicher, produktiver und setzen sich vermehrt für die Ziele eines Unternehmens ein, solange diese sich mit den persönlichen Zielen der Mitarbeiter decken. Diese Aspekte der Mitarbeitermotivation bringen Vorteile wie Kostenersparnisse oder ein positives Image des Unternehmens am Arbeitsmarkt als Ergebnisse mit sich.16 Gilt ein Unternehmen als guter Arbeitgeber, kann durch die Imagesteigerung des Unternehmens eine Akquirierung und Bindung von Personal deutlich erleichtert werden, vor allem wenn es um den brancheninternen Kampf um High-Potentials geht.
Der Prinzipal-Agent-Theorie folgend, kann in Geschäftsbeziehungen wie auch in Arbeitsverhältnissen eine ungleiche Informationsverteilung vorliegen. Bei der Informationsasymmetrie ‚Hidden Action‘ dieses Modells der Wirtschaftswissenschaften hat der Prinzipal (hier Arbeitgeber oder Vorgesetzter) keine Kontrolle über den Arbeitseinsatz des Agenten (hier Angestellter).17 Für dieses mögliche Dilemma eines Arbeitsverhältnisses könnte die Förderung der Eigenmotivation des Mitarbeiters eine Lösung darstellen. In Zeiten, in denen die räumliche Distanz zu Vorgesetzten durch Modelle wie Home-Office zunimmt, könnte die Kontrolle des Personals immer schwieriger und somit eine Eindämmung der Hidden Action immer wichtiger werden.18
3 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
3.1 Motivationstheoretische Ansätze
Seit Anfang des 20. Jahrhundert beschäftigte sich die Wissenschaft immer mehr mit dem Verhalten des Menschen. Einen Anfang machte Sigmund Freud, Begründer der Psychoanalyse. Freuds Theorien führten zu einem Denkanstoß unter den Wissenschaftlern: Was sind die Ursachen des menschlichen Verhaltens, also die zugrundeliegende Motivation des Menschen? Die Psychologen Maslow, Herzberg und McClelland entwickelten mit die bekanntesten Motivationstheorien. Alle drei Modelle lassen sich den Inhaltstheorien der Motivation zuordnen, deren Merkmal es ist, einzelne Motive und deren Ziele zu klassifizieren.19 Darüber hinaus gibt es in der Motivationsforschung noch Prozess- und Interaktionstheorien20, auf die in dieser Arbeit jedoch zur Eingrenzung des Themas nicht näher eingegangen wird.
3.1.1 Maslows Bedürfnishierarchie
Abraham Maslow beschäftigte sich mit der Frage nach der Entstehung von Motivation und konnte 1954 innerhalb seines Motivationsmodells Motive des Menschen klassifizieren und hierarchisch ordnen.21 Abbildung 2 zeigt fünf Motivgruppen des Menschen im Rahmen der Maslowschen Bedürfnispyramide. Maslow ordnete hierbei die einzelnen Motive hierarchisch in einer Pyramidenform an. Der Grundstein der Pyramide entspricht der untersten Ebene und beinhaltet physiologische Grundbedürfnisse. Diese Stufe ist in der Bedürfnisbefriedigung des Menschen am relevantesten, alle Stufen darüber, also in Richtung der Pyramidenspitze führend, sind im Normalfall weniger relevant und bis zur Erfüllung der Grundbedürfnisse diesen untergeordnet. Zu dieser untersten Ebene zählen die elementarsten Bedürfnisse des Menschen wie Nahrung oder Schlaf, und äußern sich daher durch körperliche Mangelerscheinungen.22
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Maslowsche Bedürfnispyramide23
Auf der nächsten Ebene befinden sich die Sicherheitsbedürfnisse mit dem Wunsch des Menschen nach Sicherheit, Ordnung und Schutz vor Schmerz und Angst. Nachdem diese Bedürfnisse befriedigt wurden, treten soziale Bedürfnisse mit dem Verlangen nach Freundschaft und Liebe auf, woraufhin das Bedürfnis nach Wertschätzung in der Hierarchie von Maslow folgt.24 Diese Bedürfnisstufe ist in der Literatur auch unter ‚Ich-Bedürfnis‘ bekannt25, der Mensch sehnt sich hier nach Anerkennung, Prestige und Erfolg. Die letzte Ebene der Bedürfnispyramide beschreibt die Selbstverwirklichung. Mit Erreichen dieser Stufe können potenzielle Fähigkeiten des Menschen entfaltet werden, das Streben nach Selbstentfaltung und Selbstfindung ist in diesem Falle das wichtigste Motiv zu motiviertem Handeln.26
Die einzelnen Stufen dieses Modells bauen aufeinander auf. Folglich sind bei der fünften Ebene im Normalfall bereits alle Bedürfnisse weitgehend befriedigt, da sie hinsichtlich der Relevanz der Bedürfnisbefriedigung weiter unten in der Rangliste stehen.27 Zusätzlich zu dieser Einteilung der Motive in einzelne Stufen kreierte Maslow eine weitere Dimension der Unterscheidung: Er ordnete die fünf Motivebenen den Defizitbedürfnissen und den Wachstumsbedürfnissen zu. Defizitbedürfnisse beschreiben einen zugrundeliegenden Mangel, woraufhin ein Bedürfnis entsteht. Dies trifft bei den Motivebenen 1 bis 4 zu, also von den physiologischen Grundbedürfnissen bis zu dem Bedürfnis nach Wertschätzung. Selbstverwirklichung hingegen wird als Wachstumsbedürfnis definiert. Bei dieser Art von Motiven liegt kein Mangel zugrunde, weshalb sie kaum befriedigt werden können.28
3.1.2 Herzbergs Zwei-Faktoren-Theorie
Neben Maslow beschäftigte sich Frederick Herzberg mit möglichen Motivationstheorien. Zusammen mit Mausner und Snyderman führte er 1959 eine Studie zu Arbeitsleistung und -zufriedenheit durch.29 Aus der Studie ergab sich die Zwei-Faktoren-Theorie, die bis heute sehr bekannt und von Bedeutung für eine gelungene Personalführung ist. Diese Theorie beschreibt die zwei Kategorieklassen Hygienefaktoren und Motivatoren, welche sowohl Unzufriedenheit als auch Zufriedenheit positiv und negativ beeinflussen können.30
Hygienefaktoren stehen in Zusammenhang mit der Unzufriedenheit am Arbeitsplatz. Sie können Unzufriedenheit hervorrufen oder vermeiden und abbauen und beziehen sich dabei auf das Arbeitsumfeld des Mitarbeiters. Extrinsische Arbeitsmotive, wie zum Beispiel Vergütung, zwischenmenschliche Beziehungen, Arbeitsbedingungen und Personalführung, tragen bei guter Ausprägung zu einer Verminderung der Unzufriedenheit bei.31 Keine Unzufriedenheit bedeutet allerdings nicht, dass die Mitarbeiter durch Hygienefaktoren Zufriedenheit erfahren. Rosenstiel bestärkte diese Feststellung durch folgende Aussage mit Bezug auf die Einstellung der Angestellten: „Hygienefaktoren sind gewissermaßen Selbstverständlichkeiten.“32 Diese Kategorieklasse der Zwei-Faktoren-Theorie kann lediglich Demotivation verhindern und Motivatoren somit in ihrer Wirkung der Motivationsförderung unterstützen.33
Im Gegensatz dazu beziehen sich Motivatoren auf intrinsische Arbeitsmotive und geben im besten Falle eine Chance zur Bedürfnisbefriedigung der persönlichen Selbstverwirklichung.34 Neben der Selbstverwirklichung definierte Herzberg unter dieser Kategorieklasse Faktoren wie Arbeitsinhalt, Leistungserfolg, Anerkennung und Verantwortung. Mit einer optimalen Ausführung der Motivatoren kann die Zufriedenheit der Mitarbeiter gefördert werden.35 Laut Rosenstiel gelten Motivatoren als besonders leistungssteigernd.36 Um aber das volle Motivationspotenzial ausschöpfen zu können, benötigt es neben Motivatoren auch eine Optimierung des Arbeitsumfelds und somit der Hygienefaktoren. Das Umfeld könnte sonst die intrinsische Motivation der Angestellten ersticken.37
Laut Becker ist diese einseitige Einteilung in Hygienefaktor oder Motivator nicht haltbar, da in den meisten Fällen Faktoren mit unterschiedlicher Ausprägung sowohl motivieren als auch demotivieren können. So kann beispielsweise der Arbeitsinhalt eines Mitarbeiters sehr demotivierend wirken, wenn die darin beinhalteten Ziele nicht in Einklang mit den persönlichen Zielen des Arbeitnehmers stehen und dieser in der Arbeit sogar gegen seine Prinzipien handeln muss. Andererseits kann Führung, was von Herzberg als Hygienefaktor eingeteilt wurde, in der richtigen Umsetzung sehr wohl auch motivierend wirken.38 So oder so haben „Herzberg, Mausner und Snyderman […] den Blick für die äußeren Einflüsse auf Mitarbeitermotivation geöffnet“39 und damit einen wichtigen Beitrag zur Motivationsforschung geleistet.
3.1.3 Leistungs-Motivationstheorie nach McClelland
Innerhalb der Leistungs-Motivationstheorie aus dem Jahr 1961 rückt der Motivationspsychologe David McClelland vor allem drei Motive in den Fokus der Motivation des Menschen: Zugehörigkeit, Macht und Leistung. Rosenstiel betont dabei, dass Unterschiede in der Motivationsprägung beachtet werden müssen, weil dies das Handeln einer Person grundlegend beeinträchtigt.40 So ist „Bei den drei soeben genannten Motiven […] danach zu unterscheiden, ob sie durch Hoffnung oder durch Furcht geprägt sind.“41
Bei dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit ist die Pflege zwischenmenschlicher und sozialer Beziehungen essenziell. Menschen mit starkem Anschlussmotiv wollen Teil einer Gruppe sein, zu anderen Individuen Kontakt haben und von diesen akzeptiert werden. Rosenstiel erwähnt hier eine Unterscheidung „[…] zwischen Hoffnung auf Kontakt und Furcht vor Zurückweisung […]“.42 Menschen mit dem Bedürfnis nach Macht wollen Einfluss und Kontrolle über Situationen und andere Personen haben. Zu diesem Zweck wird ein starker Fokus auf Konkurrenz und Wettbewerb gelegt, um eine möglichst hohe hierarchische Position einnehmen zu können. Dieses Motiv wird geprägt durch „[…] Hoffnung auf Einfluss und Furcht vor Kontrollverlust […]“
Im Falle des Leistungsmotivs stellen eine Erreichung relevanter Ziele und eine bestmögliche Aufgabenerfüllung die größten Anreize dar. So „[…] streben Personen mit hoch ausgeprägtem Leistungsmotiv von sich aus nach fortlaufenden Verbesserungen ihrer Leistungen und nach der Erfüllung hoher, selbst gesetzter Leistungsstandards.“43 Menschen, welche mehr von Hoffnung geprägt sind, setzen ihre Ziele eher höher an, um ein Erfolgserlebnis über ihre Leistung haben zu können. Demgegenüber stehen Menschen, die mehr von der Angst eines Misserfolges geprägt sind und daher ihr Ziel lieber etwas niedriger ansetzen, um den befürchteten Misserfolg vermeiden zu können.44
3.2 Leistungsbezogene Anreizsysteme
„Unter einem Anreiz kann jede Form der Auszahlung verstanden werden, die eine Organisation an ihre Mitglieder weitergibt, um deren Leistungsbeiträge zu sichern“45 und zu fördern. Eine Kombination dieser Anreize kann als Anreizsystem verstanden werden und wird von Führungskräften als Mittel zur Mitarbeitermotivation und Leistungsförderung eingesetzt. Durch die Vielzahl möglicher Anreize gibt es eine breite Palette an Anreizsystemen, aus denen Führungskräfte wählen können und individuell auf ihre Mitarbeiter angepasst anwenden sollten. Um einen Einblick in mögliche Gestaltungsformen leistungsbezogener Anreize geben zu können, sollen diese im Folgenden nach zwei grundlegenden Kategorien differenziert werden und für das vorliegende Thema eine Arbeitsdefinition entworfen werden. Zum einen materiell oder immateriell, zum anderen intrinsisch oder extrinsisch.
3.2.1 Materielle und immaterielle Anreize
In der Differenzierung der Mittel zur Aktivierung von Mitarbeitermotivation zwischen materiellen und immateriellen Anreizen wird sich auf das Anreizobjekt bezogen.46
Denkt man an materielle Anreize zur Leistungsmotivation, fällt der erste Gedanke auf den monetären Aspekt der Vergütung. Darunter „[…] fallen die direkte Entlohnung, die Erfolgsbeteiligung und die betrieblichen Sozialleistungen.“47 Bei der Motivation von Mitarbeitern spielt das Gehalt eine zentrale Rolle, da es eine Sicherung der Existenzgrundlage jeden Mitarbeiters einschließlich seiner Familie ermöglicht. Nach dem Maslowschen Modell können damit Grundbedürfnisse und Sicherheitsbedürfnisse befriedigt werden. Zusätzlich wurde Geld im Laufe der Zeit zu einem Merkmal für Wohlstand und Selbstverwirklichung, was in der heutigen Gesellschaft eng mit Macht und Anerkennung einer Person einhergeht.48 49 Monetären Anreizmitteln sind allerdings Grenzen gesetzt. Nach Herzberg ist die monatliche finanzielle Vergütung eher ein Hygienefaktor. Durch den Gewöhnungseffekt des Menschen kann eine Lohnerhöhung zwar durchaus den Anreiz zu einer kurzfristigen Motivation geben, ansonsten ist Geld als langfristiger Motivator eher ungeeignet.50 Laut Sass hat die Entlohnung „[…] eher eine Wirkung hinsichtlich der Wertschätzung und Würdigung von Qualifikation und Position“51 und fungiert als „[…] konkreter Bewertungsmaßstab für die Arbeitsleistung […]“52. Ein Angestellter sollte demnach gemäß seiner Position und der damit erforderlichen Leistung angemessen vergütet werden. Unter den materiellen Anreizen darf der nicht-monetäre Aspekte nicht vergessen werden. Darunter sind Firmenwagen, Dienstwohnung, Smartphones oder Laptops zu verstehen.53 Diese Anreizinstrumente sind vor allem für Angestellte mit einem hohen Bewusstsein für Status und Prestige wichtig; so wird der Firmenwagen als Statussymbol meist sogar einem höheren Lohn vorgezogen.54 Durch den finanziellen Wert zählen nicht-monetäre Anreize zwar zur Vergütung im weiteren Sinne, sie erhöhen dabei aber nicht das Gehalt der Arbeitnehmer.
Zur Mitarbeitermotivation sollte als Leistungsmotivator allerdings mehr als nur finanzielle, materielle Anreize angewandt werden. In Zeiten, in denen eine ausgeglichene Work-Life-Balance und individuelle Werte der Arbeitnehmer immer wichtiger werden, nimmt auch die Bedeutung immaterieller Anreize zu, welche zusätzlich zu einer angemessenen Vergütung vom Arbeitgeber angeboten werden sollten. „ Die immaterielle Motivation beruht überwiegend auf vertrauensbildenden Maßnahmen, welche nicht nur dem jeweiligen Mitarbeiter zu Gute kommen, sondern zudem auch festgelegte Organisationsstrukturen, sowie das Vertrauen in diese Strukturen stärken.“ 55 Beispiele für diese Art der Anreize sind flexible Arbeitszeiten, eine Mitbestimmung der Mitarbeiter mit einem dementsprechend angepassten Führungsstil, sowie Fortbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten. 56 So wird in der Personalakquise moderner Unternehmen mittlerweile viel mit flachen Hierarchien geworben, um Mitarbeiter zu gewinnen, die Wert auf einen partizipativen Führungsstil mit größeren Entscheidungsfreiheiten der Angestellten beinhaltet.
3.2.2 Intrinsische und extrinsische Anreize
Bei der Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation wird sich auf Anreizquellen bezogen57, es ist also festzustellen, ob das Verhalten einer Person von inneren oder äußeren Anreizen aktiviert wird.
Extrinsische Motivation wird durch Anreize von außen aktiviert und „[…] stammt aus der Wirkung von Ergebnissen außerhalb des Verhaltens selbst oder der Erwartung dieser Wirkung.“58 Diese Anreize von außen erzeugen durch den sogenannten ‚Pull-Effekt‘ eine wichtige Starthilfe zur Motivation. Der Mitarbeiter wird dabei mithilfe von extrinsischen Anreizen auf dem Weg zum Ziel durch das Verhalten hindurchgezogen.59
Dieser Weg zum Ziel, also das Handeln an sich, befriedigt bei der intrinsischen Motivation.60 Im besten Fall ist der Mitarbeiter von innen heraus motiviert, hat Freude an der Tätigkeit selbst und unterstützt das Unternehmen mit seinem Verhalten aus eigenem Antrieb heraus. Diese intrinsische Motivation kann aktiviert oder gesteigert werden, indem das Motivationspotenzial der auszuführenden Arbeit erhöht wird.61 Wenn also die Arbeit des Mitarbeiters einen sinnstiftenden Charakter hat oder sich das Unternehmensziel mit den persönlichen Wertvorstellungen deckt, ist der Angestellte eher motiviert, von sich aus im Interesse des Unternehmens zu handeln.62 63
Mancher Mitarbeiter ist beispielsweise mit dem Erreichen seines Ziels bereits in seiner Leistungsmotivation befriedigt, andere suchen sich daraufhin jedoch ein weiterführendes Ziel und streben dieses an. Diese Beobachtung unterschiedlicher Verhaltensweisen könnte mit den jeweiligen Anreizquellen der Mitarbeiter zusammenhängen. Ist ein Angestellter intrinsisch motiviert, also aus purem Eigenantrieb heraus, so wird er auch nach dem Erreichen des ersten Leistungsziels eher zu weiterer Leistung motiviert sein, ohne zusätzlich auf externe Anreize zu warten.64
3.3 Kultur
Kultur ist ein sehr weiter Begriff, er wird in mehreren Wissenschaften, aber auch im alltäglichen Sprachgebrauch verwendet. Demnach gibt es eine Vielzahl an Verwendungen und Definitionen des Begriffs Kultur. Im weitesten Sinne ist Kultur etwas 'vom Menschen Gemachtes', was sich schon am Ursprung des Wortes herleiten lässt: Kultur stammt aus dem Lateinischen mit dem Wort ‚cultura‘, was so viel wie Anbau, Pflege und Veredelung heißt, das Verb ‚colere‘ bedeutet pflegen.65 Der ursprüngliche Begriff bezieht sich vor allem auf die Landwirtschaft, heute ist der Kulturbegriff „[…] zum Modell für andere mentale und soziale Formen der Kultivierung einer Gesellschaft geworden“.66 Innerhalb dieser Bachelorarbeit ist es am geeignetsten, Kultur aus Sicht der Anthropologie zu betrachten und im Sinne eines geschlossenen Kulturbegriffs eine landesspezifische Kultur einzelnen Nationen zuzuordnen.67
Geert Hofstede, einer der bekanntesten Kulturwissenschaftlern, definierte Kultur als: „the collective programming of the mind that distinguishes the members of one group or category of people from another”68
In der Forschung zu kulturellen Unterschieden wurden Kulturdimensionen entwickelt, die es ermöglichten, einen Vergleich zwischen Landeskulturen zu ziehen. Da Kulturdimensionen für diese Arbeit äußerst relevant sind und für den Vergleich von China und Deutschland angewendet werden, sollen diese nun ausführlicher erläutert werden.
3.3.1 Kulturdimensionen nach Hofstede
Der Niederländer Geert Hofstede ist einer der bekanntesten Vertreter der Kulturwissenschaften. Seine Studie zu Wertvorstellungen von Arbeitnehmern im Rahmen des internationalen Unternehmens IBM ist bis heute eine der umfangreichsten und aufwändigsten Untersuchungen in der kulturvergleichenden Wissenschaft. Die Studie wurde im Zeitraum von 1967 bis 1973 durchgeführt und umfasste dabei zunächst 53 Länder mit insgesamt 116.000 Mitarbeitern, der Fragebogen wurde dazu in 20 Sprachen übersetzt.69 70 Auf Basis von Hofstedes Auswertung der Ergebnisse konnten dabei vier Kulturdimensionen abgeleitet werden. Der Umfang der Studie wurde mit der dritten Auflage des Buchs ‚Cultures and Organizations: Software of the Mind‘ 2010 auf 76 Länder ausgeweitet. In Zusammenarbeit mit Hofstedes Sohn Gert Jan Hofstede und mit Michael Minkov konnte hier eine weitere essenzielle Dimension definiert werden: Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung.71
Die erste Kulturdimension, die hier beschrieben werden soll, heißt Machtdistanz. Sie sagt aus, in welchem Ausmaß ungleiche Machtverhältnisse in der Gesellschaft akzeptiert werden. Eine hohe Machtdistanz beschreibt, dass große Machtgefälle akzeptiert und auch erwartet werden.72 Diese Akzeptanz bringt steile Hierarchien mit sich, bei der die Teilhabe der Mitarbeiter an Entscheidungen eher gering ist. Prinzipien wie Zurückhaltung, Gehorsam und hierarchisches Denken werden schon in der Erziehung vermittelt.73 Im beruflichen Kontext ist die Beziehung zum Vorgesetzten stark emotional geprägt. Eine gute Führungskraft wird laut Hofstede als "[…] wohlwollender Autokrat oder ‚guter Vater‘"74 angesehen. Ihr wird dementsprechend große Achtung und Respekt entgegengebracht.75 Das gegenüberstehende Extrem dieser Kulturdimension ist eine niedrige Machtdistanz: Machtgefälle werden hier eher als problematisch angesehen und bekämpft. Die Partizipation bei Entscheidungsfindungsprozessen nimmt zu, je niedriger die Machtdistanz ist. Dabei sind Organisationsstrukturen mit flachen Hierarchien sinnvoll und auch erforderlich.76
In der Kulturdimension Individualismus vs. Kollektivismus wird betrachtet, inwieweit die Interessen eines Individuums den Interessen der Gruppe unter- beziehungsweise übergeordnet sind. Unter diesem Aspekt der Kulturforschung wird die Frage gestellt, ob sich eine Person primär mit 'Ich' oder 'Wir' definiert.77 In einer kollektivistisch geprägten Kultur werden die Interessen der Gruppe verfolgt, wobei persönliche Interessen im Einklang mit denen des sozialen Gefüges stehen oder untergeordnet werden sollten.78 In einem Arbeitsverhältnis wird nicht ein autonomes Individuum angestellt, "[…] sondern eine Person, die einer Wir-Gruppe angehört"79, welche sich nach den Interessen dieser Gruppe verhält. Die Bindung zu einer sozialen Bezugsgruppe ist sehr stark, Treue und Fürsorge innerhalb dieser Gruppe werden erwartet.80 Im Individualismus hingegen werden persönliche Ziele unabhängig von einer Bezugsgruppe verfolgt, jeder handelt nach seinen eigenen Interessen mit dem Ziel der Selbstverwirklichung.81 Laut Hofstede sollte die Arbeit in einer individualistischen Kultur „[…] so organisiert sein, dass dieses Eigeninteresse und das Interesse des Arbeitgebers in Einklang miteinander stehen"82, da dies nicht wie im Kollektivismus zusammenfällt.
Eine weitere Dimension Hofstedes ist die Unsicherheitsvermeidung. Unter diesem Aspekt soll beschrieben werden, wie sehr eine Gesellschaft das Bedürfnis oder den Drang hat, Unsicherheit zu vermeiden, wie also mit unbekannten und unstrukturierten Situationen umgegangen wird.83 Demzufolge soll bei einer starken Ausprägung Unsicherheit mit allen Mitteln vermieden oder kontrolliert werden. Dies gelingt mit einer starken Regelorientierung, welche mit Ordnung, Vorschriften und Strukturen einhergeht. Mithilfe von Prognosen und Analysen soll außerdem das Ungewisse der Zukunft entschärft und planbarer gemacht werden. Bei einer schwachen Unsicherheitsvermeidung herrscht in der Gesellschaft eine gewisse Gelassenheit gegenüber unbekannten Situationen. In dieser Ausprägung haben Regeln eine geringere Verbindlichkeit und geben mehr einen Rahmen, als wie in starker Unsicherheitsvermeidung strikte Einhaltung zu fordern.84
In der vierten seiner ursprünglich definierten Kulturdimensionen differenziert Hofstede Kulturen nach geschlechtsspezifischen Eigenschaften und Verhaltensweisen, Maskulinität steht Femininität gegenüber. Primär soll „[…] die Einstellung zu Leistung, Wettbewerb und Kooperation"85 in einer Gesellschaft gezeigt werden. Typisch männliche Attribute wie Durchsetzungsvermögen, Dominanz und materialistisches Streben vermitteln ein eher konkurrenzbetontes, leistungsorientiertes Bild einer Gesellschaft. Gefühle werden untergeordnet und Geschlechterrollen strikt getrennt. Der weibliche Charakter hingegen wird assoziiert mit Wesensmerkmalen wie Fürsorglichkeit, Warmherzigkeit und Bescheidenheit, folglich sind feminine Kulturen eher „[…] beziehungs- und kooperationsorientiert“86. Hier ist die Rollenverteilung nicht strikt getrennt, daher wird akzeptiert, dass Männer wie Frauen alle geschlechtsspezifischen Verhaltensmuster und Aufgaben gleichwertig ausführen können.87
Im Jahr 1985 wurde in 23 Ländern der ‚Chinese Value Survey‘ durchgeführt, eine von Michael Harris Bond entwickelte Studie, bei der Unterschiede zwischen östlichen und westlichen Kulturen deutlich wurden. Infolgedessen ist den daran beteiligten Wissenschaftlern eine fünfte Dimension aufgefallen: Langzeit- vs. Kurzzeitorientierung. Diese Kulturdimension basiert laut Hofstede auf den Lehren des Konfuzius, weshalb östliche Kulturen die höchsten und westliche Kulturen die niedrigsten Werte der Langzeitorientierung aufweisen.88 In der Ausprägung einer hohen Langzeitorientierung fokussiert sich die Bevölkerung auf langfristig zu erreichende Ziele mit Werten wie Ausdauer, Sparsamkeit und Schamgefühl. Im Gegensatz dazu sind in kurzzeitorientierten Kulturen schnell sichtbare Erfolge oder eine sofortige Bedürfnisbefriedigung ausschlaggebende Erwartungen, außerdem sollen aber Traditionen respektiert und soziale Pflichten erfüllt werden.89 Hofstede konnte eine starke Korrelation zwischen den Werten der Langzeitorientierung und einem Wirtschaftswachstum ab den 1960er Jahren feststellen. „Long-term orientation is thus identified as a major explanation of the explosive growth of the East Asian economies in the latter part of the 20th century […]”90
3.3.2 Kulturdimensionen nach Hall
Der Wissenschaftler Edward T. Hall formulierte drei Dimensionen, nach denen sich Menschen mit ihrem Verhalten richten: Raum, Zeit und Kommunikation. Die Dimension Raum beschreibt dabei die körperliche Distanz, die zwei Personen mit unterschiedlichem Verhältnis zueinander benötigen. Dieser Raum variiert stark nach der vorhandenen Vertrautheit, also ob sich zwei enge Freunde oder lediglich Kollegen gegenüberstehen.
Bei der Dimension Zeit kann man zwischen monochronem und polychronem Zeitverständnis unterscheiden. In monochronen Gesellschaften wird die Zeit als linear angesehen, Handlungen sind dabei aufeinanderfolgend. Ohne eine strikte Planung und Organisation kann diese Orientierung nicht funktionieren. In Kulturen mit polychronem Zeitverständnis können einzelne Handlungen einander überlappen, unterbrechen oder gleichzeitig stattfinden, eine gewisse Flexibilität ist hier gefragt.91
In der Dimension Kommunikation geht es um Kontext, dem ‚Zwischen den Zeilen lesen‘ eines Gesprächs. Low-Context bedeutet Direktheit in der Informationsvermittlung. Bei dieser Ausprägung gibt es wenig Spielraum für Interpretationen, was bedeutet, dass auch vom Gegenüber weniger erwartet wird.92 Hofstede konnte diese Kulturdimension Halls in Zusammenhang mit einer seiner eigenen Dimensionen bringen. So überschneidet sich Low-Context mit Individualismus, was vor allem in modernen Kulturen zu finden ist, wohingegen High-Context mit dem in traditionellen Kulturen beobachteten Kollektivismus zusammenhängt.93 Die Ausprägung High-Context bringt eine indirekte Kommunikation mit sich. Metaphern und Andeutungen sind im normalen Sprachgebrauch verankert und fordern den Gesprächspartner zu eigenen Interpretationen auf.94 In dem Buch ‚Beyond Cultures‘ bringt Hall eine schöne Zusammenfassung dieser Orientierung an: „You are supposed to know, and they get quite upset when you don’t.”95 Dies drückt aus, dass in High-Context Kulturen bei einem Gespräch eine Erwartungshaltung an das Gegenüber besteht.96
3.3.3 Kulturdimensionen der GLOBE-Studie
Im Jahr 1994 wurde in den USA von Robert J. House die GLOBE-Studie ins Leben gerufen. GLOBE steht für 'Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness' und hat primär zum Ziel, an globalen Führungsfragen zu forschen. Die Studie wurde in drei Phasen eingeteilt, welche sich über die Zeitspanne von 1994 bis 2008 erstrecken. In der ersten Phase wurden von dem internationalen Team an Wissenschaftlern Befragungsinstrumente und Skalen entwickelt, um Praktiken (Ist) und Werte (Soll) im interkulturellen Kontext messen zu können.97 Außerdem konnten neun GLOBE-Dimensionen so definiert werden, dass es möglich werden sollte, "[...] kulturübergreifend möglichst bedeutungsgleiche Aussagen über Attribute der Kultur und der Führung zu ermitteln [...]"98. Die in Phase 1 entwickelten Messskalen wurden anschließend in der zweiten GLOBE-Phase (von 1994 bis 1997) in 59 Nationen eingesetzt. Infolgedessen konnten die teilnehmenden Nationen zehn GLOBE-Kulturclustern zugeteilt und einzelne Landeskulturen mit ihren Merkmalen ausführlich beschrieben werden.99 Abbildung 3 zeigt die in der GLOBE-Studie formulierten Kulturdimensionen, mit Differenzierung nach Praktiken (As Is) und Werte (Should Be), auf. Grundlegend basieren die Dimensionen auf bereits vorhandenen Studien wie jene von Hofstede, allerdings wurden sie innerhalb der GLOBE-Studie weiterentwickelt. So wurde beispielsweise Hofstedes Kulturdimension ‚Maskulinität vs. Femininität‘ empirisch nach Bestimmtheit und Gleichberechtigung differenziert. Die Dimension Leistungsorientierung basiert hingegen auf der Motivationstheorie McClellands.100
[...]
1 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
2 Thomae (1976).
3 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 5.
4 Vgl. Becker (2019), S. 19.
5 Ebenda, S. 20.
6 Becker (2019), S. 62.
7 Vgl. Ma (2007), S. 19.
8 Vgl. Becker (2019), S. 32.
9 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 6 & S. 16.
10 Vgl. Prändl (11.10.2017).
11 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 30ff.
12 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 31.
13 Ebenda, S. 30.
14 Vgl. Becker (2019), S. 20.
15 Werte Akademie & Lexikon (25.02.2020).
16 Vgl. Becker (2019), S. 1ff.
17 Vgl. Erlei / Schmidt-Mohr (19.2.2018).
18 Vgl. Becker (2019), S. 2f.
19 Vgl. Maier (14.2.2018).
20 Vgl. Wiedmann (2006), S. 21.
21 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 68.
22 Vgl. Wiedmann (2006), S. 23f.
23 lpb Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, S. 2.
24 Vgl. Wiedmann (2006), S. 24.
25 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 69.
26 Vgl. Wiedmann (2006), S. 24.
27 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 69.
28 Vgl. lpb Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, S. 2.
29 Vgl. Wiedmann (2006), S. 26.
30 Vgl. Becker (2019), S. 57f.
31 Vgl. Wiedmann (2006), S. 27f.
32 Rosenstiel (2015), S. 78.
33 Vgl. Becker (2019), S. 60.
34 Vgl. Bonazzi (2014), S. 96.
35 Vgl. Wiedmann (2006), S. 28.
36 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 78.
37 Vgl. Becker (2019), S. 60f.
38 Vgl. ebenda, S. 62f.
39 Ebenda, S. 61.
40 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 147f.
41 Rosenstiel (2015), S. 148.
42 Ebenda, S. 148.
43 Brodbeck (2016), S. 93.
44 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 148.
45 Ridder (2005), S. 270.
46 Vgl. Nissen / Bartscher (14.2.2018).
47 Ma (2007), S. 27.
48 Vgl. Niermeyer / Seyffert (2009), S. 92.
49 Vgl. Sass (2019), S. 32.
50 Vgl. ebenda, S. 35.
51 Ebenda, S. 35.
52 Ebenda, S. 32.
53 Vgl. Becker (2019), S. 132.
54 Vgl. Matthes (3.9.2004).
55 Vgl. personal-wissen.net (22.4.2014).
56 Vgl. Ma (2007), S. 27.
57 Vgl. Nissen / Bartscher (14.2.2018).
58 Becker (2019), S. 141.
59 Vgl. ebenda, S. 143.
60 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 12.
61 Vgl. Maier (16.3.2020).
62 Vgl. Häfner / Pinneker / Hartmann-Pinneker (2019), S. 121.
63 Vgl. Becker (2019), S. 141.
64 Vgl. Rosenstiel (2015), S. 17.
65 Vgl. Nünning (23.7.2009).
66 Ebenda.
67 Vgl. College Contact (28.03.2020).
68 Hofstede (2008), S. 9.
69 Vgl. Brodbeck (2016), S. 51.
70 Vgl. Layes (2005), S. 61.
71 Vgl. Hofstede / Hofstede / Minkov (2010).
72 Vgl. Layes (2005), S. 61.
73 Vgl. Ma (2007), S. 95.
74 Hofstede / Hofstede (2011), S. 71.
75 Vgl. ebenda, S. 71f.
76 Vgl. Brodbeck (2016), S. 61.
77 Vgl. IKUD Seminare (1.6.2017).
78 Vgl. Layes (2005), S. 62.
79 Hofstede / Hofstede (2011), S. 129.
80 Vgl. IKUD Seminare (1.6.2017).
81 Vgl. Layes (2005), S. 62.
82 Hofstede / Hofstede (2011), S. 128f.
83 Vgl. Ma (2007), S. 102.
84 Vgl. Layes (2005), S. 62.
85 Ma (2007), S. 104.
86 IKUD Seminare (1.6.2017).
87 Vgl. Layes (2005), S. 62.
88 Vgl. Hofstede (2008), S. 351.
89 Vgl. ebenda, S. 360f.
90 Ebenda, S. 351.
91 Vgl. Layes (2005), S. 63.
92 Vgl. ebenda, S. 64.
93 Vgl. Hofstede (2008), S. 30.
94 Vgl. Layes (2005), S. 64.
95 Hall (1990), S. 112.
96 Vgl. ebenda, S. 112f.
97 Vgl. Brodbeck (2016), S. 56 & S. 63ff.
98 Brodbeck (2016), S. 64.
99 Vgl. ebenda, S. 64f.
100 Vgl. ebenda, S. 71f.
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- Anonym,, 2020, Mitarbeitermotivation im kulturellen Vergleich. Deutschland und China, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/936735
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