Eine Erziehung, die auf Strafen wie Prügel und Isolation setzt? Heutzutage sind diese Erziehungsmethoden in Deutschland nicht mehr vorstellbar. Auch aufgrund des Gesetzes zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung, welches im Jahr 2000 erlassen wurde und besagt, dass Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben und physische Bestrafungen, sowie jegliche seelischen Verletzungen und andere menschenunwürdigen Maßnahmen unzulässig sind (vgl. §1631 Absatz 2 BGB).
Nachfolgend werden die menschenunwürdigen Erziehungsmethoden in den Heimen in den 1960er und 1970er Jahren erläutert und damit verbunden werden unterschiedliche Arten von Heimen aufgezeigt, die vor allem auf die Trennung der Geschlechter abzielten. Darauffolgend wird die Heimkampagne als eine wichtige Wende für die Heimerziehung beschrieben. Es wird erläutert, wie verschiedenen Protagonisten eine große Veränderung der damaligen Heimerziehung bewirkt haben. In einem abschließenden Fazit wird die Bedeutung des Themas Heimerziehung und Heimkampagne in den 1960er und 1970er Jahren für die Soziale Arbeit erläutert. Dies geschieht anhand einer kurzen Beschreibung des enormen Entwicklungsfortschrittes im sozialen Sektor vom Jahr 1970 bis heute.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Heimerziehung in den 1960er und 1970er Jahren
3. Heimkampagne in den 1970er Jahren
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Eine Erziehung, die auf Strafen wie Prügel und Isolation setzt? Heutzutage sind diese Erziehungsmethoden in Deutschland nicht mehr vorstellbar. Auch aufgrund des Gesetzes zur Ächtung von Gewalt in der Erziehung, welches im Jahr 2000 erlassen wurde und besagt, dass Kinder ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung haben und physische Bestrafungen, sowie jegliche seelischen Verletzungen und andere menschenunwürdigen Maßnahmen unzulässig sind (vgl. §1631 Absatz 2 BGB).
Nachfolgend werden die menschenunwürdigen Erziehungsmethoden in den Heimen in den 1960er und 1970er Jahren erläutert und damit verbunden werden unterschiedliche Arten von Heimen aufgezeigt, die vor allem auf die Trennung der Geschlechter abzielten. Darauffolgend wird die Heimkampagne als eine wichtige Wende für die Heimerziehung beschrieben. Es wird erläutert, wie verschiedenen Protagonisten eine große Veränderung der damaligen Heimerziehung bewirkt haben. In einem abschließenden Fazit wird die Bedeutung des Themas Heimerziehung und Heimkampagne in den 1960er und 1970er Jahren für die Soziale Arbeit erläutert. Dies geschieht anhand einer kurzen Beschreibung des enormen Entwicklungsfortschrittes im sozialen Sektor vom Jahr 1970 bis heute.
2. Heimerziehung in den 1960er und 1970er Jahren
Die aus der Armenfürsorge entstandene Heimerziehung in den 60er und 70er Jahren ist geprägt von Demütigung. Viele tausende Jungen und Mädchen landeten in den 60er und 70er Jahren in westdeutschen Fürsorgeheimen. Dort wurde die Erziehung nicht professionell ausgeübt, da die Erzieher keine passende pädagogische Ausbildung hatten (vgl. Kindler A. 2013).
In den Heimen untergebracht wurden Kinder mit Verhaltensstörungen und politischideologischem Fehverhalten. Aber auch Minderjährige (damals jünger als 21 Jahre) die sich nicht normgerecht verhielten (zum Beispiel Schule schwänzen, zu kurze Röcke tragen), mussten in ein Heim. Die Einweisung in ein Heim geschah entweder freiwillig oder unfreiwillig. Die freiwillige Erziehungshilfe beschreibt hierbei den Zustand, bei dem Eltern sich aufgrund unterschiedlicher Probleme wegen ihres Kindes an das Jugendamt gewandt haben. Gegenteilig hierzu beschreibt die unfreiwillige Erziehungshilfe die Situation, bei der das Jugendamt gezielt zu den Familien nach Hause gekommen ist, um gegebenenfalls eventuelles Fehlverhalten der Kinder zu identifizieren. Unter die unfreiwillige Erziehungshilfe zählte des Weiteren auch die angeordnete Fürsorgeerziehung. Diese fand Anwendung bei straffälligen Jugendlichen und wurde vom Gericht angeordnet (vgl. Bojanowski M. 2017).
Der damals häufig verwendete Satz „wenn du nicht brav bist, kommst du ins Heim“ stellte für die Kinder und Jugendlichen eine reale Bedrohung dar, auch weil viele der damaligen Fürsorgeanstalten Gefängnissen ähnelten. Jedoch gab es im Unterschied zu den Gefängnissen kein festes Entlassdatum. Aus dem Heim wurden die Kinder und Jugendlichen nur entlassen, wenn sie sich nach Einschätzung der Erzieher gebessert hatten (vgl. ebd.). Die Kinder erlebten in den Heimen Isolation und Erniedrigung in Form von Misshandlungen wie Prügel und sexuellen Übergriffen. Diese Gewalt wurde von Erziehern ausgeübt und war in vielen Heimen an der Tagesordnung. Die „schwarze Pädagogik“ die zu diesen Zeiten durch die Erzieher praktiziert wurde, war geprägt durch Schläge statt Zuwendung, Disziplinierung, Zwang, Zucht und Ordnung. Durch das System in den Fürsorgeanstalten wurden Freundschaften unter den Jugendlichen verhindert und aufgrund von Kollektivstrafen wurde Gewalt unter den Heimkindern forciert. In vielen Heimen mussten die Kinder beziehungsweise Jugendlichen hart arbeiten, wobei diese Arbeit oft unter schlimmen Bedingungen stattfand. Dieser Zustand glich, auch aufgrund der Tatsache, dass es für die harte Arbeit keine oder nur wenig Entlohnung gab, einer radikalen Ausbeutung. Die Möglichkeit auf schulische Bildung oder einer Ausbildung blieb den betroffenen Zöglingen in den Heimen verwehrt (vgl. ebd.).
Insgesamt waren während dieser Zeit circa 800.000 Kinder in Heimen untergebracht gewesen. Die Zöglinge waren in einem System, in dem es kein entfliehen gab. Die menschenunwürdigen Bedingungen in den Heimen wurden vertuscht. Es gab nur sehr sporadische Kontrollen der Heime durch das Jugendamt. Das Jugendamt schaute hierbei weg und damit machte sich der Staat bei den Verbrechen gegen die Zöglinge mitschuldig. Auch das Schweigen der Heimkinder bezüglich der Vorfälle trug zur Vertuschung bei. Wenn es vereinzelte Beschwerden über physische Misshandlungen gab, welche die Heimerzieher ausübten, wurde den Kindern nicht geglaubt. Das Jugendamt und die Heimerzieher waren die einzigen, die man für vertrauenswürdig und glaubhaft hielt. Somit waren die Kinder systematisch einer Entrechtung ausgesetzt, ohne Chance auf Besserung (vgl. Kindler A. 2013). Die damaligen Geschehnisse in den Fürsorgeanstalten hatten immense Auswirkungen auf die Heimkinder, sodass diese davon zum Teil noch bis heute psychisch belastet sind. Jedoch gewannen die Zöglinge durch den Heimaufenthalt oftmals auch an Selbstvertrauen und schafften es dadurch ihr späteres Leben eigenständig in den Griff zu bekommen (vgl. ebd.).
Das Ziel der damaligen Heimerziehung war, die Kinder und Jugendlichen politisch und sozial umzuerziehen, wodurch eine Zwangsanpassung an die Gesellschaft stattfinden sollte. Damit sollte ein künftiges normgerechtes Verhalten der Zöglinge gewährleistet werden. Es gab circa 3000 Heime Anfang der 60er Jahre in Westdeutschland. Ungefähr 80 Prozent gehörten der katholischen und evangelischen Kirche. Ordensbrüder und Schwestern waren an der „umbarmherzigen“ Erziehung der Zöglinge beteiligt. Die Zöglinge galten als wertlos und sollten gegenüber den Erziehern Dankbarkeit zeigen, weil diese sie wieder auf den richtigen Weg brachten- den „Pfad der Tugend“ (vgl. ebd.).
Im Vincenzheim in Dortmund waren die sogenannten „gefallenen Mädchen“ untergebracht. Als gefallene Mädchen wurden Frauen bezeichnet, die damals von den Wertvorstellungen abwichen und somit nicht in die Gesellschaft passten. Zum Beispiel zählten darunter schwangere Frauen, die zugleich unverheiratet waren. Das Heim wurde damals von Nonnen geführt. Dort herrschte eine enorme Unterdrückung, denn die Mädchen durften keine Fragen stellen, durften nichts sagen und keine emotionalen Empfindungen zeigen. Die Mädchen wurden des Weiteren dazu genötigt hart zu arbeiten (vgl. ebd.). Zu den Vorwürfen der damaligen Geschehnisse wurde seitens der Verantwortlichen der evangelischen und katholischen Kirche lange geschwiegen. Erst 40 Jahre später haben sich die Kirchen offiziell entschuldigt und haben mit Bund und Ländern 120 Millionen Euro in einen Hilfsfond eingezahlt. Mit den Zahlungen sollten die geleistete Arbeit und das Leid der damaligen Heimkinder entschädigt werden (vgl. ebd.).
Ende der 60er Jahre lebten im Mädchenheim Fuldatal im hessischen Guxhagen junge Frauen, die zu Hause Gewalt erfahren hatten. Im Heim war die Willkür der Erzieherinnen für die Mädchen nur schwer auszuhalten. Es fand ein Freiheitsentzug in Form von Einsperren der Mädchen an bestimmten Tageszeiten statt. Des Weiteren gab es sogenannte „Besinnungsräume“, diese dienten der Isolierung ungehorsamer Mädchen. Durch die Isolation wollte man die Zöglinge zu anständigen Mitgliedern der Gesellschaft machen. Im Heim Fuldatal gab es, wie in fast allen Heimen zu dieser Zeit, Zwangsarbeit. Hier mussten die Mädchen als billige Arbeitskräfte hart arbeiten und waren gezwungen dort bis zur Volljährigkeit zubleiben (vgl. ebd.).
Im Hessischen Idstein war insbesondere der Kalmenhof für die geschehenen Tragödien bekannt. Das Heim war eine Station für Kinder, die in anderen Einrichtungen Probleme bereiteten. Hier wurden viele Kinder und Jugendliche weggesperrt. Jungen und Mädchen wurden getrennt in unterschiedlichen Heimen untergebracht und jede Form von Kontakt war streng verboten (vgl. ebd.).
Jedoch waren die oben genannten Heime nicht die schlimmsten Fürsorgeanstalten. Als eine Art Endstation galt in dem „Umerziehungssystem“ der geschlossene Jugendwerkhof im sächsischen Torgau. Dort wurden die Kinder und Jugendlichen bis zu sechs Monate eingewiesen, die wiederholt aufgefallen waren und sich den Anweisungen der Erzieher widersetzt hatten. Diese waren zwischen 14 und 18 Jahre alt und galten als schwererziehbar (vgl. ebd.).
Auch die Fürsorgeanstalt in Freistatt galt als eines der gefürchtetsten Heime. Dies war für die Zöglinge die letzte Station vor dem Gefängnis, weshalb die Jugendlichen dort unter extremen Bedingungen leben mussten. Extrem war zum Beispiel die Arbeit im Moor, die die Zöglinge dort unter Gewalt und militärischen Drill verrichten mussten. Des Weiteren waren die Zöglinge in Freistatt eingesperrt und hatten festgelegte Ruhe- und Arbeitszeiten. Auch hier galt extreme Gewalt als primäre Erziehungsmethode (vgl. Bojanowski M. 2017).
3. Heimkampagne in den 1970er Jahren
Ziel der Heimkampagne war es die schlimmen Zustände in den Heimen bekannt zu machen und diese zu überwinden. Der Lehrer Gottfried Sedlaczek vom Marburger Institut für Sonderschulpädagogik trug damals wesentlich zur Heimkampagne bei. Sedlaczek konstatierte, dass die Erziehungsmethoden, die in den Heimen damals herrschten, nicht mehr zeitgemäß seien. Durch Gespräche mit Kindern und Ersatzdienstleistende des hessischen Heimes Kalmenhof erfuhr er, dass die Erzieher die Kinder systematisch misshandelt hatten. Die Veröffentlichung des Wissens von Sedlaczek trug dazu bei, dass der Direktor des Kalmenhof Heimes später entlassen wurde. Eine weitere Untersuchung machte Sedlaczek auch im Mädchenheim Fuldatal. Er interviewte die untergebrachten Mädchen und bekam somit viele Informationen über die dort herrschenden Umstände. Aufgrund von seinen Untersuchungsergebnissen wurde das Mädchenheim Fuldatal ein paar Jahre später geschlossen (vgl. Kindler A. 2013). Sedlaczeks' Informationen waren essenziell für die Heimkampagne, denn durch die Aufzeichnungen von ihm war es der damalige Hörfunk Journalistin Ulrike Meinhof möglich, detailliert über die Zustände im Mädchenheim zu berichtet. Daraufhin fanden viele Demonstrationen statt und die Heime wurden geschlossen beziehungsweise reformiert (vgl. Schölzel- Klamp und Köhler-Saretzki 2010, 57 f.).
Ein weiterer Akteur der Heimkampagne war Peter Wensiersiki. Er war Spiegeljournalist und Autor. Recherchen von Peter Wesierski brachten ebenfalls das Ausmaß der skandalösen Zustände in den Heimen ans Licht. Er sprach mit etlichen Heimkindern und brachte daraufhin ein Buch heraus.
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- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2020, Geschichte und Genderdimension Sozialer Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/936684
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