„Grundlage allen Vertrauens ist die Darstellung des eigenen Selbst als einer sozialen, sich in Interaktionen aufbauenden, mit der Umwelt korrespondierenden Identität“
Das Zitat von Luhmann verdeutlicht, dass die Darstellung des eigenen Selbst, der Identität, die Grundlage allen Vertrauens ist. Die vorliegende Arbeit stützt sich auf die These, dass Luhmanns Zitat auch für Organisationen – im Speziellen für Non-Profit-Organisationen , Gültigkeit besitzt. Es stellt sich somit die Frage, wie NPOs ihre Identität und damit auch das Vertrauen zu ihren Austauschpartnern wahren können, wenngleich sie im härter werdenden Wettkampf um „Ressourcen“ und „Absatz“ vermehrt auf oftmals „identitätsfremde“ Hilfsmittel, wie beispielsweise das des Marketings, zurückgreifen müssen.
Neben dem Einsatz von Marketingelementen in NPOs, fordern Deregulierung, Privatisierung und finanzielle Restriktionen NPOs verstärkt zum Einsatz weiterer Instrumente des (Sozial-)Managements. Diese scheinen viel versprechen des Potential im Kampf um Marktposition, Kundenakquisition und Legitimation zu bieten. Wie erfolgreich sie dieses Potential tatsächlich auch in der NPO-Praxis entfalten können, hängt nach Ansicht des Autors jedoch primär davon ab, ob und inwieweit sie zuvor mit der Organisationsidentität abgeglichen und ggf. dahingehend modifiziert wurden.
Die vorliegende Arbeit hat sich zur Aufgabe gestellt, die möglichen Zusammen¬hänge zwischen der Organisationsidentität auf der einen und dem Einsatz von Managementinstrumenten auf der anderen Seite kritisch zu prüfen. Zur Gestaltung der Organisationsidentität stellt der Autor das Konstrukt der Corporate Identity vor, demgegenüber das Marketing als Managementinstrument für NPOs beleuchtet wird. Zugleich soll diese Arbeit dazu dienen, die Hypothese des Autors zu verifizieren, dass nur dann Vertrauen bei den Austauschpartnern erzeugt werden kann, wenn das Eine (die Implementierung von Managementinstrumenten) nicht ohne das Andere (die Beachtung der Organisationsidentität) erfolgt.
Um sich der Überprüfung dieser Hypothese anzunähern, ist die vorliegende Arbeit in fünf Kapitel gegliedert. Während die ersten drei Kapitel als theoretisches Fundament beschrieben werden können, dient das vierte Kapitel als Spiegelbild der NPO-Praxis, gefolgt vom abschließenden fünften Kapitel, indem Theorie und Praxis miteinander vereint werden sollen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Das Spezifikum der Non-Profit-Organisationen
1.1. Definition von NPOs
1.2. Die Organisationsziele von NPOs: Mission und Leitbild
1.3. Die Organisationsstrukturen von NPOs
1.4. Der Sozialmarkt und seine Produkte
1.5. Die Austauschpartner von NPOs
1.6. Fazit des ersten Kapitels
2. Corporate Identity
2.1. Definition Corporate Identity
2.2. Ziele des Corporate Identity Konzepts
2.2.1. Vertrauen und Sicherheit
2.2.2. Ziele nach Innen
2.2.3. Ziele nach Außen
2.3. Die CI-Instrumente
2.3.1. Unternehmenserscheinungsbild
2.3.2. Unternehmenskommunikation
2.3.3. Unternehmensverhalten
2.4. Fazit des zweiten Kapitels
3. Marketing in NPOs
3.1. Definition (Sozial-)Marketing
3.2. Die Instrumente des (Sozial-)Marketings
3.2.1. Die Marktforschung
3.2.2. Der (Sozial-)Marketing-Mix
3.3. Fazit des dritten Kapitels
4. CI und Marketing in NPOs - Eine quantitative Bestandsaufnahme
4.1. Der Aufbau der Umfrage
4.2. Die Umfrageergebnisse
4.2.1. Struktur der Probanden
4.2.2. Der Stellenwert von Marketing in NPOs
4.2.3. Der Stellenwert von CI in NPOs
4.2.4. Mögliche Zusammenhänge zwischen CI und Marketing
4.3. Fazit der des vierten Kapitels
5. Corporate Marketing als Chance für NPOs?
5.1. Die Zusammenhänge zwischen CI und Marketing
5.1.1. Erkenntnisse der Wissenschaft
5.1.2. Warum CI auf „der Strecke“ blieb
5.2. Warum NPOs trotzdem CI betreiben sollten
5.2.1. Sicherheit und Vertrauen
5.2.2. Ziele nach Innen
5.2.2.1. Steigerung der Mitarbeitermotivation
5.2.2.2. Angleichung Leitbild und Unternehmenskultur
5.2.3. Ziele nach Außen
5.2.3.1. Profilschärfung und Imagegewinn
5.2.3.2. Positionierung der NPO
5.2.3.3. Optimierung der (Kommunikations-)Strukturen
5.3. Warum NPO-Marketing auf eine CI angewiesen ist
5.3.1. Koordination des Kommunikations-Mix
5.3.2. Gewährleistung von Vertrauen und Sicherheit
Resümee
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Die Bedeutung der Mission in NPOs
Abbildung 2: Marktbeziehungen in NPOs
Abbildung 3: Austauschsystem einer NPO
Abbildung 4: Werbekampagne der AWM
Abbildung 5: Wirkungskreislauf der CI
Abbildung 6: Schematische Darstellung der Corporate Identity
Abbildung 7: Logos und Schriftzug
Abbildung 8: Schwierigkeitsgrad, Realisierbarkeit und Commitment bei der Im- plementierung eines CI-Konzeptes
Abbildung 9: Die klassischen Marketinginstrumente („vier Ps“) im Marketing-Mix
Abbildung 10: Marketing-Einsatzbereiche
Abbildung 11: Ergebnisse nach Postleitzahlen
Abbildung 12: Tätigkeitsfelder der Probanden
Abbildung 13: Marketingschwerpunkte in NPO
Abbildung 14: Gründe für unterlassene Marketingaktivitäten
Abbildung 15: Erhebung der Unternehmenskultur
Abbildung 16: Verfügbarkeit von CIM in NPOs
Abbildung 17: Vergleich NPO-Branchen mit CI Konzept
Abbildung 18: Ursachen für fehlendes CIM
Abbildung 19: Zusammenhang zwischen CI und Marketing
Abbildung 20: Zusammenfassung der Bedeutungsfragen
Abbildung 21: Marketing-Management im Freiburger Management-Modell für NPOs
Abbildung 22: Kommunikationsfluss Unternehmen - Mitarbeitende - Kunden
Abbildung 23: Kommunikationsfluss NPO - Mitarbeitende - Kunden
Abbildung 24: CI und Kommunikationspolitik
Einleitung
„Grundlage allen Vertrauens ist die Darstellung des eigenen Selbst als einer sozialen, sich in Interaktionen aufbauenden, mit der Umwelt korrespondierenden Identität“1
Das Zitat von Luhmann verdeutlicht, dass die Darstellung des eigenen Selbst, der Identität, die Grundlage allen Vertrauens ist. Die vorliegende Arbeit stützt sich auf die These, dass Luhmanns Zitat auch für Organisationen - im Speziellen für Non- Profit-Organisationen2, Gültigkeit besitzt. Es stellt sich somit die Frage, wie NPOs ihre Identität und damit auch das Vertrauen zu ihren Austauschpartnern wahren können, wenngleich sie im härter werdenden Wettkampf um „Ressourcen“ und „Absatz“ vermehrt auf oftmals „identitätsfremde“ Hilfsmittel, wie beispielsweise das des Marketings, zurückgreifen müssen.
Neben dem Einsatz von Marketingelementen in NPOs, fordern Deregulierung, Pri- vatisierung und finanzielle Restriktionen NPOs verstärkt zum Einsatz weiterer In- strumente des (Sozial-)Managements.3 Diese scheinen viel versprechendes Poten- tial im Kampf um Marktposition, Kundenakquisition und Legitimation zu bieten. Wie erfolgreich sie dieses Potential tatsächlich auch in der NPO-Praxis entfalten können, hängt nach Ansicht des Autors jedoch primär davon ab, ob und inwieweit sie zuvor mit der Organisationsidentität abgeglichen und ggf. dahingehend modi- fiziert wurden.
Die vorliegende Arbeit hat sich zur Aufgabe gestellt, die möglichen Zusammen- hänge zwischen der Organisationsidentität auf der einen und dem Einsatz von Ma- nagementinstrumenten auf der anderen Seite kritisch zu prüfen. Zur Gestaltung der Organisationsidentität stellt der Autor das Konstrukt der Corporate Identity vor, demgegenüber das Marketing als Managementinstrument für NPOs beleuchtet wird. Zugleich soll diese Arbeit dazu dienen, die Hypothese des Autors zu verifi- zieren, dass nur dann Vertrauen bei den Austauschpartnern erzeugt werden kann, wenn das Eine (die Implementierung von Managementinstrumenten) nicht ohne das Andere (die Beachtung der Organisationsidentität) erfolgt.
Um sich der Überprüfung dieser Hypothese anzunähern, ist die vorliegende Arbeit in fünf Kapitel gegliedert. Während die ersten drei Kapitel als theoretisches Fundament beschrieben werden können, dient das vierte Kapitel als Spiegelbild der NPOPraxis, gefolgt vom abschließenden fünften Kapitel, indem Theorie und Praxis miteinander vereint werden sollen.
Der theoretische Teil dieser Arbeit beginnt mit einer Vorstellung des Spezifikums der NPO in Kapitel eins. Was verbirgt sich hinter dem Begriff der NPO, was sind deren Ziele und mit welchen Produkten treten NPOs auf dem (Sozial-)Markt auf? Einblicke in die Organisationsstrukturen sowie das komplexe System von Austauschpartnern sollen verdeutlichen, warum NPOs auf das Vertrauen ihrer Austauschpartner angewiesen sind.
Im zweiten Kapitel wird als mögliches Instrument zur Identitätsgestaltung das Kon- strukt der Corporate Identity beschrieben. Neben dem übergeordneten Ziel „Schaf- fung von Vertrauen bei den Austauschpartnern“ wird dargestellt, wie weitere Ziele nach Innen und Außen mit Hilfe der Corporate Identity Instrumente erreicht werden können.
Um das einleitend beschriebene Spannungsfeld aus Identitätswahrung einerseits und Implementierung von identitätsfernen Hilfsmitteln andererseits darzustellen, widmet sich Kapitel drei dem Sozialmarketing in NPOs. Neben einer Abgrenzung zum klassischen Konsumgütermarketing, sollen die Instrumente des Sozialmarketings vorgestellt werden und erste mögliche Zusammenhänge zum Konstrukt der Corporate Identity skizziert werden.
Kapitel vier löst sich von dem theoretischen Fundament der ersten drei Kapitel und richtet den Blick auf die NPO-Praxis. Mit Hilfe einer Online-Umfrage unter 67 NPOs unternimmt der Autor den Versuch, den Stellenwert von Corporate Identity und Marketing im NPO-Alltag zu quantifizieren.
Das abschließende fünfte Kapitel führt die Erkenntnisse der ersten vier Kapitel zu- sammen. Nach einer Vorstellung verschiedener wissenschaftlicher Ansätze zur Bedeutung einer Corporate Identity für das Marketing, wird dargestellt, warum sich beide Disziplinen gegenläufig zueinander entwickelt haben. Da die Hypothese des Autors jedoch lautet, dass in NPOs das Eine (die Implementierung von Manage- mentinstrumenten) nicht ohne das Andere (die Beachtung der Organisationsidenti- tät) erfolgt, werden im Anschluss beide Ansätze wieder zusammengeführt. Hierfür wird zunächst ausführlich das Potential der Corporate Identity für NPOs dargestellt.
Darauf aufbauend soll dargestellt werden, warum Sozialmarketing in NPOs auf eine Corporate Identity angewiesen ist und wie hierdurch das einleitend beschriebene Vertrauen zu den Austauschpartnern gesichert werden kann.
1. Das Spezifikum der Non-Profit-Organisationen
Um die Frage zu beantworten, wie das Konzept der Corporate Identity (CI) für das Marketing in NPOs genutzt werden kann, werden zunächst die einzelnen Begrifflichkeiten losgelöst von einander betrachtet. Hierzu setzt der Autor den ersten Akzent auf das Spezifikum der Non-Profit-Organisationen (NPOs). Aufbauend auf der Definition von NPOs werden deren Organisationsziele und Organisationsstrukturen vorgestellt. Ergänzend wird anschließend das Marktgeschehen von NPOs analysiert, das von NPO-spezifischen Produkten sowie einem umfassenden System an Austauschpartnern geprägt ist.
1.1. Definition NPOs
Die Bezeichnung NPO hat sich bereits in den 1970er Jahren etabliert. Dennoch entstehen auch heute noch häufig Missverständnisse bei der Nutzung des Begriffs, die sich einerseits durch die Übersetzung des aus dem Englischen stammenden „non-profit“, andererseits durch eine fehlende, einheitlich verwendete Definition des schillernden Begriffs erklären lassen.
Der Begriff „non-profit“, der eigentlich „not for profit“ (nicht auf Gewinn ausgerichtet) meint, jedoch oft als „no profit“ (kein Gewinn erzielend) verstanden wird, löst die Assoziation aus, dass NPOs keine Gewinne erzielen dürfen. Die Erzielung von Ge- winnen bzw. Überschüssen ist NPOs jedoch nicht untersagt, lediglich die Ausschüt- tung der selbigen an die jeweiligen Gesellschafter ist NPOs verwehrt. Erzielte Ge- winne müssen in den Organisationen verbleiben und für deren Organisationszweck - die Mission - verwendet werden.4 Entscheidend ist jedoch, dass die Erzielung von Gewinnen eine untergeordnete Bedeutung innerhalb der organisationalen Ziele von NPOs darstellt. Stattdessen steht die nicht-gewinnorientierte Bedürfnisbefriedigung und Versorgung verschiedener Anspruchsgruppen bzw. das Verfolgen zuvor definierter Interessen und Missionen im Vordergrund.5
Um sich einer Begriffsdefinition annähern zu können, kann jedoch Merchel zuge- stimmt werden, der in der ausschließlichen Konzentration auf den Umgang mit Ge- winnen eine außerordentlich schwache Basis zur Definition des Begriffs NPO sieht.6
Umfassender definiert Bruhn NPOs:
„Eine Nonprofit-Organisation ist eine nach rechtlichen Prinzipien gegründete Insti- tution (privat, halb-staatlich, öffentlich), die durch ein Mindestmaß an formaler Selbstverwaltung, Entscheidungsautonomie und Freiwilligkeit gekennzeichnet ist und deren Organisationszweck primär in der Leistungserstellung im nicht-kommer- ziellen Sektor liegt.“7
Laut Bruhn können somit alle privaten, halb-staatlichen sowie öffentlichen Institutionen als NPOs definiert werden, wenn sie die von ihm genannten Kriterien erfüllen. Folgt man Bruhns Definitionen, stünde somit eine Vielzahl von äußerst heterogenen NPOs dieser knapp bemessenen Definition gegenüber, so dass Schwarz zugestimmt werden kann, der zu Recht fragt:
„Welche Erkenntnis über tatsächliche Unterschiede und vorhandene Gemeinsamkeiten zwischen Sport- und Freizeitvereinen, öffentlichen Verwaltungen, Stiftungen, Universitäten, Genossenschaften, Konsumorganisationen, Initiativen und Selbsthilfegruppen, Kirchen, Sekten, politische Parteien, Natur- und Heimatverbänden etc. wird durch die Feststellung gewonnen, dass es sich bei allen um Non-Profit-Organisationen handelt?“8
Zugleich muss jedoch konstatiert werden, dass die fehlende Trennschärfe in Bruhns Definition durchaus ein Spiegelbild des NPO-Sektors darstellt, der oftmals durch unscharfe Trennlinien zwischen NPOs und anderen Organisationen gekenn- zeichnet ist.9
Schwarz et al. entwickelten daher eine andere Strategie, um sich dem Begriff NPO zu nähern. Anstatt den Versuch zu unternehmen, den Begriff zu definieren, gren- zen sie diesen anhand von acht Kriterien von POs ab.10 Dieser Methodik folgend, beschränken sich Badelt et al. lediglich auf fünf folgende Charakteristika von NPOs:11
1) NPOs sind durch ein Mindestmaß an formaler Organisation gekennzeichnet
2) NPOs sind private, das heißt nicht staatliche Organisationen
3) NPOs dürfen keine Gewinne an Eigentümer oder Mitglieder ausschütten
4) NPOs weisen ein Mindestmaß an Selbstverwaltung bzw. Entscheidungsautonomie auf
5) NPOs sind stets durch ein Mindestmaß an Freiwilligkeit gekennzeichnet
Purtschert verbindet die Vorgehensweise von Bruhn und Badelt, indem er NPOs sowohl mit Hilfe von sechs Organisationsmerkmalen gegenüber privaten und öffentlichen Unternehmen abgrenzt, als auch den Begriff NPO auf Grund dieser Unterscheidungsmerkmale definiert:
„Als Nonprofit-(Not-for-profit, Non-Business) Organisation bezeichnen wir jene produktiven sozialen Systeme mit privater Trägerschaft, welche ergänzend zu Staat und marktgesteuerten erwerbswirtschaftlichen Unternehmungen spezifische Zwecke der Bedarfsdeckung, Förderung und/oder Interessenvertretung/Beeinflus- sung (Sachzieldominanz) für ihre Mitglieder (Selbsthilfe) oder Dritte wahrnehmen. Als Verein/Verbände/Selbstverwaltungskörperschaften/Genossenschaften oder Stiftungen werden sie von gewählten Ehrenamtlichen geleitet und können durch freiwillige Helfer in ihrer Arbeit unterstützt werden. Sie finanzieren ihre Leistungen (Individualgüter, meritorische Güter oder Kollektivgüter) über Mitgliederbeiträge, Spenden, Zuschüsse und/oder Preise/Gebühren. Allfällig erzielte Überschüsse dürfen nicht als Kapitelrendite direkt an Mitglieder/Träger ausgeschüttet werden. Gewisse Rückvergütungen sind im Verhältnis zur Leistungsbeanspruchung mög- lich. Übergänge von Privatautonomie zur Staats- und/oder Marktsteuerung in Teil- bereichen sind möglich bzw. häufig.“12
Die vorliegende, umfassende Definition beschreibt nach Ansicht des Autors im Ver- gleich zu der genannten Definition von Bruhn sowie den fünf Charakteristika von Badelt et al. den Begriff der NPOs am umfassendsten, da Purtschert nicht nur die Ziele und die Organisationsstruktur von NPOs in seiner Definition berücksichtigt, sondern - und damit hebt er sich von den erst genannten ab - auch die Produkte (Individualgüter, meritorische Güter oder Kollektivgüter) von NPOs beachtet.
Der Definition von Purtschert folgend, werden im Weiteren die einzelnen Spezifika von NPOs (die Ziele von NPOs, deren Organisationsstruktur sowie das Spezifikum des Sozialmarktes ergänzt um das System an Austauschpartnern) vorgestellt.
1.2. Die Organisationsziele von NPOs: Mission und Leitbild
Organisationen werden definiert als „… soziale Einheiten, die mit dem Zweck errichtet wurden, spezifische Ziele zu erreichen.“13
Folgt man Etzionis Definition, wäre somit eine Organisation ohne spezifische Ziele nicht als Organisation zu verstehen. Die Ziele geben somit Auskünfte darüber, aus welchen Gründen - welchem Zweck - eine jeweilige Organisation als Konstrukt besteht.
Preisendörfer unterstreicht die Bedeutung von Zielen, indem er folgende drei Basiselemente für das Bestehen einer Organisation voraussetzt:14
1) die Ziele einer Organisation
2) die Organisationsstruktur
3) die Organisationsumwelt
Organisationen verfügen also neben dem Zweck, den sie verfolgen, stets über eine Organisationsstruktur, die den Rahmen des Konstruktes definiert, das wiederum in eine individuelle Organisationsumwelt eingebettet ist.
Während die Ziele im PO-Sektor oftmals verkürzt als Gewinnmaximierung bezeichnet werden können, wurde in Kapitel 1.1 bereits deutlich, dass NPOs differenziertere Ziele verfolgen. Seibel beschreibt diese verkürzt damit,…
„…dass sie Güter und Dienstleistungen dort bereitstellen, wo sie von Markt oder Staat - aus welchen Gründen auch immer - nicht bereitgestellt werden können.“15
NPOs definieren diese Ziele in ihrer jeweiligen Mission.16 Die Mission, als Bestandteil des übergreifenden normativen Managements, stellt somit den Ausgangspunkt sämtlicher Aktivitäten der NPO dar, wie folgende Abbildung zeigt.17
Abbildung 1: Die Bedeutung der Mission in NPOs
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der Mission wird definiert, welche Zwecke mit der Gründung der NPO verfolgt werden, wer die Leistungsempfänger sind und welche Leistungen ihnen durch die jeweilige NPO angeboten werden. Kurz gesagt, sie beschreibt die angestrebte Unternehmenspersönlichkeit der Organisation.18
Als übergeordnetes Ziel wirkt die Mission richtungweisend für das strategische und operative Management, in dem alle nachfolgenden Ziele und Strategien auf die spezifische Mission ausgerichtet sind. Damit eine Mission dieses Bündel von Anforderungen erfüllen kann, sollte sich das Management von NPOs zur Festlegung einer Mission an folgenden vier Kriterien orientieren:19
1) Bedarfsorientierung
Die Mission muss deutlich machen, worin das spezifische Leistungsangebot der Organisation an die Klienten besteht.
2) Kommunizierbarkeit (nach innen und außen)
Die Mission muss kurz und prägnant sein, d. h. sie muss den „Fahrstuhl-Test“ bestehen: Binnen der Fahrtdauer eines Fahrstuhls vom Erdgeschoss in den zweiten Stock muss ein Mitarbeiter die Mission verdeutlichen können. Dies setzt voraus, dass sie ihm wirklich klar und präsent ist.
3) Umsetzbarkeit
Die Mission sollte möglichst messbar sein. Es muss erkennbar sein, inwieweit Erfolge in Richtung dieser Mission erzielt werden. Dem Erfolgserlebnis der Mission näher gekommen zu sein, hat eine ungeheure Motivationswirkung.
4) Anspruchsniveau
Der Zielanspruch muss hoch genug sein, um die Mitarbeiter anzuspornen. Er darf aber nicht so hoch sein, dass er unerreichbar (unglaubwürdig) wirkt.
Während die Mission in wenigen Sätzen die Hauptziele einer NPO zusammenfasst, beinhaltet das strategische Leitbild weiter ausformulierte, konkrete und anschauliche Grundsätze und Zielsetzungen der NPO.20 Es formuliert somit greifbar das angestrebte Selbstverständnis einer Organisation über die Unternehmenspersönlichkeit und soll Antworten auf folgende Fragen beinhalten:21
- Wer sind wir?
-Wozu gibt es uns?
- Welche Ziele leiten uns?
- Was macht uns unverwechselbar?
- Wie wollen wir miteinander arbeiten?
Das Leitbild besteht - idealerweise - aus drei Bestandteilen: der Leitidee, den Leit- sätzen und dem Motto. Die Leitidee nennt den Sinn der Organisation und vermittelt die Mission, wie die Organisation aktuelle und zukünftige Probleme lösen oder zu deren Lösung beitragen will. Die Leitsätze sind Kernaussagen, in denen die grund- legenden Werte, Ziele und Erfolgskriterien festgelegt sind. Sie bestimmen somit das Verhältnis der Organisation zu den relevanten Bezugsgruppen, wie Mitarbei- tenden, Kunden, Finanziers etc. Das Motto fasst alles in einem kurzen, prägnanten Slogan zusammen.22
Beispiele für solche Mottos aus dem NPO-Sektor sind:
- „Not sehen und handeln“ (Caritas)
-„Diakonie - damit Leben gelingt" (Diakonie)
-„Gemeinsinn macht Sinn“ (Paritätischer Wohlfahrtsverband NRW)
Mission und Leitbild, als Instrumente des normativen Managements, übernehmen somit für NPOs eine zentrale Rolle. Sie legen fest, welche Unternehmenspolitik und welche Unternehmenskultur angestrebt wird. Darüber hinaus lassen sich folgende sechs Funktionen aus der Bedeutung des Leitbildes/der Mission ableiten:
1) Orientierungs- und Stabilisierungsfunktion
ission bzw. das Leitbild einer NPO dient sämtlichen Mitarbeitenden als Maxime für ihr Handeln und erfüllt somit eine Orientierungsfunktion. Da Leitbilder/Missionen nur selten verändert werden, tragen sie zugleich zur Stabilisierung der Organisation bei.
2. Verfahrensvereinfachungsfunktion
Ein - idealerweise - gemeinsam erstelltes Leitbild stellt die grundsätzlichen „Spielregeln“ innerhalb einer Organisation auf. Unnötige Grundsatzdebatten über Sinn und Zweck der Organisation oder ihrer Ausrichtung fallen somit weg. Eine Konzentration auf das Wesentliche (die Erreichung des Organisationszwecks) wird hierdurch ermöglicht.
3. Motivations- und Kohäsionsfunktion
Eine Mission und ein Leitbild fördern die Motivation der Mitarbeitenden und stärken so den inneren Zusammenhalt. Dies ist für NPOs von besonderer Bedeutung, da Mitarbeitende in NPOs oftmals auf ehrenamtlicher Basis beschäftigt sind und auch auf Grund intrinsischer Motive23 ihrer Tätigkeit nachgehen.24
4. Koordinationsfunktion
Ein Leitbild koordiniert die Reihenfolge der Teilziele, die erreicht werden müssen, um sich dem Gesamtziel (der Mission) zu nähern. Horak, Matul und Scheuch unterscheiden hierbei zwischen den Leistungswirkungszielen, die direkt das Erreichen der Mission zum Inhalt haben, den Lei- stungserbringungszielen, die für die Bereitstellung der entsprechenden Leistungen verantwort- lich sind, und den Potentialzielen, die sich der Akquisition entsprechender Potentiale widmen (Personal, Finanzmittel etc.).25
5. Organisationskulturelle Transformationsfunktion
Missionen und Leitbilder bestimmen die Organisationskultur, die sich in der grundsätzlichen Überzeugung, Haltung und Denkweise der einzelnen Mitarbeitenden widerspiegelt. Die beson- dere Bedeutung der Organisationskultur wird im anschließenden Kapitel 5.2.2.2 dargestellt.
6. Informationsfunktion
Während die Aspekte 1 - 5 vornehmlich die Wirkung von Mission und Leitbild im Inneren einer Organisation beschreiben, kommt der Informationsfunktion zusätzlich eine externe Wirkung zu. NPOs stehen nach Ansicht des Autors in der Verpflichtung, den Sinn und Zweck ihres Daseins nach außen zu tragen, so dass sich die externen Austauschpartner der jeweiligen NPO ein „Bild“ von eben dieser machen können.26
Inwiefern diese sechs Funktionen von Leitbild und Mission tatsächlich in die Organisationskultur einer NPO transferiert werden und somit intern und extern wirken, hängt maßgeblich davon ab, ob das Management von NPOs über Mechanismen verfügt, die diesen Prozess unterstützen.
Der Grundstein hierfür wird bereits bei der Leitbildentwicklung gesetzt, die sich an den vier Kriterien von Mitschke und Böhlich orientieren sollte.27 Nach Ansicht des Autors ist jedes dieser vier Kriterien für sich von besonderer Bedeutung. Für den weiteren Verlauf dieser Arbeit soll der Schwerpunkt jedoch auf die Kommunizier- barkeit des Leitbildes nach innen und außen gelegt werden. Hierfür bedarf es zu- nächst Kommunikationsstrukturen, die in die vorhandenen - oftmals recht undurch- sichtigen - Organisationsstrukturen von NPOs eingebettet werden.
1.3. Die Organisationsstrukturen von NPOs
Trotz der Tatsache, dass eine Vielzahl von NPOs grundsätzlich über richtung- weisende Leitbilder verfügen28, erzielen nach Ansicht des Autors die in Kapitel 1.2 genannten Leitbild-Funktionen (speziell die Orientierungs- und Koordinations- funktion) vor allem in der Außendarstellung von NPOs nur bedingt den erwün- schten Erfolg.
Vielmehr werden NPOs oftmals auf Grund fehlender oder undurchsichtiger Organi- sationsstrukturen als künstliche, relativ abstrakte Gebilde wahrgenommen, die weniger fassbar als beispielsweise privatwirtschaftliche Unternehmen sind. Ihr Auf- bau wirkt komplex und für Unbeteiligte wenig durchschaubar.29 Dies ist zum einen durch die große Vielfalt an differenzierten Wertfundamenten im NPO-Sektor zu erklären, zum anderen durch die große Bandbreite an Beschäfti- gungsfeldern. Diese reichen von den Bereichen Kultur, Erholung, Bildung, For- schung, Gesundheitswesen, Soziale Dienste, Umwelt und Naturschutz bis hin zu internationalen Aktivitäten, Wirtschafts- und Berufsverbänden.30 Des Weiteren prägt die Vielzahl an Organisationsformen das oben genannte Bild von NPOs. Eingetragene Vereine, Stiftungen, Einrichtungen der freien Wohlfahrts- pflege, gemeinnützige GmbHs, Verbände des Wirtschafts- und Berufslebens, Ge- werkschaften, Selbsthilfegruppen und Bürgerinitiativen sollen an dieser Stelle nur beispielhaft genannt werden.31
Neben den unterschiedlichen Werten, der großen Bandbreite an Beschäftigungs- feldern und der Vielzahl an Organisationsformen führt zudem die besondere Per- sonalstruktur in NPOs zu den genannten Eindrücken beim außenstehenden Beo- bachter. Im Gegensatz zu POs, in denen in der Regel (unbefristete) fest angestellte Mitarbeitende ausschließlich gegen Entgelt tätig sind, trifft man in vielen NPOs auf eine „bunte Mischung“ aus (oftmals befristeten) Festangestellten, Honorarkräften, Zivildienstleistenden und vor allem ehrenamtlichen Mitarbeitenden. Nach einer Studie von Priller und Zimmer aus dem Jahr 2001 arbeiteten im Jahr 1996 im NPO- Sektor 16,7 Millionen Personen ehrenamtlich. Diese Personen leisteten ein Arbeits- volumen von ca. 2,3 Milliarden Stunden, was in etwa 67 Millionen Vollzeitstellen entspräche.32
Die dargestellten Aspekte der Organisationsstrukturen von NPOs geben Hinweise, warum NPOs als äußerst komplex und undurchsichtig wahrgenommen werden können. Zugleich sind NPOs auf Grund der schleichenden Liberalisierung des Sozialmarktes zunehmend gefordert, sich von dem Bild einer abstrakten, nicht greifbaren, undurchsichtigen Organisation zu lösen und sich zu einer dienstleistungsund kundenorientierten Organisation mit Profil zu wandeln.
Um den Austauschpartnern ein klares, konsistentes Bild der Organisation präsen- tieren zu können, sind NPOs nach Ansicht des Autors darauf angewiesen eindeutig zu kommunizieren „Wer sie sind“, „Was sie machen“ und „Was die jeweilige Um- welt hiervon für einen Nutzen hat“. Nur durch systematisierte Kommunikation der Unternehmenspersönlichkeit wird es möglich sein, das schwer durchschaubare Bild von NPOs in der Öffentlichkeit zu schärfen und somit Unterstützer für die Organis- ationsziele zu akquirieren. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der NPO- Produkte von Nöten, die das zu Beginn erwähnte Bild von NPOs (undurchsichtig, abstrakt, künstlich) unterstreichen und daher im nächsten Kapitel gesondert be- trachtet werden.
1.4. Der Sozialmarkt und seine Produkte
Damit NPOs ihre Ziele erreichen können, sind auch sie - und damit grenzen sie sich nicht von POs ab - einerseits darauf angewiesen ihre Ressourcen zu sichern, andererseits ihre „Produkte“ auf einem Markt anzubieten und für den entsprechenden Absatz zu sorgen.
Während der PO-Markt von zwei Parteien dominiert wird (den Anbietern und den Nachfragern), teilen sich auf dem NPO-Markt drei Parteien das Marktgeschehen.
Abbildung 2: Marktbeziehungen in NPOs33
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Nachfrager (also der Kunde) erhält ohne Bezahlung die jeweilige Leistung von einem Anbieter, der wiederum die Gegenleistung (also die noch fällige Bezahlung) beim Kostenträger einholt. Eine schlüssige Austauschbeziehung von Anbieter - Nachfrager wie sie auf dem PO-Markt herrscht, ist auf dem Sozialmarkt oftmals nicht gegeben.
Zugleich wird deutlich, dass NPOs oftmals zwei Kunden gegenüberstehen, zum einem dem Kostenträger, zum anderen dem Nachfrager. Deren Interessen sind nicht zwangsläufig identisch, wie folgendes Beispiel verdeutlichen soll: Verlangt der Fallmanager der ARGE34, dass sein Kunde beim Bildungsträger XY eine Qualifizierungsmaßnahme absolviert, so muss dies noch lange nicht dem tat- sächlichen Wunsch der jeweiligen Person entsprechen. Der Bildungsträger (als An- bieter von Qualifizierungsmaßnahmen), dessen Qualifizierungsmaßnahmen durch den jeweiligen Kostenträger finanziert werden, steht nun vor der Herausforderung das jeweilige Produkt (die Leistung) so zu platzieren, dass im Idealfall alle Prozessbeteiligten zufrieden gestellt sind. Hierbei greifen NPOs auf Produkte zurück, die primär als personenbezogene Dienstleistungen beschrieben und durch folgende drei Aspekte charakterisiert werden können:35
1. Immaterialität
Personenbezogene Dienstleistungen sind nicht greifbar, man kann sie weder sehen, riechen noch anfassen. Daher lassen sie sich, im Gegensatz zu Sachgütern, nicht vor dem Kauf prüfen. Letztendlich bleibt also immer ein gewisses „Kaufrisiko“ beim Kunden.
2. Uno-actu-Prinzip
Das uno-actu-Prinzip besagt, dass Produktion und Konsum bei personenbezogenen Dienstleistungen zusammenfallen. Man kann sie somit weder auf Vorrat herstellen, noch lagern oder transportieren.
3. Integrativität
Personenbezogene Dienstleistungen verlangen in der Regel von ihrem Nutzer, dass er sich an der Erstellung beteiligt, sich zumindest nicht verweigert. Der jeweilige Nutzer wird somit automatisch zum Co-Produzenten der Leistung und übt daher direkten Einfluss auf die Qualität sowie das Ergebnis der jeweiligen Leistung aus.36
Festzuhalten ist, dass NPO-Produkte vornehmlich als Vertrauensgüter beschrieben werden können, die von der Beziehung zwischen Anbietern und Nachfragern ge- prägt sind. Bei den Nachfragern schließt der Autor bewusst die Kostenträger mit ein, da auch diese auf Grund der drei beschriebenen Charakteristika von NPO- Gütern oftmals gezwungen sind, eine gewisse Form von Vertrauensvorschuss gegenüber NPOs leisten zu müssen. Neuere Entwicklungen stellen sich dieser Pro- blematik und verlangen von den jeweiligen NPOs bereits vor Leistungserbringung den Nachweis, dass diese zur Leistungserbringung befähigt sind.37 Hierdurch erhält der Kostenträger zwar eine formalisierte Sicherheit, der Vertrauensvorschuss von Seiten der tatsächlichen Leistungsempfänger bleibt hiervon jedoch unangetastet. NPOs sind daher gefordert Strategien zu entwickeln, wie sie das Vertrauen zu ihren jeweiligen Kunden wecken, halten oder ausbauen können.
Entscheidendes Hilfsmittel zur Vertrauensbildung scheint hierbei das Verhalten zu und die Kommunikation mit den jeweiligen Kunden von NPOs zu sein.38 Die Kom- munikation einer NPO kann also nicht nur, wie in Kapitel 1.3 dargestellt, dazu bei- tragen, das Bild der Organisation in der Öffentlichkeit zu schärfen, sondern sie kann auch - kombiniert mit dem Verhalten der Mitarbeitenden - dazu beitragen Vertrauen bei den jeweiligen Austauschpartnern zu erzeugen. Einen Einblick in das umfangreiche System der Austauschpartner von NPOs soll das anschließende Ka- pitel ermöglichen.
1.5. Die Austauschpartner von NPOs
Die bisherigen Erkenntnisse haben bereits skizziert, dass NPOs in einem umfangreichen System von Interessensgruppen und Austauschbeziehungen agieren. Dieses jedoch, wie in Abbildung 2 exemplarisch geschehen, ausschließlich auf Kunden und Kostenträger zu reduzieren, würde dem umfassenden System von Austauschbeziehungen, in das NPOs eingebettet sind, nicht gerecht werden. Die folgende Abbildung unternimmt den Versuch dieses komplexe System einer NPO darzustellen und es zu systematisieren.
Abbildung 3: Austauschsystem einer NPO39
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Purtschert kategorisiert drei Formen von Austauschbeziehungen für NPOs:
1) (Input-)Beziehungen von der Umfeld in die Organisation (wie Beschaffung von Spendern, Mitgliedern, Kooperationen usw.),
2) Beziehungen innerhalb der NPO (Beziehung zu Mitgliedern, Vorständen, Ehrenamtlichen, freiwilligen Helfern usw.) und
3) (Output-)Beziehungen aus der Organisation heraus mit Dritten (wie Bedürf- tige, Klienten, allgemeine Öffentlichkeit, staatliche Stellen usw.).
Nach Ansicht des Autors ist es für NPOs entscheidend, diese verschiedenen Formen von Austauschbeziehungen als gleichwertig zu betrachten. Weder dürfen beispielsweise die politische Landschaft, noch der Kostenträger oder gar die Leistungsempfänger vernachlässigt werden. Die Herausforderung für NPOs besteht darin, den oftmals nicht deckungsgleichen Ansprüchen und Erwartungen dieser drei möglichen „Austauschpartnerperspektiven“ gerecht zu werden. Möglich ist dies nur, wenn sich NPOs davor schützen, den Blick lediglich auf die Kern- kompetenzen der Organisation zu beschränken („Inside-out-Perspektive“). Vielmehr sind sie gefordert die Anforderungen, Wünsche und Bedürfnisse der Austauschpartner ernst zu nehmen („Outside-In-Perspektive“) und ihnen pass- genaue Angebote zu unterbreiten.40 In Kapitel 3 wird daher vorgestellt, wie die Bedürfnisse der Austauschpartner mit Hilfe des Marketings angesprochen werden können.
Bereits jetzt kann jedoch zusammengefasst werden, dass die Gestaltung der Beziehungen zu ihren Austauschpartnern für NPOs eine existentielle Bedeutung hat, da sie in einem hohen Maße einer Umfeldabhängigkeit unterliegen.41 Bricht eine der genannten Perspektiven ein, wird eine NPO auf Dauer nicht handlungsfähig sein. Um das genannte Beispiel aufzugreifen: Ohne politische Lobby, keine dauerhafte Daseinsberechtigung. Ohne Kostenträger, keine Kostenübernahme. Ohne Leistungsempfänger keine Mission, die es zu erfüllen gilt.
1.6. Fazit aus dem ersten Kapitel
„NPOs sind wie POs, nur vollkommen anders.“42
So, oder so ähnlich, könnte die verwirrende Erkenntnis des ersten Kapitels dieser Arbeit lauten. NPOs scheinen einer eigenen, NPO-spezifischen Logik zu folgen, die von vermeintlichen Widersprüchen geprägt ist:
Gewinne sind für NPOs zweitrangig, klare Zielsetzungen jedoch existentiell;
Leitbilder, die orientieren, vereinfachen, motivieren, koordinieren und informieren sollen, gehören zum festen NPO-Alltag, zugleich wirken die Organisationsstrukturen chaotisch und undurchsichtig; NPOs müssen sich auf einem Markt behaupten, der jedoch kaum als (echter) Markt bezeichnet werden kann;; NPOs bieten Güter an, die ohne ihre Abnehmer gar nicht existierten würden; NPOs agieren in einem komplexen System von Austauschpartnern, müssen sich jedoch stets davor schützen, austauschbar zu sein; NPOs buhlen um das Vertrauen ihrer Austauschpartner, sind gegenüber ihren Leistungsempfängern jedoch zugleich prüfende und zum Teil auch strafende Instanz.43
Diese sechs genannten vermeintlichen Widersprüche lassen sich nur dann (zumin- dest zum Teil) auflösen, wenn NPOs ihre Ziele, ihre Leitbilder, ihre Marktfähigkeit, ihre Güter, sprich ihr ganze Identität widerspruchsfrei präsentieren. Die Abhängig- keit von ihren Austauschpartnern läst NPOs hier wenig Spielraum: Einerseits müs- sen sie klar und widerspruchfrei zeigen, wer sie sind, was sie können und warum sie von den Austauschpartnern unterstützt werden sollten, andererseits dürfen sie nicht als „eitler Pfau“ erscheinen, der den Bedürfnissen der Austauschpartner keine Beachtung schenkt. Um beiden Ansprüchen gerecht zu werden, wird im folgenden Kapitel zunächst das System der Corporate Identity vorgestellt, das NPOs helfen kann ihre Organisationspersönlichkeit widerspruchsfrei präsentieren zu können. Das Kapitel 3 hingegen widmet sich den Ansprüchen der Austauschpartner.
2. Corporate Identity
Das vorliegende Kapitel soll einen Einblick in die komplexen Strukturen der Corpo- rate Identity geben. Hierfür analysiert der Autor zunächst den Begriff der CI, um hieraus ableitend die Ziele eines CI-Managementprozesses darzustellen. Insbeson- dere die Wirkung einer CI nach Innen und nach Außen soll im Anschluss getrennt voneinander betrachtet werden. Um diese jeweiligen Ziele zu erreichen, bedient sich die CI eines Instrumenten-Mix, der darauf folgend dargestellt wird.
2.1. Definition Corporate Identity
Der Begriff „Corporate“ stammt aus dem Englischen und bedeutet übersetzt „Gemeinschaft“, „Zusammenschluss“, „Unternehmen“ sowie „Körperschaft“. „Identity“, ebenfalls aus dem Englischen stammend, bedeutet übersetzt Identität oder Selbstverständnis.44
Corporate Identity könnte wortwörtlich somit als Unternehmens-, oder Gemein- schaftsselbstverständnis/-identität übersetzt werden. Der Autor schließt sich jedoch dem Vorschlag von Kroehl an, der CI als Unternehmenspersönlichkeit beschreibt.45 Eine einheitliche Definition des komplexen Konstruktes der CI ist bis heute nicht gegeben. Vielmehr finden sich in der Fachliteratur zahlreiche, inhaltlich unter- schiedliche Definitionen des CI-Begriffs. Für diese Arbeit beschränkt sich der Autor bewusst auf die Definitionen von Herbst und Birkigt, Stadtler, Funck, die aufein- ander aufbauend einen umfassenden Einblick in das Themengebiet der CI geben. Wenn Herbst von CI spricht, so versteht er CI übersetzt - ähnlich wie Kroehl - als Unternehmenspersönlichkeit. Den Prozess des Corporate Identity Managements (CIM) definiert er als „…systematische und langfristige Gestaltung des gemeinsamen Selbstverständnisses eines Unternehmens über seine Unternehmenspersönlichkeit“46
Hierbei steht der Begriff Unternehmen synonym für den Begriff Körperschaft oder Organisation, was verdeutlicht, dass CIM nicht auf POs beschränkt, sondern zu- gleich auf andere Organisationsformen (auch auf NPOs) übertragbar ist. Umfassender als Herbst definieren Birkigt, Stadtler und Funck den CI-Begriff:
„In der wirtschaftlichen Praxis ist demnach Corporate Identity die strategisch geplante und operativ eingesetzte Selbstdarstellung und Verhaltensweise eines Unternehmens nach innen und außen auf Basis einer festgelegten Unternehmensphilosophie, einer langfristigen Unternehmenszielsetzung und eines definierten (Soll-)Images - mit dem Willen, alle Handlungsinstrumente des Unternehmens in einheitlichem Rahmen nach innen und außen zur Darstellung zu bringen.“47
2.2. Ziele des Corporate Identity Konzepts
Basierend auf der CI-Definition von Birkigt, Stadler und Funk verfolgt CI somit das Ziel, die (angestrebte) Unternehmenspersönlichkeit durch Formen der Darstellung und des Verhaltens konsequent allen Mitarbeitenden (innen) sowie Austauschpartnern (außen) zu kommunizieren. Grundlage für den CI-Prozess ist das Leitbild, in dem die angestrebte Unternehmenspersönlichkeit (Werte, Ziele etc.) verankert ist.
Durch eine konsequente Abstimmung des Erscheinungsbildes, der Kommunikation und des Verhaltens trägt CI dazu bei, die Diskrepanz zwischen angestrebter und tatsächlicher Unternehmenspersönlichkeit schwinden zu lassen. Das Ergebnis ist ein einheitliches Bild der Organisation in den Augen der jeweiligen Austausch- partner. Dieses Bild entspricht dem Corporate Image des Unternehmens, das als Projektion der Unternehmenspersönlichkeit im sozialen Umfeld (Fremdbild) ver- standen wird.48 Je geringer die Abweichung zwischen Leitbild und Unternehmens- kultur ist, desto überzeugender wirkt das Image innerhalb und außerhalb der Orga- nisation.
Die Bedeutung eines Images beschreiben Buß und Finke-Heuberger als „stabilisierende Navigationsmetaphorik“49, die Handlungs-, Orientierungs- und Ent- scheidungssicherheit nach innen und außen gibt.
[...]
1 Luhmann 1973, S. 68.
2 Im Weiteren als NPO (Singular) bzw. NPOs (Plural) bezeichnet.
3 Als Beispiele seien das Qualitäts-, Projekt-, Kontrakt-, Personal- und Netzwerkmanagement, aber auch das Controlling, das Outsourcing von gGmbH oder das Rechnungswesen genannt.
4 vgl. Badelt et al. 2007, S. 5 ff.
5 vgl. Bruhn 2005, S. 33.
6 vgl. Merchel 2006, S. 33.
7 Bruhn 2005, S. 33.
8 Schwarz 1996, S. 54.
9 vgl. Badelt et al. 2007, S. 18.
10 vgl. Schwarz et al. 2005, S. 19.
11 vgl. Badelt et al. 2007, S. 7.
12 Purtschert 2005, S. 44.
13 Etzioni 1967, S. 12.
14 vgl. Preisendörfer 2005, S. 18.
15 Seibel 2002, S. 20.
16 In der Fachliteratur wird neben dem Begriff Mission häufig der Begriff Vision verwendet, vgl. hierzu Mitschke und Böhlich 1997, S. 7.
17 angeregt von Horak, Matul und Scheuch 2007, S. 191.
18 vgl. Bruhn 2005, S. 152.
19 Mitschke und Böhlich 1996, S. 7.
20 vgl. Schwarz 2005, S. 124.
21 Rappe-Giesecke 1997, S. 149.
22 vgl. Herbst 2006, S. 54.
23 Als intrinsische Motive werden solche bezeichnet, die in der Person selbst liegen. Ein Ver- halten wird demnach auch dann begonnen und aufrechterhalten, wenn mit ihm keine externen Belohnungen (wie z. B. Status oder finanzielle Entlohnung) einhergehen. Vgl. Purtschert 2005, S. 298.
24 Einen detaillierten Einblick über den Umfang der Beschäftigung von Ehrenamtlichen in NPOs geben Badelt, Meyer und Simsa 2007, S. 27 ff.
25 vgl. Horak, Matul, Scheuch 2007, S. 180.
26 Besonders deutlich wird dies in der von Merchel beschriebenen Qualitätsdebatte der Sozialen Arbeit (vgl. Merchel 2004, S. 16 ff.).
27 Alternativ sei auf das Akronym SMART hingewiesen, das im Projektmanagement eingesetzt wird, um Ziele zu definieren: S = Spezifisch; M = Messbar; A = Akzeptabel; R = Realistisch; T = Terminiert.
28 vgl. Kapitel 5.
29 vgl. Purtschert 2005, S. 114.
30 vgl. Badelt et al. 2007, S. 27.
31 vgl. Badelt et al. 2007, S. 22.
32 vgl. Badelt und More-Hollerweger 2007, S. 508.
33 Quelle: Dahle und Schrader 2003, S. 23.
34 ARGE= Gemäß §44b SGB II können bei der Verwaltung von Leistungen nach dem 2. Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende, Arbeitslosengeld II) Arbeitsagenturen und kommunale Träger Arbeitsgemeinschaften nach privatem oder öffentlichem Recht bilden, die als ARGE bezeichnet werden.
35 vgl. Dahle und Schrader 2003, S. 91 ff. sowie Hofemann 2001, S. 40 und Finis-Siegler 1996, S. 25 ff.
36 vgl. insbesondere hierzu Hofemann 2001, S. 42.
37 Beispielsweise die im 78a SGV VIII definierten Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung oder die Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (AZWV).
38 vgl. Kapitel 2.2
39 Die Abbildung ist angeregt durch Purtschert 2005, S. 61.
40 vgl. Bruhn 2007, S. 31.
41 vgl. Schwarz et al. 2005, S. 52.
42 Quelle: Autor.
43 Das so genannte „doppelte Mandat“ wird im letzten Kapitel dieser Arbeit noch einmal aufgegriffen und durch Beispielen aus dem NPO-Alltag unterstützt.
44 Ponds Großwörterbuch.
45 vgl. Kroehl 2000, S. 28.
46 Herbst 2006, S. 19.
47 Birkigt, Stadler und Funk 2002, S. 18.
48 vgl. ebd. S. 59.
49 Buß und Fink-Heuberger 2000, S. 35.
- Arbeit zitieren
- M. A. Stefan Gesmann (Autor:in), 2008, Die Bedeutung des Konzepts der Corporate Identity für das Marketing in Non-Profit-Organisationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93557
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