Die Gesundheit ist dem Menschen ein hohes, vielleicht sogar das höchste Gut. Sie zu fördern und zu schützen ist essentieller Bestandteil des gemeinschaftlichen Zusammenlebens und damit auch Verpflichtung des Staates. Alarmierende Berichte sowohl in der Fach- als auch der Tagespresse weisen darauf hin, dass die Menschen aufgrund wachsender Industrialisierung und technischer Ausdehnung einem höheren gesundheitlichen Gefährdungspotential gegenüberstehen. Neben bedeutenden sozialpolitischen Problemen wie Lärm am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr, rückt seit einigen Jahren die Relevanz von Gesundheitsrisiken durch Freizeitlärm in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Epidemiologische Untersuchungen an Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die noch keiner beruflichen Lärmbelastung ausgesetzt waren, lassen steigende Zahlen mit nachweisbaren, irreversiblen Innenohrschäden erkennen.
Neben dem Problem der massiven Gefährdung von Kindern und Jugendlichen beim Benutzen von tragbaren Musikabspielgeräten mit Kopfhörern (z. B. Walkman) bei denen anhand von Untersuchungen Einstellungen mit einem mittleren Hörpegel von 100 Dezibel (dB(A)) festgestellt wurden, sieht der Bundesverband der HNO-Ärzte sowie die Bundesärztekammer ebenfalls die Verfügbarkeit der elektroakustischen Verstärkung von Musik in Diskotheken und bei Musikgroßveranstaltungen als wesentliche Ursache.4 Nach einer Projektstudie zu Diskothekenveranstaltungen durch die TU Dresden, Institut für Arbeitsingenieurwesen, sind Mittlungspegel zwischen 102 dB(A) und 112 dB(A) ermittelt wurden. Vergleichsweise ist somit die Schallbelastung deutlich höher, als die durch eine mit Lastkraftwagen stark befahrene Autobahn oder die durch eine Bohrmaschine verursachten Geräusche.5 Während im Berufsleben harte Grenzwerte für Schallbelastungen existieren, wird dem hochintensiven Schall im Musikkonsum weder umfassend auf EU-Ebene noch einheitlich durch das deutsche Rechtssystem entgegen gewirkt.
Inhalt dieser Diplomarbeit soll deshalb vordergründig die generelle Bewältigung der Problematik einer Vereinheitlichung des Gesetzesvollzugs sein und nicht die Möglichkeit von Maßnahmen im Einzelfall, z. B. durch entsprechende Auflagen an die Betreiber von Gaststätten. Ebenfalls soll nur der Bezug zu den Besuchern von Diskotheken hergestellt werden. Somit bleiben Rückschlüsse u. a. auf Angestellte und folglich Fragen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung unberücksichtigt.
Inhalt
Anlagenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einführung in die Problematik
1.1 Einleitung
1.2 Lärm
1.3 Gesundheitliche Aspekte
1.4 Musikschallpegel in Diskotheken
2. Rechtslage
2.1 Gesundheitsschutz
2.2 Immissionsschutz
2.3 Gewerbe- und Gaststättenrecht
2.4 Polizeirecht
3. Zuständigkeit
4. Rechtmäßigkeit einer Polizeiverordnung
5. Regelungsinhalt
6. Weg zur Verordnung
7. Ergebnis
Thesen
Literaturverzeichnis
Normen und Richtlinien
Rechtsprechung
Anlagenverzeichnis
Anlage 1
Vergleichswerte
Quelle: Sächsische Zeitung, Disko- und Straßenlärm machen auf Dauer krank, 18./19.03.2000
Anlage 2
Laute Freizeitbeschäftigungen 18- bis 19jähriger im Jahr 1993
Quelle: HNO 47, 1999, S.240
Anlage 3
Anteile 18jähriger Rekruten mit Hochtonsenken (3-8 kHz) über 20 dB
Quelle: HNO 47, 1999, S.245
Anlage 4
Mittelungspegel auf der Tanzfläche in Diskotheken
Quelle: Umweltbundesamt, WaBoLu-Heft 03/2000, S. 31
Anlage 5
Verordnung
über den Schutz des Publikums von Veranstaltungen vor
gesundheitsgefährdenden Schalleinwirkungen und Laserstrahlen
(Schall- und Laserverordnung)
Quelle: SR 814.49
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einführung in die Problematik
1.1 Einleitung
Die Gesundheit ist dem Menschen ein hohes, vielleicht sogar das höchste Gut. Sie zu fördern und zu schützen ist essentieller Bestandteil des gemeinschaftlichen Zusammenlebens und damit auch Verpflichtung des Staates.[1]
Alarmierende Berichte sowohl in der Fach- als auch der Tagespresse weisen darauf hin, dass die Menschen aufgrund wachsender Industrialisierung und technischer Ausdehnung einem höheren gesundheitlichen Gefährdungspotential gegenüberstehen.[2] Neben bedeutenden sozialpolitischen Problemen wie Lärm am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr, rückt seit einigen Jahren die Relevanz von Gesundheitsrisiken durch Freizeitlärm in den Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion. Epidemiologische Untersuchungen an Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die noch keiner beruflichen Lärmbelastung ausgesetzt waren, lassen steigende Zahlen mit nachweisbaren, irreversiblen Innenohrschäden erkennen.[3] Nach Schätzungen des Umweltbundesamtes ist bei jedem vierten deutschen Jugendlichen das Gehör durch überlaute Musik beeinträchtigt. Dabei treten zwei Ursachen besonders hervor.
Neben dem Problem der massiven Gefährdung von Kindern und Jugendlichen beim Benutzen von tragbaren Musikabspielgeräten mit Kopfhörern (z. B. Walkman) bei denen anhand von Untersuchungen Einstellungen mit einem mittleren Hörpegel von 100 Dezibel (dB(A)) festgestellt wurden, sieht der Bundesverband der HNO-Ärzte sowie die Bundesärztekammer ebenfalls die Verfügbarkeit der elektroakustischen Verstärkung von Musik in Diskotheken und bei Musikgroßveranstaltungen als wesentliche Ursache.[4] Nach einer Projektstudie zu Diskothekenveranstaltungen durch die TU Dresden, Institut für Arbeits-ingenieurwesen, sind Mittlungspegel zwischen 102 dB(A) und 112 dB(A) er-mittelt wurden. Vergleichsweise ist somit die Schallbelastung deutlich höher, als die durch eine mit Lastkraftwagen stark befahrene Autobahn oder die durch eine Bohrmaschine verursachten Geräusche.[5] Während im Berufsleben harte Grenzwerte für Schallbelastungen existieren, wird dem hochintensiven Schall im Musikkonsum weder umfassend auf EU-Ebene noch einheitlich durch das deutsche Rechtssystem entgegen gewirkt.
Die Praxis zeigt, dass dieses Problem bereits international bekannt ist und Regelungen nach sich gezogen hat. So gelten diesbezüglich u. a. in Frankreich und in der Schweiz gesetzliche Pegelbegrenzungen.[6]
Durch die Bundesärztekammer wurde im April 1999 wiederholt gefordert, dass die Schalldruckpegel in Diskotheken durch den Gesetzgeber auf 90 bis 95 dB(A) zu begrenzen sind.[7]
Inhalt dieser Diplomarbeit soll deshalb vordergründig die generelle Bewältigung der Problematik einer Vereinheitlichung des Gesetzesvollzugs sein und nicht die Möglichkeit von Maßnahmen im Einzelfall, z. B. durch entsprechende Auflagen an die Betreiber von Gaststätten. Ebenfalls soll nur der Bezug zu den Besuchern von Diskotheken hergestellt werden. Somit bleiben Rückschlüsse u. a. auf Angestellte und folglich Fragen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung unberücksichtigt. Die Drittwirkung von Grundrechten wird nicht erörtert.
1.2 Lärm
Lärm wird oft als unerwünschter Schall bezeichnet. Entsprechend dieser Aus-legung wäre laute Musik, die dem Hörenden gefällt, kein Lärm. Tatsächlich definiert der Begriff den hörbaren Schall, der zu Belästigungen oder zu Beein-trächtigungen und Schädigungen der Gesundheit führen kann.[8] Werden diese Folgen durch Musik ausgelöst, ist sie demnach dem negativ belegten Begriff „Lärm“ zuzuordnen. Dieser lässt sich nicht direkt messen, sondern wird ermittelt anhand der auftretenden Geräusche bzw. des Schalldruckpegels. Schall entsteht durch Schwingungen einer Schallquelle, z. B. Lautsprechermembran, die sich auf das Medium übertragen. Die Maßangabe erfolgt in Bel (B) oder B/10 auch Dezibel (dB) genannt. Töne gleichen Schalldrucks aber unterschiedlicher Schallhöhe werden unterschiedlich laut empfunden. Diese Frequenzabhängigkeit wird durch eine entsprechende Bewertung und rechnerische Kompensation berücksichtigt, die man als dB(A) bezeichnet. Eine Dezibelskala erfasst die Schallintensität von der Hörschwelle bis zur Schmerzgrenze des menschlichen Ohres. Diese Werte liegen zwischen 0 und 130 dB(A). Aufgrund des logarithmischen Skalenaufbaus entspricht die Erhöhung des Schallpegels um 3 dB einer Verdopplung der Schallintensität und damit auch der Gehörgefährdung.[9] Anders ausgedrückt bedeutet eine zweistündige Belastung mit 93 dB(A) die gleiche Gehörgefährdung wie eine vierstündige Belastung mit 90 dB(A).
Untersuchungen haben ergeben, dass eine Reduzierung des Schalldruckpegels um 10 dB(A), subjektiv die Reduzierung der Lautstärke um die Hälfte bewirkt.
1.3 Gesundheitliche Aspekte
Für Schädigungen des Hörorganes ist der mit dem Schall auf das Ohr übertragene Energiebetrag entscheidend, der sich aus dem Produkt von Leistung und Zeit zusammensetzt. Somit kommt es nicht einzig auf die Schallintensität an, sondern ebenfalls auf die Verweilzeit an lärmbelasteten Orten.[10] Aus diesen Expositionsgrößen lässt sich die mittlere wöchentliche Schalldosis als energieäquivalenter Dauerschallpegel, auch Beurteilungspegel genannt, berechnen. Liegt dieser unter 85 dB(A), ruft er mit hoher Wahrscheinlichkeit keine erheblichen Beeinträchtigungen hervor.[11] Wird dieser Wert geringfügig überschritten oder setzt man sich kurzzeitig intensiver Belastung durch Impulslärm aus, hat dies zunächst eine reversible, also zeitweilig eingeschränkte Funktionsfähigkeit zur Folge. Das Risiko, eine irreversible Innenohrschädigung durch Lärmeinwirkung zu erleiden, steigt mit der Höhe und Dauer der Belastung. Dabei ist auf verschiedene Faktoren innerhalb des sozialen Umfeldes zu achten. Unter anderem darauf, inwieweit man sich beruflich exponiert. Bereiche in denen der ortsbezogene Beurteilungspegel 85 dB(A) erreicht oder überschreitet, sind Lärmbereiche im Sinne der Unfallverhütungsvorschrift „Lärm“.[12] In diesen sind den Beschäftigten Schutzmaßnahmen anzubieten. Erreicht der Beurteilungspegel 90 dB(A), ist in Betrieben die Kennzeichnung dieser Bereiche erforderlich und die Prävention durch Schutzmaßnahmen unabdingbar.[13] Jene sind allerdings auch nur dann wirksam, wenn die entsprechenden Erholungszeiten eingehalten werden. Doch gerade diese relativieren sich durch den stetig wachsenden Umgebungslärm sowie lärmintensive Freizeitbeschäftigungen.[14] Bei einer Belastung von 85 dB(A) für 8 Stunden pro Tag, bedarf es 16 Stunden Erholungszeit mit Schallpegeln unter 70 dB(A) um Hörschäden vorzubeugen.[15] Allen Schädigungen ist es gemein, dass sie zu einer permanenten Hörschwellenanhebung führen können. Bei etwa 30 % der Lärmschwerhörigen tritt zudem chronisches Ohrenpfeifen oder Rauschen (Tinnitus) auf.
In den letzten Jahren ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die noch nie in Lärmbereichen beschäftigt waren, ein Anstieg von Fällen mit einer deutlichen Verminderung des Hörvermögens beobachtet worden.[16] Bei einer repräsentativen Befragung von 505 jungen Erwachsenen in Deutschland im Jahr 1993 waren Diskothekenbesuche und lautes Musikhören die häufigsten Antworten hinsichtlich einer lauten Freizeitbeschäftigung.[17] Im gleichen Zeitraum führten audiometrische Untersuchungen an norwegischen Militärrekruten zu dem Ergebnis, dass durchschnittlich ein Drittel der Untersuchten auffällige unilaterale bzw. bilaterale Innenohrhörverluste von wenigstens 20 dB in den für lärmbedingte Hörschäden typischen mittleren Frequenzbereichen aufwiesen.[18] Diese Daten beruhen auf jeweils mehr als 30000 Audiogrammen pro Jahrgang.
Die das Hörorgan betreffende Schädigung stellt dabei die einzige spezifisch nachgewiesene irreversible Lärmkrankheit dar. Darüber hinaus sind aber weitere medizinische Zusammenhänge erwähnenswert. So bewirken Hörschwellen-anhebungen die Abnahme der Verständlichkeit von Silben, während die Sätze verständlich bleiben. Dies erfordert eine höhere Aufmerksamkeit und psychische Anspannung, was sich wiederum auf den Blutdruck und die Konzentration des Stresshormons Noradrenalin im Blut auswirkt. Die sich daraus ergebenden Folgen können ein erhöhtes Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie eine beschleunigte Alterung des Herzens bis hin zum Herzinfarkt darstellen.
Führende Wissenschaftler prognostizieren, dass die heutigen Hörgewohnheiten von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen bei etwa zehn Prozent irreversible Hörverluste von 10 dB und mehr in mittleren Frequenzbereichen erwarten lassen. Dies heißt, die Zahl der Lärmschwerhörigen nimmt für eine Altersgruppe zu, die der besonderen Fürsorge von Ärzten, Gesellschaft und Staat bedarf. Therapieverfahren zur Heilung einer lärminduzierten Innenohr-schwerhörigkeit gibt es nicht. Zur partiellen Rehabilitation stehen einzig Hörgeräte sowie elektronische Hörimplantate zur Verfügung.[19] Das die Folgekosten durch die krankheitsbedingten Ausfälle, Arbeitsplatzumsetzungen, Gehörvorsorgeuntersuchungen und Berufskrankheitsrenten für die Kranken-kassen, Berufsgenossenschaften und Betriebe enorm sind ist nur ein Indiz, dass eine wirksame Prävention aus medizinischen, gesundheitspolitischen und gesundheitsökonomischen sowie Gründen des Jugendschutzes unerlässlich ist. Darüber hinaus sind in der Freizeit erworbene Gehörschäden nicht nur für die persönliche Entfaltung im Privatleben bedeutsam, sondern können auch negative Folgen für das spätere Berufsleben haben. Auch stellt die, aufgrund der Schwerhörigkeit nachgewiesene, kommunikative Isolation eine Störung der zwischenmenschlichen Beziehungen dar.[20]
1.4 Musikschallpegel in Diskotheken
Lärmmessungen die stichprobenartig bei Live-Musikveranstaltungen und in Diskotheken durchgeführt wurden, führten zu Musikschallpegeln zwischen 90 und 110 dB(A) wobei das Verteilungsmaximum deutlich über 100 dB(A) lag.[21]
Auch das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie unterstützte in diesem Zusammenhang einzelne Projekte des Instituts für Arbeitsingenieurwesen der Technischen Universität Dresden, über einen Zeitraum
von 1997 bis 2000. Ziel dieser Untersuchungen war in erster Hinsicht eine Abschätzung der Relevanz gesundheitsschädigender Wirkungen von Diskothekenmusik sowie Möglichkeiten zur Verminderung von Gehörschäden Jugendlicher.[22] Die dabei gewonnenen Erkenntnisse belegen vielmehr sogar höhere Mittlungspegel zwischen 102 dB(A) und 112 dB(A).
Auch wurde ein ansteigen der Lautstärke über die Nacht hinweg festgestellt, und zwar im Mittel um 2 dB pro Stunde.[23] Zunehmender Alkoholkonsum und das Einsetzen temporärer Vertäubung, sowohl bei den Betreibern elektroakustischer Beschallungsanlagen, als auch bei den Gästen, spielen dabei eine Rolle. Eine repräsentative Erhebung zwischen 1980 und 1990 aus Großbritannien zeigt zudem, dass der Anteil der Jugendlichen, der lauten Freizeitaktivitäten nachging, um mehr als das Vierfache angestiegen war.[24] Zahlreiche Auswertungen belegen ebenfalls ein Zunehmen der Besuchshäufigkeit von Diskotheken durch Jugendliche gleicher Altersgruppen in den letzten Jahren. Ebenso steigt diese in Form von altersspezifischen Summenhäufigkeiten. Das heißt, dass die Besuchs-häufigkeit von Jugendlichen zwischen dem zwölften und dem zwanzigsten Lebensjahr zunimmt. Danach sinkt sie wieder.[25] Die durchschnittliche Besuchs-häufigkeit der Klasse Zwölf- bis Zwanzigjähriger wird in der Literatur mit cirka einmal pro Woche angegeben, wobei sich der Mittelwert (Median) bei etwa zweimal pro Monat bewegt. Das heißt, eine Randgruppe von Besuchen exponiert sich wenigstens achtmal pro Monat in einer Diskothek. Die mittlere Aufenthalts-dauer eines Diskothekenbesuchs wird in den verschiedenen Untersuchungen mit drei bis vier Stunden angegeben.[26]
Zieht man die gewonnenen Informationen zur Abschätzung eines Gehörschadenrisikos heran und beruft sich dabei „nur“ auf einen Mittelungspegel von 100 dB(A) sowie eine vierstündige Aufenthaltszeit pro Woche in einer Diskothek, so ergibt sich daraus das gleiche Gehörschadenrisiko wie bei einem Beurteilungspegel von 90 dB(A) über eine vierzigstündige Arbeitswoche hinweg, in welcher entsprechend der Unfallverhütungsvorschrift Lärm das Tragen eines Gehörschutzes vorgeschrieben ist.[27]
2. Rechtslage
2.1 Gesundheitsschutz
Für die Einrichtung von Diskotheken gelten eine Vielzahl von relevanten Normen hinsichtlich bau- und brandschutzrechtlicher, sicherheits- und hygienetechnischer Aspekte sowie der Relevanz von Umgebungs- und Nachbarschaftslärm. Trotzdem die Problematik gehörgefährdender Musikschallpegel in Diskotheken und bei anderen Musikveranstaltungen seit über 20 Jahren bekannt ist und zahlreiche Untersuchungen in diesem Themenbereich die gesundheitliche Bedeutsamkeit nachgewiesen haben, wurde der legislativen Dringlichkeit keine Beachtung zuteil. Eine solche Normierung würde in verschiedene Anwendungsbereiche hinein-greifen. So sind insbesondere Fragen des Gesundheitsrechts, aber auch des Immissionsrechts, Gewerberechts und Sicherheits- und Ordnungsrechts betroffen.
Das Gesundheitswesen bzw. der Gesundheitsdienst beinhaltet die Gesamtheit der die öffentliche Gesundheit betreffenden Einrichtungen und Vorgänge.
Auf dem Gebiet des Gesundheitswesens hat der Bund zwar keine umfassende Gesetzgebungszuständigkeit, im praktischen Ergebnis erfassen aber die von ihm erlassenen Regelungen für die ihm im Grundgesetz (GG) zugewiesenen Einzel-bereiche fast das gesamte materielle Recht des Gesundheitswesens und wesentliche Teile des Verwaltungsverfahrens (Art. 74 Nr. 19, 19a, 20 GG; Heilkunde, Ärzte, Apothekenwesen, Arznei- und Betäubungsmittel, übertragbare Krankheiten, Infektionen, Strahlenschutz u. s. w.).
Für die Beantwortung der Frage, ob die Gesetzgebungskompetenz für die Regelungsmaterie „Gesundheitsschutz“ bezüglich der vorliegenden Aufgaben-stellung dem Bund oder den Ländern obliegt, bedarf es einer tiefgründigeren Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Grundgedanken. Der Äußerung des Umweltbundesamtes in der Pressemitteilung Nr. 17/97 „Musiklautstärke runterdrehen“, dass der Gesundheitsschutz eine Aufgabe der Länder ist, kann ich nur teilweise folgen.
Der Gesundheitsschutz ist, neben der Gesundheitshilfe und der Aufsicht über Berufe und Einrichtungen des Gesundheitswesens, nur einer der drei größeren Bereiche des Gesundheitsdienstes. Der Gesundheitsschutz umfasst die Gesamtheit der gesundheitsfördernden und gesundheitserhaltenden Maßnahmen. Im Rahmen des Gesundheitsschutzes ist aber auch die Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten wesentliche Aufgabe. Dieser Sachverhalt unterliegt der konkurrierenden Gesetzgebung und wurde bereits durch den Bundesgesetzgeber im Gesetz über die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz) geregelt.[28] Somit besitzen die Landesgesetz-geber keine generelle Befugnis, den Bereich des Gesundheitsschutzes umfassend zu regeln.
Bei der Betrachtung der im Grundgesetz festgeschriebenen Normen über die Zuständigkeiten zur allgemeinen Gesetzgebung (Art. 30, 70 ff, 83 GG) könnte man davon auszugehen, dass diese Problematik dem Regelungsbereich der öffentlichen Fürsorge, gemäß Art. 74 Nr. 7 GG, zuzuordnen ist und somit generell der konkurrierenden Gesetzgebung unterliegt. Richtungsweisend für die Fürsorgegesetzgebung ist das in Art. 20 Abs. 1 GG verankerte Sozialstaatsprinzip. Bund und Länder sind diesem Prinzip gleichermaßen verpflichtet, wobei sich die Länder angesichts ihres jeweiligen Verfassungsrechts teilweise in höherem Maße dazu verpflichten. Der Gesundheitsschutz ist seinem Wesen nach eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge und der Gefahrenabwehr. Er soll vor Gefahren für Leib und Seele schützen und ist somit grundlegender Bestandteil staatlicher Schutzverpflichtung. Keinen Sinn aber macht es, den Begriff der „öffentlichen Fürsorge“ mit dem der „Daseinsvorsorge“ gleichzusetzen, da der Begriff der Daseinsvorsorge, der auf ausgreifende Leistungsverwaltung deutet und auch der Staatsaufgabenlehre zugehört, ohne kompetenzrechtlichen Gehalt ist.[29]
Der Begriff der öffentlichen Fürsorge ist unter Berücksichtigung der Tradition dieses Begriffs in der deutschen Rechtssprechung weit auszulegen.[30] Die Kompetenzvorschrift für die öffentliche Fürsorge bezieht sich in erster Linie auf öffentliche Hilfeleistungen in wirtschaftlichen Notlagen. Dabei umfasst der Begriff aber auch präventive Maßnahmen zum Ausgleich von Notlagen und besonderen Belastungen sowie Vorkehrungen gegen die Gefahr der Hilfs-bedürftigkeit. Dies beinhaltet nicht nur das Erbringen materieller Fürsorge-leistungen, sondern auch organisatorische Bestimmungen und Abgrenzungen sowie Zwangsmaßnahmen.[31] Zur Kompetenz nach Art. 74 Nr. 7 des Grund-gesetzes gehören daher fürsorgerische Schutzgesetze, wie das Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit oder das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften.[32]
Darüber hinaus zählt das Bundesverfassungsgericht zur öffentlichen Fürsorge aber nicht nur die Jugendfürsorge im engeren Sinne, sondern auch die Jugendpflege einschließlich förderrechtlicher Aspekte. Dadurch werden die Grenzen zwischen der Fürsorge, als Hilfe oder Vorbeugung gegen Hilfsbedürftigkeit, und all-gemeiner staatlicher Daseinsvorsorge fließend. In der Begrenzung auf Maßnahmen gegen konkrete Hilfsbedürftigkeit oder konkrete Gefährdung kann keine entscheidende Beschränkung der Kompetenz gesehen werden. Angesichts der Einbeziehung von allgemeinen Vorbeugungsmaßnahmen, beispielsweise der Jugendpflege, ist fraglich, wo die Grenze gegenüber Daseinsvorsorgemaßnahmen, wie der Errichtung und dem Betrieb von Kindergärten, Schulen, Ehe- und Erziehungsberatungsstellen u. s. w. oder überhaupt gegenüber Daseinsvorsorge-maßnahmen der öffentlichen Hand liegt.
Da die Kompetenz nach Art. 74 Nr. 7 GG aus sich selbst heraus nur schwer abzugrenzen ist, gewinnen die allgemeinen Erwägungen über die Begrenzung der Kompetenznormen umso größere Bedeutung. Entscheidend muss sein, dass der Zusammenhang zwischen den vorbeugenden Fürsorgemaßnahmen und konkreter Hilfsbedürftigkeit oder Gefährdung nicht zu lose wird.[33] Die Kompetenz kann nur solche Vorbeugemaßnahmen erfassen, die so eng mit der Hilfe oder Vorbeugung für konkrete Notlagen und Gefährdung zusammenhängen, dass sie sich nicht sinnvoll davon trennen lassen. Demnach scheiden aus der Kompetenz des Art. 74 Nr. 7 GG vor allem Gesetze aus, die der Krankenversorgung, der Seuchen-bekämpfung oder in sonstiger Weise in erster Linie dem Gesundheitswesen dienen.
Angewandt auf die zugrundeliegende Thematik der Lärmbekämpfung lässt sich sagen, dass jugendschutzrechtliche Aspekte der Kompetenz des Art. 74 Nr. 7 GG zuzuordnen wären und somit der konkurrierenden Gesetzgebung von Bund und Ländern unterliegen könnte. Das Zuordnen allumfassender gesundheitsrechtlicher Schutzbedürfnisse der Allgemeinheit zu diesem Punkt scheint aber nicht dem verfassungsrechtlichen Grundgedanken des Art. 74 Nr. 7 GG zu entsprechen.
Die Kompetenz für solche Gesetze richtet sich einzig nach Art. 74 Nr. 19 und 19 a GG. Die Entscheidung der Verfassung, dem Bund für das Gesundheitswesen nur in eingeschränktem Maße Gesetzgebungskompetenz zuzuweisen, darf nicht durch eine erweiterte Auslegung der Gesetzgebungskompetenz für die öffentliche Für-sorge unterlaufen werden. Wegen dieser Einschränkung für das Gesundheits-wesen darf z. B. keine strukturelle Veränderung des Gesundheitswesens in den Ländern bzw. jedwede staatliche Wohlfahrtspflege auf Nr. 7 gestützt werden. Bei der Abgrenzung des Art. 74 Nr. 7 GG muss m. E., angesichts der weiten Auslegung, zudem der allgemeine Grundsatz der besonderen Zurückhaltung beachtet werden, wenn die Kompetenz in Bereiche hineinragt, von denen anhand der Kompetenzkataloge der Art. 73 ff. GG deutlich wird, dass sie im wesentlichen oder weitgehend in der Zuständigkeit der Länder bleiben sollen.
Die Problematik der Lärmbekämpfung lässt sich aber ebenfalls nicht auf die, das Gesundheitswesen verfassungsrechtlich verankernden Nummern 19 und 19a des Art. 74 GG zur Gesetzgebungskompetenz, anwenden. Dem Bund steht nach Art. 74 Nr. 19 GG die Gesetzgebung gegen bestimmte, in Bundesgesetzen näher umschriebene, Krankheiten zu. Die Ausprägung dieser Nummer richtet sich dabei weitgehend an Gesetze, die bereits bei Inkrafttreten des Grundgesetzes bestanden und später teilweise neu gefasst worden.
Die Begriffe im Grundgesetz sowie in den einschlägigen Gesetzen stehen in Wechselwirkung. Begriffliche Änderungen der Gesetze müssen dem Begriffsbild entsprechen, das durch die Gesetze herkömmlich vorgeprägt ist. Der Regelungs-inhalt des Art. 74 Nr. 19 GG beschränkt sich auf solche Maßnahmen gegen Krankheiten, die gemeingefährlich oder übertragbar sind.[34] Eine Legaldefinition des Begriffs „allgemeingefährlich“ gibt es nicht. Darunter zu verstehen sind aber nur schwere Erkrankungen, d. h. jene, die das Leben von Menschen und Tieren bedrohen oder zu schweren gesundheitlichen Schäden führen. Dies darf nicht nur vereinzelt auftreten. Die Ansteckungsgefahr ist diesbezüglich nicht ausschlag-gebend. Darunter fällt z. B. der Krebs und die in diesem Zusammenhang notwendigen obligatorischen Vorsorgeuntersuchungen gegen diese Krankheit. Die obligatorische Vorsorgeuntersuchung gegen Zahnerkrankungen wäre dagegen kompetenzmäßig nicht durch den Art. 74 Nr. 19 GG gedeckt.[35]
Obwohl sich die Gefahren von Zahnerkrankungen ebenso folgenreich für den Einzelnen darstellen können und zweifellos Aspekte des Gesundheitsschutzes vorliegen, ergibt sich daraus keine Gesetzgebungsermächtigung durch den Bund. Zwar lassen sich nicht nur oberflächliche Gefahren im Zusammenhang mit der zu regelnden Materie des Lärmschutzes in der Freizeit finden und auch schwere Gesundheitsschäden nachweisen, eine Zugrundelegung des Art. 74 Nr. 19 GG erscheint aber in diesem Zusammenhang offensichtlich nicht als verhältnismäßig.
Das hat zur Konsequenz, dass eine zu regelnde Materie des Gesundheitsschutzes, die den Rahmen zum Schutze von Kindern und Jugendlichen übersteigt, der Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 30, 70, 83 GG zuzuordnen ist. Bezüglich einer generellen Regelung zum Schutze der Verbraucher vor Lärm bei öffentlichen Veranstaltungen, insbesondere Diskotheken, stehen diese gesund-heitsschutzrechtlichen Ausführungen denen zum Schutze vor Immissionen entgegen, was wiederum teilweise dem Kompetenzbereich des Bundes zuzuordnen ist. Deshalb wäre es in diesem Zusammenhang notwendig, weiterreichende Kriterien zu beachten.[36]
2.2 Immissionsschutz
Das Umweltrecht in seiner heutigen Ausprägung wird durch zahlreiche Gesetze und Regelungen präfektiert, die sich über orts-, landes- und bundesrechtliche Grenzen bis in das Europarecht hinein vollziehen. Neben Abfall-, Gewässer- und Bodenrecht, bildet das Immissionsschutzrecht ein Kernstück dieser Materie.
In diesem Zusammenhang bewirkt das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) den verfassungsmäßigen Konsens zum Schutz der Menschen, Tiere und Pflanzen vor schädlichen Umwelteinwirkungen.[37] Dabei umfasst es generelle Anforderungen und Bestimmungen an Emission und Immission. Somit findet das BImSchG sowohl Anwendung bei bau- und planungs-rechtlichen Regelungen, herstellungs- und wirtschaftstechnischen Anforderungen, als auch bei verkehrs- und ordnungsrechtlichen Bestimmungen.
Schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbei-zuführen.[38]
Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit und die Erheblichkeit schädlicher Umwelteinwirkungen werden in der Literatur sehr unterschiedlich gedeutet. Um konkret schädliche Umwelteinwirkungen geht es bei der sogenannten Schutz- und
Abwehrpflicht. Diese konstituiert sich zum einen aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG mit dem Zweck der Prävention vor Gefahren für die Allgemeinheit und bestimmte Dritte. Durch das gleichzeitige Verankern der Vermeidung erheblicher Nachteile und Belästigungen, über den klassischen, polizeirechtlichen Begriff der Gefahrenabwehr hinaus, wird der Schutzmaßstab des BImSchG hinsichtlich der Abstraktionsmöglichkeiten von bestimmten konkreten Umständen im Einzelfall gewährleistet.[39] Neben dem körperlichen Wohlbefinden wird dabei auch das seelische und soziale Wohlbefinden im Sinne einer menschenwürdigen Lebensqualität erfasst.[40]
Zum anderen begründet in gleicher Weise § 22 Abs. 1 BImSchG den Grund-gedanken der Schutz- und Abwehrpflicht. Inhaltlich ist auch hier, mittels einer Anwendung des § 3 Abs. 1 BImSchG, der Schutzmaßstab nicht auf die Gefahren-abwehr beschränkt, sondern umfasst ebenfalls die Vermeidung erheblicher Nach-teile und erheblicher Belästigungen. Damit bezieht sich die Abwehrpflicht auf die betroffenen Schutzgüter in der Umgebung und folgt dem Immissionsprinzip des BImSchG.
Hinsichtlich der Geeignetheit schädlicher Umwelteinwirkungen, stellt die wohl überwiegende Autorenmeinung in der Literatur auf die potentiell schadens-verursachenden Eigenschaften ab. Danach kommt es nicht allein auf die Abwehr konkreter Gefahren an, sondern vielmehr auf die Vermeidung von Gefahrenlagen. Andere Ansichten setzen dagegen den Begriff der Eignung mit hypothetischer Wahrscheinlichkeit gleich.[41] Nach § 3 Abs. 2 BImSchG zählen zu Immissionen auch Geräusche, also Lärm. Geräusche setzt man, entsprechend der Intension des Gesetzgebers sowie nach der Auffassung von Rechtsprechung und Literatur, dann umweltschädlichen Einwirkungen gleich, wenn diese den Betroffenen billiger-weise nicht zugemutet werden können.[42] Die Zumutbarkeit von Geräuschen wird dabei wesentlich durch den Faktor der Belästigung der Betroffenen bestimmt. Das Maß der Lästigkeit bestimmt sich anhand der durch die Lärmforschung nachgewiesenen objektiven Merkmale. Zu diesen zählen, neben Schallpegel, Einwirkungsdauer und Frequenzzusammensetzung, auch die Ortsüblichkeit und Tageszeit des Auftretens. Auf der Grundlage dieser objektivierbaren Faktoren sind Immissionswerte gebildet wurden, die als Maßstab für eine Geräuschbelastung in der jeweiligen Sachlage quantifizierbar sind, d. h., anhand dazugehöriger Meß- und Berechnungsverfahren ermittelt werden können. Die Immissionswerte und deren Quantifizierbarkeit bilden hinsichtlich der schädlichen Umwelteinwirkungen eine funktionale Einheit.[43]
Neben diesen objektivierbaren Faktoren sind für die Lästigkeit von Geräuschen auch individuell - subjektive Merkmale maßgebend, die sich in der Person der Betroffenen begründen. Diese sind weder messtechnisch erfassbar noch einer standardisierten Beurteilung zugänglich und somit in den Immissionswerten und Meß- und Berechnungsverfahren nicht berücksichtigt.
Angewandt auf die hier zugrundeliegende Thematik stellt sich jedoch die Frage der Erheblichkeit und damit auch der Zumutbarkeit von Belästigungen m. E. insoweit nicht, da sich die Besucher freiwillig den Geräuschen aussetzen und sich folglich gerade nicht belästigt fühlen. Entsprechend findet somit nur § 3 Abs. 1 Variante 1 BImSchG Anwendung, die auf den Schutz vor Immissionen abstellt, welche geeignet sind, Gefahren für die Gesundheit hervorzurufen. Aufgrund der wissenschaftlichen Studien und Forschungen der letzten Jahre und den in diesem Zusammenhang nachgewiesenen lärmbedingten Gehörschädigungen, speziell während Veranstaltungen wie Diskotheken oder Konzerten, kann man zweifellos von erheblichen Folgen für die Gesundheit der Allgemeinheit, im besonderen für die Gesundheit jüngerer Menschen auszugehen.[44]
Nach Art. 2 Abs. 2, Art 1 Abs. 3 GG ist es die Pflicht aller staatlichen Gewalt, sich schützend und fördernd vor die Grundrechte, also auch die Gesundheit der Bürger zu stellen. Dieser Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen erfolgt im Allgemeininteresse und soll ein gleiches Maß für jeden Einzelnen garantieren.[45]
Maßgebend für die Anwendbarkeit auf die zu regelnde Problematik der Lärmbekämpfung in Diskotheken ist ebenfalls der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG konstituierte Anlagenbegriff. Dieser unterscheidet gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 1 und 2 BImSchG zum einen Betriebsstätten und andere ortsfeste Einrichtungen und zum anderen ortsveränderliche Einrichtungen. Gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 2 BImSchG zählen Geräte und Maschinen zu den Ortsveränderlichen. Diese müssen betrieben werden können, weshalb insbesondere einfache Werkzeuge und Sport- sowie Spielgeräte aus dem Anlagenbegriff herausfallen. Sie sind Erzeugnisse und damit allein dem dritten Teil des BImSchG unterworfen, mit der Folge, dass nur die Beschaffenheit, nicht ihre Benutzung bzw. ihr Betrieb geregelt werden können. Weiterhin müssen diese Einrichtungen technischer Natur sein, und zwar nach dem allgemeinen Sprachgebrauch. Damit sind nichtelektrische Musikinstrumente keine Anlagen, wohl aber Verstärker und die Kombination mehrerer dahingehend abgestimmter gegenseitig komplementärer Geräte, die in ihrer Gesamtheit in der Lage sind Emissionen zu erzeugen.[46]
Fraglich ist, inwieweit die Diskothek als Einheit dem § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG zuzuordnen ist. Zwar sind die akustiktechnischen Emittenten zum Betreiben einer Diskothek grundsätzlich ortsveränderlich, jedoch ist der Anlagenbegriff in diesem Sinne weit auszulegen. So werden selbst Baustellen, die über einen gewissen Zeitraum hinaus bestehen und geprägt werden durch ortsveränderliche Geräte und Maschinen als selbständige ortsfeste Einrichtungen angesehen und unterliegen damit dem BImSchG.[47] Als besonders wichtig erachtet § 3 Abs. 5 Nr. 1 BImSchG den Begriff der Betriebsstätte, welchem zweifelsfrei die Diskothek zuzuordnen ist.[48]
Ein weiterer Aspekt hinsichtlich der Anwendbarkeit des BImSchG ist die Unterscheidung in genehmigungsbedürftige und nicht genehmigungsbedürftige Anlagen. Nichtgenehmigungsbedürftige Anlagen sind all jene, welche dem BImSchG i. S. d. § 3 Abs. 5 unterliegen, soweit sie keiner Genehmigung nach § 4 bedürfen. Dabei kommt es vor allem darauf an, ob die Anlage entsprechend ihrer Art unter die Bestimmungen der 4. Bundes – Immissionsschutzverordnung fällt. Das ist vorliegend, bezogen auf den Fall des gewerberechtlichen Betreibens einer Diskothek, nicht ersichtlich, weshalb diese dem Komplex nicht genehmigungs-bedürftiger Anlagen zuzuordnen sind.
[...]
[1] u. a. Götz, Volkmar: Einzelne Bereiche der Staatstätigkeit, Handbuch des Staatsrechts, Band III: Das Handeln des Staates, 1988, S. 1014
[2] Umweltbundesamtes: Lautes Musikhören ist die häufigste Ursache für Gehörschäden bei Jugendlichen, Presse-Information 10/95
[3] Zenner, Hans-Peter: Gehörschäden durch Freizeitlärm, HNO 47, 1999, S. 236
[4] Länderarbeitsgruppe „Umweltbezogener Gesundheitsschutz“: Tagesordnung zur Sitzung am 9./10. Oktober 2000 in Hamburg
[5] Siehe Anlage 1
[6] Umweltbundesamt: Schallpegel in Diskotheken und bei Musikveranstaltungen, WaBoLu-Heft 03/2000, S. 53; Schweizerischer Bundesrat: Verordnung über den Schutz des Publikums von Veranstaltungen vor gesundheitsgefährdenden Schalleinwirkungen und Laserstrahlen, 24. Januar 1996
[7] Zenner, Hans-Peter: Schwerhörigkeit durch Freizeitlärm, Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 16, 1999
S. A 1053
[8] DIN 1320: Akustik-Grundbegriffe, Berlin 1969
[9] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Laut ist out, Broschüre, 2000, S. 3,
[10] Umweltbundesamt: Gehörschäden durch Musik in Diskotheken, Umweltmedizinischer Infor-mationsdienst 2/2000, S. 3,
[11] Zenner, Hans-Peter: Gehörschäden durch Freizeitlärm, HNO 47, 1999, S. 238
[12] Unfallverhütungsvorschrift Lärm (UVV Lärm), 01. Januar 1990 i. d. F. vom 01. Januar 1997
[13] Umweltbundesamt: Schallpegel in Diskotheken und bei Musikveranstaltungen, WaBoLu-Heft 03/2000, S. 27
[14] z. B.: Verkehrslärm, Gewerbelärm, Baulärm
[15] VDI, Richtlinie Nr. 2058, Beurteilung von Arbeitslärm in der Nachbarschaft, Berlin 1988
[16] Ising H.: Hörschäden bei jungen Berufsanfängern aufgrund von Freizeitlärm und Musik, 1988, S. 35–41
[17] Zenner, Hans-Peter: Gehörschäden durch Freizeitlärm, HNO 47, 1999, S. 240; siehe Anlage 2
[18] Mercier, Vlasta u. a.: Gehörgefährdung Jugendlicher durch überlauten Musikkonsum, Zeitschrift für Lärmbekämpfung, 1998, S. 17; siehe Anlage 3
[19] Zenner, Hans-Peter: Gehörschäden durch Freizeitlärm, HNO 47, 1999, S. 245; Kommission Soziakusis des Umweltbundesamt: Pegelbegrenzung in Diskotheken zum Schutz vor Gehör-schäden, Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz 8/2000, S. 642
[20] Zenner, Hans-Peter: Schwerhörigkeit durch Freizeitlärm, Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 16, 1999, S. A 1052
[21] siehe Anlage 4
[22] Joiko, Karin: Maßnahmen zur Verminderung der Gehörschäden Jugendlicher durch Disko-thekenmusik, Untersuchungsbericht des Institut für Arbeitsingenieurwesen der Technischen Universität Dresden, 2001
[23] Ising H.: Gehörgefährdung durch laute Musik, HNO 42, 1994, S. 465-466
[24] Umweltbundesamt: Gehörschäden durch Musik in Diskotheken, Umweltmedizinischer Infor-mationsdienst 2/2000, S.3
[25] Umweltbundesamt: Gehörschäden durch Musik in Diskotheken, Umweltmedizinischer Infor-mationsdienst 2/2000, S.4
[26] Umweltbundesamt: Schallpegel in Diskotheken und bei Musikveranstaltungen, WaBoLu-Heft 03/2000, S. 40
[27] Unfallverhütungsvorschrift Lärm (UVV Lärm), 01. Januar 1990 i. d. F. vom 01. Januar 1997
[28] Infektionsschutzgesetz (IfSG), BGBl. I S. 1045, 2000
[29] Isensee, Josef: DVBl. 1995, S.5; BVerwG, NVwZ 1986, S.755
[30] Vgl. u. a. BVerfGE 22, S. 212 f.; BVerfG, NJW 1993, S. 1751 ff.
[31] BVerfGE 58, S. 206 ff.
[32] siehe dazu u. a. BVerfGE 31, S. 113 ff.
[33] BVerfGE 22, S. 213
[34] Maunz / Düring: Kommentar zum Grundgesetz, Rdnr. 40 zu Art. 74 GG, 1994
[35] Maunz / Düring: Kommentar zum Grundgesetz, Rdnr. 211 zu Art.74 GG, 1994
[36] siehe 2.2 Immissionsschutz
[37] § 1 Bundes - Immissionsschutzgesetz (BImSchG), BGBl. I S. 880, 1990
[38] § 3 Absatz 1 Bundes – Immissionsschutzgesetz (BImSch), BGBl. I S. 880, 1990
[39] Herrmann, Nikolaus: Umweltrecht, 1998, S. 63, Rdnr. 137
[40] BVerwG, DVBl. 1987, S. 908
[41] Jarass, Hans D.: Kommentar zum Bundesimmissionsschutzgesetz, 1999, S. 85, Rdnr. 3 zu § 3 BImSchG
[42] Kutscheidt, Ernst: NVwZ 1989, S. 193
[43] OVG Lüneburg, NVwZ 1985, S. 357 f.
[44] Jarass, Hans D.: Kommentar zum BImSchG, 1999, S. 94, Rdnr. 31 zu § 3 BImSchG
[45] Herrmann, Nikolaus: Umweltrecht, 1998, S. 62, Rdnr. 135
[46] Jarass, Hans D.: Kommentar zum BImSchG, S. 106, Rdnr. 31 zu § 3 BImSchG, 1999
[47] Jarass, Hans D.: Kommentar zum BImSchG, S. 438, Rdnr. 9 zu § 22 BImSchG, 1999
[48] Pütz / Buchholz: Immissionsschutz bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen, S. 20, 1991
-
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X. -
Upload your own papers! Earn money and win an iPhone X.