Theoretische Herleitung einer wünschenswerten Ausgestaltung von Solvenzinformationen aus Sicht privater Versicherungsnehmer


Diplomarbeit, 2007

78 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Notwendigkeit aufsichtsrechtlicher Informationen zur Disziplinierung von Versicherungsunternehmen
2.1 Überblick
2.2 Merkmale des Versicherungsmarktes
2.3 Versicherungsmarkt und Informationen
2.3.1 Asymmetrische Informationen und Gefahr des Marktversagens
2.3.2 Symmetrische Information und positive Selektion
2.4 Marktlösungen zur Bewältigung des Marktversagens
2.4.1 Vorbemerkung
2.4.2 Screening durch den Versicherungsnehmer
2.4.3 Signaling durch das Versicherungsunternehmen
2.4.4 Screening und Signaling durch dritte Markteilnehmer
2.5 Markttransparenz aufgrund staatlicher Lösungsmöglichkeiten
2.5.1 Vorteil der Versicherungsaufsicht zur Bewältigung des Marktversagens
2.5.2 Aktuelle Entwicklungen der Versicherungsaufsicht - das Projekt Solvency II

3. Ausgestaltung der Solvenzinformationen
3.1 Grundlagen und Beschränkungen der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen
3.1.1 Vorbemerkungen
3.1.2 Informations- und Wahrnehmungsbegriff
3.1.3 Kognitive Prozesse und Beschränkungen der Informationsverarbeitung
3.1.4 Mengenmäßige Beschränkungen der Informationsverarbeitungskapazität
3.1.4.1 Entscheidungsverhalten bei Informationsüberlastung
3.1.4.2 Entscheidungsverhalten bei Informationsmangel
3.1.5 Wirkungen des Involvements auf die Informationsverarbeitung
3.2 Aufmerksamkeitsaktivierung
3.3 Umfang der Solvenzinformation
3.3.1 Vorbemerkungen
3.3.2 Informationsmenge einer aggregierten Solvenzinformation
3.3.3 Informationsmenge einer detaillierten Solvenzinformation
3.4 Darstellungsform der Solvenzinformation
3.4.1 Vorbemerkung
3.4.2 Qualitative Darstellung
3.4.2.1 Empirische Ergebnisse zur Vagheit verbaler Wahrscheinlichkeitsbegriffe
3.4.2.2 Übertragbarkeit auf Solvenzinformationen
3.4.3 Quantitative Darstellung
3.4.3.1 Empirische Untersuchungen zur Präzision numerischer Wahrscheinlichkeiten
3.4.3.2 Übertragbarkeit auf Solvenzinformationen
3.4.4 Grafische Darstellung
3.4.4.1 Empirische Untersuchungen zur Eignung abstrakt bildlicher Information
3.4.4.2 Übertragbarkeit auf Solvenzinformationen
3.4.5 Zwischenergebnis
3.5 Übermittlungswege der Solvenzinformation
3.5.1 Vorbemerkungen
3.5.2 Empirische Ergebnisse unpersönlicher Informationsquellen
3.5.3 Empirische Ergebnisse persönlicher Informationsquellen
3.5.4 Übertragbarkeit auf die Solvenzkommunikation

4. Bewertung bisheriger Vorschläge der Europäischen Kommission zur Offenlegung von Solvenzinformationen
4.1 Anlass, Zweck und Ziele des Gesetzesentwurfes
4.2 Zusammenfassung des Art. 50
4.3 Kritische Bewertung
4.4 Zwischenergebnis
4.5 Abschließende Vorschläge

5. Ökonomische Auswirkungen der Offenlegungsanforderungen
5.1 Konsequenzen für Versicherungsnehmer
5.2 Konsequenzen für Versicherer
5.3 Gefahren der Offenlegung

6. Ergebnisse

7. Anhang
7.1 Ausgestaltung einer unaufgeforderten Solvenzinformation
7.2 Wortlaut des Art. 50 des Richtlinienentwurfs 2007

8. Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Mehrspeichermodell nach Atkinson und Shiffrin

Abbildung 2: Attribute von Informationsangebot, -bedarf und -verarbeitung

Abbildung 3: Beziehung zwischen Aktivierung und Leistung

Abbildung 4: Grafische Darstellung des Sicherheitsniveaus

1. Einleitung

Versicherungsnehmer erwerben Versicherungsschutz, um gegen die finanziellen Folgen eines Versicherungsfalls abgesichert zu sein. Dabei können sie bislang nur auf die Zahlungsfähigkeit der Versicherungsgesellschaft vertrauen, weil sie die Solvenz nicht beobachten.

Doch Versicherer sind nicht vollständig sicher.

Zum einen sieht sich die Versicherungsbranche als Folge der Deregulierung einem nationalen sowie internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Dieser Wettbewerb wird dabei zunehmend über den Preis geführt. Das führt zu sinkenden Gewinnmargen der Gesellschaften. Weiterhin bedrohen fast jährlich auftretende Jahrhundert -Naturkatastrophen und man-made -Kumulschäden von bislang nicht gekanntem Ausmaß sowie volatilere Aktienmärkte die permanente Zahlungsfähigkeit der Versicherungsunternehmen.

Diese Gefahren können die Fähigkeit eines Versicherers, im Schadensfall die zugesicherten Leistungen zu erbringen, negativ beeinträchtigen.

Wären Versicherte vollständig über das Ausmaß einer Ruinwahrscheinlichkeit informiert, würden sie diese Information bei ihrer Nachfrage nach Versicherungsschutz berücksichtigen.

Damit eine Solvenzinformation bestehende Asymmetrien der Ausfallbedrohtheit von Versicherungsschutz abbauen kann, ist ihrer Ausgestaltung besondere Beachtung zu schenken. Sowohl der Umfang, die Form, als auch der Übertragungsweg sind dabei von Bedeutung.

Bevor sich diesen Punkten zugewendet wird, scheint allerdings eine aktivierende Ausgestaltung der Risikoinformation notwendig, damit sie vom Adressaten Beachtung findet und so für dessen Entscheidung zur Verfügung stehen kann.

Um die optimale Informationsmenge zu bestimmen, wird sich an den beschränkten Fähigkeiten zur Informationsaufnahme und -verarbeitung privater Versicherungsnehmer orientiert. Dafür werden Erkenntnisse des praktizierenden Marketings, der Psychologie sowie Ergebnisse empirischer Studien angewandt.

Eine Risikoinformation kann grundsätzlich verbal, numerisch oder grafisch formuliert sein. Anhand empirischer Ergebnisse wird die Darstellungsform gewählt, welche sowohl möglichst einheitlich verstanden wird als auch erwünschte Reaktionen der Versicherungsnehmer hervorruft. Bei der Suche nach geeigneten Übermittlungsmedien der Solvenzinformation werden zunächst die Medien identifiziert, die von der Mehrheit der Versicherten zur Informationsgewinnung herangezogen werden. Hier gilt es auch den unterschiedlichen Fähigkeiten zur Informationssuche Rechnung zu tragen.

Anschließend werden bisherige Offenlegungsvorschläge der Europäischen Kommission bewertet und deren Eignung dahingehend, dem Versicherten ein tatsächliches Bild der wirtschaftlichen Lage seines Versicherers zu ermöglichen.

Mögliche wirtschaftliche Auswirkungen der Offenlegungsanforderungen werden aus Sicht beider Parteien, der Versicherungsgesellschaft und ihrer Kunden, untersucht.

Dabei werden auch die Gefahren der Offenlegung berücksichtigt.

Abschließend werden die erhaltenen Ergebnisse dieser Arbeit zusammengefasst.

2. Notwendigkeit aufsichtsrechtlicher Informationen zur Disziplinierung von Versicherungsunternehmen

2.1 Überblick

Der gegenwärtige Versicherungsmarkt ist von einer Asymmetrie der Informationsverteilung geprägt. Dies ist Folge der Spezifika des Versicherungsmarktes (2.2). Hieraus folgen bestimmte Gefahren (2.3). Nach deren Darlegung wird im Folgenden gezeigt, dass derzeit kein Marktteilnehmer in der Lage ist, diese Informationsdefizite adäquat zu beseitigen (2.4). Nach der hier vertretenen Auffassung sind daher staatliche Lösungen zu suchen (2.5).

2.2 Merkmale des Versicherungsmarktes

Durch Abschluss eines Versicherungsvertrages und vorschüssiger Prämienzahlung kommt es zum Risikotransfer. Dabei werden die versicherten Risiken teilweise oder vollständig vom Versicherungsnehmer auf das Versicherungsunternehmen übertragen.[1] Der Versicherungsnehmer erhält als Gegenleistung Versicherungsschutz als „quasi-sichere Garantie auf Erbringung einer Dauerleistung“[2].

Diese Definition des Begriffs Versicherungsschutz wird der vorliegenden Arbeit deshalb zugrunde gelegt, da ihre Formulierung eine Ausfallwahrscheinlichkeit beinhaltet.

Das Garantieversprechen ist für den Versicherungsnehmer nur dann qualitativ hochwertig, wenn der Versicherer eine hinreichend hohe Erfüllungssicherheit im Leistungsfall aufweist.

Statt Erfüllungssicherheit kann auch von Zahlungsfähigkeit beziehungsweise Solvenz des Versicherers gesprochen werden. Solvenz ähnelt zwar dem Begriff Solvabilität, greift aber deutlich weiter.

Unter Solvenz wird nicht nur die vorzuhaltende Eigenkapitalausstattung, sondern werden sämtliche dem Versicherer zur Verfügung stehenden risikopolitischen Maßnahmen zur Reduzierung der Insolvenzwahrscheinlichkeit verstanden.[3] Solvabilität und Solvenz sind daher nicht miteinander zu verwechseln.

Die Solvenz wird durch eine Reihe von Risiken bedroht: Ein Versicherer ist, wie jeder unternehmerisch tätige Marktakteur, dem allgemeinen Unternehmensrisiko sowie operationellen Risiken[4] ausgesetzt. Zusätzliche Gefahren entstammen dem Kapitalanlagerisiko sowie dem immanenten versicherungstechnischen Risiko.

Dieses arteigene Risiko des Versicherers resultiert aus der Stochastizität des jährlichen Gesamtschadens in Verbindung mit der Prämienvorauszahlung.[5]
Übersteigen die kollektiven Schadenszahlungen die Summe aus Prämienerlösen und Sicherheitskapital kann es zur Insolvenz des Versicherers kommen.

Im Insolvenzfall des Versicherers können zugesicherte Leistungen nicht oder nur teilweise beglichen werden.[6] Dem privaten Versicherungsnehmer ist es im Gegenzug aber faktisch nicht möglich, sich über das Insolvenzrisiko seines Versicherers und damit über die Qualität seines Versicherungsproduktes zu informieren.[7]

Demnach besteht eine ungleiche Informationsverteilung zu Lasten des Versicherungsnehmers.[8]

2.3 Versicherungsmarkt und Informationen

2.3.1 Asymmetrische Informationen und Gefahr des Marktversagens

Ist ein Marktteilnehmer besser informiert als der entsprechende Akteur der Marktgegenseite, spricht man von asymmetrischer Informationsverteilung[9]. Diese kann zum Marktversagen führen.[10] Anhand folgender Überlegungen wird diese Aussage plausibel. Ein Versicherungsnehmer ist bereit, sofern er die Qualität des Versicherungsschutzes kennt, für hohe Qualität einen hohen Preis und für mindere Qualität einen entsprechend niedrigeren Preis zu zahlen.

Ist es dem Versicherten nicht möglich, diese Qualität anfänglich vollständig zu beurteilen, orientiert sich seine Zahlungsbereitschaft an der durchschnittlich erwarteten Qualität.

Doch Sicherheit hat ihren Preis.

Versicherungsunternehmen können hohe Qualität nur zu entsprechend hohen Kosten produzieren.[11] Unterschreitet die Zahlungsbereitschaft die für das angestrebte Sicherheitsniveau notwendige Prämienhöhe, erzielen sie Verluste und reduzieren das Sicherheitsniveau. Versicherte reagieren ihrerseits mit einer abermals sinkenden Zahlungsbereitschaft. Dieser Kreislauf setzt sich so lange fort, bis ausschließlich die schlechtest mögliche Qualität zum entsprechenden Preis gehandelt wird. Der Markt für gute Qualität bricht zusammen. Es kommt, wie bereits angedeutet, zum Marktversagen. Dieser Prozess wird adverse Selektion genannt.[12]

2.3.2 Symmetrische Information und positive Selektion

Ist ein Versicherungsnehmer vollständig über die Ausfallwahrscheinlichkeit des Versicherers informiert, passt er seine Zahlungsbereitschaft der beobachtbaren Qualität an.

Im Fall eines ausfallfreien Versicherungsunternehmens sind risikoscheue Kunden bereit, eine Prämie oberhalb des Schadenserwartungswertes zu zahlen.[13]

Dadurch wird es dem Versicherer möglich, einen zwingend notwendigen Sicherheitszuschlag auf die Prämie des Erwartungsschadens am Markt durchzusetzen.[14]

Realistischer ist dagegen die Annahme ausfallbedrohter Versicherungsunternehmen. Folgt man den Annahmen der Erwartungsnutzentheorie, reduziert der Versicherungsnehmer seine Zahlungsbereitschaft mit steigender Ruinwahrscheinlichkeit des Versicherers.[15]

Empirische Untersuchungen deuten darauf hin, dass Versicherte bei Kenntnis einer möglichen Ausfallbedrohtheit mit einer überproportionalen Prämienreduktion reagieren.[16] Neuere Ergebnisse zeigen gar den vollständigen Verzicht auf Versicherungsschutz bei einer als zu unsicher empfundenen Versicherungsgesellschaft.[17] Für den betreffenden Versicherer besteht deshalb ein starker Anreiz, ein hinreichendes Sicherheitsniveau zu erreichen, wenn er am Markt weiterhin bestehen will.

Die Reaktionen der Versicherungsnehmer bei Kenntnis der tatsächlichen Ruinwahrscheinlichkeit können zu einer positiven Selektion und Disziplinierung der Versicherer führen.

Bislang wurden in dieser Arbeit symmetrische Informationen als gegeben angesehen. Da Informationen über die Solvenz eines Versicherers nicht per se existieren, sind diese erst durch marktliche oder staatliche Lösungen zu generieren. Nachfolgend wird die Eignung der Marktteilnehmer auf die Verhinderung einer adversen Selektion untersucht.

2.4 Marktlösungen zur Bewältigung des Marktversagens

2.4.1 Vorbemerkung

Die Informationsökonomik unterscheidet grundsätzlich zwei marktliche Handlungsalternativen, mit denen dem Marktversagen durch adverse Selektion begegnet werden kann. Screening und Signaling[18], die von verschiedenen Marktteilnehmern durchgeführt werden können.

2.4.2 Screening durch den Versicherungsnehmer

Private Versicherungsnehmer können durch gezielte aktive Informationssuche und -beschaffung ihre Unsicherheit bezüglich interessierender Ruinwahrscheinlichkeit reduzieren. Durch die Suche entstehen ihnen Transaktionskosten.[19] Screening lohnt sich für die Versicherten unter ökonomischen Gesichtspunkten nur, sofern der erwartete Grenznutzen die Grenzkosten der Informationsbeschaffung übersteigt.

Aus drei Gründen darf daran gezweifelt werden, dass es sich für einen Versicherungsnehmer nicht lohnt, zu vergleichen.

Der erste Grund dürfte bereits in der Anzahl der zu prüfenden Versicherer liegen.[20] Zweitens ist zu vermuten, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer durch die Komplexität der zu berücksichtigenden Größen kognitiv überfordert wird.[21] Der dritte Grund liegt darin, dass dem interessierten Versicherungsnehmer nur öffentlich zugängliche Informationsquellen zur Verfügung stehen, die nur äußerst unzureichend die individuelle Unternehmenssicherheit widerspiegeln.[22]

Es ist aus ökonomischen Gründen nicht davon auszugehen, dass private Versicherungsnehmer durch erfolgreiches Screening die Gefahr eines Marktversagens reduzieren können.

2.4.3 Signaling durch das Versicherungsunternehmen

Wenn Screening seitens der Versicherungsnehmer ökonomisch unsinnig ist, kann möglicherweise das Versicherungsunternehmen per Signaling die unerwünschten Folgen einer adversen Selektion verhindern.

Gelingt es ihm erfolgreich, ein Signal hoher Qualität zu senden, kann daraus eine Erhöhung der Zahlungsbereitschaft der Versicherungsnehmer resultieren. Gelingt es ihm nicht, wird der Versicherer als Anbieter schlechter Qualität identifiziert und entsprechend sanktioniert.

Ein Signal einer hohen Solvenz kann nur dann als glaubwürdig gelten, wenn es durch einen Anbieter geringer Qualität nicht imitiert werden kann. Signaling muss also Kosten verursachen, welche für Anbieter schlechter Qualität signifikant über denen guter Qualität liegen müssen.

Exemplarisch könnte der Preis ein solches Qualitätssignal sein, da hochwertiger Versicherungsschutz wie angedeutet nur zu entsprechenden Kosten produziert werden kann. Anbieter mit geringen Kapitalkosten können allerdings dieses Signal ohne zusätzliche Kosten imitieren und durch hohe Prämiengestaltung falsche Signale aussenden.[23]

Ein glaubhaftes Signaling wird nicht erreicht, Informationsasymmetrien bezüglich der Ruinwahrscheinlichkeiten dadurch nicht reduziert.

2.4.4 Screening und Signaling durch dritte Markteilnehmer

Zwischen Versicherungsnehmern und Versicherungsunternehmen sind auf dem Versicherungsmarkt Vertriebsorgane und Ratingagenturen als Informationsverteiler angesiedelt. Nun ist deren Eignung zu prüfen, eine glaubwürdige symmetrische Informationsverteilung zu ermöglichen.

Zunächst die Vertriebsorgane: Wichtige persönliche Vertriebswege der Versicherer lassen sich in Ausschließlichkeitsvertreter und Versicherungsmakler unterscheiden.[24] Makler entsprechen dem Ideal eines rechtlich und wirtschaftlich unabhängigen Versicherungsvermittlers.[25] Aus mehreren Gründen können sie für den Versicherungsnehmer jedoch keine glaubhafte Risikotransparenz liefern.

Zum einen fehlen auch ihnen die hierfür nötigen Daten, zum anderen kann davon ausgegangen werden, dass deren Fachkenntnis nicht ausreicht, das Sicherheitsniveau der Versicherer zu beurteilen.[26]

Selbst wenn Informationsgrundlagen und persönliche Fähigkeiten keinen Engpass darstellten, würde das Entlohnungssystem der Vertreter und Makler zu Glaubwürdigkeitsproblemen führen. Versicherungsmakler erhalten für die Vermittlung eines Vertrages üblicherweise eine Courtage, deren Höhe sich an der jährlichen Versicherungsprämie oder Versicherungssumme orientiert.[27] Somit kann für sie der Anreiz bestehen, weniger dem Informationsinteresse ihrer Kunden, als der Maximierung ihrer Maklercourtage gerecht zu werden.

Diese Gefahr gilt umso stärker für Ausschließlichkeitsvermittler. Neben den aufgezählten Kriterien fehlt es den Einzelvermittlern am notwendigen Marktüberblick. Weiterhin weckt ihre wirtschaftliche Abhängigkeit gegenüber einer Gesellschaft Anlass zum Zweifel an deren Objektivität.

Weitere Informationsdienstleister auf dem Versicherungsmarkt sind Ratingagenturen.

Diese Firmen bewerten die Finanzkraft eines Versicherungsunternehmens und veröffentlichen ihr Ergebnis in Form eines Finanzratings.[28] Doch auch Ratingnoten und damit die Validität deren Aussage unterliegt einer Glaubwürdigkeitsproblematik. Denn Ratingagenturen sind nicht unabhängig. Sie erstellen ihr Qualitätsurteil im Auftrag der Versicherung und werden von dieser bezahlt.[29] Aus nahe liegenden Gründen sind Versicherer bestrebt, möglichst positiv bewertet zu werden. Berichtet eine Ratingagentur objektiv über einen unzureichend sicheren Kunden, riskiert sie, von Folgeaufträgen ausgeschlossen zu werden. Kennen die Versicherungsnehmer diese wirtschaftliche Abhängigkeit, verliert das Rating an Glaubwürdigkeit.

Als vorläufiges Fazit lässt sich festhalten, dass kein betrachteter Marktakteur die Folgen asymmetrischer Informationsverteilung ausreichend beseitigen kann. Für eine glaubhafte Veröffentlichung von Solvenzinformationen verbleibt nur noch die staatliche Versicherungsaufsicht.

2.5 Markttransparenz aufgrund staatlicher Lösungsmöglichkeiten

2.5.1 Vorteil der Versicherungsaufsicht zur Bewältigung des Marktversagens

Eine Versicherungsaufsicht scheint aus mehreren Gründen geeignet, stellvertretend für Versicherungsnehmer das Screening und für die Versicherungsgesellschaften das Signaling solvenzrelevanter Informationen zu übernehmen.[30] Auf der einen Seite ist es der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BAFin) aufgrund speziell geschulter Fachkräfte möglich, ein Marktscreening zu niedrigeren (gesamtwirtschaftlichen) Kosten im Vergleich zu denen privater Versicherungsnehmer zu realisieren; nicht zuletzt deswegen, da die Aufsichtsbehörde zur Beurteilung der Ruinwahrscheinlichkeit auf notwendige interne Daten der Versicherer zugreifen kann.[31] Weiterhin sind keine Probleme eines eingeschränkten Marktüberblicks zu erwarten, da sämtliche Versicherer am Markt ihrer Aufsicht unterstellt sind.[32] Auf der anderen Seite würde ein Signaling der BAFin glaubwürdig eingeschätzt werden, da sie vollständig unabhängig von den beaufsichtigten Versicherungsunternehmen agiert.[33]

Eine Reduzierung asymmetrischer Solvenzinformation durch eine staatliche Aufsicht ist grundsätzlich als Erfolg versprechend anzusehen.

2.5.2 Aktuelle Entwicklungen der Versicherungsaufsicht - das Projekt Solvency II

Wie bereits festgestellt scheint die staatliche Aufsicht ein geeignetes Mittel zu sein, die Markttransparenz für Versicherungsnehmer zu gewährleisten. Geplant ist die Novellierung des bisherigen Aufsichtssystems. Die EU-Kommission arbeitet momentan an der Einführung einer umfassenden, ganzheitlichen Risikobetrachtung für die Versicherungsbranche. Die Anstrengungen von Solvency II dienen auch dem Ziel, die Versicherten künftig besser vor dem Ausfall eines Versicherers zu schützen.[34] Vergleichbar mit dem Aufsichtsprojekt Basel II im Bankensektor baut Solvency II auf einem Drei-Säulen-Konzept auf. Die erste Säule beinhaltet quantitative finanzielle Anforderungen an die Finanzausstattung der Versicherer.[35] Die zweite Säule ist eher qualitativer Natur und regelt grundsätzlich das anzuwendende interne Risikomanagement und dessen Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden.[36] Die hier noch näher zu betrachtende dritte Säule von Solvency II wird Vorschriften zur Offenlegung aufsichtsrelevanter Information beinhalten.[37] Dadurch soll es den Adressaten der Information und somit auch den Versicherungsnehmern ermöglicht werden, durch gestiegene Markttransparenz entscheidend zur Disziplinierung der Versicherer beizutragen.[38] Im Jahr 2009 soll die Richtlinie vom Europäischen Parlament und Rat verabschiedet werden. Danach wird sie von den Gliedstaaten in nationales Recht umgesetzt, anschließend folgt eine zweijährige Anpassungsphase, worauf etwa 2012 mit ihrer Invollzugsetzung gerechnet wird.[39]

3. Ausgestaltung der Solvenzinformationen

3.1 Grundlagen und Beschränkungen der Aufnahme und Verarbeitung von Informationen

3.1.1 Vorbemerkungen

Soll die angestrebte Offenlegung von Solvenzinformationen nicht nur Selbstzweck sein, muss sie vom Versicherungsnehmer wahrgenommen und verarbeitet werden. Das gelingt, sofern sich ihre Ausgestaltung am Informationsverhalten, genauer an den jeweiligen kognitiven Fähigkeiten und Grenzen der Adressaten orientiert.

Nachfolgend werden die Vorgänge der Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung zunächst aus allgemeiner psychologischer Sicht, dann erweitert unter dem Aspekt der Informationsmenge und anschließend aus Sicht des Adressaten skizziert.

Auch wenn die gewählte Dreiteilung sich in einigen Punkten überschneiden wird, lassen sich daraus theoretische Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung von Solvenzinformationen ableiten.

Im vorliegenden Kapitel werden dafür Erkenntnisse der Psychologie mit denen des Marketings verknüpft. Für die Informationsvermittlung erscheint die Marketingsicht insofern geeignet, da im Marketing seit jeher psychologische Beobachtungen der Menschen praktische Anwendung finden.

Eine explizite Trennung der jeweiligen Restriktionen von Informationsaufnahme und -verarbeitung wird nachfolgend nicht aufrecht erhalten werden können. Der Grund liegt in der Natur der Informationsaufnahme, bei der bereits eine Informationsverarbeitung des Individuums erfolgt.

Bevor darauf näher eingegangen wird, sollen zunächst wichtige Begrifflichkeiten erläutert werden.

3.1.2 Informations- und Wahrnehmungsbegriff

Obwohl der Begriff Information sowohl im privaten und im wirtschaftlichen Leben als auch in dieser Arbeit verwendet wird, scheint sein häufiger Gebrauch kaum zu dessen Präzisierung beizutragen. Es verbleibt Unklarheit darüber, was es mit dem Begriff überhaupt auf sich hat.

In der Betriebswirtschaftslehre wird oftmals Wittmanns Definition von Information verwendet.[40] Wittmann definiert Information als: „(…) zweckorientiertes Wissen, wobei der Zweck in der Vorbereitung des Handelns liegt“[41]. Auch hier wird dieser Definition gefolgt, da sie für die vorliegende Untersuchung geeignet erscheint.[42] Auf der einen Seite können Informationen über die Solvenzwahrscheinlichkeit den individuellen Wissensstand der Entscheider verändern.[43] Auf der anderen Seite sind Solvenzinformationen geeignet, einen transparenten Versicherungssektor zu schaffen, wenn sie von ihnen aufgenommen und verstanden werden.[44]

Die Aufnahme von Informationen im Gehirn eines Menschen bezeichnet die moderne Psychologie als Wahrnehmung.[45] Wahrnehmung ist grundsätzlich in bewusste und unbewusste Wahrnehmung zu unterscheiden. „Als bewusste Wahrnehmung bezeichnen wir meist die willkürlich durch uns gesteuerte Aufnahme von Informationen (…)“[46]. Die unbewusste Wahrnehmung dient hauptsächlich der Aufnahme körperinnerer Signale[47] und scheint für den hier interessierenden Informationskontext ohne größere Relevanz.

Nachfolgend wird unter dem Begriff Informationsaufnahme stets die bewusste Wahrnehmung von Informationen verstanden.[48]

3.1.3 Kognitive Prozesse und Beschränkungen der Informationsverarbeitung

In der Literatur finden sich eine Reihe theoretischer Konzepte, die eine Erklärung des Informationsverhaltens des Konsumenten zur Aufgabe haben.[49] Zum ersten ist der risikotheoretische Ansatz zu nennen , welcher zwar auf das Sicherheitsstreben der Konsumenten abstellt, deren individuelle Fähigkeiten und Ressourcen zur Risikoreduktion nicht berücksichtigt. Der dissonanztheoretische Ansatz beinhaltet zum zweiten ebenfalls nur eine Motivation, das Streben nach einem kognitiven Gleichgewicht. Der Konsument erreicht diese Gleichgewichtssituation durch Vermeidung von unangenehm empfundenen Informationen. Auch dieser Ansatz greift zu kurz, denn individuelle kognitive Fähigkeiten finden durch ihn kaum Berücksichtigung. Der Kosten-Nutzen-Ansatz postuliert zum dritten, dass der Umfang, der Inhalt und die Art der Informationssuche von individuell erwarteten „Kosten“ und „Erträgen“ der Informationsbeschaffung abhängen. Dafür müssen sich Individuen vorab konkrete Erfolgserwartungen bilden. Obwohl er die Vielfalt menschlicher Motivation deutlich umfangreicher abbildet als beide vorherigen Ansätze, erscheint er dem gedächtnistheoretischen Ansatz unterlegen. Dem gedächtnistheoretischen Ansatz gelingt eine wesentlich umfangreichere Berücksichtigung der kognitiven Fähigkeiten der Informationsadressaten. Die Würdigung gedächtnistheoretischer Erkenntnisse zur Erklärung des Informationsverhaltens sowie der Informationsverarbeitung von Konsumenten scheint die Realität am ehesten wiederzuspiegeln. Ihm wird in diesem Kapitel der Vorzug gegeben.

Aus gedächtnistheoretischer Sicht erscheint vor allem der weit verbreitete Mehrspeicheransatz fruchtbar.[50] Nach diesem von Atkinson und Shiffrin entwickeltem Speichermodell erfolgt die Verarbeitung von Informationen mittels verschiedener Gedächtnisstrukturen.[51] Die Autoren unterscheiden drei Gedächtniskomponenten:

- den sensorischen Speicher,
- den Kurzzeitspeicher und
- den Langzeitspeicher.

Die hier als „Speicher“ bezeichneten Teile des Gedächtnisses dienen nicht nur der reinen Speicherung, sondern zudem der Informationenverarbeitung. Im Mehrspeichermodell wird von einem Informationsfluss zwischen den Gedächtniskomponenten ausgegangen. Von außen stammende Reize werden zunächst vom sensorischen Speicher wahrgenommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1 Mehrspeichermodell nach Atkinson und Shiffrin (1971) (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Atkinson/Shiffrin 1971, S. 82.)

Den sensorischen Speicher kennzeichnet eine sehr hohe Aufnahmekapazität verbunden mit einer sehr kurzen Speicherdauer.[52] Von einer kognitiven Informationsverarbeitung im oben dargestellten Sinn kann auf dieser Ebene aber nicht gesprochen werden.[53]

Die ausgesprochen kurze, reiznahe Speicherdauer dient der Informationsaufbewahrung zur weiteren Verarbeitung im Kurzzeitspeicher.

Nur ein Teil der im sensorischen Speicher vorhanden Informationen gelangt zur weiteren Verarbeitung in den Kurzzeitspeicher.[54] Diese Form der Informationsreduktion ermöglicht es dem Individuum erst, das Überangebot an Reizen zu bewältigen. Reize, die die Schwelle in das Kurzzeitgedächtnis nicht überwinden, stehen für dessen Entscheidungsverhalten schlichtweg nicht zur Verfügung. Den Kurzzeitspeicher kennzeichnet eine außerordentlich beschränkte Kapazität, er verfügt dafür über einen vielfach längeren Speicherzeitraum.[55] Er repräsentiert die bewusste, dem Willen des Individuums unterworfene aktive Verarbeitung von Informationen.[56] Im Rahmen einer Informationsverarbeitung übernimmt der Kurzzeitspeicher zwei Aufgaben. Zum einen werden die Informationen einige Sekunden gespeichert, und zum anderen folgt eine Reizentschlüsselung. Mehrere Informationen werden miteinander in Beziehung gesetzt, so zu größeren Informationseinheiten organisiert und erst dadurch zu kognitiv verfügbaren Informationen. „Hier finden die kognitiven Prozesse statt, die uns bewusst werden und unsere Aufmerksamkeit verlangen“[57]. Das Kurzzeitgedächtnis entspricht damit der zentralen Einheit der Informationsverarbeitung. Misslingt deren dauerhafte Archivierung im Langzeitspeicher, werden derartig aufbereitete Informationen schnell wieder vergessen. Damit die vom sensorischen Speicher eintreffenden Reize vom Kurzzeitgedächtnis verarbeitet werden können, greift es auf vorhandene Informationen früherer Erfahrungen des Langzeitspeichers zurück.

Der Langzeitspeicher entspricht dem Gedächtnis des Menschen im herkömmlichen Sinn. Dort werden entschlüsselte und zu kognitiven Einheiten zusammengefasste Informationen langfristig abgelegt. Nach weit verbreiteter Meinung ist weder die Kapazität noch die Speicherdauer des Langzeitgedächtnisses beschränkt.[58] Aber auch hier überwinden nicht alle Informationen die Schwelle ins Langzeitgedächtnis. Maßgeblich ist dafür die Tiefe des aktiven Verarbeitungsprozesses.[59] Hierbei gilt: Je intensiver das Material kognitiv verarbeitet wird, desto mehr Verknüpfungen stellt die Informationsverarbeitung zwischen vorhandenem und neuem Wissen her, desto weniger wird vergessen.

Jeder Schritt der Informationsverarbeitung sowie der Transfer zwischen den verschiedenen Speichern ist mit Informationsverlusten verbunden.[60] Diese Tatsache ist bei der Informationsvermittlung zu berücksichtigen. Denn ist die Information vergessen, steht sie in einer Entscheidungssituation nicht zur Verfügung.

3.1.4 Mengenmäßige Beschränkungen der Informationsverarbeitungskapazität

Mit der Aussage, dass die menschliche Informationsverarbeitung beschränkt ist, versteht man die Beobachtung, dass Menschen nicht in der Lage sind, alle auf sie einwirkenden Reize unmittelbar und parallel auszuwerten.[61] Die kognitive Psychologie führt diese Beobachtung, wie bereits angedeutet, auf Kapazitätsengpässe verwendeter Verarbeitungsfunktionen und -elemente zurück. Steht die Untersuchung des mengenmäßigen Umfangs einer Solvenzinformation im Mittelpunkt, ist der Mehrspeicheransatz unzureichend.

Zielführender scheint ein Ansatz der mengenmäßigen Informationsverarbeitungskapazität, der direkt an den Bedingungen der Verarbeitung ansetzt.

Eine Frage, die diesem Kapitel vorangestellt ist, lautet: Wie beeinflusst die verfügbare Informations menge das Entscheidungsverhalten?

Unmittelbar hieraus ergeben sich drei Möglichkeiten.

In einer realen Entscheidungssituation kann die verfügbare Informationsmenge zu hoch, zu gering oder genau richtig für die (beschränkte) Informationsverarbeitungskapazität des Adressaten sein. Ausschlaggebend für die Informationsverarbeitung sind folglich der Informationsbedarf und das Informationsangebot.

Lindstädt verknüpft beide und schlägt folgende Definition vor: „Befinden sich Informationsangebot, -verarbeitung und -bedarf nicht im Gleichgewicht, so liegt eine Entscheidung bei beschränkter Informationsverarbeitungskapazität vor“[62].

Zur besseren Anschaulichkeit wird diese Definition nach drei Informationsattributen zerlegt. Solche Eigenschaften sind die Informationsmenge, deren Bestimmtheit und der Zusammenhang zwischen ihnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2 Attribute von Informationsangebot, -bedarf und -verarbeitung (Quelle: Lindstädt 2006, S. 19.)

Anhand Abbildung 2 kann der Informationsverarbeitungsverlauf für die drei Situationen erläutert werden.

Übersteigt eine angebotene Informationsmenge den Informationsbedarf des Adressaten, spricht man von einer Informationsüberlastung (information overload[63] ). Das heißt, dass seine Informationsverarbeitungskapazität nicht reicht, um die angebotene und benötigte Informationsmenge in Einklang zu bringen. Dieser Fall tritt ein, falls sein Informationsbedarf so unbestimmt ist, um vom Individuum mittels aktiver Selektion aus dem Überangebot gedeckt werden zu können.[64]

Mögliche Ursachen lassen sich in externe und interne Faktoren unterscheiden. Ein extern beschränkender Faktor wird in der Zeit bis zur Entscheidung gesehen.[65] Interne Faktoren liegen in der Informationsverarbeitung des Individuums begründet: im unzureichenden Verständnis der Zusammenhänge oder in seinen beschränkt kognitiven Funktionen.[66]

Die zweite Situation liegt im Mangel an Informationen. Übersteigt der Bedarf das Angebot an Informationen, können zusätzliche Informationen gesucht werden.

Der Informationsmangel wird erst problematisch, wenn die individuellen Kapazitäten des Entscheiders zur Informationsgewinnung und -verarbeitung nicht ausreichen, diese Differenz auszugleichen.[67] Auch diese Situation lässt sich auf individuumsinterne und -externe Faktoren zurückführen. Externe Faktoren liegen im zu kleinen Informationsangebot, interne Faktoren im zu großen Informationsbedarf und/oder mangelnder Qualifikation zur Informationsgewinnung und -verarbeitung des Adressaten begründet.[68]

Im dritten und idealtypischen Fall genügt die verfügbare Informationsverarbeitungskapazität des Empfängers, ein Gleichgewicht zwischen vorhandenem Informationsangebot und -bedarf herzustellen.

Definitionsgemäß liegen hier keine Entscheidungen unter beschränkter Informationsverarbeitungskapazität vor. Diesem wünschenswerten Fall wird an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen, da er als unproblematisch anzusehen ist. Im weiteren Fokus der Betrachtung stehen Informationsüberlastung und Informationsmangel.

[...]


[1] Vgl. Albrecht 1992, S. 2.

[2] Albrecht 1992, S. 41.

[3] Vgl. Schradin 2003, S. 615 f.

[4] Für ein Versicherungsunternehmen können Risiken zum Beispiel aus dem Ausfall der EDV-Anlage oder durch Betrug von Mitarbeitern entstehen. Vgl. Eling/Schmeiser/Schmit 2007, S. 72.

[5] Aus der Zufallsabhängigkeit des Schadenseintritts, der Schadensanzahl und der Schadenshöhe resultiert die Gefahr, dass Schadensleistungen die Summe aus Prämieneinnahmen und Sicherheitskapital übersteigen. Vgl. Albrecht 1992, S. 5.

[6] Am Beispiel eines kapitalbildenden Lebens- oder Rentenversicherungsvertrages verliert der Versicherungsnehmer im Insolvenzfall nicht nur künftige Ansprüche, sondern auch seinen bisher erreichten Rückkaufswert. Im Fall einer kurzen Restlaufzeit des Vertrages wären immense finanzielle Verluste zu erwarten. Bei fortgeschrittenem Alter des Versicherten besteht zudem keine Möglichkeit eines Wiederholungskaufes. Vgl. Koch 2006, S. 132.

[7] In der Literatur finden sich auch Aussagen, dass das gar nicht nötig sei: der Versicherungsnehmer könne während einer langen Vertragslaufzeit die Solvenzinformation als Erfahrung ermitteln. Vgl. dazu Bosselmann 1994, S. 101.

[8] Dabei wird davon ausgegangen, dass der Versicherer in aller Regel besser über seine Risiken im Sinne einer Ruinwahrscheinlichkeit informiert ist.

[9] Vgl. Ewers/Fritsch/Wein 1999, S. 263.

[10] Das Problem des Marktzusammenbruchs wurde von Akerlof (1970) am Beispiel des Gebrauchtwagenmarktes sehr anschaulich dargestellt. Dieser Argumentation kann in der vorliegenden Arbeit gefolgt werden, da es sich auch im Fall einer unbeobachtbaren Ruinwahrscheinlichkeit um Qualitätsunsicherheit handelt. Vgl. hierzu Akerlof 1970, S. 490 f.

[11] Ein guter Überblick der Kapitalkosten in Abhängigkeit zur Ruinwahrscheinlichkeit findet sich in Zons (2006). Vgl. Zons 2006, S. 158 ff.

[12] Vgl. Ewers/Fritsch/Wein 1999, S.265; vgl. Schulenburg, Graf v. d. 1989, S. 329.

[13] Risikoaverse Versicherungsnehmer lehnen eine unsichere zukünftige Vermögenssituation ab. Gegen Zahlung einer fixen Prämie erreichen sie eine sichere Endvermögenssituation bei gegebenem Anfangsvermögen. Vgl. Mauer 2000, S. 18.

[14] Die Bedeutung einer Prämie oberhalb des Schadenserwartungswerts ist eine Grundvoraussetzung für den kollektiven Risikoausgleich. Albrecht konnte zeigen, dass Versicherer ohne erhobenen Sicherheitszuschlag und ohne Sicherheitskapital alle zwei Jahre einen technischen Ruin erleiden. Vgl. Albrecht 1982, S. 528.

[15] Handelt ein rationaler, risikoaverser Versicherungsnehmer nach den Axiomen der Erwartungs­nutzentheorie, so verringert dieser seine Zahlungsbereitschaft nahezu proportional mit dem Grad der beobachteten Ausfallwahrscheinlichkeit des Versicherers. Vgl. Koch 2006, S. 134.

[16] Wakker u. a. (1997) konnten im Fall einer einprozentigen Ausfallwahrscheinlichkeit eine Prämienreduktion von etwa 30% feststellen. Vgl. Wakker/Thaler/Tversky 1997, S. 10 f.

[17] Vgl. Albrecht/Maurer 2000, S. 8; vgl. Zimmer/Schade/Gründl 2007, S. 16 f. und S. 20.

[18] Vgl. etwa Donges/Freytag 2004, S. 194-197.

[19] Transaktionskosten müssen jedoch nicht zwingend monetärer Natur sein, denkbar sind auch Opportunitätskosten im Sinne eines Freizeitverzichtes.

[20] Strebt der Versicherungsnehmer nur ein teilweises Screening an, hat er 105 Lebensversicherer und 231 Kompositversicher zu vergleichen. Vgl. BAFin 2005.

[21] Privatkunden zeigen sich bereits durch Verarbeitung der allgemeinen Versicherungsbedingungen samt Tarifinformationen überfordert. Vgl. etwa Müller 1992, S. 1.

[22] Frei zugänglich ist dem Versicherungsnehmer faktisch nur der Geschäftsbericht des Unternehmens, dessen Informationsgehalt den Adressaten kaum in die Lage versetzt, sich ein Bild über die tatsächliche (Risiko-)Lage eines Versicherers machen zu können. Vgl. Padberg 2004, S. 1763 f.; vgl. Kraft/Nolte 2005, S. 440 und S. 444.

[23] Vgl. Koch 2006, S. 146 und die dort angegebene Literatur.

[24] Ohne die Ergebnisqualität zu beeinflussen, wird auf eine präzisere Differenzierung nach Angestellter Außendienst, Ein- oder Mehrfirmenvertreter an dieser Stelle verzichtet.

[25] Vgl. Farny 2006, S. 719.

[26] Vgl. Bosselmann 1994, S. 126 f.

[27] Vgl. Koch 2006, S. 148 f.

[28] Neben Ratings der Finanzkraft existieren auch Produktratings. Da bei letztgenannten die Qualitätsbeurteilung des Versicherungsvertrages im Vordergrund steht, werden sie an dieser Stelle nicht berücksichtigt. Vgl. Koch 2006, S. 150 Fn. 88.

[29] Vgl. Lanfermann 1998, S. 7.

[30] Rechtfertigungsgründe staatlicher Versicherungsaufsicht werden nicht erneut aufgegriffen, sie wurden in der Literatur bereits ausführlich diskutiert. Vgl. dazu Schradin 2003, S. 611-617 und 654; vgl. Schradin 2004, S. 906 f.

[31] Siehe dazu BerVersV 2006.

[32] Alle Versicherer mit Sitz in Deutschland und Drittländern fallen unter die deutsche Versicherungsaufsicht. Vgl. § 1 Abs. 1 VAG. Versicherer anderer EU-Staaten werden von der jeweiligen Aufsicht des Sitzlandes überwacht.

[33] Im Rahmen der Finanzaufsicht besteht eine ihrer Hauptaufgaben darin, die dauerhafte Zahlungsfähigkeit der Versicherer zu überwachen. Vgl. § 81 Abs.1 Satz 5 VAG.

[34] Vgl. Richtlinienentwurf 2007, S. 2.

[35] Vgl. Schradin 2004, S. 909

[36] Vgl. Schradin 2004, S. 910.

[37] Vgl. CEIOPS 2006, S. 6 ff.; vgl. Richtlinienentwurf 2007, S. 87.

[38] Vgl. Richtlinienentwurf 2007, S. 2 f.

[39] Vgl. Richtlinienentwurf 2007, S. 328.

[40] Vgl. Lindstädt 2006, S. 5; vgl. Nickel-Wanninger 1987, S. 15.

[41] Wittmann 1959, S. 14.

[42] Weitere Quellen zur Definition des Informationsbegriffes finden sich etwa in Nickel-Wanninger (1987). Vgl. Nickel-Wanninger 1987, S. 15 f.

[43] Vgl. Bittl/Müller 1998, S. 372.

[44] Vgl. Bittl 2000, S. 174.

[45] Vgl. Guski 2000, S. 9.

[46] Guski 2000, S. 9.

[47] Vgl. Guski 2000, S. 12 ff.

[48] Die Funktionsweise des menschlichen Gehirns im Rahmen der Informationsverarbeitung ist trotz großer Fortschritte der kognitiven Psychologie in weiten Bereichen noch unbekannt. Das Hauptproblem besteht in dieser Forschungsdisziplin darin, überhaupt zu empirisch falsifizierbaren Aussagen zu gelangen und dadurch einer grundlegenden wissenschaftstheoretischen Forderung nachzukommen. Vgl. etwa Lindstädt 2006, S. 13 und die dort angegebene Literatur.

[49] Eine Übersicht skizzierter Ansätze findet sich in Silberer (1979). Vgl. Silberer 1979, S. 95 - 103.

[50] Vgl. Hofacker 1985, S. 16 ff.; vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 225 ff.; vgl. Nickel-Wanninger 1987, S. 31 ff.; vgl. Silberer 1979, S. 98 f. und S. 103; vgl. Wiedmann/Walsh/Polotzek 2000, S. 9 ff.

[51] Vgl. Atkinson/Shiffrin 1971, S. 82.

[52] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 227.

[53] Genau genommen kennt ein Individuum auf diesem Niveau den Inhalt seines sensorischen Speichers (noch) nicht. Vgl. Hofacker 1985, S. 18 f.

[54] Vgl. Atkinson/Shiffrin 1968, S. 96-103.

[55] Es wird von einer Speicherzeit von etwa 15 Sekunden ausgegangen. Vgl. etwa Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 228.

[56] Vgl. Atkinson/Shiffrin 1968, S. 90; vgl. Atkinson/Shiffrin 1971, S. 82.

[57] Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 227.

[58] Vgl. Atkinson/Shiffrin 1971, S. 83.

[59] Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 229 sowie die dort angegebene Literatur.

[60] Vgl. Silberer 1979, S. 98.

[61] Vgl. Lindstädt 2006, S. 14.

[62] Lindstädt 2006, S. 18.

[63] Jacoby (1977) versteht unter „information overload“ die Tatsache, dass es für die menschliche Fähigkeit in einer bestimmten Zeitspanne Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten, eng abgesteckte Grenzen gibt. Die Entscheidungsleistung wird ungenau, wenn diese Grenzen überschritten werden. Vgl. Jacoby 1977, S. 569. Eine Übersicht weiterer Definitionen findet sich in Wiedmann u.a. (2000). Vgl. Wiedmann/Walsh/Polotzek 2000, S. 16 f.

[64] Vgl. Lindstädt 2006, S. 19.

[65] Auch ohne die Ergebnisqualität nennenswert zu verschlechtern, wird auf eine explizite Analyse der (Rest-)Zeit für eine Entscheidung verzichtet.

[66] Vgl. Lindstädt 2006, S. 136.

[67] Vgl. Lindstädt 2006, S. 20.

[68] Vgl. Lindstädt 2006, S. 103.

Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Theoretische Herleitung einer wünschenswerten Ausgestaltung von Solvenzinformationen aus Sicht privater Versicherungsnehmer
Hochschule
Universität zu Köln  (Seminar für Allg. BWL, Risikomanagement und Versicherungslehre)
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
78
Katalognummer
V93534
ISBN (eBook)
9783638063296
ISBN (Buch)
9783638952279
Dateigröße
1564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Theoretische, Herleitung, Ausgestaltung, Solvenzinformationen, Sicht, Versicherungsnehmer
Arbeit zitieren
Marc Abrahamowicz (Autor:in), 2007, Theoretische Herleitung einer wünschenswerten Ausgestaltung von Solvenzinformationen aus Sicht privater Versicherungsnehmer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93534

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