Im Rahmen des im Wintersemester 2007/08 angebotenen Projektseminars „Gesundheitsförderung in Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit“ des Fachbereichs Sozialwesen der Hochschule Niederrhein unter der Leitung von Professor Dr. F.-Ch. Schubert und Diplomsozialpädagogin I. Wickerath wurden theoretische Grundlagen erarbeitetet und durch praktische Erfahrungen (in Form von 52 in der Praxis abzuleistenden Stunden und praktischen Seminarteilen) ergänzt.
In der folgenden Hausarbeit werden im ersten Kapitel die theoretischen Grundlagen der Gesundheitsförderung erläutern und in Kapitel zwei persönliche Praxiserfahrungen zunächst überblicksweise und dann anhand von drei Beispielen vertiefend darstellen und auf die Theorie bezogen.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Theoretische Grundlagen
1.1 Gesundheitskonzepte
1.1.1 Laienkonzepte von Gesundheit
1.1.2 Wissenschaftliche Konzepte von Gesundheit in der Sozialen Arbeit
1.1.2.1 Ansatz der Person-Umwelt-Balance
1.1.2.2 Salutogenesemodell nach Antonovsky
1.2 Gesundheitsrisiken und Gesundheitsressourcen
1.3 Gesundheitsförderung und Prävention
1.3.1 Gesundheitsförderung durch Aufklärung
1.3.2 Gesundheitsförderung im Bereich Sport
1.3.3 Gesundheitsförderung durch Entspannung und Stressbewältigung
2. Praktische Erfahrungen
2.1 TrebeCafé
2.2 AOK Bewerbungstraining
2.3 Lions-Quest
3. Resümee und Ausblick
4. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Gesundheit und vor allem deren Erhaltung und Verbesserung hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung zugenommen. Besonders Vitalität, Leistungsfähigkeit und Selbstbestimmung haben einen hohen Stellenwert in der modernen Gesellschaft.
„Die sich verändernden Lebens-, Arbeits- und Freizeitbedingungen haben entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit. […] Gesundheitsförderung schafft sichere, anregende, befriedigende und angenehme Arbeits- und Lebensbedingungen. Eine systematische Erfassung der gesundheitlichen Folgen unserer sich rasch wandelnden Umwelt […] ist von essentieller Bedeutung und erfordert aktives Handeln zugunsten der Sicherstellung eines positiven Einflusses auf die Gesundheit der Öffentlichkeit.“[1]
Den wichtigsten Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Burnout-Syndrom können nicht von der Biomedizin und dem damit einhergehendem gesundheitlichen Versorgungssystem alleine vorgebeugt werden, da diese Krankheiten vor allem in den sozialen Lebensweisen der Menschen und nicht rein organisch verankert sind (vgl. Mühlhum, A. et al 2008, S. 1f.). Hier greift die Soziale Arbeit, deren Schwerpunkt im Abbau sozialer Ungleichheiten und damit einhergehend in der Förderung einer positiven Lebenswelt und -weise liegt. Insbesondere psychosoziale und sozioökonomische Faktoren sind hierfür entscheidend.
Im Rahmen des im Wintersemester 2007/08 angebotenen Projektseminars „Gesundheitsförderung in Arbeitsfeldern der Sozialen Arbeit“ des Fachbereichs Sozialwesen der Hochschule Niederrhein unter der Leitung von Professor Dr. F.-Ch. Schubert und Diplomsozialpädagogin I. Wickerath wurden theoretische Grundlagen erarbeitetet und durch praktische Erfahrungen (in Form von 52 in der Praxis abzuleistenden Stunden und praktischen Seminarteilen) ergänzt.
In der folgenden Hausarbeit werde ich im ersten Kapitel die theoretischen Grundlagen der Gesundheitsförderung erläutern und in Kapitel zwei meine persönlichen Praxiserfahrungen zunächst überblicksweise und dann anhand von drei Beispielen vertiefend darstellen. Im dritten Kapitel erfolgt eine abschließende Reflexion des Seminars und meiner praktischen Erfahrungen.
1. Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel erfolgt zuerst die Darstellung zurzeit aktueller Konzepte von Gesundheit und anschließend eine Erläuterung der Begriffe Gesundheitsrisiken und -ressourcen, da ein grundlegendes Verständnis dieser Basiskonzepte entscheidend ist, um Gesundheitsförderung im Allgemeinen zu verstehen.
Abschließend werde ich detaillierter auf Gesundheitsförderung und Primärprävention eingehen.
1.1 Gesundheitskonzepte
Was unter dem Begriff Gesundheit verstanden wird ist nie objektiv, sondern immer sowohl kulturell bedingt als auch abhängig vom Zeitgeist. So gibt es zum einen deutliche Unterschiede, welche Gesichtsfarbe und Statur in der jeweiligen Kultur als gesund angesehen werden, zum anderen bedeutete Krankheit im Mittelalter noch verflucht von Gott zu sein und Homosexualität galt noch vor einigen Jahren in westlichen Kulturen als Krankheitsbild.
Aber auch innerhalb unserer Kultur und Zeit gibt es zahlreiche und verschiedenste Definitionen von Gesundheit. Keine von ihnen ist jedoch allgemein gültig oder einheitlich anerkannt.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Laienkonzepten und wissenschaftlichen Konzepten von Gesundheit.
1.1.1 Laienkonzepte von Gesundheit
Wir alle haben eine persönliche Vorstellung davon, was Gesundheit ist und wie sie entsteht. Diese Vorstellungen werden als Laienkonzepte oder Alltagskonzepte von Gesundheit bezeichnet.
Die vier wichtigsten und am häufigsten vertretenen Dimensionen beschreiben Gesundheit als …
- Krankheitsabwesenheit, also einer Negativbestimmung von Gesundheit,
- Vitalität und Energie in Form körperlicher und psychischer Stärke gegenüber äußeren Einflüssen,
- funktionale Leistungsfähigkeit bei der Bewältigung verschiedener Rollenaufgaben und
- körperliches und psychisches Gleichgewicht oder Wohlbefinden.
(Vgl. Waller, H. 2006, S. 13-15)
1.1.2 Wissenschaftliche Konzepte von Gesundheit in der Sozialen Arbeit
Wie auch in den meisten anderen Wissenschaftsbereichen gibt es im Bereich der Sozialen Arbeit eine Reihe verschiedener Gesundheitskonzepte.
Den – heute einheitlich zugestimmten – mehrdimensionalen und positivbestimmten (als Gegenteil einer ex nagativo Bestimmung) Charakter von Gesundheit zeigt schon die Definition der Weltgesundheitsorganisation von 1948:
“Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity.”
Gesundheit als mehrdimensionales Konzept beinhaltet sowohl körperliches als auch psychische Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Erfüllung von Rollenerwartungen, Selbstverwirklichung und Sinnfindung (vgl. Schubert, F.-Ch. 2004, S.141f.) und wird in hoher Abhängigkeit zur Lebensbewältigungskompetenz gesehen.
Kritisiert wird die Definition der Weltgesundheitsorganisation zum einen auf Grund ihrer Annahme von Gesundheit als statischen Zustand und der damit einhergehenden utopischen Betrachtung und zum anderen wegen der fehlenden Operationalisierbarkeit des Begriffs ‚Wohlbefinden’ (vgl. Amann, G. & Wipplinger, R . 1998:, S.20; Waller, H. 2006, S.10).
Im Folgenden möchte ich detaillierter auf das zum gegenwärtigen Zeitpunkt sehr umfassende und bedeutsame Salutogenesemodell von Antonovsky und das in engem Zusammenhang damit stehende Modell der Person-Umwelt-Balance eingehen. Diese Modelle stellen den dynamischen Charakter von Gesundheit in den Vordergrund und haben somit entscheidende Bedeutung für das Grundverständnis von Gesundheitsförderung.
1.1.2.1 Ansatz der Person-Umwelt-Balance
Ausgangspunkt des Modells der Person-Umwelt-Transaktion ist die Frage, was einen Menschen erkranken lässt.
Im Zentrum steht die Annahme, dass Person und Umwelt[2] in einer ständigen Wechselwirkung in Form von Anpassungs- und Abstimmungsprozessen zueinander stehen. Diese werden als Transaktion bezeichnet und stellen aktive Bemühungen einer persönliche Veränderung und Entwicklung und einer Veränderung der Umweltbedingungen dar. Person und Umwelt dürfen in diesen Prozessen daher auch nicht als Zweiteilung verstanden werden, sondern stellen einander ergänzende Aspekte dar.
Entstehen durch neue Anforderungen oder eine veränderte Bedürfnislage Störungen in der Person-Umwelt-Balance – und dies ist in einer durch Pluralismus und Individualismus geprägten Gesellschaft alltäglich und ständig der Fall – wird eine Anpassung nötig. Solange die Balance durch Transaktionen wiederhergestellt werden kann, gelingt auch die weitere Lebensführung eines Menschen. Eine zufrieden stellende und gesunde Lebensgestaltung in Form einer ausgeglichenen Person-Umwelt-Balance muss also immer wieder aktiv neu hergestellt werden (vgl. Schubert, F.-Ch. 2004, S.144ff.).
Treten jedoch längerfristige oder besonders ausgeprägte Missverhältnisse zwischen Person und Umwelt auf, ergeben sich Beeinträchtigungen der Lebensführung und des Wohlbefindens, was schließlich zu Erkrankungen führt.
An dieser Stelle wird deutlich, dass auch individuelle Faktoren in Form von Belastungen und Risiken (pathogene Faktoren) auf der einen und Ressourcen und Bewältigungsmöglichkeiten (protektive Faktoren) auf der anderen Seite eine wichtige Rolle bezüglich Art, Umfang und Qualität der Transaktionen spielen.
Solange die Bewältigungsmöglichkeiten bei der Anforderung nach Anpassung und Neuabstimmung ausreichen, entstehen keine pathogenen Missverhältnisse. Entscheidend ist hier immer eine ganzheitliche Betrachtung der drei Dimensionen Person, Umwelt und Transaktion, da in jeder dieser Einflussgrößen sowohl pathogene als auch protektive Faktoren auftreten und sich gegenseitig verstärken und abschwächen können (vgl. Schubert, F.Ch. 2004, S. 149f.) .
Setzt man die Ressourcen und Risiken in einer quasi-mathematischen Formel in Relation zueinander, erhält man die psychische Vulnerabilität eines Menschen. Diese wird größer, wenn die pathogenen Faktoren steigen und geringer, wenn die protektiven Faktoren steigen, es ist aber nicht möglich, die Vulnerabilität an nur einer der beiden Seiten alleine festzumachen (vgl. Schubert, F.-Ch. 2004, S.150).
1.1.2.2 Salutogenesemodell nach Antonovsky
Das Salutogenesemodell fällt neben anderen Konzepten[3] in den Bereich des transaktionalen Belastungs-Bewältigungsansatzes. Dieser ist zwar aufbauend auf dem Person-Umwelt-Ansatz, stellt im Gegensatz dazu aber die Person im Sinne eines aktiv agierenden Wesens in den Mittelpunkt und legt das Hauptaugenmerk auf Personen- und Resilienzfaktoren im Sinne individueller Lebenseinstellungen und Bewertungs- und Bewältigungsmuster. (Vgl. Schubert, F.-Chr. 2004, S. 163ff.).
Der Begriff Salutogenese ist eine Neuschöpfung von Aaron Antonovsky und setzt sich zusammen aus dem lateinischen Begriff ‚ salus’ (= Gesundheit, Wohlbefinden, Heil, Glück) und dem griechischen Begriff ‚ genese’ (= Entstehung).
Hieraus wird bereits deutlich, dass im Mittelpunkt dieses Konzeptes die Frage steht, was einen Menschen gesund hält. Es geht also um die Gesundheitsentstehung und gesundheitsaufbauende und –fördernde (salutogene) Faktoren.
Dies stellt einen entscheidenden Paradigmawechsel im Vergleich zu anderen Modellen – wie z.B. auch dem Modell der Person-Umwelt-Balance – dar, in denen die Krankheitsentstehung im Vordergrund steht.
Gesundheitsverlust gilt in der Salutogenese als allgegenwärtiger und natürlicher Prozess, woraus folgt, dass Gesundheit immer wieder von neuem aktiv aufgebaut werden muss. Nach Antonovsky besteht zwischen Gesundheit und Krankheit aber keine Dichotomie sondern ein dynamisches Wechselverhältnis.
Ausgehend von einem Gesundheits-Krankheits-Kontinuum, in dem Gesundheit und Krankheit sich gegenüberliegende Endpunkte darstellen, oszilliert der Zustand eines Menschen ständig zwischen beiden Polen. An welcher Stelle ein Mensch sich gerade befindet, ist abhängig von dem Spannungszustand der Risiken (belastende, pathogene Faktoren in Bezug auf Gesundheit) und Ressourcen (protektive, fördernde Faktoren in Bezug auf Gesundheit).
Entscheidend ist vor allem die individuelle Bewältigung dieses Spannungszustandes.
(Vgl. Waller, H. 2005, S.20).
Zwei wichtige Grundpfeiler des Salutogenesemodells stellen in diesem Zusammenhang die Generalisierte Widerstandsressourcen und das Kohärenzgefühl dar.
Generalisierte Widerstandressourcen
Um Gesundheit aufbauen und erhalten zu können, ist es entscheidend, Stressoren bezüglich der Lebens- und Alltagsanforderungen und -belastungen meistern zu können. Hierzu benötigen Menschen verschiedene Ressourcen.
Antonovsky bezeichnet diese als generalisierte Widerstandsressourcen. Sie stellen somit gesundheitliche Wirkfaktoren dar, die zur Lebensbewältigung aktiviert werden können.
Je verfügbarer und ausgeprägter sie sind, desto widerstandfähiger wird der Mensch gegen belastende Lebensanforderungen – fehlen generalisierte Widerstandsressourcen wird eine unzureichende Lebensbewältigung und somit Erkrankungen begünstigt.
(Vgl. Schubert, F.-Ch. 2004, S.169).
[...]
[1] Hildebrandt & Kickbusch: Ottawa-Charta der WHO zur Gesundheitsförderung von 1986. Von der WHO autorisierte Übersetzung. In: http://www.euro.who.int/AboutWHO/Policy/20010827_2? language=German
[2] Umwelt kann in diesem Zusammenhang auch als Kontext bezeichnet werden und umfasst die soziale Umwelt (Bezugspersonen, soziale Netzwerke, soziale Institutionen), die wirtschaftlich-ökonomische Umwelt (politisch-wirtschaftliches System, ökonomische Situation), die physikalisch-natürliche und physikalisch-gebaute Umwelt (Natur; Wohnung, Arbeitsplatz, Medien …) und die mentale Umwelt (Vermittlung, Veränderung, Verfestigung von Erfahrungen, Einstellungen, Sinnauffassungen). (Vgl. Schubert 2004, S.145)
[3] z.B. das „transaktionale Stressmodell“ von Lazarus, welches bezüglich des Bewertungs- und Bewältigungsvorganges am differenziertesten ausgearbeitet ist und das „hardiness“ – Konzept von Suzanne C. Kobasa, welches individuelle kognitive und emotionale Haltung als Widerstandsfähigkeit in den Mittelpunkt rückt (vgl. Schubert 2004, S.165, 176, 186).
- Quote paper
- Anja Heek (Author), 2008, Gesundheitsförderung in der Sozialen Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93518
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