Die Schaffung des serbischen Nationalstaates wird auch als Erwachen oder serbische Wiedergeburt bezeichnet. Beide Begriffe beziehen sich auf die Tradition und das Territorium, welches das serbische Volk im 13. Jahrhundert innehatte. Die Rückbesinnung auf die einstige Größe, Macht und Einheit lieferte den Antrieb für das Streben nach dem Nationalstaat zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In dieser Arbeit soll daher der Versuch unternommen werden, anhand des serbischen Nationalismus und dem Weg zum Nationalstaat im 19. Jahrhundert einige Ansatzpunkte für die heutige politische Situation und deren Zielsetzung aufzuzeigen. Es wird in diesem Rahmen kaum möglich sein dieses Thema erschöpfend zu behandeln. Vielmehr soll es einen Einblick in die Entstehung des serbischen Nationalstaates, seinen territorialen Ursprüngen und den Schwierigkeiten, denen das serbische Volk und ihre politischen Führer ausgesetzt waren, liefern. Auf eine detaillierte Aufschlüsselung aller Ereignisse sowie einer erschöpfenden Definition des Begriffes Nationalismus in seinen verschiedenen Ausprägungen und Erscheinungsformen wird an dieser Stelle aufgrund des Umfanges, welche diese Arbeit annehmen würde, verzichtet.
Soziale und wirtschaftliche Rückständigkeit, Serbien war zu dieser Zeit noch eine reine Agrargesellschaft , und nationales Aufbegehren brachte immer wieder die Großmächte (Russland, Österreich, Türkei) ins Spiel. Sie wussten sich geschickt des serbischen Staates zu bedienen und nutzten es als „Speerspitze“ im Kampf für ihre eigenen Balkaninteressen. Serbien war folglich militärisch abhängig und in den Bündnissen mit Russland oder Österreich wohl dadurch nicht als ein gleichberechtigter Bündnispartner anzusehen.
Für die serbischen Nationalisten ist Serbien in den Grenzen des Reiches Dušans von besonderem Interesse. Sie knüpfen daran die Gebietsansprüche des serbischen Volkes und sehen in deren Umsetzung die Idee von einem „Großserbien“[1] mit seiner daraus resultierenden Vormachtstellung auf dem Balkan verwirklicht.
Die Schlacht auf dem Amselfeld 1389
Die Schlacht auf dem Kosovo Polje (Amselfeld) am 28. Juni 1389 ist Gegenstand eines Mythos, der bis in die heutige Zeit das Bewusstsein der Serben prägt. An jenem Tag kam es auf dem Amselfeld, zwischen den Osmanen unter Sultan Murat I. und einem serbisch-südslawischen Heer, unter Führung des serbischen Fürsten Lazar, zur Schlacht[2]. Das Heer des Fürsten Lazar erlitt dabei eine verhängnisvolle Niederlage. Obwohl es alles andere als ein Anlass zur Verherrlichung und Mutschöpfung war, entstand daraus ein Mythos, der bis heute im Bewusstsein der Serben verankert ist. Zentrale Bestandteile davon sind der Verrat, die Uneinigkeit in den eigenen Reihen, das Heldentum und die Religion. Ausgewählte Elemente daraus sind zum Beispiel der Bericht vom tapferen Ritter Obilić, der sich als Überläufer ausgab um ins Lager des Sultans zu gelangen und ihn dann tötete oder die Überhöhung des serbischen Volkes, als „nebeski narod“[3], im Kosovo Zyklus[4]. Darin wird beschrieben, wie dem Fürsten Lazar während der Schlacht der Prophet Elias in Gestalt eines grauen Falken erschien und ihn vor die Wahl des Sieges oder der Niederlage über die Türken stellte. Sollte er die Niederlage wählen, so wäre ihm ein himmlisches, ewiges Reich für sein Volk sicher, bei der Entscheidung für einen Sieg wäre ihm nur ein kurzlebiges, irdisches Reich geblieben. Der Dauerhaftigkeit bewusst, entschied sich der Fürst für die Niederlage und machte das serbische Volk zum „Volk des Himmels“[5].
In den Jahren 1405 und 1448/49 kam es auf dem Amselfeld zu weiteren Schlachten gegen die Türken. Auch in diesen waren die Serben unterlegen.
Mit dem Mythos des Amselfeldes, gepaart mit der Vasallenmentalität durch die jahrhundertlange türkische Fremdherrschaft, wird eine Verzerrung, gar eine Verfälschung, der historischen Ereignisse erreicht. „Die Serben berauschten sich“[6] an ihren Heldenerzählungen. „Mit dem Glanz, den sie auf die Vergangenheit legten, ließen sie die Nation die dunklen Jahrhunderte [...] überstehen und schufen den emotionellen Boden für ihre künftige Freiheit.“[7]
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[1] Vgl. Behschnitt, Wolf Dietrich: Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830-1914, S. 50f, München 1980.
[2] Vgl. Kohl, Christine von; Libal, Wolfgang: Kosovo: gordischer Knoten des Balkan, S. 16, Wien 1992.
[3] Libal, Wolfgang: Die Serben: Blüte, Wahn und Katastrophe, S. 17, München 1996 „Volk des Himmels“.
[4] Die Gesänge des Kosovo Zyklus werden auch als das „Testament vom Kosovo“ bezeichnet. Es trägt den Titel „Fürst Lazar wählt das Himmelreich“. Vgl. Libal, Wolfgang: Die Serben: Blüte, Wahn und Katastrophe, S. 17, München 1996.
[5] Vgl. Geiss, Immanuel; Intemann, Gabriele: Der Jugoslawienkrieg, 2. aktualisierte und erweiterte Auflage, S. 24, Frankfurt/Main 1995.
[6] Kohl, Christine von; Libal, Wolfgang: Kosovo: gordischer Knoten des Balkan, S. 18, Wien 1992.
[7] Kohl, Christine von; Libal, Wolfgang: Kosovo: gordischer Knoten des Balkan, S. 18, Wien 1992.
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