Die Bronzezeit vor mehr als 2000 bis 800 v. Chr. gilt als die erste und längere der Metallzeiten in Europa. In dieser Zeit wurden Werkzeuge, Waffen und Schmuck aus Bronze hergestellt. In einigen Gebieten hatte die Bronzezeit eine andere Zeitdauer. So begann sie in Süddeutschland schon vor etwa 2300 v. Chr. und endete um 800 v. Chr. In Norddeutschland dagegen währte sie von etwa 1600 bis 500 v. Chr.
Zu den in Deutschland verbreiteten Kulturen der Bronzezeit gehört die Hügelgräber-Kultur vor etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr. Nach heutigem Kenntnisstand war die Hügelgräber-Kultur von Ostfrankreich (Elsaß) bis nach Ungarn (Kapatenbecken) verbreitet. Sie ist in diesem Gebiet mit der Mittelbronzezeit identisch und läßt sich in zahlreiche Lokalgruppen gliedern.
Der Begriff Hügelgräber-Kultur beruht darauf, dass sich etwa um 1600 v. Chr. in weiten Teilen Europas die Bestattungssitten radikal änderten: Statt die Toten wie in der Frühbronzezeit in Flachgräbern beizusetzen, schüttete man nun häufig über den Gräbern ein bis zwei Meter hohe Grabhügel auf und setzte dann nicht selten noch weitere Verstorbene darin bei.
Der Text über die Hügelgräber-Kultur stammt aus dem vergriffenen Buch „Deutschland in der Bronzezeit“ (1996) des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst in alter deutscher Rechtschreibung und entspricht dem damaligen Wissensstand. Weitere Kulturen der Bronzezeit aus Deutschland werden ebenfalls in Einzelpublikationen vorgestellt.
Ernst Probst
Die Hügelgräber- Kultur
Vorwort
Die Bronzezeit vor mehr als 2000 bis 800 v. Chr. gilt als die erste und längere der Metallzeiten in Europa. In dieser Zeit wurden Werkzeuge, Waffen und Schmuck aus Bronze her- gestellt. In einigen Gebieten hatte die Bronzezeit eine andere Zeitdauer. So begann sie in Süddeutschland schon vor etwa 2300 v. Chr. und endete um 800 v. Chr. In Norddeutschland dagegen währte sie von etwa 1600 bis 500 v. Chr.
Zu den in Deutschland verbreiteten Kulturen der Bronze- zeit gehört die Hügelgräber-Kultur vor etwa 1600 bis 1300/ 1200 v. Chr. Nach heutigem Kenntnisstand war die Hügel- gräber-Kultur von Ostfrankreich (Elsaß) bis nach Ungarn (Kapatenbecken) verbreitet. Sie ist in diesem Gebiet mit der Mittelbronzezeit identisch und läßt sich in zahlreiche Lokal- gruppen gliedern.
Der Begriff Hügelgräber-Kultur beruht darauf, dass sich etwa um 1600 v. Chr. in weiten Teilen Europas die Bestattungssitten radikal änderten: Statt die Toten wie in der Frühbronzezeit in Flachgräbern beizusetzen, schüttete man nun häufig über den Gräbern ein bis zwei Meter hohe Grabhügel auf und setzte dann nicht selten noch weitere Verstorbene darin bei.
Der Text über die Hügelgräber-Kultur stammt aus dem vergriffenen Buch „Deutschland in der Bronzezeit“ (1996) des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst in alter deutscher Rechtschreibung und entspricht dem damaligen Wissensstand. Weitere Kulturen der Bronzezeit aus Deutsch- land werden ebenfalls in Einzelpublikationen vorgestellt.
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PAUL REINECKE,
geboren am 25. September 1872 in Berlin-Charlottenburg, gestorben am 12. Mai 1958 in Herrsching. Er wirkte 1897 bis 1908 am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz. 1908 bis 1937 war er Hauptkonservator am Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München. 1917 wurde er kgl. Professor. Reinecke teilte 1902 die Bronzezeit in die Stufen A bis D ein. 1902 sprach er von der Grabhügelbronzezeit und später von der Hügelgräber-Bronzezeit.
Der Kult der „goldenen Hüte“
Die Hügelgräber-Kultur
vor etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.
Etwa um 1600 v. Chr. änderten sich in weiten Teilen Euro- pas die Bestattungssitten radikal: Statt die Toten wie in der Frühbronzezeit in Flachgräbern beizusetzen, schüttete man nun häufig über den Gräbern ein bis zwei Meter hohe Hügel auf und setzte dann nicht selten noch weitere Verstorbene darin bei. Auf diesem neuen Brauch beruht der Begriff „Hügelgräber-Kultur“, den 1902 der damals am Römisch- Germanischen Zentralmuseum, Mainz, tätige Prähistoriker Paul Reinecke (1872-1958) geprägt hat. Bei der Namens- wahl wurde er vermutlich durch die 1887 erschienene Pu- blikation „Die Hügelgräber zwischen Ammer- und Staffel- see“ des Münchener Historienmalers und Altertumsforschers Julius Naue (1832-1907) inspiriert.
Nach heutigem Kenntnisstand war die Hügelgräber-Kultur etwa ab 1600 bis 1300/1200 v. Chr. von Ostfrankreich (Elsaß) bis nach Ungarn (Karpatenbecken) verbreitet. Sie ist in diesem Raum mit der Mittelbronzezeit identisch und läßt sich in zahlreiche Lokalgruppen gliedern.
Zu den im Gebiet von Deutschland vertretenen Lokalgruppen gehören die Württembergische Gruppe, die Oberbayerische Gruppe, die Oberpfälzisch-böhmische Gruppe, die Rhein- Main-Gruppe, die Werra-Fulda-Gruppe und die Lüneburger Gruppe. Die Lokalgruppen unterscheiden sich durch die
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Ab der Zeit der Hügelgräber-Kultur (etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.) haben die Männer ihren Bart und vielleicht auch ihre Kopfhaare mit bronzenen Rasiermessern geschnitten,
die damals - ebenso wie bronzene Pinzetten zum Haareauszupfen - eine neue Errungenschaft waren.
Keramik sowie bronzene Schmucktracht und Bewaffnung voneinander.
Die Angehörigen der süddeutschen Hügelgräber-Kultur stammen von den Menschen der Frühbronzezeit im selben Gebiet ab. Sie sind nicht eingewandert, wie der Marburger Prähistoriker Friedrich Holste (1908-1942) in einer 1953 posthum erschienenen Publikation meinte. Nach seiner An- sicht spiegelten angeblich die mittelbronzezeitlichen Fund- stellen in einigen Gebieten Süddeutschlands eine andere Verbreitung als die frühbronzezeitlichen Fundorte wider. Doch später wurden viele der vermeintlichen Fundlücken durch neue Entdeckungen geschlossen.
Wie groß die damaligen Menschen waren, wird anhand von sieben Bestattungen bei Nersingen (Kreis Neu-Ulm) in Bay- ern ersichtlich, die durch den Münchener Anthropologen Peter Schröter untersucht wurden. Dort erreichten die Män- ner eine Größe zwischen 1,60 und 1,70 Metern und die Frau- en zwischen 1,52 und 1,57 Metern. Ein sechsjähriges Kind brachte es auf eine Körperhöhe von etwa einem Meter. Als ungewöhnlich groß für jene Zeit gilt ein Mann von angeb- lich 1,93 Metern aus Gauingen-Hochberg (Kreis Reutlingen) in Baden-Württemberg. Diese Maßangabe beruht jedoch auf einer Messung des Ausgräbers bei der Grabung und nicht auf einer anthropologischen Körperhöhenschätzung.
Mit Prunk und Pomp vorgenommene Bestattungen deuten auf erhebliche gesellschaftliche Unterschiede in der Bevöl- kerung hin. Offenbar hat es Häuptlinge oder „Fürsten“ ge- geben, die großen Reichtum anhäufen konnten. Ein solcher Anführer war wohl der „Fürst“ von Hagenau bei Regen- stauf (Kreis Regensburg) in Bayern. Auch bei der übrigen Bevölkerung gab es merkliche Unterschiede zwischen arm und reich innerhalb einer Sippe sowie zwischen verschiedenen Gegenden.
Frauen wurden mit ihrem gesamten Schmuck beerdigt. Nur ihnen legte man wertvolle Bernstein- und Glasperlen mit ins Grab. Der Weimarer Prähistoriker Rudolf Feustel vertritt die Ansicht, daß die bronzenen Schmuckstücke die Frauen nicht nur schmücken, sondern vor allem den Reichtum ihrer Ehe- männer demonstrieren und so deren gesellschaftliche Repu- tation und Macht erhöhen sollten.
Feustel hat nach Untersuchungen von Hügelgräbern in Thü- ringen zahlreiche interessante Schlüsse über die damalige Gesellschaft gezogen. Das ausgeglichene Verhältnis der Bestattungen von Männern und Frauen sowie vereinzelte Doppelbestattungen von Mann und Frau beispielsweise deuten nach seiner Auffassung auf Monogamie hin.
In der Gesellschaft hatten anscheinend die Männer das Sa- gen, vermutet Feustel. Denn anders ließe es sich kaum er- klären, warum unter hohem Arbeitsaufwand und sicherlich als Gemeinschaftsunternehmen fast alle Grabhügel für je- weils einen Mann errichtet worden seien. Zudem lagen fast sämtliche Männer im Zentrum und auf dem Grund des Grab- hügels, während die Frauen und Kinder meist am Rand be- stattet wurden.
Fremde Schmuckformen in manchen Frauengräbern bewei- sen Einheirat von Frauen aus anderen Gegenden. So trug eine Frau, die in Neuenstein-Obergeis (Kreis Hersfeld-Roten- burg) in Hessen bestattet wurde, eine Radnadel und eine Fi- bel, die für die Lüneburger Gruppe in Niedersachsen typisch ist. Im Grab eines Mädchens von Hünfeld-Molzbach (Kreis Fulda) lagen einige Schmuckstücke aus dem Maingebiet. Nach Erkenntnissen des Prähistorikers Albrecht Jockenhövel aus Münster/Westfalen dürften Frauen selten weiter als in ihre direkte Nachbargruppe eingeheiratet haben. Mitunter sind ältere Männer nach weiblichem Ritus beigesetzt worden. Der Prähistoriker Alexander Häusler aus Halle/Saale deutete 1966 diese Bestattungen als solche von Homosexuellen und Transvestiten.
Die Hügelgräber-Leute sind meistens nicht sehr alt gewor- den. Unter den 16 Verstorbenen von Wixhausen (Kreis Darm- stadt-Dieburg) in Hessen wurde kein einziger älter als 60 Jahre und nur einer überschritt das 40. Lebensjahr. Von den neun Erwachsenen in Wixhausen waren zwei Männer und sieben Frauen. Auch die beiden Jugendlichen von dort sind weiblich, der Rest starb bereits im Kindesalter.
Auf ungünstige Lebensbedingungen deuten auch die bei Jüchsen (Kreis Schmalkalden-Meiningen) in Thüringen ent- deckten Bestattungen hin. Von sieben Männern sind fünf (71 Prozent) schon im Alter von 20 bis 35 Jahren gestorben, ein Mann wurde um die 40 Jahre alt und ein weiterer minde- stens 40 bis maximal 60 Jahre.
Untersuchungen der Gebisse aus Nersingen zeigten, daß es um die Zähne häufig schlecht bestellt war. Der Mann in Grab 2 hatte alle Zähne des Oberkiefers sowie die Mahlzähne und den rechten zweiten Vormahlzahn des Unterkiefers verlo- ren. Die wenigen noch vorhandenen Zähne waren stark ab- geschliffen, und der linke erste Vorbackenzahn war von Karies befallen. Bei der Frau aus Grab 3 sind die Zähne auf der rechten Seite des Ober- und Unterkiefers stärker abgekaut als links. Ihre oberen ersten Backenzähne sind von Karies geschädigt, und an etlichen Zähnen im Ober- und Unterkie- fer haften Zahnsteinreste. Beim Mann aus Grab 6 ist der untere zweite Vormahlzahn ausgefallen, die Schneidezähne sind relativ stark abgeschliffen, und es konnte geringer Zahnsteinbefall festgestellt werden.
Ein mindestens 14jähriger Jugendlicher von Wilsingen (Kreis Reutlingen) in Baden-Württemberg hat nach einer Entzün- dung im Oberkiefer den rechten ersten Vormahlzahn verlo- ren. Im Unterkiefer war sein linker zweiter Vormahlzahn ungewöhnlich klein und bildete nur einen Lückenfüller zwi- schen dem ersten Vormahlzahn und Mahlzahn. Eine Frau aus Wixhausen hatte Überbiß.
Auch an den Skeletten sind mancherlei Krankheiten ablesbar. So litt der erwähnte Mann aus Grab 2 von Nersingen unter degenerativen Gelenk- und Wirbelschäden. Ein mehr als 40 Jahre alter Mann aus Wilsingen hatte in der Hals- und Brustwirbelsäule eine Spondylitis (Wirbelentzündung). Und der ebenfalls erwähnte 40 bis 60 Jahre alte Mann aus Jüchsen muß große Arthroseprobleme gehabt haben.
Sogar Opfer von Gewalttaten sind aus einigen Hügelgräbern in Bayern und Thüringen bekannt. Es handelt es sich hierbei um Menschen, die durch Pfeilschüsse ums Leben gekom- men sind.
So steckte einem Toten in der Gegend des unterfränkischen Ortes Stetten (Kreis Main-Spessart) die eingeschossene bronzene Pfeilspitze noch in einem seiner Oberarmknochen. Ob dieser Mensch an seiner Verwundung starb, ist unbekannt, weil weitere Skelettreste fehlen. Wahrscheinlich hat er diese Verletzung nicht lange überlebt.
Auf eine Tragödie lassen auch die Funde in der Grabkam- mer eines Hügels bei Jüchsen schließen. Dort hatte man drei männliche Tote gleichzeitig bestattet. Obwohl die Grabkam- mer genügend Platz bot, bettete man zwei der Männer nicht nebeneinander, sondern in entgegengesetzter Richtung über- einander. Zwischen den Skelettknochen dieser beiden Männer lagen insgesamt acht Pfeilspitzen, die ihnen wahrscheinlich den Tod gebracht haben. In einigem Abstand war in extremer Hockstellung - möglicherweise gefesselt - ein dritter Mann niedergelegt worden.
Nach Ansicht des erwähnten Prähistorikers Rudolf Feustel kann man darüber spekulieren, ob alle drei Männer hinge- richtet worden waren, oder ob der dritte, gefesselte Mann die beiden anderen erschossen hatte. War letzterer vielleicht wegen der Bluttat zum Tode verurteilt und aus Vergeltung lebend zu seinen Opfern ins Grab gelegt worden? Zumin- dest sollte seine Wiederkehr aus dem Jenseits verhindert werden.
Als weiteres Zeugnis dafür, daß Pfeil und Bogen nicht nur als Jagdwaffen, sondern auch bei Konflikten eingesetzt wur- den, gilt eine Bestattung aus Klings/Rhön (Wartburgkreis) in Thüringen. In diesem Fall steckte eine Pfeilspitze in ei- nem menschlichen Rückenwirbel. Eine Schußverletzung in Saalfeld (Kreis Saalfeld-Rudolstadt) in Thüringen war of- fenbar nicht tödlich, weil die Pfeilspitze von Knochen- wucherungen umgeben ist.
Ein anderer seltener Fund beweist, daß es auch im Verbrei- tungsgebiet der Hügelgräber-Kultur Medizinmänner gab, die Schädeloperationen (Trepanationen) vornahmen. Der ent- sprechende Nachweis - ein Schädel mit rundlicher Öffnung - gelang in einem der Hügelgräber von Lochham (Kreis München). Die Bronzeobjekte aus den Hügelgräbern von Lochham wurden 1938 durch den Prähistoriker Friedrich Holste als älteste Funde der Hügelgräber-Kultur bezeichnet und dem sogenannten Lochham-Horizont zugerechnet. Die Haltung von Schafen und Funde von tönernen Spinn-
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Zwei Frauen mit langärmeligen Blusen, knöchellangen Röcken, Schulter- und Kopftüchern aus Schwarza (Kreis Schmalkalden-Meiningen) bei Suhl in Thüringen - eine Rekonstruktion des Weimarer Prähistorikers Rudolf Feustel von 1958.
wirteln zum Spinnen von Wolle deuten darauf hin, daß die damalige Kleidung aus Schafwolle angefertigt wurde. Spinnwirtel kennt man aus Gräbern von Holzalfingen bei Lichtenstein und Hundersingen bei Münsingen (beide Kreis Reutlingen) in Baden-Württemberg. Die Kleidung war viel- leicht teilweise mit ähnlichen Mustern verziert, wie sie auf der Oberfläche mancher Tongefäße zu sehen sind.
Das Gewand der Männer wurde durch eine bronzene Nadel zusammengehalten. Die Prähistoriker unterscheiden zwi- schen Kolbenkopf-, Lochhals- und Trompetenkopfnadeln. Bei diesen Nadeln gab es einen Trend zu bombastischen Formen, der in Häuptlings- beziehungsweise „Fürsten- gräbern“ besonders drastisch zum Ausdruck kommt. Zur Garderobe der Männer gehörte ein Gürtel aus Wolle oder Leder, der manchmal mit einem bronzenen Gürtelhaken oder -blech versehen war.
Als Gürtelhaken bezeichnet man jenen Teil des Gürtels, der beim Verschließen zum Einhängen in ein anderes Teil dien- te. Er besteht aus einem Haken oder Dorn und einer Vor- richtung zur Befestigung am Gürtel. Beliebt waren Gürtel- haken aus Bronzedraht mit Spiralscheiben an beiden Enden. Man fand kleine Exemplare von nur zwei Zentimeter Län- ge, wie in Wilsingen (Kreis Reutlingen), aber auch große von 24 Zentimeter Länge, wie in Mehrstetten (Kreis Reutlingen). Von den Gürtelhaken unterscheiden sich die nach dem gleichen Prinzip angefertigten Gürtelbleche, die ebenfalls Teil eines Gürtels aus organischem Material wa- ren.
Im Gegensatz zum Gewand der Männer wurde das Kleid der Frauen an beiden Schultern durch je eine bronzene Rad- nadel zusammengehalten, oder man hatte damit den Schulter- umhang festgesteckt. Im östlichen Teil Süddeutschlands tru- gen die Frauen ein lang herabfallendes, schürzenartiges Klei- dungsstück, das mit kleinen Bronzehütchen besetzt und ver- ziert war. Die Füße blieben entweder nackt oder steckten in offenen Sandalen. Manche Zehen wurden mit bronzenen Ringen verschönert.
Bei den Frauen in Südthüringen waren schleierartige Kopf- und Schultertücher aus feinen Wollfäden, ärmellose oder langärmelige Blusen sowie knöchellange Röcke aus dich- tem, gewalktem Wolltuch in Mode. Wie ein Fund aus der Gegend bei Schwarza (Kreis Schmalkalden-Meiningen) in Thüringen zeigt, gehörten zur weiblichen Ausstattung auch kleine Beutel aus Schafleder.
Daß die Frauen der Werra-Fulda-Gruppe in Südthüringen und in Osthessen sich in lange Röcke hüllten, schloß der Prähistoriker Rudolf Feustel aus der Tatsache, daß in diesen Gebieten kaum Knöchelbänder oder sonstiger Beinschmuck gefunden wurde. Dagegen haben die Frauen der Rhein-Main- Gruppe ihre Beine häufig mit Bronzeschmuck versehen und deswegen wohl kurze Röcke bevorzugt.
Manche Frauen in Süddeutschland besaßen wertvolle bron- zene Gürtel aus einem Blechband mit einem Haken am ei- nen und einer Einhängevorrichtung (meistens einfache Lö- cher) am anderen Ende. Besonders dekorative Blechgürtel kamen in Großen-Linden (Kreis Gießen) und Hünfeld- Molzbach (Kreis Fulda) in Hessen zum Vorschein. An dem 80,6 Zentimeter langen Blechgürtel von Großen-Linden haf- teten sogar noch Lederreste. Er ist an einem Ende mit ein- gepunzten Buckeln verziert.
Das fragmentarisch erhaltene, 49,3 Zentimeter lange Gürtel- blech aus dem Mädchengrab von Hünfeld-Molzbach (Flur Bomberg) ist an einem Ende zur Vorderseite hin spiralför- mig eingerollt. Sechs kleine Durchbohrungen am anderen Ende könnten von einer Reparatur stammen. Dieses Gürtel- blech trägt auf der Schauseite ein Dekor aus getriebenen Perlbuckeln. Die beiden Längsseiten werden von doppelten Perlreihen gesäumt. Das große unverzierte Mittelfeld wird auf beiden Enden von je einer senkrechten Reihe größerer Schrägkreuze zwischen dreifachen Perlreihen begrenzt.
Ab der Hügelgräber-Kultur stutzten sich die Männer in Mit- teleuropa mit bronzenen Rasiermessern die Kopf- und Bart- haare und zupften sich mit bronzenen Pinzetten lästige Haa- re aus. Solche Toilettegegenstände hatte es zuvor schon bei der Mykenischen Kultur in Griechenland gegeben. Sie wur- den vermutlich durch Kontakte mit dieser Kultur bekannt und verbreitet. Die Rasiermesser der Mittelbronzezeit sind allesamt zweischneidig und häufig mit einen Ring an einem Ende versehen.
Experimente mit bronzenen Rasiermessern ergaben, daß man sich damit nicht täglich rasieren konnte. Manche Autoren nehmen an, die Rasur sei nur bei festlichen oder kultischen Anlässen vorgenommen worden. Um die Schneiden zu schüt- zen, hat man die Rasiermesser in Schutzhüllen aus Holz, Leder, Stoff oder Bronzeblech aufbewahrt. An einem Ra- siermesser von Muckenwinkling bei Agendorf (Kreis Strau- bing-Bogen) wurden auf einer Seite Reste von Haaren und auf der anderen Lederreste vom einstigen Futteral festge- stellt. Die Klingen der Rasiermesser sind zuweilen durch Dengeln oder Schleifen geschärft worden.
Mit den bronzenen Pinzetten ließen sich Kopf- oder Bart- haare entfernen, die dem Rasiermesser widerstanden hatten. Als erster vermutete dies 1916 der damals in Berlin tätige Prähistoriker Max Ebert (1879-1929). Der bereits erwähnte Münchner Historienmaler Julius Naue dagegen vertrat 1894 die Ansicht, man habe mit den Pinzetten Fäden durchgezo- gen.
Unterschiedlich gedeutet wurden auch bronzene Pfrieme. Der dänische Prähistoriker Sophus Müller (1846-1934) bezeich- nete diese Metallgeräte schon 1897 als Tätowiernadeln. Seine Erklärung findet heute noch die meisten Anhänger. Im Ge- gensatz dazu stieß die phantasievolle Deutung des Hambur- ger Prähistorikers Gustav Schwantes (1881-1960), es hand- le sich um Dornauszieher, in der Fachwelt auf wenig Ge- genliebe.
Die Lage der Goldringe im Grab des erwähnten „Fürsten“ von Hagenau läßt darauf schließen, daß dieser bedeutende Mann sein Haar zu einem hüftlangen Zopf geflochten hatte. Wenn dies zuträfe und es sich tatsächlich um einen mächtigen Herrscher handelt, wäre der Zopf wohl nicht vom Fürsten selbst, sondern von einem Familienmitglied oder Untergebenen kunstvoll geflochten worden.
Die Siedlungen der Hügelgräber-Leute lagen im Flachland an Quellen, Bächen, Flüssen und Seen, welche die Wasser- versorgung sicherten, sowie auf Bergen mit mehr oder min- der steilen Hängen. Die auf Bergen errichteten Höhen- siedlungen konnten sowohl unbefestigt als auch stark ge- schützt sein. Die besonders wehrhaften Höhensiedlungen mit Erdwällen oder Steinmauern gelten als Sitze von Häuptlin- gen oder „Fürsten“, die deren Macht demonstrierten.
Eine kleine Flachlandsiedlung wurde am Rabenhof bei Freystadt-Thannhausen (Kreis Neumarkt) in Bayern ent- deckt. Sie setzte sich aus drei in einer Reihe angeordneten kleinen Pfostenbauten von etwa sechs Meter Länge und vier Meter Breite zusammen. Die Behausungen waren entlang einer Umzäunung und in gleichmäßigen Abständen vonein- ander errichtet. Als tragendes Element der Hauskonstruktion dienten vier Reihen von jeweils drei Pfosten, die man im Abstand von zwei Metern in den Boden eingegraben hatte. Die Außenwände bestanden aus Flechtwerk mit Lehm- bewurf. Abdrücke des Flechtwerks waren häufig in Lehm- brocken zu sehen, die durch einen Brand verziegelt wurden. Die Behausungen sind offenbar häufig bei Bränden zerstört worden, wie Funde von Hüttenlehm, Mahlsteinen und Ton- gefäßen mit starken Feuerspuren verraten. Derartige Zeug- nisse für eine Brandkatastrophe wurden am Fundort Ried- wiesen von Frankfurt/Main-Schwanheim entdeckt, einer Siedlung, die nach dem Unglück von den Bewohnern auf- gegeben worden war. Ob das Feuer durch unachtsamen Umgang entstand oder durch Angreifer gelegt wurde, ist in diesem Fall nicht zu klären.
Hüttenlehm mit Abdrücken von Flechtwerk hat man auch in Bubenheim (Kreis Mainz-Bingen) in Rheinland-Pfalz ent- deckt. Der Lehm für die Hauswände und für die Keramik wurde aus Gruben entnommen, die man in Nähe der Bau- stelle ausgehoben hatte. In den Häusern gab es mit Steinen gepflasterte Herde und teilweise in den Fußboden eingelas- sene tönerne Vorratsgefäße.
Seeufer waren zur Zeit der süddeutschen Hügelgräber-Kul- tur keine idealen Siedlungsplätze mehr, weil sich das Klima rapide verschlechterte. Seeufersiedlungen aus jenem Ab- schnitt kennt man in Bodman-Schachen am Bodensee (Kreis Konstanz) und am Federsee bei Bad Buchau (Kreis Biber- ach) in Baden-Württemberg. Am Federsee wurde um 1500 v. Chr. erneut ein Dorf errich- tet, das noch etwas größer als die frühbronzezeitliche „Siedlung Forschner“ war. Doch spätestens um 1450 v. Chr. mußte das durch einen Palisadenring befestigte Dorf we- gen einer Überschwemmung schon wieder aufgegeben wer- den.
Den letzten Bewohnern der „Siedlung Forschner“ könnte bereits das Bau- und Brennholz knapp geworden sein, weil sie den umliegenden Laubwald aus Buchen, Eschen und Eichen unterschiedlichen Alters planlos abholzten. Allein auf der ausgegrabenen Fläche der Siedlung wurden 5035 Pfo- sten und 2772 Hölzer gefunden. Zur jüngsten Siedlung am Übergang zur Mittelbronzezeit führte von Südosten ein etwa 60 Meter langer hölzerner Bohlenweg. In diesem Dorf stand eine unbekannte Zahl von Blockhäusern.
Nach den Siedlungsresten auf süddeutschen Bergen zu ur- teilen, existierten zur Zeit der Hügelgräber-Kultur zahlrei- che Höhensiedlungen. Teilweise wirkten diese aufgrund stei- ler Felswände in ihrer Umgebung wie natürliche Berg- festungen, in anderen Fällen wurden zusätzlich mächtige Erdwälle oder Steinmauern errichtet, wodurch regelrechte „Burgen“ entstanden. So war es schon vorher in der Früh- bronzezeit gewesen.
Unbefestigte Höhensiedlungen der Hügelgräber-Kultur wa- ren in Bayern auf dem Frauenberg bei Weltenburg (Kreis Kelheim), dem Schloßberg von Kallmünz (Kreis Schwan- dorf), dem Schlüpfelberg bei Sulzbürg (Kreis Neumarkt) der Gelben Bürg bei Dittenheim (Kreis Weißenburg- Gunzenhausen) und dem Hesselberg bei Wassertrüdingen (Kreis Ansbach) zu finden.
Zu den mittelbronzezeitlichen „Burgen“ in Baden-Württem- berg gehören die Heuneburg bei Hundersingen an der Do- nau (Kreis Sigmaringen) und der Runde Berg bei Urach (Kreis Reutlingen). In Bayern sind gut geschützte Höhen- siedlungen im „Rauhen Forst“ bei Bergheim (Kreis Augs- burg), auf dem Stätteberg bei Unterhausen (Kreis Neuburg- Schrobenhausen), der Großen Birg bei Kochel (Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen) und dem Bogenberg bei Bogen (Kreis Straubing-Bogen) bekannt.
Eine besonders wehrhafte Anlage in Süddeutschland ist die Heuneburg bei Hundersingen. Der Bergsporn, der während der Hügelgräber-Kultur erstmals besiedelt wurde, fällt auf drei Seiten steil zur Donau ab. Das etwa 275 mal 175 Meter große Plateau wurde an der Kante des Berges mit einer 2,50 bis 3,20 Meter breiten Mauer abgesichert. Diese bestand aus einem in Blockbautechnik gezimmerten Kastenwerk mit Erdfüllung. An der Nordspitze setzten die Erbauer der Befe- stigung zusätzlich einen sechs Meter tiefen und 14 Meter breiten Graben vor die Mauer. Im Südwesten schüttete man auf einer Länge von 110 Metern einen 3,60 Meter hohen, an der Basis bis zu 20 Meter breiten Wall auf, dessen Krone zwei knapp drei Meter breite Kastenmauern bildeten. Im Inneren der Befestigung wurden Reste von Pfostenhäusern mit Herden sowie ein sieben Meter breiter und vier Meter tiefer Graben entdeckt, der das Plateau quer durchzog. Vor wem sich die Bewohner dieser imposanten mittelbronze- zeitlichen Burg fürchteten, weiß man nicht.
Von steilen Hängen gesäumt war auch die mit mehreren Wällen umgebene Befestigung auf der Großen Birg bei Ko- chel in Bayern. Sie thronte auf der in den Kochelsee hinein- ragenden Felskuppe.
In höhlenreichen Gegenden wurden die natürlichen Refugi- en vorübergehend von umherziehenden Hirten aufgesucht.
[...]
- Quote paper
- Ernst Probst (Author), 1996, Die Hügelgräber-Kultur, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93208
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