[...] Die nachfolgende Arbeit fokussiert hauptsächlich die Theorie der Erd–Demokratie von Vandana Shiva unter dem Aspekt der Praktikabilität und des Nutzens für einzelne Regionen und ihre Kulturen. Es soll untersucht werden, in wie weit Erd-Demokratie eine Alternative zur neoliberalen Globalisierung bildet und folglich eine Theorie ist, die lebendige Kulturen fördern kann. Im Vergleich zu Vandana Shivas Theorie soll eine kurze Gegendarstellung zu Huntingtons Kampf der Kulturen erfolgen, um ein kulturelles Miteinander verschiedener Völker und Ethnien zu ermöglichen ohne in einen globalen Konflikt zu geraten. Die dominante westliche Sichtweise von Samuel Huntington zeigt sehr deutlich, welche Einstellungen westliche Institutionen haben können und steht symbolisch für die Lebenseinstellung gegen den sich Vandana Shiva einsetzt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Was ist Erd – Demokratie?
2.1 Die Basisprinzipien im Vergleich
3 Widerstand zum Neoliberalismus
4 Der Kampf der Kulturen
5 Lebendige Kultur
5.1. Polykulturen und ihre Einschränkung
6 Maßnahmen für mehr Erd – Demokratie
6.1 Kampf für eine regionale Vielfältigkeit
6.2 Fairtrade und Bio – Produkte
7 Tendenzen für eine Weltkultur
8 Literaturverzeichnis
Erd – Demokratie.
Alternative zur neoliberalen Globalisierung
1 Einleitung
Ralf Dahrendorf erkannte in einer ungezügelten Globalisierung die Gefahr wachsender gesellschaftlicher Desintegration und politischer Instabilität.[1] Die neoliberale Wirtschaftsform nahm ihren Anfang in den 70er Jahren und basiert hauptsächlich auf dem Faktor Kapital mit dem Schwerpunkt der permanenten Renditensteigerung. Dieser finanzielle und wirtschaftliche Prozess ist theoretisch unendlich in seiner Maximierung und in allen Ländern im globalen Kontext anwendbar. Der mitentwickelte Positivismus der Wirtschaftstheorie hegt die Hoffnung die Vielzahl unterentwickelter Länder endlich entwickeln zu können. Pierre Bourdieu und Loic Waequant kritisieren in einem Beitrag über die „schöne neue Begrifflichkeit“, die auch den Globalisierungsbegriff betrifft, dass Begriffe wie „Kapitalismus“, „Ausbeutung“ und „Ungleichheit“ fehlen und somit ein symbolischer Imperialismus bemängelt werden kann.[2] Nicht nur die negativen Begriffselemente der Globalisierungsdefinition fehlen, sondern auch die Offenlegung ihrer fehlerhaften Funktion. In der Realität lässt sich bis heute kein allgemein positiver Trend im Zuge der Wirtschaftsglobalisierung hin zu einer wirtschaftlichen und sozialen Weiterentwicklung für entwicklungsschwache Länder erkennen. In der Praxis werden stattdessen zusätzlich negative Folgen in den Industrieländern sichtbar. In vielen anderen Staaten treten vermehrt Schäden und soziale Ungerechtigkeiten auf. Die Globalisierung des Marktes und des Wettbewerbes vergrößert in vielen Gesellschaften und Bevölkerungsgruppen die Ängste vor Unsicherheit und Schutzlosigkeit, wobei die Auswirkungen von Elend, Armut und Diskriminierung ohne einschränkende Institutionen zunehmen. Die Intention der Globalisierung beruht auf der Annahme den Wohlstand aller Menschen zu vergrößern, doch leider haben die negativen Folgen überhand vor den positiven. Die Wunschvorstellung endlich eine Ausweg aus der Unterentwicklung gefunden zu haben, wird mit der neoliberalen Globalisierung nicht verwirklicht werden.
Vandana Shivas politische Theorie stellt sich gegen die Annahme, dass erst die neoliberale Wirtschaftsweise die Möglichkeit initiiert, dass Leben der Menschen zu verbessern. Der Ansatz der Erd – Demokratie beinhaltet eine sehr ursprüngliche und alte Form zu leben. Sie gibt den Menschen ihre althergebrachte Lebensgrundlage zurück bzw. stabilisiert sie, indem die einzelnen Lebenszyklen bewusst gewahrt werden. Die indigen Völker, zu denen die Indianer, die Inder oder die australischen Ureinwohner zählen, leben oder lebten diesen Lebensstil über viele Jahrhunderte hinweg. Diese Art der Kultur zerstören in Großteilen die westliche Kultur und der vorangegangene Kolonialismus, die folglich zu erheblichen Identitätsverlusten dieser Menschen führen. In der Praxis gipfelt dieses westliche Verhalten in der bekannten Form der neoliberalen Globalisierung gegen die sich Vandana Shiva besonders stellt. Themen wie Umwelt, Frauenrechte, eine dezentrale Ökonomie, eine demokratische Ordnung und eine lebendige Kultur werden in der Wirtschaftsglobalsierung häufig außer Acht gelassen und bilden gleichzeitig die zentralen Elemente der Philosophie der Erd - Demokratie.[3]
Innerhalb des globalen Wirtschaftssystems polarisieren sich immer stärker die Unterschiede zwischen Armen und Reichen, wobei die kulturellen und ökologischen Zerstörungen unter Profitgründen vernachlässigt werden. Dieser entstehende Konflikt, zwischen einem Zugang zu Ressourcen und einer Aussperrung, basiert für Vandana Shiva auf der Komponente des existentiellen Überlebens der Menschen in weniger industriell entwickelten Ländern und dem Streben nach Profitsteigerung in westlichen Ländern. Im Vergleich dazu beschreibt ein renommierter Professor der Politikwissenschaft, Samuel Huntington, sein Werk über den Kampf der Kulturen, das auf der Annahme fußt, die Welt unterteile sich nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in sieben oder acht verschiedene kulturelle Lager[4], die sich gegenseitig als die bessere Kultur beweisen müssen. Das extremste Mittel dieses Konfliktes stellt den kulturellen Krieg, insbesondere zwischen der islamische Kultur und dem westlichen Christentum, dar. In diesem Konflikt geht es laut Huntington nicht allein um das existentielle Überleben jedes Einzelnen, sondern vermehrt um die Sicherung der westlichen Vormacht im globalen Prozess. Diese provozierende, westlich orientierte Annahme lässt zum einen kein Nebeneinader von Kulturen zu und zum zweiten unterstützt sie nicht die Entwicklung von unterentwickelten Ländern anderer Kulturen.
Die nachfolgende Arbeit fokussiert hauptsächlich die Theorie der Erd – Demokratie von Vandana Shiva unter dem Aspekt der Praktikabilität und des Nutzens für einzelne Regionen und ihre Kulturen. Es soll untersucht werden, in wie weit Erd - Demokratie eine Alternative zur neoliberalen Globalisierung bildet und folglich eine Theorie ist, die lebendige Kulturen fördern kann. Im Vergleich zu Vandana Shivas Theorie soll eine kurze Gegendarstellung zu Huntingtons Kampf der Kulturen erfolgen, um ein kulturelles Miteinander verschiedener Völker und Ethnien zu ermöglichen ohne in einen globalen Konflikt zu geraten. Die dominante westliche Sichtweise von Samuel Huntington zeigt sehr deutlich, welche Einstellungen westliche Institutionen haben können und steht symbolisch für die Lebenseinstellung gegen den sich Vandana Shiva einsetzt.
2 Was ist Erd – Demokratie?
Erd – Demokratie ist sowohl eine uralte Weltanschauung als auch eine neu entstehende politische Bewegung für Frieden, Gerechtigkeit, Gleichheit und Nachhaltigkeit, deren Ansatz darauf beruht, dass die Menschen zur Erde gehören und somit ein Teil von ihr sind. Dieses ursprüngliche Denken verweist auf eine tiefe Verbundenheit mit den natürlichen Gegebenheiten und stellt den materiellen und finanziellen Besitz in den Hintergrund. Die soziale Bewegung sieht den Planeten als Gemeingut an, der die Lebensgrundlage für alle Menschen bildet. Ohne diese Grundlage ist kein Leben möglich. In der aktuellen Auseinandersetzung mit den wirtschaftlichen Kräften bildet die Erd – Demokratie ihren Grundstein aus dem Widerstand gegen die Privatisierung im Namen der Wirtschaftsglobalisierung, weil sich die global operierenden Konzerne Gemeingüter als Privatbesitz aneignen wollen. Die drei Hauptelemente der Theorie stellen eine lebendige Wirtschaft, Demokratie und Kultur dar[5], die allen Menschen ermöglicht am Leben in der Gemeinschaft teilzunehmen.
Aus europäischer Sicht scheint diese Lebensweise rückschrittig und altmodisch zu wirken, wobei eine nähere Betrachtung der einzelnen Elemente zeigt, dass das Fundament auf ähnlichen Werten aufgebaut ist wie demokratische Staatsverfassungen.
2.1 Die Basisprinzipien im Vergleich
Die Erd – Demokratie Theorie basiert auf der Teilhabe aller an der Gemeinschaft und somit ausschließlich auf demokratischen Entscheidungsrichtlinien. Sie schützt die ökologischen Vorgänge, die Leben erhalten und die fundamentalen Menschenrechte, welche die Basis des Rechts auf Leben bilden. Hinzu kommen die Rechte auf Wasser, auf Nahrung, auf Gesundheit, auf Bildung, auf Arbeit und auf einen existenzsichernden Unterhalt.[6] Diese formulierten Ziele scheinen sehr simple in ihrer Anwendung, doch sind sie von existentieller Bedeutung für jeden einzelnen.
Aktuelle Berichte einzelner Ländern zeigen gravierende Schwachstellen innerhalb der Rechtesicherung, die die Theorie der Erd – Demokratie verfolgen. Angefangen bei Menschenrechts- und Demokratieverletzungen bis hin zu Schwachstellen in der Gleichstellung von Geschlechtern und Ethnien.
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[1] Franz Nuscheler: Entwicklungspolitik. 5. Auflage 2004 Bonn
[2] Wagner, Bernd (2001): Kulturelle Globalisierung: Weltkultur, Glokalität und Hybridisierung. S.9. Essen
[3] Vandana Shiva: Erd – Demokratie. Alternativen zur neoliberalen Globalisierung: Umschlagtext. 2006 Zürich Rotpunkt Verlag
[4] Samuel P. Huntington: Kampf der Kulturen. Spiegel Edition 2006/2007 Hamburg, S. 22
[5] Vandana Shiva: Erd – Demokratie – Alternativen zur neoliberalen Globalisierung. Rotpunktverlag 2006 Zürich. S. 27, 117, 169
[6] Vandana Shiva: Erd – Demokratie – Alternativen zur neoliberalen Globalisierung. Rotpunktverlag 2006 Zürich. S. 21
- Arbeit zitieren
- Franziska Reinold (Autor:in), 2007, Erd–Demokratie - Ist sie eine Alternative zur neoliberalen Globalisierung und kann sie eine lebendige Kultur fördern?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93159
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