Ausländerkriminalität – ein Problem, das in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer wieder aktuell ist und in den Medien diskutiert wird. In der vorliegenden Arbeit möchte ich klären, ob die Angst vor der hohen Kriminalität der Ausländer berechtigt ist. Die Schuld an der angeblich so hohen Delinquenz der Einwanderer wird oft deren kulturellem Hintergrund gegeben, die Unterschiede zwischen ihnen und uns seien zu groß. Bei den Türken argumentiert man gerne mit dem Islam. Das Unverständnis, das die Deutschen dieser Religion entgegenbringen, und die Angst, die daraus resultiert, ist momentan, in der Zeit des ‚islamischen Terrors’, höchst aktuell. Deshalb finde ich es interessant, auf der Grundlage kultureller Verschiedenheiten die Delinquenz junger Türken als Form von abweichendem Verhalten zu untersuchen. Dabei werde ich Sellins Kulturkonflikttheorie auf die Situation türkischer Einwanderer, vor allem der zweiten Generation, in Deutschland anwenden. Um das ganze zu veranschaulichen, ziehe ich Hermann Tertilts Studie über die Frankfurter Jugendbande Turkish Power Boys heran, weil es eine der besten ethnographischen Langzeitstudien ist, die in Deutschland gemacht wurden. Auch wenn es eine qualitative Studie ist und man die Ergebnisse nicht verallgemeinern kann, verdeutlicht sie doch die Situation der Gastarbeiterkinder und bestätigt in vielen Dingen die Aussagen, die in der einschlägigen Forschungsliteratur zu finden sind. Um einen Überblick zu gewähren, hole ich zunächst etwas aus, um die Geschichte der Gastarbeiter in Deutschland kurz zu umreißen und einen Einblick in die Bandengeschichte der Turkish Power Boys zu geben. Anschließend beleuchte ich das Phänomen der erhöhten Ausländerkriminalität und erläutere die Kulturkonflikttheorie im Zusammenhang mit der genannten Thematik. Schließlich werde ich beurteilen, ob diese Theorie als Erklärung für die Delinquenz jugendlicher Türken ausreicht. Wie dem Titel zu entnehmen ist, gehe ich in der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf die Situation männlicher Jugendlicher ein, da die Problematik der Türkinnen in Deutschland eine ganz andere ist.
Gliederung
1. Einleitung
2. Die Turkish Power Boys
2.1 Die Studie
2.2 Die Bande
3. Türkische Gastarbeiter in Deutschland
4. Ausländerkriminalität
5. Die Kulturkonflikttheorie
5.1 Hintergrund
5.2 Äußerer Kulturkonflikt
5.3 Innerer Kulturkonflikt
5.4 Bewertung der Kulturkonflikttheorie
6. Schlussgedanke
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Ausländerkriminalität – ein Problem, das in Deutschland in den letzten Jahrzehnten immer wieder aktuell ist und in den Medien diskutiert wird. In der vorliegenden Arbeit möchte ich klären, ob die Angst vor der hohen Kriminalität der Ausländer berechtigt ist. Die Schuld an der angeblich so hohen Delinquenz der Einwanderer wird oft deren kulturellem Hintergrund gegeben, die Unterschiede zwischen ihnen und uns seien zu groß. Bei den Türken argumentiert man gerne mit dem Islam. Das Unverständnis, das die Deutschen dieser Religion entgegenbringen, und die Angst, die daraus resultiert, ist momentan, in der Zeit des ‚islamischen Terrors’, höchst aktuell. Deshalb finde ich es interessant, auf der Grundlage kultureller Verschiedenheiten die Delinquenz junger Türken als Form von abweichendem Verhalten zu untersuchen. Dabei werde ich Sellins Kulturkonflikttheorie auf die Situation türkischer Einwanderer, vor allem der zweiten Generation, in Deutschland anwenden. Um das ganze zu veranschaulichen, ziehe ich Hermann Tertilts Studie über die Frankfurter Jugendbande Turkish Power Boys heran, weil es eine der besten ethnographischen Langzeitstudien ist, die in Deutschland gemacht wurden. Auch wenn es eine qualitative Studie ist und man die Ergebnisse nicht verallgemeinern kann, verdeutlicht sie doch die Situation der Gastarbeiterkinder und bestätigt in vielen Dingen die Aussagen, die in der einschlägigen Forschungsliteratur zu finden sind. Um einen Überblick zu gewähren, hole ich zunächst etwas aus, um die Geschichte der Gastarbeiter in Deutschland kurz zu umreißen und einen Einblick in die Bandengeschichte der Turkish Power Boys zu geben. Anschließend beleuchte ich das Phänomen der erhöhten Ausländerkriminalität und erläutere die Kulturkonflikttheorie im Zusammenhang mit der genannten Thematik. Schließlich werde ich beurteilen, ob diese Theorie als Erklärung für die Delinquenz jugendlicher Türken ausreicht. Wie dem Titel zu entnehmen ist, gehe ich in der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf die Situation männlicher Jugendlicher ein, da die Problematik der Türkinnen in Deutschland eine ganz andere ist.
2. Die Turkish Power Boys
2.1 Die Studie
Für seine ethnographische Langzeitstudie über die Frankfurter Jugendbande ‚Turkish Power Boys’ hat Hermann Tertilt zwei Jahre – von 1990 bis 1992 - mit den türkischen Jugendlichen verbracht. Er hat sie bei diversen Aktivitäten begleitet, ihren Alltag beobachtet und sich mit einzelnen Mitgliedern intensiver auseinandergesetzt. Er hat sich zudem mit ihrem sozialen Umfeld befasst, mit Eltern und Sozialarbeitern, und versucht, die Beweggründe für ihre Bandengründung und Straftaten zu ermitteln. Tertilt analysiert überdies die Verhaltensmuster und Wertorientierungen der Jugendlichen und zeigt durch Heranziehen von Erklärungen aus der einschlägigen Literatur, dass seine Befunde nicht nur auf die von ihm untersuchte Gruppe zutreffen.
2.2 Die Bande
Die Bande der ‚Turkish Power Boys’ wurde 1990 gegründet und löste sich 1992 wegen zahlreicher Interessensunterschiede auf. Die Mitgliederzahl schwankte immer um die 50 Jugendliche im Alter von 13 bis 18 Jahren, alle männlich und vorwiegend aus der zweiten Einwanderergeneration. Ihre Eltern waren Gastarbeiter, arbeiteten beispielsweise bei der Müllabfuhr und wohnten auf engsten Verhältnissen weitgehend isoliert von der deutschen Bevölkerung. Die Jungs besuchten unterschiedliche Schulen, viele die Hauptschule, manche aber auch das Gymnasium. Die Bande war gut organisiert, hatte sogar einen Vorstand, deshalb konnte sie so lange bestehen und sich den Respekt der anderen Banden verschaffen. Sie fielen durch ihre zahlreichen und gewalttätigen Straftaten auf, mit denen sie oft für Schlagzeilen sorgten. Diese waren vorwiegend gegen Deutsche gerichtet und von großer Aggression gekennzeichnet.
3. Türkische Gastarbeiter in Deutschland
Um die ‚Gastarbeiterproblematik’ zu verstehen, ist es wichtig zu sehen, wie diese entstanden ist. Darum möchte ich an dieser Stelle kurz auf die Geschichte türkischer Gastarbeiter in Deutschland eingehen.
Seit den 1950er Jahren wurden aufgrund der schnell expandierenden Industrie in der Bundesrepublik Deutschland ausländische Arbeitskräfte, vor allem aus der Türkei, angeworben. 1973 wurde diese Anwerbung gestoppt, jedoch wurde die Familienzusammenführung gefördert. Dadurch stieg – entgegengesetzt der Hoffnungen der Regierung – die türkische Bevölkerung in Deutschland weiter an. Obwohl die Gastarbeiter ursprünglich nur wenige Jahre in Deutschland bleiben wollten, um Geld zu verdienen, mit dem sie sich selbst und ihren Verwandten in Türkei ein besseres Leben sichern wollten, gab es nun zahlreiche Faktoren, die diese Rückkehr verhinderten. Indem die Gastarbeiter ihre Familien nach Deutschland holen, steigen die Lebenshaltungskosten, man zieht vom Arbeiterwohnheim in eine größere Wohnung. Dadurch bleibt weniger Geld für das zukünftige Leben in der Türkei. In ihrem Heimatland hat sich die Situation in der Zwischenzeit verschlechtert, die Arbeitslosigkeit ist hoch und durch die vielen Rückkehrer sind die Immobilienpreise gestiegen. Es wird also noch mehr Geld für die Rückkehr benötigt, darum entscheiden sich viele Familien, vorerst in der Bundesrepublik zu bleiben, wo man Arbeit hat und weiter Geld für die Zukunft sparen kann. Durch diese Verzögerung werden die Gastarbeiter vor die Entscheidung gestellt, ihre Kinder im Gastland oder in der Türkei einzuschulen. Da sie nicht über Jahre von ihren Kindern getrennt sein wollen, entscheiden sich die meisten für die Einschulung in Deutschland, was wiederum die Rückkehr um etliche weitere Jahre verzögert, da die Ausbildung der Kinder nicht unterbrochen werden soll.[1]
Obwohl der Rückkehrgedanke von den meisten lange aufrechterhalten wurde, wurde eine tatsächliche Rückkehr immer unwahrscheinlicher. Auch viele der Eltern der ‚Turkish Power Boys’ halten am Gedanken an die Rückkehr in die Türkei fest, wohingegen sich die Jugendlichen kaum ein Leben in der Türkei vorstellen können. Viele sehen es mehr als ein Urlaubsland als ihre Heimat.[2]
Nurettin beispielsweise, ein Mitglied der Turkish Power Boys, lebt zusammen mit seiner Familie in bescheidenen Verhältnissen, für die er sich schämt. Dennoch kann er sich nicht vorstellen, in der Türkei zu leben, er fühlt sich dort nicht heimisch. In Deutschland führen sie ein sehr sparsames Leben, die siebenköpfige Familie lebt auf siebzig Quadratmetern in einem heruntergekommenen Hochhaus. In der Türkei hat der Vater ein fünfstöckiges Haus bauen lassen, indem später die gesamte Großfamilie untergebracht werden soll. Dies zeigt das Festhalten an dem Gedanken an Rückkehr, doch Nurettin ist überzeugt davon, dass seine Eltern nie wirklich in die Türkei zurückkehren werden.[3]
4. Ausländerkriminalität
Immer wieder liest man in Zeitungen von einer drastisch hohen Ausländerkriminalität in Deutschland. Die Behauptung, dass Nichtdeutsche um einiges krimineller sind als Deutsche, wird vor allem von Rechtradikalen und konservativen Politikern propagiert. Meist wird diese Behauptung mit der Polizeilichen Kriminalstatistik untermauert. Dieser zufolge waren im Jahr 2005 22,5 Prozent der von der Polizei ermittelten Tatverdächtigen nicht deutscher Staatsangehörigkeit.[4] Das scheint bei einer Wohnbevölkerung von nur circa 8,2 Prozent[5] tatsächlich beträchtlich hoch. Allerdings muss man die Aussage der Statistik relativieren, man kann damit keine Rückschlüsse auf die tatsächliche Kriminalitätsbelastung der ausländischen Bevölkerung ziehen und sie mit der deutschen vergleichen. Zum einen ist da das Dunkelfeld nicht ermittelter Täter. Zum anderen wird in der Statistik nicht zwischen der ausländischen Wohnbevölkerung, der die hohe Kriminalitätsrate angelastet wird, und Grenzpendlern, illegalen, durchreisenden, und temporär in Deutschland lebenden Ausländern unterschieden. Ein weiterer Aspekt ist die unterschiedliche strukturelle Zusammensetzung von Deutschen und Ausländern. Die nichtdeutsche Bevölkerung ist im Durchschnitt jünger und zu einem höheren Anteil männlich. Zudem leben sie häufiger in Ballungsgebieten, gehören zu einem größeren Teil unteren Einkommens- und Bildungsschichten an und sind häufiger arbeitslos. „Dies alles führt zu einem höheren Risiko, als Tatverdächtige polizeiauffällig zu werden.“[6] Zudem muss man diejenigen Delikte gesondert betrachten, die gegen das Aufenthalts-, Asylverfahrens- und das Freizügigkeitsgesetz der EU verstoßen, denn diese werden fast ausschließlich von Ausländern begangen. Wenn man diese von der Gesamtzahl subtrahiert, beträgt die Anzahl ausländischer Tatverdächtiger nur noch 20,0 Prozent. Dennoch gibt es außer den eben genannten Straftaten einige Delikte, bei denen der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger mit über 40 Prozent besonders hoch ist. Zu denen zählen beispielsweise illegale Einfuhr von Kokain, Delikte im Zusammenhang mit illegaler Beschäftigung, Taschendiebstahl und Geldwäsche.[7]
[...]
[1] Vgl. Stüwe, Gerd: Türkische Jugendliche. Eine Untersuchung in Berlin-Kreuzberg. Bensheim, 1982. S. 11-20 und Tertilt, Hermann: Turkish Power Boys. Ethnographie einer Jugendbande, Frankfurt/M 1996.
[2] Vgl. Tertilt. S. 118 und Şen, Faruk: Die Türken zwischen Integration und Kulturkonflikt. In: Zeitschrift für Kulturaustausch. 41. Jahrgang 1991.
[3] Vgl. Tertilt,
[4] Vgl. Polizeiliche Kriminalstatistik 2005: http://www.bka.de/pks/pks2005/index2.html
[5] Vgl. Statistisches Bundesamt: http://www.destatis.de/presse/deutsch/pm2006
[6] BKA
[7] Vgl. ebd.
- Quote paper
- Sofie Sonnenstatter (Author), 2006, Über die problematische Situation männlicher türkischer Jugendlicher der zweiten Einwanderergeneration in Deutschland am Beispiel der ‚Turkish Power Boys’ , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92818
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