Emmanuel Lévinas verwirft in seinem ersten Hauptwerk „Totalität und Unendlichkeit“ die Gleichheit als ethische Leitidee und somit die autoritative Ordnung. Er wendet sich zur An-dersheit des Anderen hin, zur zwischenmenschlichen Begegnung der sprachphilosophischen Wende der Ethik in der multikulturellen Zivilisation. Traditionell leitet sich die Ethik nach dem Vorbild des Aristoteles aus der Ontologie ab. Die Frage nach dem, was ist, geht der Fra-ge nach dem, was sein soll, voraus. Erst das Wissen von der Funktionsweise der Welt erlaubt es, Handlungsanweisungen abzuleiten. Lévinas dreht dieses Verhältnis im Sinne Platons wie-der um, bei ihm ist die Ethik die wichtigste Philosophie. Auch im prophetischen Judentum, dem Lévinas angehört, ist die Ethik im Menschen angelegt. Die Frage der Gerechtigkeit ist für ihn die Grundfrage. Sie geht der Frage nach der Wahrheit voraus, die Welt enthüllt sich nur aus der Perspektive des Guten und erhält nur dann einen Sinn. Allein die Annäherung an die Welt in einer Haltung, die ihr gerecht werden will, enthüllt deren Wahrheit, die sprachli-chen Schwankungen unterworfen ist.
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Laut Lévinas’ neuer These über das Sein, ist Seiendes extérieur, „so getrennt voneinander, so äu-ßerlich, auswärtig und fremd füreinander, dass das Eine dem Anderen unentwegt neu begeg-net“ . Dabei ziehen sie einander an und stoßen einander ab, aber niemals können sie sich ein-ander entziehen. Dies wird unmittelbar deutlich in der Erfahrung des face-á-face, des Von-Angesicht-zu-Angesicht. Um sie gruppiert Lévinas nun die Erfahrungen des Genusses und der Leiblichkeit, des Besitzes und der Arbeit, des Schmerzes und der Geduld, der Liebe und der Fruchtbarkeit, der Güte und der Freigiebigkeit, des Krieges und des Friedens und auch schon dessen, was sie alle ermöglicht, der Sprache.
Doch die Gerechtigkeit ist wie gesagt die Grundfrage für Lévinas und steht hier im Mittel-punkt des Interesses. Dazu wird zunächst die Beziehung von Gerechtigkeit und Wahrheit un-tersucht. Diese beiden sind Gründe von Solidarität und Transzendenzerfahrung, die Wahrheit spielt ferner bei der Beziehung zum Anderen in Freiheit eine Rolle. Außerdem ist Gerechtig-keit mit Verantwortung verknüpft, wobei neben dem Anderen der Dritte auf den Plan tritt. Weiterhin ist die Sprache eine eingehende Betrachtung wert, da diese Gerechtigkeit erst mög-lich macht. Ins Blickfeld rückt schließlich die Politik, welche in einer politologischen Arbeit nicht fehlen sollte
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung.
- II. Emmanuel Lévinas und die Frage der Gerechtigkeit
- 1. Gerechtigkeit und Wahrheit
- 1.1. Gerechtigkeit und Wahrheit als Gründe von Solidarität und Transzendenz
- 1.2. Die Wahrheit und die Beziehung zum Anderen in Freiheit
- 2. Gerechtigkeit und Verantwortung.
- 3. Gerechtigkeit und Sprache
- 4. Gerechtigkeit und Politik
- III. Zusammenfassung / Summary
- IV. Anhang..
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit zielt darauf ab, Emmanuel Lévinas' Philosophie der Gerechtigkeit in seinem Hauptwerk „Totalität und Unendlichkeit“ zu analysieren. Der Text untersucht die Frage der Gerechtigkeit und ihre Beziehung zu Wahrheit, Verantwortung, Sprache und Politik im Kontext der Lévinasschen Philosophie.
- Die Kritik an der Gleichheit als ethischer Leitidee und die Betonung der Andersheit des Anderen.
- Die Bedeutung der zwischenmenschlichen Begegnung und die sprachphilosophische Wende der Ethik in der multikulturellen Zivilisation.
- Die Rolle der Gerechtigkeit als Grundfrage, die der Frage nach der Wahrheit vorausgeht und die Welt aus der Perspektive des Guten enthüllt.
- Die Verantwortung gegenüber dem Anderen als Ursprung der Solidarität und der Notwendigkeit, die Rechte des Anderen zu wahren.
- Die Rolle der Sprache als Voraussetzung für die Gerechtigkeit und die Bedeutung der Bewusstseinsbildung in der Geschichte und der Welt des Menschen.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung des Buches führt in die Philosophie Emmanuel Lévinas und seine Kritik an traditionellen ethischen Konzepten ein. Es wird die Frage der Gerechtigkeit als Grundfrage der Philosophie und ihre Beziehung zu Wahrheit, Solidarität und Transzendenz behandelt. Die Bedeutung der Andersheit des Anderen und die sprachphilosophische Wende der Ethik in der multikulturellen Zivilisation werden ebenfalls beleuchtet.
Das zweite Kapitel befasst sich genauer mit der Frage der Gerechtigkeit und ihren vielfältigen Facetten. Dabei wird die Beziehung von Gerechtigkeit und Wahrheit, Verantwortung gegenüber dem Anderen und die Rolle der Sprache in der Gerechtigkeit untersucht. Es werden die verschiedenen Aspekte der Solidarität und die Notwendigkeit einer neuen Art von Universalität in der Gerechtigkeit beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert sich auf die zentralen Themen der Lévinasschen Philosophie, wie Gerechtigkeit, Andersheit, Verantwortung, Solidarität, Sprache und Wahrheit. Darüber hinaus spielen Begriffe wie Transzendenz, Begegnung, Bewusstseinsbildung und die Erfahrung des Anderen eine wichtige Rolle. Die Arbeit behandelt die philosophischen und ethischen Implikationen der Lévinasschen Philosophie für die multikulturelle Zivilisation und das Verhältnis von Mensch und Welt.
- Quote paper
- Piotr Grochocki (Author), 2006, Emmanuel Lévinas und die Frage der Gerechtigkeit in seinem Werk „Totalität und Unendlichkeit“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92707