Die Arbeit geht auf Diskurse und textuelle Strategien ein, die von der nationalsozialistischen Zivilverwaltung in Luxemburg benutzt wurden, um die Luxemburger, ähnlich den Elsässern und Lothringern "Heim ins Reich" zu führen. Anhand von Victor Delcourts autobiographisch-dokumentarischer Schilderung der Okkupationsjahre, "Luxemburg unter dem Hakenkreuz", ist es möglich sowohl Texte (Pressemitteilungen, plakatierte Aufrufe, Reden) wie auch die Reaktionen, das Leiden und den Widerstand der Bevölkerung zu analysieren in jenen für das luxemburgische Nationalbewusstsein und für das Letzeburgische schweren und wichtigen Jahren.
"Die Nazis griffen in ihrer Propaganda u.a. das Sprach- und Identitätsproblem der Luxemburger immer wieder auf. Und schon bald nach dem Einmarsch sollte deutlich werden, dass die Besatzung diesmal anders verlaufen würde als im Ersten Weltkrieg. „L’instrument principal de la politique de germanisation des nationaux-socialistes fut sans aucun doute le „Volksdeutsche Bewegung“, dont l’animateur et le guide sera le professeur Kratzenberg.“ Man würde versuchen Luxemburg mit der „Heim ins Reich“-Bewegung zu einem integralen Bestandteil des nationalsozialistischen Deutschlands zu machen. Dabei spielte natürlich die Propaganda eine eminente Rolle. „Der Kampf um die Massen ist zunächst ein Kampf um deren Köpfe.“"
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Erste Phase der Besatzung – Eure Sprache sei Deutsch!
3. Brücken in die Vergangenheit und Luxemburgs Zukunft
4. Einführung der Wehrpflicht und Scheitern des Gauleiters
5. Fazit
6. Literatur
6.1. Quellen
6.2. Sekundärliteratur
6.3. Dokumentarfilm
1. Einleitung
Am 10 Mai. 1940 begann die Offensive des Deutschen Reiches gegen Frankreich, in deren Zuge auch die Niederlande, Belgien und Luxemburg von der Wehrmacht überrannt wurden.
Kurz nach der Hundertjahrfeier der Unabhängigkeit, die 1939 mit Begeisterung und großer Anteilnahme der Bevölkerung begangen worden war, war man wieder besetzt… das zweite Mal innerhalb eines Vierteljahrhunderts. 1870 blieb Luxemburg die Invasion erspart. „Any growing concept of national identity was (…) put to its real test (…) by the outbreak of the Franco-Prussian War”[1]. Die Bevölkerung zeigte sich damals wenig begeistert von Preußens militärischen Erfolgen. „The German press in retaliation mounted a campaign laying claim to Luxembourg, but (…) the Luxembourgers awareness of their own national identity had grown so greatly that at the end of the war (1871), Prussia (…) was unable to gain any political control of the grand duchy.”[2]
Doch 1914 waren die Truppen des wilhelminischen Deutschland unter Verletzung der von Bismarck 1867 im Vertrag von London zugesicherten Neutralität einmarschiert und hatten das Oberkommando der westlichen Streitkräfte in der Stadt Luxemburg eingerichtet. So unangenehm die Erfahrung auch war, der luxemburgische Staat blieb damals unangetastet.[3] Vielleicht auch weil die junge Großherzogin Marie-Adelheid, zur Entrüstung der dem deutschen Militär nicht eben wohlgesinnten Bevölkerung und der politischen Opposition, Kooperationsbereitschaft mit dem Besatzer zeigte. Das Resultat war die Entzweiung der Gesellschaft nach dem Krieg und die Gefährdung der Eigenständigkeit des kleinen Landes. Die „Entente [beschuldigte] die luxemburgische Regierung und die Großherzogin (…) deutschfreundlichen Verhaltens“[4] und „Aufständische riefen im Januar 1919 die Republik aus.“[5] Die Krise wurde am 28. September 1919 durch ein Referendum gelöst, in welchem mit großer Mehrheit für die bis heute gültige Staatsform einer parlamentarischen Monarchie gestimmt wurde. „Die Bedrohung der nationalen Unabhängigkeit durch die Entente, aber auch durch die erneuten Annexionsgelüste Belgiens und Frankreichs, forderten die Luxemburger geradezu heraus, ihren Unabhängigkeitswillen zu demonstrieren. (…) [Und dieser hatte sich nun] deutlich und unmissverständlich nach außen hin gezeigt.“[6]
Die Bewältigung dieser Krise schien ein wichtiger Schritt hin zur Nationwerdung der Luxemburger darzustellen, eine Entwicklung, die langsam im späten 19. Jahrhundert einzusetzen begonnen hatte und deren Voraussetzung zweifellos durch das Resultat der belgisch-luxemburgischen Revolution von 1830-39 zustande gekommen war. 1839 „fielen die Markgrafschaft Arlon und die Grafschaft Bouillon an Belgien. Damit verlor das neugeschaffene Großherzogtum sein letztes französischsprachiges Gebiet, was die luxemburgische Sprachlandschaft grundlegend veränderte“[7], das Land war nun „monolingual und monoglossisch.“[8] Man wusste zwar nicht so recht was man da sprach und so blieb die Mundart 145 Jahre lang eine gesetzlich nie anerkannte Landessprache, seit 1848 aber „ist in allen Verfassungen (…) die freie Wahl zwischen dem Französischen und dem Hochdeutschen festgeschrieben.“[9] Identitätsstiftend wurde aber mehr und mehr der Dialekt, so dass das erste Mal 1896 der Abgeordnete C.M. Spoo das Luxemburgische –absolut erfolglos- als dritte, ebenbürtige Parlamentssprache durchzusetzen versuchte.[10]
Sind wir eine Nation? Sprechen wir eine Sprache oder einen Dialekt? Sind wir Deutsch? Sollen wir uns Belgien oder Frankreich anschließen? Was ist ein Luxemburger? Das Gezerre um diese Fragen ging in den nächsten Jahrzehnten weiter. Und es ist zu bezweifeln, dass vor 1939-40 die Luxemburger in ihrer großen Mehrzahl sich als einer luxemburgischen Nation zugehörig gefühlt haben[11], obwohl es, wenn auch politisch unbedeutende, rechtsnationale Gruppierungen gab. Die Masse der Luxemburger konnte höchstens diffus und durch Abgrenzung artikulieren was man nicht war und dass die Unabhängigkeit doch irgendwie von Vorteil war. Sprachlichen Ausdruck findet dieses Gefühl in dem 1859 uraufgeführten und seitdem zur inoffiziellen zweiten Nationalhymne gewordenen Lied des Michel Lentz (1820-1893) D’Lëtzebuerger (im Volksmund nur als De Feierwon bekannt).[12] Die letzte Strophe lautet: Kommt dier aus Frankräich, Belgie, Preisen,/ Mir wëllen iech eis Hemecht weisen!/ Frot dir no alle Säiten hin:/ Mir wëlle bleiwe wat mer sin![13] „The final verse (…) featured the Rhineland’s post-1815 slogan of resistance to the Prussians, Wir wolle bleibe was wir sin“[14].
Mit dem Ausdruck eines gewissen, allgemeinen Stolzes in einem Volkslied sind aber die vorher angedeuteten Fragen und Konflikte keineswegs behoben. Die Nazis griffen in ihrer Propaganda u.a. das Sprach- und Identitätsproblem der Luxemburger immer wieder auf. Und schon bald nach dem Einmarsch sollte deutlich werden, dass die Besatzung diesmal anders verlaufen würde als im Ersten Weltkrieg. „L’instrument principal de la politique de germanisation des nationaux-socialistes fut sans aucun doute le „Volksdeutsche Bewegung“, dont l’animateur et le guide sera le professeur Kratzenberg.“[15] Man würde versuchen Luxemburg mit der „Heim ins Reich“-Bewegung zu einem integralen Bestandteil des nationalsozialistischen Deutschlands zu machen. Dabei spielte natürlich die Propaganda eine eminente Rolle. „Der Kampf um die Massen ist zunächst ein Kampf um deren Köpfe.“[16]
Bei der Untersuchung der Diskurse und textuellen Strategien, die verwendet wurden um die Luxemburger „ins Reich“ zu führen, verwende ich das Buch von Victor Delcourt: Luxemburg unter dem Hakenkreuz.[17] Dort befinden sich Texte der Zivilverwaltung abgedruckt, Verordnungen und deren Begleittexte in der Presse, sowie Reden; aber das Buch ermöglicht auch einen Einblick in die alltägliche Sprachpraxis im Nationalsozialismus.
2. Erste Phase der Besatzung – Eure Sprache sei Deutsch!
Die in Luxemburg eingerichtete Feldkommandatur der Wehrmacht hatte sich im großen Ganzen damit abgefunden das okkupierte Gebiet zu verwalten; sie erklärte, dass aufgrund der Hilfeanforderung der geflohenen Regierung an die Alliierten Luxemburg „grundsätzlich als feindliches Land zu behandeln“ (LH., S. 24) sei. „Es gibt keine von uns anerkannte luxemburgische Regierung mehr.“ (ebd.) Die Zeitungen unterlagen sofort der Zensur und erschienen erst am 17. Mai 1940 wieder, nachdem sie gleichgeschaltet worden waren, d.h. die Direktoren und unbequeme Redakteure wurden verhaftet und nach Deutschland abgeführt, um durch Reichsdeutsche ersetzt zu werden (vgl. ebd. und S.26f.). Der öffentliche Sprachgebrauch der Feldkommandatur unterschied sich nicht von dem der luxemburgischen Regierung, es wurden „keine sprachenpolitischen und ideologischen Ziele verfolgt“[18] ; Plakate wurden in der Regel zweisprachig verfasst und angebracht.
„Mit der Okkupation hatte man sich mit innerem Grollen abfinden müssen.“(LH., S. 47) Doch die Hoffnung, sie würde ähnlich verlaufen wie im Ersten Weltkrieg, wurde spätestens am 5. August zerstört, als der kurz vorher zum Chef der Zivilverwaltung ernannte Gustav Simon, Gauleiter des Gaues Koblenz-Trier, den Einmarsch der deutschen Polizei in Luxemburg würdigte. „Die Abwendung von der Militärverwaltung und die Hinwendung zur Zivilverwaltung war Ausdruck einer besonderen deutschen und nationalsozialistischen >Aufmerksamkeit< für (...) [Luxemburg], die das Land stärker als nur verwaltungsmäßig unter den Einfluß des »Neuen Europa« -so lautete die ideologische Vorgabe für die besetzten Länder des europäischen Norden und Nordwesten- bringen sollte.“[19] Es war Simons erster öffentlicher Auftritt und dieser war in einigen Punkten schon richtungsweisend für die Propaganda mit der Luxemburg in den nächsten Jahren überzogen werden würde: „Es wird euch, Männer der Polizei, bekannt sein, daß Ihr hier nicht zu einer Bevölkerung kommt, die Deutschland entgegengesetzt ist, denn das Land Luxemburg ist altes deutsches Siedlungsgebiet. Die Bevölkerung dieses Landes ist deutschstämmig, sie ist moselfränkisch, genau wie die Bevölkerung von Trier und von unserem schönen Moselland. Lassen Sie sich daher nicht täuschen von dem äußeren französischen Firnis, der nur künstlich aufgetragen ist. Ich verspreche Ihnen, daß dieser französische Firnis, diese jämmerliche Tünche, in wenigen Wochen spurlos verschwunden sein wird.“ (LH., S. 49)
In der ersten Phase der Besatzung war die Zivilverwaltung vor allem darum bemüht zu beschwichtigen und zu schmeicheln. Die Wehrmacht und die Nazis wurden als Befreier einer „rassisch wertvolle[n], anständige[n] und tüchtige[n] Bevölkerung“ und einer „schönen und gepflegten Stadt“ (ebd.) dargestellt.
Von Anfang an wurden die Luxemburger als Deutsche behandelt, denen der „französische Imperialismus“ (ebd.) „nicht zugemutet werden“ (ebd.) könne. Die Texte aller Art sind gekennzeichnet durch wiederholte Hetze gegen Frankreich und, stets daran gekoppelt, der Betonung des deutschen Volkstums Luxemburgs. Als Gegensatz zum „französischen Imperialismus“ kristallisiert sich im Text der „tägliche(n) und tätige(n) Drang zu Adolf Hitler, der Deutschland frei und groß und stark gemacht hat“ (ebd.) heraus.
Die Größe, die wirtschaftlichen Möglichkeiten, die militärische und politische Macht Deutschlands sollen wie eine Verheißung für das neu eingegliederte Luxemburg im zukünftigen nationalsozialistischen Europa wirken.[20] Ein wichtiges Merkmal des nationalsozialistischen Redehabitus sind die „illokutiven Wirkungsmechanismen des Versprechens“[21], wie beispielweise am Ende des oben zitierten Textausschnittes zu sehen ist. Es war dies ein Versprechen, das Simon am 7. August sofort einlöste, nämlich mit der Verordnung über den Gebrauch der deutschen Sprache in Luxemburg (Vgl. LH., S. 50f.), welches aber bei einer bestimmten Gruppe von Adressaten sicherlich eher wie eine Drohung klang, freilich noch weniger explizit als in späteren Texten.
[...]
[1] Newton, Gerald: Luxembourg: The Nation. In: Luxembourg and Lëtzebuergesch. Language and Communication at the Crossroads of Europe. Hrsg. v. Gerald Newton. Oxford: Clarendon Press 1996, S. 13.
[2] Ebd.
[3] Vgl. ebd., S.16.
[4] Dostert, Paul: Luxemburg zwischen Selbstbehauptung und nationaler Selbstaufgabe. Die deutsche Besatzungspolitik und die Volksdeutsche Bewegung 1940-1945. Inaugural-Diss. Zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität zu Freiburg i.Br.. Luxembourg: Imprimerie Saint-Paul 1985, S.22.
[5] Ebd., S. 23.
[6] Ebd.
[7] Hoffmann, Fernand: 1839-1989: Fast 150 Jahre amtlicher Zwei- und privater Einsprachigkeit in Luxemburg. Mit einem nationalsozialistischen Zwischenspiel. In: Germanisch und Romanisch in Belgien und Luxemburg. Romanistisches Kolloquium VI. Hrsg. v. Wolfgang Dahmen, Günter Holtus, Johannes Kramer u.a. Tübingen: Narr 1992, S. 150.
[8] Ebd.
[9] Ebd., S. 151.
[10] Vgl. ebd., S. 152.
[11] Siehe dazu die Zeitzeugenaussagen in der Doku Heim ins Reich (L, 2004) von Claude Lahr.
[12] Vgl. Newton, Gerald: Lëtzebuergesch and the Establishment of National Identity. In: Luxembourg and Lëtzebuergesch. Language and Communication at the Crossroads of Europe. Hrsg. v. Gerald Newton. Oxford: Clarendon Press 1996, S. 182.
[13] Zitiert: ebd.
[14] Ebd.
[15] Blau, Lucien: Histoire de l’extrême-droite au Grand-Duché de Luxembourg au XXe siècle. Esch-sur-Alzette: Polyprint 1998, S.463.
[16] Ehlich, Konrad: Über den Faschismus sprechen – Analyse und Diskurs. In: Sprache im Faschismus. Hrsg. v. Konrad Ehlich. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995³, S. 15.
[17] Delcourt, Victor: Luxemburg unter dem Hakenkreuz. Erinnerungen an die Kriegsjahre 1940-1944. Luxemburg: Éditions Emile Borschette 1988. Zitate aus dem Buch werden nur wie folgt angegeben: (LH., Seitenzahl).
[18] Hoffmann: 1839-1989, S. 156.
[19] Sauer, Christoph: Nazi-Deutsch für Niederländer. Das Konzept der NS-Sprachpolitik in der Deutschen Zeitung in den Niederlanden 1940-1945. In: Sprache im Faschismus. Hrsg. v. Konrad Ehlich. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995³, S. 255f.
[20] Vgl. Ehlich: Faschismus, S. 22f.
[21] Ebd., S. 23.
- Quote paper
- Steve Hoegener (Author), 2006, "Die besten Deutschen des Reiches überhaupt" - NS-Propaganda im besetzten Luxemburg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92648
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