Das Wirken des Reichfreiherrn Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein war und ist ein beliebter Forschungsgegenstand der deutschen Geschichtswissenschaft. Insbesondere seit Mitte des 19. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die historische Persönlichkeit Stein als Visionär und Kämpfer für den deutschen Nationalstaat dargestellt. Seine Verfassungspläne und seine Versuche auf dem Wiener Kongress, diese umzusetzen, fanden damals eine breite Rezeption. So überrascht nicht, dass Stein im Geiste der Zeit glorifiziert wurde: Karl Soll beispielsweise zitiert zur „Charakteristik“ Steins Heinrich von Gagern, der Stein „den […] sichtbarsten Anteil“ und eine „gediegene Kraft“ an den Kongressverhandlungen attestierte und ihn als Mann von Charakter, Pflichtbewusstsein und Zuverlässigkeit beschrieb.
Auch in späterer Zeit galt Stein weiterhin als historisches Vorbild, selbst Bundesrepublik und DDR wetteiferten miteinander um das Stein-Andenken, wenngleich seine Rolle als Reformer gegenüber der des Patrioten nunmehr in den Vordergrund trat. Seine Verfassungspläne und deren Umsetzungsversuch finden in der neueren Forschung jedoch ein differenzierteres Urteil: Während Wolfram Pyta, besonders in Hinblick auf die Thematik dieser Arbeit, Stein als „Geburtshelfer der deutschen Verteidigungsgemeinschaft“ bezeichnet, urteilt Heinz Duchardt nüchtern, „die dauerhaften Erfolge des Politikers Karl vom und zum Stein [hielten sich] in Grenzen“ . Michael Hundt dagegen kritisiert gar, Steins „Einfluss auf die Verfassungspolitik“ habe sich „kontraproduktiv und für die von ihm beratene Partei sogar nachteilig“ ausgewirkt!
Wie ist nun also Steins Wirken auf dem Wiener Kongress zu verstehen? Konnte er seine Kernforderungen und Ideen einer deutschen Verfassung, oder zumindest Teile dieser, durchsetzen?
Ziel dieser Arbeit soll sein, eine differenzierte Antwort auf diese Fragestellung zu geben und das Wirken Steins, sowie dessen Auswirkungen auf dem Kongress, zu untersuchen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung in die Thematik und Struktur der Arbeit
2 Stein und die Deutsche Bundesakte
2.1 Die Grundgedanken und Vorstellungen Steins zu einer Deutschen Verfassung
2.2 Steins Wirken auf dem Wiener Kongress
3 Schlussbetrachtung
4 Literaturverzeichnis
1 Einführung in die Thematik und Struktur der Arbeit
Das Wirken des Reichfreiherrn Heinrich Friedrich Karl vom und zum Stein war und ist ein beliebter Forschungsgegenstand der deutschen Geschichtswissenschaft. Insbesondere seit Mitte des 19. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die historische Persönlichkeit Stein als Visionär und Kämpfer für den deutschen Nationalstaat dargestellt. Seine Verfassungspläne und seine Versuche auf dem Wiener Kongress, diese umzusetzen, fanden damals eine breite Rezeption. So überrascht nicht, dass Stein im Geiste der Zeit glorifiziert wurde: Soll beispielsweise zitiert zur „Charakteristik“ Steins Heinrich von Gagern, der Stein „den […] sichtbarsten Anteil“[1] und eine „gediegene Kraft“[2] an den Kongressverhandlungen attestierte und ihn als Mann von Charakter, Pflichtbewusstsein und Zuverlässigkeit beschrieb.
Auch in späterer Zeit galt Stein weiterhin als historisches Vorbild, selbst Bundesrepublik und DDR wetteiferten miteinander um das Stein-Andenken, wenngleich seine Rolle als Reformer gegenüber der des Patrioten nunmehr in den Vordergrund trat. Seine Verfassungspläne und deren Umsetzungsversuch finden in der neueren Forschung jedoch ein differenzierteres Urteil: Während Pyta, besonders in Hinblick auf die Thematik dieser Arbeit, Stein als „Geburtshelfer der deutschen Verteidigungsgemeinschaft“[3] bezeichnet, urteilt Duchardt nüchtern, „die dauerhaften Erfolge des Politikers Karl vom und zum Stein [hielten sich] in Grenzen“[4]. Hundt dagegen kritisiert gar, Steins „Einfluss auf die Verfassungspolitik“ habe sich „kontraproduktiv und für die von ihm beratene Partei sogar nachteilig“[5] ausgewirkt!
Wie ist nun also Steins Wirken auf dem Wiener Kongress zu verstehen? Konnte er seine Kernforderungen und Ideen einer deutschen Verfassung, oder zumindest Teile dieser, durchsetzen?
Ziel dieser Arbeit soll sein, eine differenzierte Antwort auf diese Fragestellung zu geben und das Wirken Steins, sowie dessen Auswirkungen auf dem Kongress, zu untersuchen. Zunächst jedoch werden im Kapitel 2.1 die grundsätzlichen Überlegungen Steins im Zusammenhang mit der Verfassungsfrage behandelt, bevor im Kapitel 2.2 deren Umsetzungsversuche in Wien thematisiert werden. In diesem Zusammenhang wird auch auf die Veränderungen eingegangen werden müssen, die Stein, gezwungen durch die Umstände, an seinen Plänen vornahm. Im letzten Kapitel soll zusammenfassend eine Bewertung der Ergebnisse vorgenommen werden.
2 Stein und die Deutsche Bundesakte
2.1 Die Grundgedanken und Vorstellungen Steins zu einer Deutschen Verfassung
Der Freiherr vom Stein hatte bereits in den Jahren vor dem Wiener Kongress 1814/1815 umfassende Verfassungspläne für eine neue staatliche Ordnung in Deutschland ausgearbeitet. Aufgrund des Umfangs von Steins Schriften geht dieser Teil der Arbeit nur auf die unmittelbar vor dem Kongress verfassten Denkschriften und Briefe ein, dabei insbesondere den Briefwechsel zwischen Stein und dem hannoverschen Minister Reichsgraf Herbert Ernst Friedrich zu Münster, und den im März 1814 verfassten Entwurf einer deutschen Bundesverfassung.
Steins Überlegungen gingen ursprünglich allesamt von einer Wiederbegründung des „alten Reichs“ aus. Er orientierte sich in seinen Verfassungsüberlegungen an einer „idealisierten fernen Vergangenheit des deutschen Mittelalters“[6] und wünschte sich eine starke Stellung des monarchischen Oberhauptes, des Kaisers, dessen Allmacht vor allem durch die ihm zur Seite gestellten Deputierten beschränkt werden sollte.[7] Diese Deputierten sollten sich aus den Landständen zusammensetzen, aber vor allem auch aus den mediatisierten Fürsten und Reichsrittern.[8] Stein erhoffte sich davon, die Macht der Landesherren zugunsten des Gesamtstaates eindämmen zu können. Sein Ziel in seinen Verfassungsüberlegungen war stets, „die ehemaligen Rheinbundstaaten unter Kontrolle“[9] zu nehmen. Er misstraute den Landesherren, da er glaubte, sie stellten das Wohl ihres Territoriums über das der Nation. Ihre in der alten Reichsverfassung garantierte Macht habe einer „allmählichen inneren Auflösung und einer fortdauernden Zwietracht“[10] Vorschub geleistet und somit das Ende des Alten Reiches besiegelt.
Zugleich sollten die Mediatisierten als „berufene Sprecher“[11] fungieren. Stein glaubte, je größer die dem entmachteten Adel verbriefte Freiheit sei, desto größer werde auch die Freiheit für das gesamte Volk ausfallen.
Die Landstände und die durch sie zu schaffende herausgehobene Stellung für den Adel und die Großgrundbesitzer, mithin also die in „ökonomischer Hinsicht Unabhängigen“,[12] waren in den Verfassungsüberlegungen Steins von fundamentaler Bedeutung. Diese kleine Personengruppe hielt er für das Funktionieren eines Staates für unabdingbar. Stein blieb in dieser Hinsicht seinen bereits als preußischer Reformminister bei der Umsetzung der kommunalen Selbstverwaltung erkennbar gewordenen Grundüberzeugungen treu.
Der Tatsache, dass das „neue Deutschland“ nicht zu mittelalterlichen Verhältnissen zurückgeführt werden konnte, versuchte Stein mit einer „Triaskonzeption“[13] zu begegnen. Die mindermächtigen Staaten Mitteldeutschlands sowie Teile Preußen sollten diesem Deutschland angehören, das erheblich verkleinert wurde durch die Herausnahme Österreichs und der östlich der Elbe gelegenen preußischen Besitzungen. Dieser neue Deutsche Staat sollte durch die an die Habsburger gehende Kaiserwürde mit Österreich verbunden bleiben. Preußen sollte durch seine in diesem neuen Reich liegenden linkselbischen Landesteile ebenfalls mit Deutschland verbunden bleiben. Stein trug mit diesem Plan seinen Überlegungen Rechnung, dass eine neue Staatsordnung mit zwei in diesem Staate eingebundenen Großmächten wie Österreich und Preußen nicht handlungsfähig sein würde. Andererseits war es ihm wichtig, diese beiden deutschen Staaten nicht komplett vom „Dritten Deutschland“ zu lösen.
Er war jedoch Realist genug um einzusehen, dass eine monarchische Zentralgewalt, der sich alle Landesherren, also auch der preußische König, unterzuordnen hätten, nur schwerlich durchzusetzen war. Der Dualismus der beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen ließ ihn eine solche Staatsordnung, in der Österreich durch die Kaiserwürde herausgestellt würde, nur zeitweilig in Erwägung ziehen, wobei diese Idealvorstellung immer Teil seiner Überlegungen blieb. Stattdessen entwickelte er – entgegen seinen Wunschvorstellungen – in der Petersburger Denkschrift von 1812 einen Teilungsplan. Das nördlich des Mains gelegene Deutschland sollte Preußen, das südlich des Flusses gelegene Österreich als Einflusssphäre zugeschlagen werden.[14] Ähnliche Überlegungen fanden auch in der August-Denkschrift von 1813 Eingang.[15]
[...]
[1] Soll, Karl (Hrsg.): Der Wiener Kongress in Schilderungen von Zeitgenossen, Berlin und Wien 1916, S. 98.
[2] Ebd.
[3] Pyta, Wolfram: Stein und die europäische Friedensordnung seit dem Wiener Kongress 1814/15, in: Duchardt, Heinz und Teppe, Karl (Hrsg.): Karl vom und zum Stein: der Akteur, der Autor, seine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte, Mainz 2003 [Pyta], S. 84.
[4] Duchardt, Heinz: „… weil (…) Stein die Sonne war, um welche all die anderen kreisten“. Das Stein-Bild im Wandel der Zeiten, in: Akademie der Wissenschaften und der Literatur (Hrsg.): Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang 2004, Nr. 2, Stuttgart 2004, S. 3.
[5] Hundt, Michael: Stein und die deutsche Verfassungsfrage in den Jahren 1812 bis 1815, in: Duchardt, Heinz und Kunz, Andreas (Hrsg.): Reich oder Nation? Mitteleuropa 1780-1815, Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte Mainz, Abteilung Universalgeschichte, Beiheft 46, Mainz 1998 [Hundt], S. 143.
[6] Hundt, S. 147.
[7] Vgl. John, Anke: Wunschbilder und realpolitische Visionen. Münsters und Steins Deutschlandpläne im Vergleich, in: Duchardt, Heinz und Teppe, Karl (Hrsg.): Karl vom und zum Stein: der Akteur, der Autor, seine Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte, Mainz 2003 [John], S. 91.
[8] Vgl. Gembruch, Werner: Freiherr vom Stein im Zeitalter der Restauration, in: Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft an der Johann-Wolfgang-von-Goethe-Universität Frankfurt/Main, Geisteswissenschaftliche Reihe Nr. 2, Wiesbaden 1960 [Gembruch], S. 12.
[9] John, S. 98.
[10] Zitiert nach dies., S. 91.
[11] Gembruch, S. 13.
[12] Hundt, S. 149.
[13] Vgl. Hundt, S. 150 f.
[14] Vgl. John, S. 93.
[15] Dies., S. 92.
- Arbeit zitieren
- Philipp Robens (Autor:in), 2006, Der Freiherr vom Stein und die Deutsche Bundesakte auf dem Wiener Kongress 1814/15, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92466
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