Die amerikanische Journalistin und Autorin Barbara Ehrenreich befasst sich in einigen Reportagen mit der Problematik der schlecht bezahlten Arbeit und mit der Arbeitslosigkeit in den USA. Ihre bekanntesten Werke hierzu sind die beiden Bücher „Nickel and Dimed“ („Arbeit poor“) und „Bait and Switch“ („Qualifiziert und arbeitslos“). Bekanntheit erlangte Ehrenreich vor allem durch ihre erste Reportage, „Arbeit poor“, für die sie selbst in die Rolle der Mindestlohnarbeiterin geschlüpft war, um die Situation aus der Sicht der Betroffenen schildern zu können. Sie wollte auf diesem Weg darauf aufmerksam machen, dass viele Arbeiter in schlecht bezahlten Jobs unter der Armutsgrenze leben und Schwierigkeiten haben, sich ihren Unterhalt zu finanzieren.
Diese Arbeit befasst sich mit den Begriffsdefinitionen und der theoretischen Fundierung des investigativen Journalismus sowie mit Ehrenreichs Reportage „Arbeit poor“ und den Funktionen dieses journalistischen Werkes.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Forschungsfragen
1 Der investigative Journalismus und die Rollenreportage
1.1 Begriffsdefinitionen
1.1.1 Anforderungen an investigativen Journalisten
1.1.2 Investigative Reporting
1.1.3 Das verdeckte Rollenspiel
1.2 Der journalistische Akteur in der modernen Journalismusforschung
1.2.1 Integrative Sozialtheorie
1.2.2 Strukturationstheorie nach Giddens
1.2.3 Modell der Faktoren von Redelfs
1.3 Problemfeld Ethik
1.3.1 Glaubwürdigkeit und öffentliche Meinung
1.3.2 Ethik-Ansätze und Richtlinien im Journalismus
2 Barbara Ehrenreichs Rollenreportage und die biografischen Hintergründe
2.1 Die Entstehung von „Arbeit poor“
2.2 Ehrenreichs Einstellung zum Reportage-Thema
2.2.1 Politische Hintergründe
2.2.2 Soziale und wirtschaftliche Aspekte in „Arbeit poor“
2.3 Reaktionen auf Ehrenreichs Reportage
3 Funktionen der investigativen Rollenreportage bei Ehrenreich
3.1 Kontroll- und Kritikfunktion
3.2 Orientierungsfunktion und Einfluss auf die öffentliche Meinung
3.2.1 Vermittlung persönlicher Erfahrungen
3.2.2 Glaubwürdigkeit von Ehrenreichs Reportage
Schlusswort
Literatur
Rezensionen
Audiovisuelles Material
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Modell der Faktoren
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Kategorien nach Glaubwürdigkeit
Einleitung
Die amerikanische Journalistin und Autorin Barbara Ehrenreich befasst sich in einigen Reportagen mit der Problematik der schlecht bezahlten Arbeit und mit der Arbeitslosigkeit in den USA. Ihre bekanntesten Werke hierzu sind die beiden Bücher „Nickel and Dimed“ („Arbeit poor“) und „Bait and Switch“ („Qualifiziert und arbeitslos“). Bekanntheit erlangte Ehrenreich vor allem durch ihre erste Reportage, „Arbeit poor“, für die sie selbst in die Rolle der Mindestlohnarbeiterin geschlüpft war, um die Situation aus der Sicht der Betroffenen schildern zu können. Sie wollte auf diesem Weg darauf aufmerksam machen, dass viele Arbeiter in schlecht bezahlten Jobs unter der Armutsgrenze leben und Schwierigkeiten haben, sich ihren Unterhalt zu finanzieren (Sherman 6/2003). Um diese Reportage durchführen zu können, gab sich Ehrenreich im Lauf ihrer Recherche selbst als Kellnerin, Putzfrau, Altenbetreuerin und Supermarkt-Verkäuferin aus und nahm unterbezahlte Arbeiten in verschiedenen Städten in Amerika an.
In Bezug auf die Recherchemethodik handelt es sich bei „Arbeit poor“ um eine investigativ recherchierte Rollenreportage, die zuerst als Serie in einem Magazin veröffentlicht wurde und kurz darauf auch in buchjournalistischer Form auf den Markt kam. Mit den Begriffsdefinitionen und der theoretischen Fundierung dieser Form von Journalismus befasst sich das erste Kapitel dieser Arbeit. Dabei soll die Frage beantwortet werden, wie sich die von Ehrenreich betriebene Form des investigativen Journalismus in die moderne Journalismusforschung einbetten lässt. Außerdem soll der investigative Journalismus aus ethischer Sicht dargestellt werden.
Das zweite Kapitel widmet sich Ehrenreichs Reportage „Arbeit poor“ direkt und zeigt sowohl die Zusammenhänge zwischen Ehrenreichs Biografie und dem Werk als auch Ehrenreichs private Hintergründe und ihre politischen Ambitionen. Ein weiterer Punkt widmet sich hierbei auch den Reaktionen von Kritikern und Interessensgemeinschaften auf das Buch, die in schriftlicher aber auch in filmischer Form seit der Veröffentlichung der Reportage erschienen sind.
Im dritten Kapitel der Arbeit gilt es die Funktionen dieses journalistischen Werkes zu beleuchten, wobei speziell die Funktionen von Ehrenreichs investigativ recherchiertes Erstlingswerk für die (amerikanische) Öffentlichkeit herausgearbeitet werden sollen. So soll einerseits die Rolle von „Arbeit poor“ als gesellschaftskritisches Werk betrachtet werden, da vor allem investigative Reporter im amerikanischen Raum ihre Aufgabe in der Aufdeckung „demokratiefeindlicher und gemeinwohlschädigender Missstände“ sehen (Müller 1997, S. 557). Andererseits spielt auch die Glaubwürdigkeit von Ehrenreichs Werk, die hier anhand von Beiträgen aus Ehrenreichs Forum rekonstruiert werden soll, eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit der Funktion der öffentlichen Meinungsbildung.
Forschungsfragen
Die Forschungsfragen, die ich in dieser Arbeit beantworten möchte, drehen sich um Ehrenreichs Buch „Arbeit poor“ in seiner Funktion als investigative Rollenreportage, wobei auch die Theorie beachtet werden soll.
- Wie lässt sich die von Ehrenreich betriebene Form des investigativen Journalismus in die moderne Journalismusforschung einbetten?
- In welcher Weise spielen Ehrenreichs persönliche Einstellung und Erfahrung bei der Themenwahl von „Arbeit poor“ eine Rolle?
- Welchen Einfluss hat Ehrenreichs Reportage auf die Meinungsbildung ihrer Leser in Bezug auf den von ihr behandelten Problembereich der Arbeitslosigkeit?
- Inwieweit muss sie durch ihre subjektive Zugangsweise Glaubwürdigkeit einbüßen? Was sind diesbezügliche Vorwürfe, mit denen Ehrenreich von ihren Lesern konfrontiert wird?
1 Der investigative Journalismus und die Rollenreportage
Barbara Ehrenreich verwendete bei der Recherche zu ihrem Buch „Arbeit poor“ die Methode der verdeckten Rollenreportage, die auch häufig im investigativen Journalismus eingesetzt wird. In diesem Kapitel sollen sowohl die relevanten Begriffe definiert werden, als auch ihre Einbettung in die Journalismustheorie untersucht werden. Das Hauptaugenmerk bei dieser theoretischen Einordnung wird dabei auf die Rolle des Journalisten in seiner Funktion als Akteur gelegt, wobei vor allem die Hervorhebung der journalistischen Persönlichkeit aus dem System Journalismus im Vordergrund stehen soll.
1.1 Begriffsdefinitionen
Der Oberbegriff des investigativen Journalismus bezeichnet eine sehr recherchebetonte, grundsätzlich subjektive Art der Berichterstattung, die vor allem im amerikanischen Raum weit verbreitet ist. Werner Holzer definiert diese Form des Journalismus als nachforschenden Journalismus (Holzer 1988. S. 113), Herbert Kremp spricht von „professionellen Entlarvern“, die sich mit politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Themen auseinander setzen (Kremp 1988. S. 114f.). Wesentliche Kriterien des investigativen Journalismus sind des Weiteren die Eigeninitiative des Reporters, sowie eine bewusste Themensetzung, deren Ausgangspunkt häufig ein bereits bekanntes Problem bildet. Hugo De Burgh fordert hierbei eine Themenwahl von einem moralischen Standpunkt aus, deren journalistische Aufbereitung den Rezipienten Dinge vor Augen führt, über die sie zuvor noch nie nachgedacht haben. Auch spricht De Burgh davon, dass durch die investigative Recherche Fehler im System aufgedeckt werden sollen, was im Optimalfall sogar Änderungen von Regeln oder Gesetzen zur Folge haben kann. Entsprechende Themen sieht er hierbei in anstößigen oder sogar illegalen Praktiken, Machtmissbrauch und der Entblößung von Vertuschtem. (De Burgh 2000, S. 9ff.).
Der investigative Journalismus, der auch mit ermittelndem, aufdeckendem, enthüllendem oder nachforschendem Journalismus übersetzt werden kann, beginnt, wie Randall schreibt, dort, wo alltägliche Berichterstattung aufhört (Randall 1996, S. 70). Es wird nicht nur vom Schreibtisch aus recherchiert, sondern – nach gründlicher Vorrecherche – direkt am Ort des Geschehens, wobei es gilt, an Informationen zu gelangen, die Journalisten sonst verwehrt bleiben würden. Michael Haller beschreibt in diesem Zusammenhang zwei verschiedene Herangehensweisen an die Recherchearbeit. Das Eisberg-Schema tritt dann zutage, wenn die bereits bekannten Informationen für die „Spitze des Eisbergs“ gehalten werden. Es ist nun die Aufgabe des Journalisten, diesen Eisberg freizulegen. Das zweite Schema geht von dem Bekannten als „Symptom“ aus, zu dem die „Krankheit“ gefunden werden soll. Der Ausgangspunkt beider Schemata ist jeweils ein konkreter Verdacht, den es zu bestätigen oder zu widerlegen gilt (Haller 1991, S. 77ff.). Typische Bereiche, in denen die investigative Recherche zum Einsatz kommt, sind etwa Privatwirtschaft, Politik, Machstrukturen, aber auch Verbraucherfragen, vor allem dann, wenn Geld im Spiel ist.
1.1.1 Anforderungen an investigativen Journalisten
Hugo de Burgh nimmt in seinem Buch eine Abgrenzung zwischen dem „herkömmlichen“ Nachrichten-Journalismus und dem investigativen Journalismus vor (De Burgh 2000, S. 16), wobei er sich mit den Arbeitsweisen der beiden Journalismus-Arten auseinandersetzt. Während der Nachrichtenjournalist sich mit einem Ereignis befasst, das er dann auf konventionelle und leicht verständliche Art und Weise in einen Artikel umwandelt, sucht der investigative Journalist nach „versteckten Wahrheiten“ (De Burgh 2000, S. 17). Dabei ist es seine Aufgabe, diverse Missstände, wie etwa Machtmissbrauch, Korruptionsfälle oder moralisch fragwürdige Zustände, zu untersuchen.
Die Anforderungen an den investigativen Journalisten sind also höher als dies bei Nachrichtenjournalisten der Fall ist. Wie auch Redelfs feststellt, setzt investigativer Journalismus einen hohen Grad an Kompetenz voraus und auch die Autonomievorgaben des investigativen Reporters sind groß (Redelfs 1996, S. 37). Notwendige Fähigkeiten sind demnach Durchhaltevermögen, ein gekonnter Umgang mit Dokumenten und Statistiken, die im Zuge einer Vorrecherche bearbeitet werden sollten und Einfühlungsvermögen. Der letzte Punkt gilt vor allem dann als essentiell, wenn der Journalist gezwungen ist „under cover“ zu arbeiten, wie dies etwa bei verdeckten Reportagen der Fall ist (siehe Kapitel 1.1.3). Aber auch ein hohes Frustrationspotential sowie Engagement für das gewählte Thema sind notwendig für eine überzeugende Reportage, die über oberflächliche Fakten hinausgeht (De Burgh 2000, S. 19).
1.1.2 Investigative Reporting
Manfred Redelfs präzisiert diese Ausführungen durch den in den USA gebräuchlicheren Begriff „investigative reporting“, der ebenfalls für Eingeninitiative beim Sammeln von Informationen und die Recherche vor Ort steht, aber auch Faktoren wie Skepsis, Einfallsreichtum bei der Informationsbeschaffung und die Überwindung von Hindernissen bei der Recherche beinhaltet. Weiters zeichnet sich die Tätigkeit des investigative reporting durch drei Hauptmerkmale aus, nämlich durch eine aktive Reporterrolle, durch thematische Relevanz und schließlich noch dadurch, dass sich die Recherche nur gegen Widerstände betreiben lässt (Redelfs 1996, S.28).
Thematisch hebt Redelfs in seiner Definition außerdem die politische Relevanz der Sachverhalte hervor, die der investigative Journalist durch intensive Recherche ermitteln soll. Ziel des investigative reporting ist es dabei, Missstände aus den Bereichen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, die nicht selten von Gruppen oder Organisationen verborgen werden, aufzudecken (Redelf 1996, S. 32). Dabei erwähnt er, dass unter „politischer Relevanz“ aus amerikanischer Sicht etwa auch Umwelt- und Verbraucherthemen verstanden werden, wenn beispielsweise ein wirtschaftlicher Machtmissbrauch oder Versagen der staatlichen Kontrollaufsicht als Problem festgestellt werden können. Was jedoch nach Redelfs‘ Definition eindeutig nicht in die relevante Kategorie fällt, sind Unterhaltungs- sowie Society-Themen, die sich mit dem Privatleben von Prominenten beschäftigen.
1.1.3 Das verdeckte Rollenspiel
Das verdeckte Rollenspiel, wie Michael Haller es beschreibt (vgl. Haller 1990, S. 113f.), stellt eine Form der investigativen Recherche dar, bei der der Journalist verdeckt, also unter Zuhilfenahme einer falschen Identität, recherchiert. Ziel hierbei ist es, Informationen zu beschaffen, die sonst nicht für die Presse zugänglich wären. Dies soll dadurch möglich gemacht werden, dass die Beteiligten über die wahre Identität des Reporters im Unklaren bleiben und sich deshalb „natürlich“ verhalten, wodurch weitgehend unverfälschtere Ergebnisse erzielt werden können. Der Reporter ist also „gezwungen, andere zu täuschen, um nicht selbst getäuscht zu werden.“ (Brlica 2005, S. 22) Der Journalist macht sich dabei selbst zum Erlebnisobjekt, indem er direkt in das Geschehen einsteigt und folglich nicht nur als Beobachter, sondern auch als Beobachtungsobjekt tätig wird.
Einen Grund für die Notwendigkeit eines verdeckten Rollenspiels sieht Haller vor allem darin, dass sozial Schwache und Benachteiligte Journalisten als dem „System“ zugehörig einstufen und ihnen deshalb nur geringes Vertrauen entgegen bringen. Dieses Misstrauen würde die Recherche erschweren oder gar unmöglich machen, weshalb das verdeckte Arbeiten notwendig wird, um einen „unverstellten Einblick“ zu gewährleisten (Haller 1990, S. 113). Des weiteren soll durch die Übernahme einer Rolle die Spannung der Geschichte gesteigert und ihre Attraktivität für den Leser erhöht werden.
Das verdeckte Rollenspiel kann deshalb auch selbst zum Inhalt einer Reportage werden, wenn der Reporter seinen Lesern in Form eines Artikels oder Buches berichtet, auf welche Art und Weise er Sachverhalte in Erfahrung gebracht hat. Dabei wird oft auf eine objektive Berichterstattung verzichtet, um bei den Rezipienten durch subjektive, unterhaltsame Schilderungen Interesse zu wecken und ihnen die Möglichkeit zu geben, sich mit dem Journalisten und seinen Erlebnissen zu identifizieren.
1.2 Der journalistische Akteur in der modernen Journalismusforschung
Da in dieser Seminararbeit auch die Rolle des Akteurs im Theoriebezug beleuchtet werden soll, setzt sich der folgende Abschnitt mit Journalismustheorien auseinander, die sich mit dem journalistischen Akteur als handelndes Individuum befassen. Dies ist besonders für den investigativen Journalismus relevant, da der Journalist hierbei einerseits selbstständig und autonom handelt, sich aber andererseits nicht selten nach redaktionellen Vorgaben zu richten hat, die sich auf die Art und Weise seines Handelns auswirken können.
Es geht hierbei vor allem um die Hervorhebung der Reporter-Persönlichkeit aus dem System Journalismus bzw. um die Interaktion zwischen Individuum und System, die sich auf die Handlungen und Entscheidungen bzw. auf das Selbstverständnis des Journalisten auswirkt. Das Modell der kommunikationsgeschichtlich biografischen Forschung von Andreas Leutgeb (vgl. Leutgeb 1992, S. 34ff.) möchte ich hier trotz der Fokussierung dieser Arbeit auf eine bestimmte journalistische Persönlichkeit nur kurz erwähnen, da vor allem ein bestimmtes Werk der Autorin Barbara Ehrenreich im Vordergrund stehen wird und nicht ein (einheitliches) Gesamtwerk, von dem Leutgeb ausgeht. So spielen beispielsweise die Ebene der Sozialisation, etwa Erziehung und Ausbildung, bei Ehrenreich nur eine periphere Rolle, da sie – vor allem in Bezug auf das gewählte Werk – einen ungewöhnlichen journalistischen Werdegang aufweist. Wesentlicher wäre hier die Ebene der Individuation, welche die Neigungen und Lebensverhältnisse der Journalistin miteinbezieht, da Ehrenreich vor allem durch ihre Erfahrungen in der Journalismusbranche geprägt wurde. Gerade aus diesem Grund erscheinen mir aber Ansätze bzw. Theorien, die auf das journalistische Selbstverständnis abzielen und gleichzeitig auch das Handeln der journalistischen Akteure innerhalb des „Systems Journalismus“ miteinbeziehen, besser für diese Arbeit geeignet, da bei Ehrenreich besonders die Interaktion mit der Umwelt bzw. mit dem politischen Geschehen eine wichtige Rolle spielt, wodurch ihr Handeln – speziell im Fall von „Arbeit poor“ – bestimmt oder zumindest geleitet wird.
1.2.1 Integrative Sozialtheorie
Die integrative Sozialtheorie entstand aus dem Konflikt zwischen der Systemtheorie, die den journalistischen Akteur vernachlässigt, und den Akteurs- und Handlungstheorien heraus. Um eine Spaltung der Forschungsbereiche nach Akteurs- oder Systemorientierung zu verhindern, versucht die integrative Sozialtheorie nun, Akteurs-, Institutions- und Systemtheorie miteinander zu verbinden, um so einerseits den journalistischen Akteur in seiner Bedeutung aufzuwerten, andererseits aber auch systemtheoretisch bewährte Erkenntnisse beizubehalten (vgl. Neuberger 2004, S. 287f.).
Neuberger beschreibt in diesem Kontext die strukturellen Bedingungen, die es ermöglichen, das Handeln des Akteurs in den Vordergrund zu stellen, ohne dabei die systemtheoretischen Hintergründe komplett auszublenden. Er beruft sich dabei unter anderem auf die Soziologen Schimank, Quandt und Wyss, wobei die beiden letztgenannten von Giddens‘ Theorie der Strukturierung ausgehen, auf die im Abschnitt 1.2.2 näher eingegangen wird. Schimank schlägt in Bezug auf die Struktur der Theorie eine Überwindung der Mängel der beiden Theorieperspektiven vor, die auf einer Integration von Perspektiven der jeweils anderen Theorie beruht (vgl. Schimank 1988, S. 621). Dies geschieht etwa dadurch, dass der Akteur in funktional ausdifferenzierte gesellschaftliche Teilsysteme eingegliedert wird, welche den Akteuren wiederum verschiedene Ausprägungen von Handlungslogik innerhalb der Teilsysteme liefern (ebd, S. 633). Nach diesen können die Akteure dann ihre Erwartungen und ihr eigenes Handeln ausrichten.
Auch unterscheidet Schimank drei verschiedene Ebenen, welche die strukturelle Einbettung des Akteurshandeln veranschaulichen. Die drei Strukturebenen, von denen er dabei ausgeht, sind teilsystemische Orientierungshorizonte, institutionelle Ordnungen und Akteurskonstellationen (vgl. Neuberger 2004 S. 290f.). Die Ebene der Akteurskonstellation sieht den Journalismus als „Zusammenhang spezifischer institutionalisierter Lösungen für die Probleme der Kommunikation“ (ebd., S. 293), von dem erwartet wird, dass er aktuelle Aussagen mit Realitätsbezug über die Massenmedien der Öffentlichkeit vermittelt. Innerhalb dieses systemisch vorgegebenen Lösungsrahmens bleiben den Akteuren aber auch Freiräume zur Durchsetzung eigener Interessen. Gerade in Bezug auf den investigativen Journalismus zeigen sich hierbei die Freiheiten des Redakteurs bei der Art und Weise, wie er an Informationen gelangt; er erhält seine Anweisungen also nicht (ausschließlich) vom „System“ Redaktion, sondern trifft seine Entscheidungen im vorgegebenen Rahmen selbst. Die Redaktion übernimmt nach Altmeppen lediglich die Rolle des „Koordinationszentrums“ (Altmeppen 2000, S. 309), in dem das Handeln der Mitglieder abgestimmt wird.
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- Quote paper
- Bakk. Petra Schaner (Author), 2008, Investigative Journalisten als Gesellschaftskritiker am Beispiel von Barbara Ehrenreich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92398
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