Krafttrainingsfrequenz für den effektiven Muskelaufbau

Ein Systematischer Literaturreview


Bachelor Thesis, 2020

125 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Zusammenfassung

1 Einleitung

2 Der Skelettmuskel
2.1 Die quergestreifte Skelettmuskulatur
2.2 Aufbau des Skelettmuskelgewebes
2.3 Histologie der Skelettmuskelfaser
2.4 Arten der Skelettmuskelfasern
2.5 Hilfseinrichtungen der Muskulatur

3 Die Skelettmuskelkontraktion
3.1 Kurze Darstellung der Energetik der Skelettmuskelkontraktion
3.2 Kontraktionsformen der Muskulatur

4 Kraft, dessen Erscheinungsformen und Krafttraining
4.1 Die Maximalkraft
4.2 Die Schnellkraft
4.3 Die Reaktivkraft
4.4 Die Kraftausdauer
4.5 Krafttrainingsformen (Fokus auf Hypertrophietraining)
4.5.1 Methoden zur Entwicklung der spezifischen Kraftfähigkeiten
4.5.2 Methoden zur Entwicklung der Maximalkraft

5 Muskuläre Adaptation an Krafttraining
5.1 Muskelhypertrophie
5.2 Muskelfasertypverteilung und Muskelquerschnitt
5.3 Muskelarchitektur und Fiederungswinkel

6 Messinstrumente der Muskelhypertrophie
6.1 Ganzkörpermessungen und anthropometrische Messungen
6.2 Ultraschallbildgebung
6.2.1 Panorama / EFOV-Ultraschall
6.2.2 Dreidimensionaler Ultraschall (3DUS)
6.3 Computertomographie
6.4 Kernspintomographie
6.5 Fazit der Literaturrecherche

7 Methodik & Studienqualität
7.1 Studienbedingungen
7.2 Auswahl geeigneter Studien
7.3 Studienqualität
7.3.1 Externe Validität

8 Die Studien und Ergebnisse
8.1 Zusammenfassung der Studien

9 Diskussion der Studienergebnisse
9.1 Muskelproteinsynthese
9.2 Regeneration
9.3 Hormonelle Reaktion
9.4 Subjektive Anstrengung
9.5 Trainingsvolumen
9.5.1 Gibt es ein maximal produktives Trainingsvolumen pro Einheit?
9.5.2 Periodisierung

10 Fazit

11 Ausblick

12 Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tab. 1 Der Literaturrechercheprozess

Tab. 2 PEDro-Skala der sieben Studien

Tab. 3 Zusammenfassung der Studien

Tab. 4 Ergebniszusammenfassung der Effektstärken

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Beispielhafte anatomische Unterteilung der Muskulatur (Urban & Fischer, 2013)

Abb. 2 Schematischer Aufbau eines Muskels (Michels, Neumann & Holtermann, 2007)

Abb. 3 Aufbau einer Muskelfaser (Urban & Fischer, 2013)

Abb. 4 Aktin- und Myosinfilamente (Urban & Fischer, 2013)

Abb. 5 Die Bewegung von Skelettmuskeln auf zellulärer Ebene (Brandes, Lang & Schmidt, 2019)

Abb. 6 Molekulare Mechanismen der Sarkomerkontraktion (Brandes, Lang & Schmidt, 2019)

Abb. 7 Unmittelbare und mittelbare Energiequellen im Skelettmuskel des Menschen (Brandes, Lang & Schmidt, 2019)

Abb. 8 Methoden des Krafttrainings zur Ausprägung allgemeiner und spezifischer Kraftfähigkeiten (Boeckh-Behrens & Buskies, 2000)

Abb. 9 Methodik zum Muskelaufbau (Hypertrophietraining) Methode submaximaler Krafteinsätze bis zur Ermüdung (Güllich & Krüger, 2013)

Abb. 10 Belastungsnormative für Basistrainingsmethoden „Kraftausdauer“, „Maximalkraft“ und „Hypertrophie“ (Fröhlich, 2004)

Abb. 11 Unterschiedliche Messungen zur Überwachung muskulären Anpassungen (Haun et al., 2019)

Abb. 12 Studienspezifische Abbildungen

Abkürzungsverzeichnis

ANOVA Varianzanalyse

ATP Adenosintriphosphat

CT Computertomographie

d Cohen's d

DVZ Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus

DXA Dual-Röntgen-Absorptiometrie

EMG Elektromyographie

ES Effektstärke

EWM Einwiederholungsmaximum

FT-Fasern F ast-T witch- Fasern

G1/G2/G3/G4/G5/G6 Gruppe mit wöchentlicher Trainingsfrequenz

KI Konfidenzintervall

L-Tubuli Longitudinaltubuli

MRT Magnetresonanztomographie

MyoPS Myofibrilläre Proteinsynthese

pQCT Periphere quantitative CT

RPE Rating of Perceived Exertion

SR Sarkoplasmatisches Retikulum

ST-Fasern Slow-Twitch-Fasern

Zeit, unter der ein Muskel unter Spannung steht

TnC Troponin C (Untereinheit)

T-T ubuli T ransversaltubuli

ZNS Zentrales Nervensystem

1-RM One-Repetition-Maximum

Niedrigere oder höhere Krafttrainingsfrequenz für effektiven Muskelaufbau? - Ein systematischer Literaturreview

Phil Brocks

DHGS Berlin

Zusammenfassung

Einleitung: Krafttraining und dessen Optimierung stehen im Interessenfeld vieler Menschen. Ein aktueller Review (Grgic et al., 2019) sowie ein Review mit Metaanalyse (Schoenfeld et al., 2019) zu diesem Thema messen der Trainingsfrequenz keine erhöhte Bedeutung für den Muskelaufbau bei, sofern die Trainingsvolumen identisch sind, wohingegen Schoenfeld et al. (2016) und Dankel et al. (2016) der Trainingsfrequenz zuvor noch eine erhöhte Bedeutsamkeit zusprachen. Doch warum existieren um diese Thematik so viele abweichende Ergebnisse? Der folgende systematische Review versucht die Ergebnisse hinsichtlich der Fragestellung, ob eine niedrigere oder höhere Trainingsfrequenz hinsichtlich effektiver Muskelhypertrophie überlegen ist, wissenschaftlich zusammenfassend darzustellen sowie kritisch zu reflektieren.

Methode: In den Datenbanken PubMed und Researchgate wurde mithilfe der Schlagwörter „resistance training frequency“ und „different resistance training frequencies“ systematisch nach relevanten randomisierten, wissenschaftlichen Publikationen mit dem Vergleich von zwei volumenangepassten Trainingsfrequenzen bei mindestens 15 jungen, trainierten Männern als Stichprobe gesucht. Die Messmethode der Muskelhypertrophie sollte entweder durch MRT, CT oder Ultraschall gewährleistet werden. Bezüglich der Studienqualität wurde die interne Validität mit der PEDro-Skala und die externe Validität separat beurteilt.

Ergebnisse: Selten ergaben sich zwischen den Gruppenergebnissen signifikante Unterschiede, was an einer Vielzahl an Limitationen liegen kann. Die Ergebnisse sind ambivalent, weshalb im Nachgang die Thematik multiperspektivisch kategorisiert und reflektiert wurde.

Schlussfolgerung: Für fortgeschrittene Kraftsportler erscheint eine Trainingsfrequenz von mehr als einmal pro Woche als überlegen, wenn es darum geht, Muskelaufbau zu betreiben. Ob eine Trainingsfrequenz von über zweimal pro Woche noch Vorteile bringt, ist, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, nicht sicher. Die Trainingsfrequenz muss noch immer mit dem wichtigsten Faktor der Muskelhypertrophie, dem Trainingsvolumen, betrachtet werden.

Stichwörter: Krafttraining, Muskelaufbau, Hypertrophie, Frequenz

1 Einleitung

Das Bewusstsein für Fitnesstraining, Gesundheit und gutes Aussehen ist in unserer Gesellschaft bis zum heutigen Tag enorm gestiegen. Laut dem Arbeitgeberverband Deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) (2019) waren im Jahr 2019 rund 11.66 Millionen Menschen Mitglied in einem der Fitnessclubs in Deutschland. Im Vergleich dazu traf dies im Jahr 2015 lediglich auf 9.46 Millionen der Deutschen zu. Dies bedeutet eine Steigerung von rund 23.25% über eine Zeitspanne von 4 Jahren.

Das allgemeine Krafttraining bildet die Basis für einen systematischen Leistungsaufbau sowie für die allgemeine Mobilitäts- und Gesundheitserhaltung. Auch Kinder beziehungsweise Jugendliche profitieren von einer vielseitigen neurotendomuskulären Kraftfähigkeit, sowohl für eine gesunde körperliche Gesamtentwicklung als auch für die Entwicklung einer hohen sportlichen Leistungsfähigkeit (vgl. Güllich & Krüger, 2013). Richtige und auf regelmäßiger Basis ausgeführte Krafttrainingsinterventionen verbessern die Kraft-, Schnelligkeits- und Ausdauerfähigkeiten der Muskulatur. Zudem sorgen sie allgemein für eine erhöhte Leistungs- und Widerstandsfähigkeit, insbesondere gegenüber Verletzungen (vgl. Wirth, 2011). Unter anderem aufgrund der athletischen Vorteile gegenüber anderen Sportlern, die kein Krafttraining absolvieren, hat sich ebendieses zu einem unabdingbaren Bestandteil von Trainingsprogrammen im Leistungssport entwickelt (vgl. Friedmann, 2007).

Im Sinne der Prävention führt Krafttraining unter anderem langfristig zu einer Erhöhung der Knochendichte, was Knochenverletzungen und Osteoporose vorbeugen kann. Des Weiteren werden beispielsweise Gelenkbelastungen sowie das Risiko, an Herzkrankheiten, Adipositas, Diabetes beziehungsweise allgemein an chronischen Krankheiten zu erkranken, durch Muskelarbeit reduziert. Krafttraining kann darüber hinaus zum Ausgleich beziehungsweise zur Verminderung von Muskelschwächen und Muskeldysbalancen ausgeführt werden und ist förderlich für die sportartspezifisch uneingeschränkte Belastbarkeit, die Alltagsbelastbarkeit sowie für den Funktionalitätserhalt (vgl. ACSM,1998; Radlinger et al., 1998; Zimmermann, 2000; Froböse et al., 2003; Gottlob, 2009).

Weiterhin wird sogar darüber diskutiert, ob Krafttraining positive Effekte auf die psychische Gesundheit haben kann (vgl. Serra et al., 2017) oder ob es als Behandlungsmethode zur Reduzierung von Depressionssymptomen eingesetzt werden könnte (vgl. Gordon et al., 2018). Auch aus diesen Gründen findet Krafttraining vermehrt im Gesundheits- und Rehabilitationssport Anwendung (vgl. Kraemer, Adams et al., 2002; Mayer et al., 2003).

Alles in allem soll dies verdeutlichen, dass die Optimierung des eigenen Krafttrainings vermutlich im Interessensfeld einer Vielzahl an Menschen steht. Letztlich ist es eine Priorität im Leben vieler Freizeitsportler/ Leistungssporter, weshalb die Frage, ob eine höhere oder niedrigere Trainingsfrequenz in einem Mikrozyklus für den Muskelaufbau effektiver ist, durchaus Berechtigung hat und oft gestellt wird. Für den Personenanteil, der seine Muskulatur vermehrt hypertrophieren lassen möchte, bietet es sich an, alle Optionen bezüglich der zu variierenden Belastungsnormative in Betracht zu ziehen, die für verbesserte Ergebnisse diesbezüglich sorgen können.

Trotzdem sollte nicht vergessen werden, dass Muskelaufbau ein multifaktorielles Zusammenspiel von mehreren Aspekten (zum Beispiel Geschlecht, Alter, Regeneration, Ernährung, Genetik) ist, weshalb darauf verwiesen sei, dass die Gestaltung der optimierten Trainingsfrequenz lediglich ein Element unter vielen sein kann. Dass diese Thematik dennoch der Rede Wert ist, zeigen mehre Profi-Bodybuilder (wie zum Beispiel Sepehr Bahadori), die seit Jahren auf eine höhere wöchentliche Frequenz (zwei- bis siebenmal) setzen. Das American College of Sports Medicine (ACSM) empfiehlt in diesem Zusammenhang für eine Trainingseinheit zwischen acht und zwölf Wiederholungen bei mindestens 70% des 1-RM sowie für fortgeschrittenere Sportler ein Splittraining mit einer bis drei Muskelgruppen pro Einheit und mindestens 48 Stunden Regenerationspause zwischen den Trainingseinheiten (Stand 2009). Dies spricht tendenziell für eine nicht höhere Trainingsfrequenz pro Muskelgruppe als zwei- bis dreimal pro Mikrozyklus.

Ein aktueller Review (Grgic, et al., 2019) sowie ein Review mit Metaanalyse (Schoenfeld, et al., 2019) zu diesem Thema messen der Trainingsfrequenz keine erhöhte Bedeutung bei, sofern die Trainingsvolumen identisch sind. Im Gegensatz dazu vermuteten Schoenfeld et al. in ihrer Metaanalyse im Jahre 2016 noch vorteilhafte Effekte eines höherfrequenten Trainings pro Woche.

Auch Dankel et al. (2017) geben in ihrem Review der Trainingsfrequenz eine erhöhte Bedeutsamkeit. Diese rechtfertigen sie mit vielen Studien, die in gewisser Weise die Hypothese stützen, dass die Erhöhung der Sätze innerhalb einer Einheit ab einem gewissen Punkt eine vermehrt unbedeutende Auswirkung auf die Muskelhypertrophie hätte (aufgrund des vergleichsweise niedrigen dazugewonnen Trainingsvolumens, welches die Proteinsynthese maximal stimulieren soll). Zudem verweisen sie auf die Tatsache, dass trainierte Individuen nach einem Krafttraining voraussichtlich kürzer von der erhöhten Muskelproteinsynthese profitieren beziehungsweise sich in einem kürzeren Zeitraum innerhalb der positiven Netto-Protein-Balance (Proteinanabolismus) befinden würden. Doch sind die Ergebnisse wirklich so ambivalent wie es die genannten Reviews und Metaanalysen zeigen?

Somit stellt sich die Frage, was für effektiven Muskelaufbau grundsätzlich wirkungsvoller ist: eine niedrigere oder eine höhere Krafttrainingsfrequenz pro Woche? Gibt es überhaupt eine wirkungsvollere Krafttrainingsfrequenz? Der folgende systematische Review versucht die Ergebnisse hinsichtlich der Fragestellung, ob eine niedrigere oder höhere Trainingsfrequenz hinsichtlich effektiver Muskelhypertrophie überlegen ist, wissenschaftlich zusammenfassend darzustellen sowie kritisch zu reflektieren.

Bezüglich des Aufbaus, werden zunächst, vor Beginn der Literraturanalyse, einige thematische Grundlagen hinsichtlich der Skelettmuskulatur, dessen Kontraktion, der Kraft und des Krafttrainings, der muskulären Adaptation an Krafttraining, sowie hinsichtlich der Messinstrumentarien der Muskelhypertrophie geschaffen.

2 Der Skelettmuskel

2.1 Die quergestreifte Skelettmuskulatur

Die Muskulatur, also die Gesamtheit aller Muskeln eines Organismus oder einzelner Körperpartien, lässt sich histologisch und aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften in die unwillkürliche (glatte Muskulatur und quergestreifte Herzmuskulatur), die viszerale und in die willkürlich beeinflussbare, somatische Muskulatur (quergestreifte Skelettmuskulatur) unterteilen. Anatomisch lassen sich spindelförmige, federförmige, mehrbäuchige, mehrköpfige sowie Hohl- und Ringmuskeln unterscheiden. Die quergestreifte Skelettmuskulatur ist durch ihren Wechsel von Kontraktion und Relaxation für die aktiven Bewegungen des menschlichen Körpers verantwortlich. Dabei überträgt die Muskulatur Zugkräfte über Sehnen an die Knochen. Muskeln lassen sich anhand ihrer Funktion in Strecker (Extensoren), Beuger (Flexoren) und Schließmuskeln (Sphinkter) unterscheiden. Bezüglich der Muskelmechanik wird eine Differenzierung des Agonisten, welcher eine Bewegung in eine bestimmte Richtung ausführt, und des Antagonisten, welcher die Gegenbewegung ausführt, vorgenommen. Daneben existieren noch die Synergisten, die bei der Bewegung in die gleiche Richtung mitwirken und daher unterstützend agieren (vgl. Urban & Fischer, 2013).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anatomische Unterteilung der Muskulatur (Urban & Fischer, 2013)

2.2 Aufbau des Skelettmuskelgewebes

Die meisten Muskeln werden von einem straffen Bindegewebe, einer Faszie (Fascia musculorum), eingehüllt. Unter dieser liegt das Epimysium, welches eine Schicht lockeren Bindegewebes ist. Vom Epimysium aus ziehen Bindegewebsstränge in die Muskulatur. Sie schließen als Perimysium die Muskelfasern zu größeren Sekundärbündeln und zu kleineren Primärbündeln zusammen. Die einzelnen Muskelfasern werden von dem Endomysium umhüllt. Die Ordnung des Muskelbindegewebes ähnelt dem eines Schachtelsystems, welches von der Faszie auf der Muskeloberfläche über das Perimysium der Muskelfaserbündel bis zum Endomysium der einzelnen Muskelfaser reicht (vgl. Zilles & Tillmann, 2010).

Das Bindegewebe der Skelettmuskeln hat wichtige Funktionen inne, da es mit den kontraktilen Muskelfasern eine Funktionseinheit bildet. Mit der Faszie wird der einzelne Muskel in seine Umgebung integriert. Über das Bindegewebe treten die Leitungsbahnen in den Muskel. Den Muskelfasern wird durch die gestaffelte Anordnung des Bindegewebes freie Verschiebbarkeit während der Vorgänge der Kontraktion und Erschlaffung gewährt. Aufgrund der Verbindung zwischen Perimysium und den Sehnen kann Ersteres ebenfalls die Übertragungsfunktion von Zugkräften ausführen. Des Weiteren trägt das Muskelbindegewebe zur Erhöhung der Reißfestigkeit eines Muskels bei (vgl. Zilles & Tillmann, 2010).

Im Muskel selbst sind viele Muskelzellen zu einer funktionellen Einheit verbunden, deren hauptsächliche Aufgabe in der Bewegung beziehungsweise der Kontraktion besteht, welche die Bewegung letztlich ausführt. Aus diesem Grund besitzen Muskelzellen spezielle Myofibrillen. Über die Sehnen werden die Muskelkräfte auf die Knochen übertragen. Die quergestreifte Muskulatur (willkürlich gesteuerte Muskulatur) findet sich in der gesamten Skelettmuskulatur, ebenso in der Zunge, im Schlund sowie im oberen Drittel der Ösophagus und im äußeren Musculus sphincter ani wieder. Jede Muskelfaser ist ein Zusammenschluss mehrerer Muskelzellen (Synzytium) und besitzt 500 bis 1000 Kerne (vgl. Michels, Neumann & Holtermann, 2007).

Die Muskelfasern sind eosinophil und das Zytoplasma ist angefüllt mit Myofibrillen, wenig sarkoplasmatischem Retikulum und Mitochondrien. Sie besitzen zudem eine Umhüllung, welche als Sarkolemm bezeichnet wird. Von der Zelloberfläche aus ziehen Membranschläuche, die Transversaltubuli, senkrecht in die Muskelfaser hinein. Diese Membranschläuche sind über die Longitudinal-Tubuli miteinander verbunden (vgl. Michels, Neumann & Holtermann, 2007).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Schematischer Aufbau eines Muskels (Michels, Neumann & Holtermann, 2007)

2.3 Histologie der Skelettmuskelfaser

Die kontraktilen Elemente der Muskelzellen, die Myofibrillen, bestehen aus dünnen, kugelförmigen Aktin- und dicken Myosinfilamenten. Ein Aktinfilament wird aus zwei miteinander verdrillten Strängen gebildet. Zwischen den Strängen (in den Furchen) befindet sich ein starres, längliches Protein, das Tropomyosin, welches in regelmäßiger Abfolge mit Troponin verbunden ist. Myosin hingegen stellt ein Faserprotein mit einem stabförmigen, langen Schaft dar, an welchem sich seitlich am Ende ein beweglicher, kugelartiger Kopf anschließt (vgl. Michels, Neumann & Holtermann, 2007).

Die im histologischen Längsschnitt erkennbare Querstreifung der Myofibrillen entsteht durch die regelhafte Anordnung der Sarkomere, welche die zentralen Baueinheiten des quergestreiften Muskelgewebes bilden. Dieses lässt sich in fünf Abschnitte untergliedern: die Z-Scheiben (Verankerung der Aktinfilamente), die A-Banden (entspricht der Länge der Myosinfilamente), die H-Streifen (enthält lediglich Myosin), die I-Banden (helle Streifen, welche nur Aktin beinhalten und bei der Kontraktion verkürzen) und die M-Streifen (Verbindung der Myosinmoleküle) (vgl. Michels, Neumann & Holtermann, 2007).

Das Sarkomer bezeichnet den Abschnitt zwischen zwei Z-Scheiben. Mehrere aufeinanderfolgende Sarkomere bilden eine Myofibrille. Über das Protein Desmin sind die Myofibrillen mit dem Sarkolemm verbunden. Darüber hinaus fungiert das Protein Desmin als Befestiger der Aktinfilamente am Z-Streifen und als Verbinder der Z-Streifen untereinander sowie mit der Zellwand. Durch diese Verbindungen wird letztlich gewährleistet, dass die Sarkomerkontraktion auf die gesamte Muskelfaser und schließlich auch auf die extrazelluläre Matrix übertragen wird (vgl. Michels, Neumann & Holtermann, 2007).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.4 Arten der Skelettmuskelfasern

Ein filzartiges Geflecht aus Retikulärfasern, die Basalmembran, umgibt jede einzelne Muskelfaser. Sie legt sich eng an das eigentliche Plasmalemm an und dient der Verankerung der Muskelfasern untereinander und im umliegenden Gewebe. Plasmalemm und Basalmembran bilden zusammen das Sarkolemm der Muskelfaser. Außerhalb der Muskelfasern und unter der Basalmembran befinden sich die Satellitenzellen. Bei ihnen handelt es sich um myogene, undifferenzierte Stammzellen, die eine Art Reservepool für Muskelwachstum und Regeneration nach Muskelverletzungen darstellen. Werden diese aktiviert, finden grundsätzlich die gleichen Abläufe wie bei der Muskelentwicklung statt (Differenzierung zu Myoblasten, Fusion und Ausreifungen). Neben dem sarkoplasmatischen Retikulum und den kontraktilen Proteinen verfügen Muskelfasern über eine andere Anzahl an Mitochondrien als Organellen des oxidativen Stoffwechsels. Des Weiteren besitzt das Sarkoplasma Myoglobin zur reversiblen Bildung von Sauerstoff sowie Neutralfettpartikel und Glykogen als Energiereserven (vgl. Appel, Stang-Voss & Battermann, 2008).

Prinzipiell ist der Bau der Skelettmuskelfasern innerhalb eines Gesamtmuskels gleich, allerdings weisen sie Unterschiede im Mengenverhältnis hinsichtlich Mitochondrien-, Myofibrillen-, Sarkoplasma- sowie dessen Fett-, Glykogen- und Myoglobingehalt auf. Grundsätzlich werden demnach drei Typen differenziert, die jeweils unterschiedliche funktionelle Charakteristika aufweisen. Der Fasertyp I (auch ST-Fasern oder rote Muskelfasern genannt) ist dünn und reich an Sarkoplasma. Die zahlreichen Mitochondrien sind reihenförmig zwischen den Myofibrillen angeordnet und das Sarkoplasma ist reich an Myoglobin und Fetteinlagerungen. Der oxidative Stoffwechsel, die langsame Verkürzungsgeschwindigkeit sowie die Befähigung zu lang andauernder Arbeit zeichnen diesen Typus aus. Bei Ausdauersportlern überwiegt dieser Fasertyp (vgl. Appel, Stang-Voss & Battermann, 2008).

Beim Fasertyp II (auch FT-Fasern oder weiße Muskelfasern genannt) ist das Gesamtkaliber größer und der Myofibrillengehalt höher. Mitochondrien und Myoglobin sind dagegen in geringerem Ausmaß vorhanden. Diese Fasern weisen eine schnellkräftige Muskelverkürzungsstruktur auf, sind aber nicht, wie Fasertyp I, dazu geeignet, länger dauernde Leistungen zu erbringen, da sie anaerob arbeiten. Bei Sportlern, die überwiegend Schnell- oder Maximalkraftleistungen erbringen müssen, ist dieser Fasertyp besonders reichlich ausgeprägt (vgl. Appel, Stang-Voss & Battermann, 2008).

Der dritte Typ beschreibt einen Intermediärtyp, welcher bezüglich seiner Eigenschäften zwischen den beiden bereits erwähnten Typen einzuordnen ist. Die kontraktilen Eigenschaften der unterschiedlichen Fasertypen sind in den Isoformen der schweren Myosinketten niedergelegt. In der Realität ist die Plastizität der Muskulatur sehr viel größer als eine schematische Einteilung in Fasertypen sie wiedergeben kann, denn alle Muskelfasern unterliegen beständigen Umbauprozessen (beispielsweise können Hybridfasern mehrere Eigenschaften aufweisen) und eine strikte Abgrenzung von Fasertypen ist nicht immer möglich. Jedoch gilt, dass in einer motorischen Einheit alle Muskelfasern dem gleichen Typ angehören, weil ihre funktionellen Eigenschaften wesentlich von dem sie innervierenden Motoneuron geprägt werden (vgl. Appel, Stang-Voss & Battermann, 2008).

Die Rekrutierung der motorischen Einheiten beziehungsweise deren Muskelfasern erfolgt bei steigender Intensität sukzessiv (zuerst Typ I, dann die intermediären Fasern, dann Typ II). Menschen besitzen in der Regel alle drei Fasertypen, es gibt jedoch genetisch bedingte Unterschiede, die manche Menschen für spezielle Sportarten prädestinieren. Durch Training lässt sich das Faserspektrum nicht in nennenswertem Ausmaß verschieben. Mit dem Alterungsprozess nimmt der Typ I-Muskelfaseranteil zu, während der Anteil der schnellkontrahierenden Muskelfasern zunehmend atrophiert (vgl. Appel, Stang-Voss & Battermann, 2008).

2.5 Hilfseinrichtungen der Muskulatur

Eine bindegewebige Muskelfaszie umgibt die Muskelfasern von außen. Sie ist für die Formgebung und den Halt zuständig und fungiert darüber hinaus als Ursprungs- und Ansatzfläche für Muskelfasern. Faszien umgeben sowohl einzelne Muskeln als auch (synergistische) Muskelgruppen (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Sehnen (Tendines) sind überwiegend aus Kollagen bestehende, zugfeste Fasern. Sie bilden am Muskelursprung und -ansatz die Verbindung zwischen Muskelbauch und Knochen. Zusätzlich können sie auch einzelne Muskelbäuche miteinander verbinden. Sehnen sind von einer Sehnenhaut (Peritendineum) umgeben und werden in nur sehr geringem Maße von Blutgefäßen und Nerven versorgt, was eine schlechte Regenerationsfähigkeit nach sich zieht. In Arealen besonderer Beanspruchung mit starker Verschiebung der Sehnen gegenüber der Unterlage (vor allem Hand- und Sprunggelenkregion) können sie von Sehnenscheiden (Vaginae synoviales tendines) umgeben sein. Diese dienen dem Schutz vor Druck und der Minderung von Reibung. Des Weiteren sind sie mit einem schleimigen Gleitgel (Synovia) gefüllt (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Die Schleimbeutel (Bursae synoviales), welche mit Synovialflüssigkeit gefüllt sind, sorgen für eine ähnliche Druckumverteilung und Reibungsverminderung an besonders beanspruchten Stellen, wie zum Beispiel der Rückseite des Ellbogengelenks oder zahlreichen Stellen am Kniegelenk (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

3 Die Skelettmuskelkontraktion

Über Alpha-Motoneurone, die sich im vordereren Teil des Rückenmarks (Vorderhorn) befinden, geschieht die zentrale Innervation der Muskelzelle. In der Muskulatur gelegene Muskelspindeln und in Sehnen befindliche Golgi-Sehnenkörperchen sorgen für die periphere Muskellängen- und Muskelspannungsregulation. Die Rückmeldung der Muskelspindeln erfolgt über afferente Gamma-Motoneurone, die wiederum mit den efferenten Alpha­Motoneuronen verbunden sind (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Muskelbewegung und Muskelkraft beruhen auf molekularen Prozessen in den kontraktilen Bausteinen der Muskelzellen (Sarkomere). In den Sarkomeren befinden sich die Eiweiße Aktin und Myosin als sogenannte Myofilamente, welche durch ein elastisches Riesenmolekül (Titin) zusammengehalten werden. Die Aktin- und Myosinfilamente treten durch Bildung beziehungsweise Loslösung von Myosin-Querbrücken immer wieder miteinander in Kontakt. Dabei gleiten sie aneinander vorbei, wodurch es zur Muskelverkürzung kommt. Der Myosinkopf fungiert dabei als molekularer Motor, der Adenosintriphosphat (ATP) spaltet und als Energiequelle einsetzt. In ebendieser Funktion muss ATP zur Aufrechterhaltung der Muskelkontraktionen über verschiedene energetische Prozesse in den Muskelzellen regeneriert werden (vgl. Brandes, Lang & Schmidt, 2019).

Der elementare Kontraktionsprozess wird durch regulatorische Proteine am Aktinfilament an- und ausgeschaltet. Diese Proteine reagieren auf eine Veränderung der Calciumionenkonzentration im Zytoplasma, welche eine Kontraktion bewirkt. Die Modulation der Calciumionenkonzentration geschieht wiederum über elektrische Vorgänge an der Muskelzellmembran. Beim Eintreffen von Aktionspotenzialen werden Calciumionen aus intrazellulären Speichern freigesetzt und beim Abklingen der Erregung wieder dorthin zurücktransportiert. Diese elektrische Aktivität lässt sich willkürlich mithilfe des Zentralnervensystems beeinflussen. Erhöht sich die Aktionspotenzialfrequenz der die Muskelfasern innervierenden motorischen Nervenfasern, kontrahiert der Muskel stärker. Kommt sie allerdings zum Erliegen, erschlafft der Muskel. Zur Regulierung der Muskelkraft wird außerdem eine variable Anzahl motorischer Nervenfasern zugeschaltet (vgl. Brandes, Lang & Schmidt, 2019).

Laut der Gleitfilamenttheorie bewegen sich bei einer Sarkomerverkürzung die dünnen Filamente auf molekularer Ebene entlang der dicken Filamente in Richtung Sarkomermitte. Die Myofilamentlänge bleibt währenddessen konstant. Bei der Sarkomerdehnung extendiert die Titinfeder. Der Aktin-Myosin-Querbrückenzyklus wird bei niedriger sarkoplasmatischer Calciumionenkonzentration (10-7 mol/l) im relaxierten Muskel durch die Proteinkomplexe Troponin und Tropomyosin gehemmt. Bei erhöhter Calciumionenkonzentration (10-6- 10-5 mol/l) bindet Calcium verstärkt an TnC, welches wiederum eine Untereinheit des Troponins ist, und es kommt zu Veränderungen im Troponin-Tropomyosin-Komplex. Die Querbrücken können jetzt an das Aktin binden und der Muskel ist aktiviert (vgl. Brandes, Lang & Schmidt, 2019).

Die Kontraktionsaktivierung im Skelettmuskel wird über die elektrische Erregbarkeit am Sarkolemm der Skelettmuskelzelle durch Natrium-, Kalium- und Chlorionenbewegungen gewährleistet. Am Sarkolemm befinden sich schlauchförmige Einstülpungen, die T-Tubuli, die an das intrazelluläre, calciumspeichernde sarkoplasmatische Retikulum gekoppelt sind. Bei der elektromechanischen Kopplung laufen die Muskelaktionspotenziale über die T-Tubuli in das Innere der Faser und bewirken nach Aktivierung von Dihydropyridin- (im T-Tubulus) und Ryanodinrezeptoren die Freisetzung von Calciumionen aus dem sarkoplasmatischen Retikulum in das Sarkoplasma, worauf die Kontraktion beziehungsweise Querbrückentätigkeit einsetzt. Werden die Calciumionen durch eine ATP-getriebene Calciumpumpe (SERCA) wieder in das sarkoplasmatische Retikulum zurückgepumpt, hört die Aktivität der Querbrücken auf und es kommt zur Relaxation (vgl. Brandes, Lang & Schmidt, 2019).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Die Bewegung von Skelettmuskeln auf zellulärer Ebene (Brandes, Lang & Schmidt, 2019)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Molekulare Mechanismen der Sarkomerkontraktion (Brandes, Lang & Schmidt, 2019)

3.1 Kurze Darstellung der Energetik der Skelettmuskelkontraktion

Das Regenerieren von Adenosintriphosphat als unmittelbare Energiequelle der Muskelkontraktion erfolgt über drei unterschiedliche Mechanismen in den Myozyten. Diese sind der Abbau von energiereichem Kreatinphosphat, die anaerobe und die aerobe Glykolyse sowie die Fettsäurenoxidation. Der Wirkungsgrad des gesamten Muskels beträgt 20 - 30%, der des kontraktilen Apparats 40 - 50%, wobei die Wärmebildung im Muskel der Temperaturregulation dient. Entscheidend für das Kontraktionsverhalten eines Muskels ist seine Zusammensetzung aus schnellen beziehungsweise langsamen Muskelfasertypen. Während Dauerleistungen und Haltearbeit am effektivsten durch langsame Muskeln bewerkstelligt werden, sind schnelle Muskelfasern auf rasche Zuckungen mit hoher Kraftentwicklung spezialisiert (vgl. Brandes, Lang & Schmidt , 2019).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ADP = Adenosindiphosphat, K = Kreatin, P, = Phosphat

Abbildung 7: Unmittelbare und mittelbare Energiequellen im Skelettmuskel des Menschen (Brandes, Lang & Schmidt, 2019)

3.2 Kontraktions formen der Muskulatur

Unter biomechanischen Gesichtspunkten kann zwischen statischen und dynamischen Kontraktionen differenziert werden, während innerhalb der physiologischen Betrachtungsweise im Hinblick auf die Veränderung der Muskellänge und Muskelspannung wiederum fünf Kontraktionsformen zu unterscheiden sind (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Bei isometrischen beziehungsweise statischen Kontraktionen bleibt die Muskellänge nahezu gleich, während sich die Muskelspannung verändert (zum Beispiel beim Halten einer Last oder bei Arbeit gegen einen unüberwindbaren Widerstand). Die isotonischen Kontraktionen umschreiben eine Muskelverkürzung bei gleichbleibender Zugspannung. Isokinetische Kontraktionen stellen eine Muskelkontraktion mit konstanter Verkürzungsgeschwindigkeit dar. Isotonische und isokinetische Kontraktionen können lediglich maschinell erzeugt werden und kommen in der natürlichen Alltagspraxis nicht vor (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Bei auxotonen Kontraktionen verändern sich sowohl die Muskellänge als auch die entfaltete Kraft im Kontraktionsverlauf. Fast alle natürlichen Bewegungen basieren auf dieser Kontraktionsform. Verkürzt sich der Muskel (zum Beispiel bei der Überwindung eines Widerstands oder bei dem Heben einer Last), spricht man von einer konzentrischen Kontraktion. Bei exzentrischen Kontraktionen hingegen kommt es während der Kontraktion zu einer Muskelverlängerung (zum Beispiel beim Absenken der Kurzhantel bei einem Bizepscurl) (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Bei zahlreichen sportlichen Bewegungen erfolgt das Kraftverhalten in einer Kombination aus exzentrischer und konzentrischer Muskelaktivität, nämlich im Dehnungs-Verkürzungs­Zyklus (DVZ). Dieser trägt unter anderem bei Absprüngen,Würfen, Stoßen und Schlagen zur effizienten Kraftentfaltung bei (vgl. Komi, 1994).

4 Kraft und dessen Erscheinungsformen

Grundsätzlich ist Kraft für jegliche Form von Bewegung grundlegend, weshalb jede Sporttechnik an spezifische Kraftfähigkeiten gebunden ist. Aufgrund der Existenz verschiedener motorischer Fertigkeiten, gilt es, verschiedene Erscheinungsformen der Kraft zu unterscheiden. Die Maximalkraft, die Schnellkraft, die Reaktivkraft und die Kraftausdauer stellen trainingspraktisch die bedeutsamsten Kraftformen dar. Diese können durch allgemeine neuromuskuläre Aktivität sowie speziell abgestimmte Krafttrainingsübungen und -methoden trainiert werden (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Kraft kann aus trainingswissenschaftlicher Perspektive unter anderem wie folgt definiert werden: Sie ist eine motorische (konditionelle) Fähigkeit, die es ermöglicht, durch Muskelaktivität Widerstände zu überwinden, ihnen nachgebend entgegenzuwirken oder sie zu halten. Diese konditionelle Fähigkeit hat unterschiedliche Ausprägungs- und Erscheinungsformen und ermöglicht differenzierte Bewegungen in Sport und Alltag. Die Muskelkraft ist die generelle Voraussetzung, um Körperbewegungen ausführen zu können. Das Produkt aus Muskelkraft und Bewegungsgeschwindigkeit definiert die Muskelleistung (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Das Kraftverhalten wird durch unterschiedliche Faktoren bestimmt. Dazu zählen unter anderem tendomuskuläre Faktoren wie der Muskelquerschnitt (durchschnittliche Kraftentfaltung von etwa 65 Newton pro Quadratzentimeter), der Anteil verschiedener Muskelfasertypen (FT- und ST-Muskelfasern) sowie die Muskel- und Sehnenelastizität. Darüber hinaus ist das Kraftverhalten von neuronalen, energetischen und morphologisch­biomechanischen Faktoren, der Kontraktionsform und -geschwindigkeit (geringere Kraftentfaltung bei geringerer Last und höherer Kontraktionsgeschwindigkeit), der Bewegungstechnik (intermuskuläre Koordination) sowie von der Motivation und Volition abhängig (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Zu den neuronalen Faktoren zählen die Rekrutierung (Anzahl der aktivierten motorischen Einheiten), die Synchronisation der Aktivierung motorischer Einheiten, die nervale Aktivierungsfrequenz und die Reflexförderung (zum Beispiel Dehnungsreflex, Antagonistenhemmung). Zu den energetischen Faktoren zählen die Energiebereitstellung sowie metabolische Prozesse im Muskel. Morphologisch-biomechanische Faktoren umfassen die Muskelform, den Zugwinkel des Muskels am Knochen sowie die Muskellänge (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Kraft lässt sich aus trainingspraktischer Sicht zum einen nach dem äußeren Erscheinungsbild in Sprung-, Wurf-, Schlag- und Stoßkraft differenzieren. Des Weiteren lassen sich die Kraftfähigkeiten hinsichtlich der Einflussnahme der bereits genannten tendomuskulären, neuronalen und morphologisch-biomechanischen Einflussgrößen in Maximalkraft, Schnellkraft, Reaktivkraft und Kraftausdauer unterscheiden. Diese können mit spezifischen Methoden des Krafttrainings entwickelt werden (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

4.1 Die Maximalkraft

Die maximal mögliche Kraft, die vom Nerv-Muskelsystem willkürlich gegen einen Widerstand erzeugt werden kann, wird als Maximalkraft bezeichnet. Unter supramaximalen (also über der Maximalkraft liegenden) exzentrischen Bedingungen kann sogar mehr Kraft entfaltet werden als willkürlich möglich, weil durch die Dehnung der Muskeln und Sehnen eine zusätzliche neuronale Aktivierung ausgelöst wird (Dehnungsreflex) und darüber hinaus passiv-elastische Kräfte des tendomuskulären Systems wirken. Diese Kraftform wird als Absolutkraft bezeichnet (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

In der Trainingspraxis wird die Absolutkraft mit der exzentrischen Maximalkraft gleichgestellt. Das sogenannte Kraftdefizit kennzeichnet die Differenz der Absolutkraft und der willkürlichen Maximalkraft. Aus sportpraktischer Sicht sind ferner die Begriffe des Einwiederholungsmaximums (1-Repetition-Maximum, 1-RM) und der Relativkraft besonders bedeutsam. Das Einwiederholungsmaximum oder auch Einer-Maximum entspricht der maximalen Last, die bei einer spezifischen Kraftübung einmal über die vollständige Bewegungsamplitude bewältigt werden kann, und kennzeichnet demnach die dynamisch­konzentrische Maximalkraft. Das Gewicht des Einwiederholungsmaximums wird im Training oft als „Referenzpunkt“ verwendet, um für die Beschreibung der Belastungsintensität (Kennzeichnung: % des 1-RM) zu sorgen. Die Relativkraft entspricht der auf das eigene individuelle Körpergewicht bezogenen Maximalkraft und besitzt in den technisch­kompositorischen, den Zweikampf- und den Ausdauersportarten sowie den Sprungdisziplinen eine besondere Bedeutung (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Bei einem gegebenen Muskelquerschnitt ist die Maximalkraft trainingsunabhängig und beträgt etwa 60 Newton pro Quadratzentimeter. Daraus folgt, dass eine Zunahme der Maximalkraft (neben neuronalen und motivationalen Mechanismen) nur durch eine Vergrößerung des Muskelquerschnitts (Hypertrophie) erreicht werden kann. Diese wiederum erfolgt hauptsächlich durch eine zusätzliche Bildung von Myofibrillen innerhalb bestehender Skelettmuskelfasern. Ob es beim erwachsenen Menschen auch zu einer Neubildung von Skelettmuskelfasern (Hyperplasie) kommt, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt. Die Größe des Trainingseffekts ist bei der Maximalkraft besonders stark von der hormonellen Situation abhängig, wobei der körpereigene Testosteronspiegel die größte Rolle spielt. Dies ist auch der Grund, weslhalb der Unterschied in der Trainierbarkeit von Frauen und Männern dementsprechend groß ist und weshalb sich die Fähigkeit zur Muskelhypertrophie mit dem Eintritt der Pubertät deutlich verändert (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

4.2 Schnellkraft

Die neurotendomuskuläre Fähigkeit, einen möglichst großen Kraftimpuls beziehungsweise Kraftstoß in kurzer Zeit zu generieren, kennzeichnet die Schnellkraft. Der für die Schnellkraft charakteristische schnelle und hohe Kraftimpuls lässt sich aus biomechanischer Perspektive im Wesentlichen durch die Steilheit des anfänglichen Kraftanstiegs, meist parametrisiert über die Startkraft (erreichter Kraftwert nach 30 ms), die maximale Kraftentwicklungsrate (Explosivkraft), die Höhe des dynamisch realisierten Kraftmaximums (Maximalkraft) und die Zeit zum Erreichen von diesem („time to peak“) sowie nicht zuletzt durch die Impulsdauer beschreiben (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

In einer Vielzahl der Fälle sind Schnellkrafteinsätze sowie deren zugehörige Impulsdauer durch die Bewegungsgeschwindigkeit und Bewegungsamplitude stark eingeschränkt (Ausnahmen sind Sportarten, bei denen der Impuls durch Vergrößerung des Beschleunigungsweges beziehungsweise durch eine längere Krafteinwirkung erhöht werden kann, wie zum Beispiel Hammer-, Diskus- oder Speerwurf), sodass eine Kraftstoßvergrößerung vorrangig über die Erhöhung der Steilheit des anfänglichen Kraftanstiegs, die maximale Kraftbildungsrate sowie das realisierte Kraftmaximum erfolgen kann (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

4.3 Reaktivkraft

Die Reaktivkraft wird der exzentrisch-konzentrischen Form der Schnellkraft zugeordnet (vgl. Güllich & Schmidtbleicher, 1999). Sie entspricht der neurotendomuskulären Fähigkeit, einen möglichst hohen Kraftstoß innerhalb eines Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) zu initiieren. Diesbezüglich werden ein kurzer (< 200 ms; zum Beispiel Absprung beim Weitsprung) und ein langer Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (> 200 ms; zum Beispiel Absprung beim Basketball) unterschieden (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Die maximale Kraftbildungsgeschwindigkeit (Explosivkraft), die optimale Voraktivierung der Muskulatur, die Reflexaktivierung (Dehnungsreflex) und reaktive Spannungsfähigkeit des tendomuskulären Systems sowie die effektive Kopplung von exzentrischer und konzentrischer Muskelarbeit bei schnellem Ablauf innerhalb des Dehnungs-Verkürzungs­Zyklus sind die wesentlichen Determinanten der Reaktivkraft. Zusätzlich üben aber auch die Elastizität und Plastizität des Muskel-, Binde- und Stützgewebes sowie die Sensitivität der Propriorezeptoren beziehungsweise Dehnungs- und Spannungsrezeptoren unmittelbaren Einfluss auf die Reaktivkraftfähigkeit eines Sportlers aus (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

4.4 Kraftausdauer

Grundsätzlich ist die Kraftausdauer eine komplexe sportmotorische Fähigkeit, die es ermöglicht, bei statischer oder dynamischer Muskelarbeit hohe Anteile der Maximalkraft (über 30 %) oder der Schnellkraft möglichst lange nutzen zu können (Ermüdungswiderstandsfähigkeit bei mittleren bis hohen Krafteinsätzen). Definitorisch kann die Kraftausdauer sowohl aus biomechanischer als auch aus leistungsphysiologischer Sicht betrachtet werden. Aus biomechanischer Sicht ist die Kraftausdauer die Fähigkeit, einen möglichst hohen Kraftimpuls beziehungsweise eine möglichst hohe Impulssumme bei einer dauerhaften Arbeit gegen höhere Lasten zu produzieren. Auf der anderen Seite kann die Kraftausdauer aus leistungsphysiologischer Perspektive als die Fähigkeit, bei einer bestimmten Wiederholungsanzahl oder einer definierten Belastungsdauer die Abnahme der Muskelleistung möglichst gering zu halten, definiert werden (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Des Weiteren kann die Kraftausdauer anhand der Arbeitsweise der Muskulatur in die dynamische und statische Kraftausdauer eingeteilt werden. Innerhalb der dynamischen Kraftausdauer werden dann wiederum die konzentrische Arbeitsweise und die exzentrisch­konzentrische Arbeitsweise (DVZ) unterschieden. Eine erhöhte dynamische Kraftausdauer während sportlicher Aktivitäten entspricht entweder einer Impulserhöhung und/oder einer Verringerung der ermüdungsbedingten Impulsreduktion. Die relative Kraftausdauer (Maß des Kraftabfalls) über die Gesamtzahl der Krafteinsätze hinweg ist nahezu unabhängig von der Maximalkraft. Auf der anderen Seite kennzeichnet die statische Kraftausdauer die Muskelfähigkeit, einen bestimmten Kraftwert oder eine bestimmte Last über eine definierte Anspannungszeit möglichst lange zu halten (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Das sportartspezifische Kraftausdauertraining wird in zyklisch-dynamische Sportarten unterteilt, so lässt sich beispielsweise beim Radsport zwischen der aeroben Kraftausdauer (Blutlaktat: ~ 2 - 3 mmol/l) und der anaeroben Kraftausdauer (Blutlaktat: > 5 mmol/l) unterscheiden, welche jeweils über die Energiebereitstellung charakterisiert werden (vgl. Hottenrott & Neumann, 2008).

Auch im Gerätetraining wird Kraftausdauer anders betrachtet. Hier wird je nach Krafteinsatzstärke zwischen der aeroben Kraftausdauer (30 - 50% des 1-RM), der submaximalen Kraftausdauer (50 - 75% des 1-RM) sowie der Maximalkraftausdauer (> 75% des 1-RM) unterschieden (vgl. Grosser, Starischka & Zimmermann, 2001).

Grundsätzliche Bedingungen für die sportartspezifische Nutzung der Kraftausdauer sind die Muskelfaserhypertrophie, veränderte Ansteuerungsmuster der ST- und FT-Muskelfasern sowie aerobe und anaerobe Stoffwechselkapazitäten (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

4.5 Krafttrainingsformen mit Fokus auf Hypertrophietraining

4.5.1 Methoden zur Entwicklung der spezifischen Kraftfähigkeiten

Krafttraining kann grundsätzlich mit eingelenkigen oder mehrgelenkigen Übungen sowie an Krafttrainingsmaschinen oder mit der freien Hantel erfolgen. Die Belastungsnormative, wie beispielsweise Bewegungsgeschwindigkeit, Intensität (Gewicht), Trainingsumfang (Trainingsfrequenz pro Woche, Wiederholungen einer Übung in einem Satz, Satzanzahl), Übungsreihenfolge sowie Pausendauer zwischen den einzelnen Übungen und Sätzen , müssen wohlüberlegt in Abhängigkeit von der individuellen Leistungsfähigkeit und dem Trainingsziel festgelegt werden (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Für eine kontinuierliche Verbesserung der Kraftfähigkeiten ist ein auf Progression ausgerichtetes Krafttraining unerlässlich. Diesbezüglich bieten sich einige Variationsmöglichkeiten der Belastungsnormative an (vgl. Friedmann, 2007).

Aufgrund der eingangs erwähnten unterschiedlichen Kraftfähigkeiten benötigt die Entwicklung dieser auch jeweils spezielle (und individuell angepasste) Trainingsmethoden. Diese lassen sich je nach Anpassungen an definierte Reizkonfigurationen der verschiedenen Komponenten des Kraftverhaltens und deren Einflussgrößen strukturieren (vgl. Güllich & Schmidtbleicher, 1999) . Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, beschränken wir uns im Folgenden auf die im Hinblick auf die Fragestellung relevanten Methoden zur Entwicklung der Maximalkraft. Einen Überblick über die verschiedenen Krafttrainingsmethoden gibt die nachfolgende Abbildung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anpassungs- und Gewöhnungstraining

Abbildung 8: Methoden des Krafttrainings zur Ausprägung allgemeiner und spezifischer Kraftfähigkeiten (Boeckh-Behrens & Buskies, 2000)

4.5.2 Methoden zur Entwicklung der Maximalkraft

Die Maximalkraft kann zum einen durch eine Vergrößerung der Muskelmasse (Hypertrophietraining oder auch Muskelaufbautraining) und zum anderen durch die Methodik zur Verbesserung der willkürlichen neuromuskulären Aktivierungsfähigkeit (Methode explosiver maximaler Krafteinsätze) optimiert werden.

Eine Verbesserung der willkürlichen neuromuskulären Aktivierungsfähigkeit kann durch die Methode der explosiven maximalen Krafteinsätze (90 - 100% des 1-RM) bei wenigen Wiederholungen (1 - 6) und exzentrisch-konzentrischer oder konzentrischer Muskelarbeit erreicht werden. Eine Abwandlung dieser Methode sind die kurzen explosiv-submaximalen Kontraktionen, bei denen entweder isometrisch oder gegen submaximale Lasten (80 - 90%) maximal explosive Kontraktionen von einer Dauer unter einer Sekunde ausgeführt werden sollen. Eine Verbesserung der Maximalkraft geht in der Regel mit einer Schnellkraft- und absoluten Kraftausdauerverbesserung einher. Die Entwicklung der willkürlichen neuromuskulären Aktivierungsfähigkeit wirkt sich insbesondere auf die Explosivkraft positiv aus (vgl. Güllich & Krüger, 2013).

Für das Hypertrophietraining sind wiederholte submaximale Krafteinsätze bei mittlerer Wiederholungszahl (6 - 15) und langsamer Bewegungsausführung charakteristisch. Diese werden in einem Einsatz- oder Mehrsatztraining bis zur lokalen Muskelermüdung durchgeführt. Hypertrophietraining spielt auch bei Hochleistungssportlern in Schnellkraftsportarten eine wichtige Rolle. Für die Trainingsgestaltung dieser Sportler gilt es, während des Trainings die Wechselwirkung aus Bewegungsausführung und Time under Tension sowie induzierter Muskelischämie mit starker intramuskulärer Azidose und einer möglichen Beeinträchtigung der neuromuskulären Qualität der Kraftbildungsgeschwindigkeit auszubalancieren (vgl. Gentil, Oliveira & Bottaro, 2006; Tran, Docherty & Behm, 2006). Da die Literatur hinsichtlich des Hypertrophietrainings manchmal abweichende Empfehlungen gibt, sollen nachfolgend zwei beispielhafte Tabellen diesbezüglich einen Überblick liefern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Methodik zum Muskelaufbau (Hypertrophietraining) - Methode submaximaler Krafteinsätze bis zur Ermüdung (Güllich & Krüger, 2013)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Belastungsnormative für Basistrainingsmethoden „Kraftausdauer“, „Maximalkraft“ und „Hypertrophie“ (Fröhlich, 2004)

5 Muskuläre Adaptation an Krafttraining

Eine zentrale Rolle beim Muskelwachstum spielen die Satellitenzellen als zelluläre Reserven für die Muskelmassenzunahme, die Erneuerung im Sinne der Muskelfasermauserung und Regeneration nach Muskelverletzungen. Diese Art von Muskelzellen ist teilungsfähig, wobei ihre Teilungsrate genetisch festgelegt ist. Die Anzahl an Satellitenzellen ist von Mensch zu Mensch und von Muskel zu Muskel unterschiedlich. Satellitenzellen sind in der Lage, sich zu profilieren, zu differenzieren und möglicherweise zu neuen Muskelfasern (Hyperplasie) heranzureifen. Als ursächlich für die Teilung der Satellitenzellen wird angenommen, dass es durch einen adäquaten Trainingsreiz zu Mikroläsionen an der Muskelfaser kommt. Daraufhin werden unter anderem vermehrt Wachstumsfaktoren im Muskel angereichert, worauf die Satellitenzellen vermehrt profilieren. Sowohl die Teilung der Satellitenzellen als auch dessen Kerneinschleusung (wächst eine Faser, so benötigt sie neue Kerne, welche von den Satellitenzellen geliefert werden) sollen die entstandenen Muskelschäden reparieren. Der Muskel ist anschließend belastbarer, unter anderem wegen der erhöhten Proteinsynthesekapazität der Einzelfaser. Die belastungsadaptierte Hypertrophie der Muskulatur kommt so einem überschießenden Reperaturmechanismus von Mikroläsionen gleich (vgl. Appel, Voss & Battermann, 2008).

5.1 Muskelhypertrophie

Durch Elektromyografieveränderungen (EMG-Veränderungen) kommt zum Ausdruck, dass nach Aufnahme eines Krafttrainings eine neuromuskuläre Adaptation mit Steigerung der neuralen Aktivität und verbesserter Synchronisation von motorischen Einheiten stattfindet (vgl. Friedmann, 2007). Bei einer muskulären Aktion können erhöhte integrierte EMG-Potenziale nachgewiesen werden, wobei sich die Amplitudenzeitkurve in Abhängigkeit von der ausgeübten Krafttrainingsform verändert (vgl. Komi, 1986).

Die vergleichsweise schnelle, anfänglich einsetzende Verbesserung der Kraftfähigkeiten ist nicht auf Muskelhypertrophie, sondern tendenziell auf die Aktivierung einer größeren Anzahl motorischer Einheiten bei gleichzeitiger Reduktion der Antagonisten- Koaktivität zurückzuführen. Bei Fortführung des Krafttrainings über einen Zeitraum von mehreren Wochen bis Monaten kann sich eine Muskelhypertrophie entwickeln (vgl. Friedmann, 2007).

Mehrere Studien zeigen, dass sowohl der Querschnitt der bereits erwähnten Typ II- als auch der der Typ I-Fasern nach einem mehrwöchigen dynamischen (also konzentrisch­exzentrisch ausgeführten) Maximalkrafttraining signifikant zunimmt (vgl. Campos et al., 2002; Hather et al., 1991; McCall et al., 1996; Hortobagyi et al., 2000). Andere Untersuchungen wiederum zeigen nur für die Typ II-Fasern eine signifikante Querschnittszunahme (vgl. Andersen & Aagaard, 2000; Aagaard et al., 2001) oder geben an, dass eine solche allenfalls tendenziell zu beobachten sei (vgl. Staron et al., 1994; Narici et al., 1996).

5.2 Muskelfasertypverteilung und Muskelfaserquerschnitt

Aufgrund der Tatsache, dass Muskelfasern ein hohes adaptives Potential besitzen, kann sich die Muskelfasertypverteilung infolge regelmäßiger Trainingsbelastung verändern (vgl. Pette, 1999).

In mehreren Studien konnte im Musculus vastus lateralis nach einem mehrwöchigen Krafttraining eine Vergrößerung des Anteils an Typ IIA-Fasern bei gleichzeitiger Reduktion des Anteils an Typ IIX-Fasern nachgewiesen werden (vgl. Andersen & Aagaard, 2000; Campos et al., 2002; Hortobagyi et al., 2000; Liu et al., 2003; Williamson et al., 2001; Willoughby & Rosene, 2001). Anscheinend kommt es hier zu einer Transformation von Typ IIX- in Typ IIA-Fasern. Eine Transformation von langsamen in schnelle Muskelfasern scheint schwerer erreichbar zu sein, da sich Hinweise auf eine solche Transformation lediglich in zwei Untersuchungen zu den Effekten eines Oberkörperkrafttrainings finden lassen. In einer Studie von Kadi et al.(1999) nahm der prozentuale Anteil an MHC IIa im Musculus trapezius von untrainierten Frauen nach einem Maximalkrafttraining auf Kosten von MHC IIb(x) und MHC I zu. Liu et al. beschreiben nach Kombination eines Maximalkrafttrainings mit einem niedrig intensiven, mit hoher Bewegungsgeschwindigkeit ausgeführten, konzentrischen Krafttraining eine Zunahme von MHC IIa bei gleichzeitiger Abnahme von MHC I und unverändertem MHC IIx im Musculus triceps brachii von Sportstudenten.

5.3 Muskelarchitektur und Fiederungswinkel

Ein mehrwöchiges Krafttraining bewirkt nicht nur Veränderungen der Muskelfasertypverteilung und des Faserquerschnitts, sondern auch der Muskelarchitektur mit geänderten Fiederungswinkeln, die zwischen der Aponeurose und den Muskelfaszikeln in Ultraschalluntersuchungen gemessen werden können. Die Fiederungswinkel sind in hypertrophierten Muskeln offenbar vergrößert und haben Einfluss auf die kontraktilen Eigenschaften eines Muskels (vgl. Kawakami et al., 1993; Aagaard et al., 2001; Blazevich et al., 2003).

6 Messinstrumente der Muskelhypertrophie

Um später möglichst qualitativ hochwertige Studien in diesem systematischen Review auszuwählen, bietet es sich an, die verschiedenen Messmethoden der humanen Muskelhypertrophie kritisch zu reflektieren. Ausgangslage der nachfolgenden Darstellungen der Hypertrophiemessungen bildet die Arbeit von Haun et al. (2019) mit dem Titel „A Critical Evaluation of the Biological Construct Skeletal Muscle Hypertrophy: Size Matters but So Does the Measurement“.

Grundsätzlich lassen sich Muskelhypertrophiemessungen in drei Ebenen unterteilen: Dies sind die makroskopischen, die mikroskopischen und die molekularen Messungen. Wir beschränken uns diesbezüglich aus Relevanz-, Komplexitäts- und Umfangsgründen (der Arbeit) auf die makroskopischen Messmethoden. Die in Abschnitt 6.1 folgende, einen Überblick verschaffende Abbildung wird jedoch alle drei Kategorien veranschaulichen.

6.1 Ganzkörpermessungen und anthropometrische Messungen

Anthropometrische und Ganzkörpermessungen werden unter anderem genutzt, um herauszufinden, ob eine Muskelhypertrophie aufgetreten ist. Die nachfolgenden Techniken werden in erster Linie jedoch zur Schätzung der Fettmasse und der fettfreien Masse verwendet. Seitdem bekannt ist, dass der Skelettmuskel dazu tendiert, einen großen Prozentsatz der fettfreien Masse einzunehmen, wurde auf Grundlage dieser Methoden vermehrt angenommen, dass die Zunahme der fettfreien Masse stets das Auftreten einer Muskelhypertrophie anzeigen müsse. Dies ist jedoch nicht zwangsläufig der Fall, da viele andere Faktoren zur fettfreien Masse (beispielsweise Flüssigkeit) beitragen. Diese Messungen bestimmen lediglich indirekt das Muskelgewebe. Sie werden der Vollständigkeit halber aber dennoch nachfolgend kurz erklärt (vgl. Haun et al., 2019).

Zu den eben genannten Methoden gehört zum Beispiel die Luftverdrängungsplethysmographie (beispielsweise Bod-Pod). Hierbei wird eine Ganzkörperdensitometrie zur Abschätzung der Körperzusammensetzung (Fett- und fettfreie Masse) genutzt.

Die bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) schätzt den Körperwasseranteil durch Berechnung des Widerstandes zu einem elektrischen Strom. Fett- und fettfreie Masse lassen sich aus dem Gesamtanteil an Körperwasser schätzen.

Das hydrostatische Wiegen oder auch Unterwasserwiegen basiert auf dem archimedischen Prinzip und misst die Masse pro Einheit des Körpervolumens, um die Körperdichte zu kalkulieren. Anhand der berechneten Körperdichte lassen sich dann die Fett- und fettfreie Masse schätzen.

Die Hautfaltendickenmessung wird durch Einklemmen bestimmter Hautareale und des darunterliegenden subkutanen Fettgewebes relativ zu einer genau gemessenen anatomischen Stelle durchgeführt. Die Hautfaltendicken können addiert und verwendet werden, um die Körperzusammensetzung anhand verschiedener Formeln zu schätzen.

Technisch betrachtet umfassen anthropometrische Messungen und Daten jede Beurteilung von Körpergröße, Form und Zusammensetzung mit handgehaltenen Maßbändern und Werkzeugen.

Die Dual-Röntgen-Absorptiometrie (Dual Energy X-ray Absorptiometry, DXA, DEXA, oder auch Doppelröntgenabsorptiometrie) wurde ursprünglich entwickelt, um Knochenmineralparameter zu messen. Heute ist es eine weit verbreitete Methode zur Beurteilung von Veränderungen der Skelettmuskelmasse. Ganzkörper-DXA-Scans liefern 2D-Bilder, obwohl sie Massen- und Dichteschätzungen bieten können, wenn sie gegen eine Erscheinung von bekannter Dichte kalibriert werden. Zusätzlich können sie zur Quantifizierung der appendikulären, mageren Massen genutzt werden. DXA besitzt jedoch eine Unfähigkeit, zwischen Muskelgruppen zu unterscheiden. Außerdem ist DXA zwar in der Lage, zwischen Knochen, Fett und fettfreiem/knochenfreiem, magerem Gewebe zu differenzieren, allerdings kann sie Muskelgewebe und intramuskuläre Flüssigkeit nicht voneinander abgrenzen. Außerdem ist sie nicht empfindlich genug, um intramuskuläres Fett zu erkennen. DXA kann durch mehrere Faktoren, wie zum Beispiel dem Hydrationsstatus, stark beeinflusst werden (vgl. Nana, et al., 2015). So zeigt eine Studie von Fritz Horber et al. (1992), dass die Daten der DXA manipulierbar sind, wenn die Testperson vor den Messungen etwas isst (und nach den Mahlzeiten viel trinkt). Die fettfreie Masse steigt dann im Vergleich zum Ausgangswert um fast ein Kilogramm (und das ohne Zunahme der Fettmasse). Trotzdem kann DXA als nicht-invasive Beurteilung der groben und segmentalen, fettfreien Masse des Körpers herangezogen werden (vgl. Haun, et al., 2019).

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Excerpt out of 125 pages

Details

Title
Krafttrainingsfrequenz für den effektiven Muskelaufbau
Subtitle
Ein Systematischer Literaturreview
Grade
1,3
Author
Year
2020
Pages
125
Catalog Number
V923651
ISBN (eBook)
9783346249753
Language
German
Keywords
Fitness, Krafttraining, Training, Frequenz, Muskelaufbau, Hypertrophie, Muskelfasern, Maximalkraft, Schnellkraft, Kraftausdauer, Muskulatur, Skelettmuskulatur
Quote paper
Phil Brocks (Author), 2020, Krafttrainingsfrequenz für den effektiven Muskelaufbau, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/923651

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