„Was soll aus dem Kind mal werden?“ Eine Frage die sich nicht nur die Eltern stellen, sondern auch die Bildungspolitik. In der folgenden Arbeit wird dieser Frage nachgegangen. In einem Rückblick von 1946 bis 2004 sollen Bildungsziele des deutschen Gymnasiums nachvollzogen und zu gesellschaftlichen Leitbildern in Bezug gesetzt werden.
Gesellschaftliche Idealbilder, wie der Demokrat, der Wirtschaftsbürger, der emanzipierte Mensch, der religiöse Mensch oder der Revolutionär, verändern die Bildungsziele des Gymnasiums. Wie wirken diese Bildungsziele auf gesellschaftliche Aufgaben der Schule wie der Selektion, der Qualifikation und der Erziehung?
Der Vergleich der Bundesländer Nordrhein – Westfalen und Bayern zeigt, wie die gemeinsamen Bildungsziele der Bundesländer, beschlossen durch die Kultusministerkonferenz, unterschiedliche Realisierungen finden.
Der historische Rückblick endet bei aktuellen Zielsetzungen der Schulen, der Vermittlung von Softskills und Veränderung von Bildungsaufträgen und Zielen durch internationale Vergleichsstudien wie PISA.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
1. Annahmen, Fragestellungen
1.1 Die Schule als Institution
1.2 Die Funktionen der Schule
1.3 Die Bildungsziele der Schulen
1.4 Eingrenzungen
2. Die Bildungsziele der Landesverfassungen
2.1 Bildungsziele in der bayerischen Verfassung
2.2 Die Bildungsziele in der Landesverfassung NRW
2.3 Vergleich
3. Selektion
3.1 Grundannahmen
3.2 Ein geschichtlicher Überblick
3.2.1 Der Deutsche Ausschuss
3.2.2 Die große Reform
3.2.3 Restauration oder neue Diskussionsgrundlagen
3.2.4 Reaktionen auf PISA
3.3. Zur Chancengleichheit und Selektion
3.3.1 Gleichwertigkeit und Gleichartigkeit
3.3.2 Chancenverteilung durch Bildung?
3.3.3 Chancengleichheit und Konkurrenz
3.3.4 Passung und Chancengleichheit
3.3.5 Selektion und Chancengleichheit als kulturelles Problem
3.3.6 Habitus und Schulbildung
3.4 Schule als Prüfungsinstanz?
3.4.1 Kritk der Abstimmung Bildungsystem und Arbeitsmarkt
4. Qualifikation
4.1 Ein geschichtlicher Überblick
4.1.1 Allgemeinbildung oder allgemeine Grundbildung
4.1.2 Gemeinsame Grundbildung als Methodenkenntnis
4.1.3 Die Fortentwicklung der Schulreform
4.1.4 Allgemeine Bildung und Beschäftigungsrelevanz der Bildung
4.2 Konkurrenz der Bildungsdefinitionen
4.2.1 Über den Kanon der Allgemeinbildung
4.2.2 Der „verwässerte“ Fächerkanon
4.2.3 Zur Wissenschaftspropädeutik der Bildung
4.3 Bildung und Bewertung
4.3.1 Qualität und Allgemeinbildung
4.3.2 Bildungsstandarts
4.3.3 Kompetenz - ein streitbarer Begriff?
4.3.4 Realisierung der Standarts
4.3.5 Alternative Kompetenzmodelle
4.4 Von der Allgemeinbildung zur Persönlichkeitsbildung
4.4.1 Zur Ideologiekritik
4.4.2 Unterschiedliche Formen der Individualisierung
5 Erziehung
5.1 Erziehung als Bildung der Persönlichkeit
5.1.1 Pragmatismus und Humanismus
5.1.2 Emanzipation
5.1.3 Forum „Mut zur Erziehung“
5.1.4 Erziehung und Emanzipation
5.1.5 Erziehung und Wirtschaft
5.2 Was sind Werte?
5.2.1 Wertewandel und Pluralismus
5.2.2 Der Begriff des Wertes als Interpretation einer Metatheorie
5.3 Realisierung
5.3.1 Überfachliche Qualifikationen
5.3.1.1 Religion
5.3.1.2 Zur politischen Erziehung
5.3.1.3 Der Wirtschaftsbürger
5.4 Außerschulische Aktivitäten
5.5 Über den versteckten Lehrplan
5.6 Die Bedeutung von Vergleichsstudien
5.7 Erziehung als Abbild wissenschaftlicher und politischer Menschenbilder
6. Zu den verschiedenen Leitbildern
6.1 Philosophische Grundannahmen der Pädagogik
6.2 Soziologie und Pädagogik
6.3 Qualität und Effizienz
6.4 Reaktionen der Bildungspolitik auf die verschiedenen Metatheorien
Literaturverzeichnis
Vorwort
Nie zuvor wurde die Verschiedenheit der Gymnasien der Länder der Bundesrepublik Deutschland deutlicher durch die Politik betont, als in der Folge der Veröffentlichungen der PISA- Studie zum innerdeutschen Vergleich. Man könnte meinen, es gäbe kein Deutsches Schulwesen, sondern nur ein bayerisches, ein hessisches oder ein sächsisches. Die Diagnosen sind sehr zahlreich. Die Kultur, die Ökonomie, die Dreigliedrigkeit des Schulwesens, all das könnten Ursachen sein. Und auch die Politik könnte, für die erfolgreiche Vermittlung von Wissen durch die Lehrer, Grund sein.
Hier wollte ich die Frage nach dem Grund für gutes oder schlechtes Abschneiden ausklammern und einen Blick auf die Leitbilder werfen, welche den Bildungsauftrag der Schule bestimmen. Die Frage der gelungenen Vermittlung soll nicht vorrangig interes-sieren. Es ist daher eher eine historische Betrachtung, die mitunter im Blick zu halten versucht, ob es die Politik ist, welche die Leitbilder festlegt.
1. Annahmen, Fragestellungen
1.1 Die Schule als Institution
Die Entstehung der Pflichtschule ist ein historischer Prozess. Der wesentliche Antrieb zur Institutionalisierung der Schulen ist die Etablierung der Nationalstaaten, welche sich über die Schule gute Staatsbürger sichern wollten. Die Industrialisierung spielt in soweit eine Rolle, als von den Arbeitern Mindestqualifikationen erwartet wurden. Die Institution „Schule“ wurde der staatlichen Kontrolle unterstellt und unterliegt somit seiner admini-strativen Kontrolle. Der Staat und seine Organe sind nicht allein für die Finanzierung und organisatorischen Sicherung zuständig, sondern nehmen Einfluss auf die organisierten Lernprozesse selbst. „Institutionelle Eingriffe in pädagogische Prozesse dürfen somit nicht nur als Pannen oder unbeabsichtigte Nebenwirkungen missverstanden werden.“[1] Vielmehr legt der Staat Bildungsziele fest, welche als verbindlicher Auftrag der Schule gilt.
In der Bundesrepublik Deutschland ist Bildungs- und Kulturpolitik der Hochheit der Bundesländer überlassen.[2] Erst 1969 begann der Bund begrenzten Einfluss auf die Bildungspolitik zu nehmen, jedoch gibt es kein einheitliches deutsches Schulgesetz. Vereinheitlichungen des Schulwesens und der Abschlüsse werden über die Kooperation der Länder erreicht. Wichtigstes Instrument ist dabei die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder, deren Beschlüsse als Empfehlungen gelten und erst über die Gesetz-gebung (oder Verordnungen) der jeweiligen Länder Gültigkeit erlangen. Die Gesetze der Länder regeln das Erziehungsziel, die Schulpflicht, die Schulaufsicht, die Schulver-waltung, die Mitwirkung der Eltern, Lehrer und Schüler, so wie die Finanzierung der Schulen. Das dreigliedrige Schulsystem (Hauptschule- Realschule- Gymnasium) ist in den Schulgesetzen, teilweise in den Landesverfassungen festgeschrieben. Seit Mitte der sechziger Jahre haben sich die Kultusministerien wesentlich vergrößert, wobei die Aufgaben der Ministerien gewachsen sind.
Das Bildungsrecht untersteht der rechtlichen Kontrolle unabhängiger Gerichte, welche durch ihre Entscheidungen staatliche Schulhoheit, Elternrecht, pädagogische Freiheit der Lehrer, Persönlichkeitsrecht des Schülers, etc. in Einklang bringen. Medienwirksame Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts waren in neuerer Zeit das Kruzifix- Urteil (zum Recht der bayrischen Schule Kruzifixe in den Klassenräumen aufzuhängen), sowie der sogenannte „Kopftuchstreit“.
Der Versuch Lernprozesse zu steuern und über bürokratische Systeme zu überprüfen bedeutet einen Zuwachs der Bedeutung der Politik für das Bildungssystem im Ganzen. Das Schulkind ist kein natürliches Wesen, sondern das Produkt einer politischen Absicht. Es besteht also zumindest die Notwendigkeit die Schulpflicht und das Bildungsziel zu rechtfertigen. Dabei sind die juristisch formulierten Bildungsziele der Landesverfas-sungen nicht hinreichend um pädagogische Absichten festzulegen, sondern bedürfen weiterer Interpretation.
1.2 Die Funktionen der Schule
Schule verschränkt die Aufgabe der Bildung des Einzelnen mit der Aufgabe gesellschaftlich relevantes Wissen weiterzugeben. Personale und gesellschaftliche Interessen sind in der institutionellen Schule vereinigt. Das Verhältnis der beiden Aufgaben zueinander und welcher eine größere Bedeutung zukommt ist in den Theorien der Pädagogik umstritten. Dennoch wird von keiner Position der Zusammenhang von schulischem Auftrag und gesellschaftlichen Entwicklungen geleugnet. Wie die Schule im Einzelnen auf gesellschaft-liche Entwicklungen eingehen soll ist jedoch Thema einer endlosen Kontroverse.
Aus der strukturfunktionalen Sicht hat Schule die Funktion der Qualifikation, der Selektion und der Integration. Im Rahmen der Qualifikationsfunktion versucht Schule allgemeine und berufliche Qualifikationen zu vermitteln, mit Blick auf den Bedarf der Gesellschaft. Die Selektionsfunktion erlaubt der Schule über Prüfungen und der durch sie erlangten Berechtigungen Stellungen innerhalb des Bildungssystems festzulegen, welche sich in der Sozialstruktur der Gesellschaft wiederfinden können. Die Integrationsfunktion der Schule ziehlt auf die Vermittlung von Werten und Normen.[3]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gesellschaftliche Funktionen von Schule (Fend 1981)
Quelle: Tillmann, Klaus-Jürgen- Sozialisationstheorien; S.130
Für den Aufbau dieser Arbeit wird diese Unterteilung der Schulfunktionen gewählt, unter der Annahme, dass es nach jeweiliger Funktion unterschiedliche Bildungsziele gibt, die zwar miteinander in Beziehung gebracht werden, aber auch autonom bestehen können. Zweitens wird angenommen, dass sich die Veränderungen in der Gesellschaft nicht so revolutionär auf das Bildungssystem auswirken, wie das Vokabular der Bildungstheoretiker annehmen lässt.
1.3 Die Bildungsziele der Schulen
In vormodernen Gesellschaften sind formulierte Bildungsziele nicht notwendig. Sie ergeben sich aus der Tradition selbst. Zur Zeit wird eine einheitliche Tradition weder festgestellt, noch ist sie gewünscht. Die Festlegung einer Norm, welche die Anstrengung der erziehenden Institution und des einzelnen Erziehers bündelt, scheint notwendig. Damit soll festgelegt werden, wie das Idealbild des erfolgreich erzogenen Menschen sein soll. Dieses Menschenbild regelt z.B. die Auswahl der Unterrichtsinhalte, die Art und Weise des Unterrichts, die Rolle des Lehrers und des Schülers, die ermöglichten Abschlüsse, etc. Es gibt auch Thesen welche eine Notwendigkeit von Bildungszielen ablehnen.[4]
Die Bildungsziele der Schulen, als Formulierungen von Menschenbildern, sind demnach vielfachen Interessen unterworfen. Nicht nur der Einzelne hat als Schüler oder Erziehungsberechtigter ein Interesse am Bildungsauftrag des Gymnasiums, sondern auch Institutionen, Parteien und Organisationen versuchen an der Ausgestaltung der Bildungs-ziele mitzuwirken. Die Bildungsziele des Gymnasiums ergeben sich nach Meinung von Severin Heß aus zahlreichen Quellen, von denen er die vier wichtigsten als die Politik, die Wissenschaft, die Berufspraxis und die öffentliche Meinung bezeichnet.[5]
Die Politik setzt die gesetzlichen Rahmen fest, organisiert und finanziert das Schulwesen. Kritisch betrachtet er, dass Bildungsfragen zum Thema parteipolitscher Kontroversen wird und damit ins Bildungssystem selbst hineinwirkt.
Die Wissenschaft, so bedauert Heß, kommt nicht ihrer klärenden Funktion nach, sondern unterstützt oder kritisiert das Gymnasium aus einer politischen Position heraus, und verstärkt die Kontroverse um den Bildungsauftrag.
Die Berufspraxis selbst ist weder von der Politik noch von der Wissenschaft zu trennen. Von Ausnahmen abgesehen „überzeugt die Praxisnähe und das Fehlen ideologischer Blickverengung.“[6]
Die öffentliche Meinung letztendlich, ist ein allgemeines Gesellschaftsspiel, die kaum einen Beitrag zu einer „vorurteilsfreihen, realitätsgerechten Einschätzung der Bildungs-arbeit des Gymnasiums“ leisten kann.
Bei der Beschreibung der Quellen, welche das Bildungsziel des Gymnasiums formulieren, fällt auf, dass vor allem die Politik als Ursache der Kontroverse angenommen wird. Die Diskussion der Bildungsziele, der damit verbundenen Leitbilder und der Organisation des Gymnasiums wird immer zurückgeführt auf eine politische Kontroverse. Dabei wird die jeweils eigene Position als wissenschaftliche dargestellt, die Gegenposition als ideologische. Daher ist eine meiner Fragen, ob die Menschenbilder und die darauf hin ausgerichteten Bildungsziele wirklich eine so starke politische Ausrichtung haben? Mit der Veröffentlichung der Länderergebnisse der PISA Studie wurde eine politische Diskussion eröffnet, ob die Unterschiede zwischen den Ländern auf die unterschiedliche Bildungspolitik der Bundesländer zurückzuführen sei. Diese Diskussion wurde als ein Rückschlag in der Deutschen Bildungspolitik betrachtet, da seit einigen Jahrzehnten eine Angleichung des Bildungssystems zwischen den Ländern angestrebt wurde.
1.4 Eingrenzungen
Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verzichtet auf die Formulierung von Bildungszielen. Die Länder der Bundesrepublik legen aufgrund ihres Auftrags in der Kulturpolitik zu wirken, in ihren jeweiligen Verfassungen Erziehungsziele fest. Neben den Bildungszielen der Verfassungen der Länder wird über die Kultusminister-konferenz eine Reihe von allgemeinen Zielen festgelegt, so wie dem Schulzweig und dem Jahrgang entsprechende Ziele. Im Rahmen dieser Betrachtung werden die Bildungsziele der Gesetze der Länder nur kurz betrachtet. Hauptaugenmerk liegt auf den Entschei-dungen der KMK zum Gymnasium und der Verwirklichung derselben in den Ländern (speziell Bayern und Nordrhein-Westfalen). Dabei soll besonders betrachtet werden, welche Leitbilder die KMK formulierten Bildungsziele haben könnten, und sind allternative Leitbilder in den beiden genannten Ländern, unter Beibehaltung der KMK Formulierungen, möglich.
Nicht beachtet wurden, obwohl in der Diskussion um Bildungsziele oft berücksichtigt: die Finanzierung, die Lehrerausbildung, die Geschlechterfrage, Privatschulen, so wie die regionalen Besonderheiten des Schulwesens.
2. Die Bildungsziele der Landesverfassungen
2.1 Bildungsziele in der bayerischen Verfassung
„Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden. Oberste Bildungsziele sind Erfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungs-gefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewußtsein für Natur und Umwelt. Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayrischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.“ (Art. 131 Abs. 1 mit 3)[7]
In der Verfassung von 1946 wurden Bildungsziele für die bayrische Schule festgelegt, und finden sich im Artikel 131 BV wieder. Im Verfassungsausschuss wurde die Fest-legung von gesetzlichen Bildungszielen als notwendig erachtet, um bewußt eine Abgren-zung zum Nationalsozialimus und seinen Bildungszielen zu formulieren. So findet sich auch als Abgrenzung zu den gottlosen Nationalsozialisten die Formulierung „Ehrfurcht vor Gott, und Achtung vor religiösen Überzeugungen“ als oberstes Bildungsziel wieder, nachdem man festgestellt hatte, daß immerhin 98 % der Bevölkerung irgendeiner Religion angehören. Man hatte auf Festlegung eines „christlichen“ Gottesbildes verzichtet, um die Neutralität des Staates zu gewährleisten.[8]
Das Ziel zur Bildung der „Ehrfurcht vor Gott“ steht eigentlich im Widerspruch zur verfassungsmäßigen Glaubens- und Gewissensfreiheit , Art. 107 Abs. 1 BV, wurde durch spätere Erläuterungen (BayVrfGH Bay Vbl. 1980[9]) eingeschränkt, daß Schule nicht missionarisch wirken dürfe und christliche Maßstäbe nicht für alle anwenden dürfe. Toleranz wird trotz dieses Bildungszieles im Grunde garantiert.
In der ersten Formulierung werden als Erziehungziele „Selbstbeherrschung, Verant-wortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft“ genannt. Bezug-nehmend auf das griechische Bildungsideal wählte man die „Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne“.[10] Und im Wortlaut des deutschen Grundgesetzes wird ebenfalls die Formulierung „Ehrfurcht vor der Würde des Menschen“ gewählt.
Besonders auf Anregung des CSU Abgeordneten Pechtls, welcher einen Defizit dieses Themas besonders in der Bildung der Höheren Schulen bemerkte, wurde ebenso die „Liebe zur bayrischen Heimat und zum deutschen Volk“ als Erziehungsziel verfassungs-mäßig.[11] Demokratie sollte ferner erlebt und nicht nur unterrichtet werden, was die Erziehung „im Geiste der Demokratie“ verdeutlichen soll. Abschnitt 4 des Art. 131 BV wird heute in den Lehrplänen des bayrischen Gymnasiums nicht mehr genannt, verdankt seine Entstehung aber dem Versuch die Säuglingssterblichkeit der Zeit vorzubeugen. Danach sollen Mädchen in der Säuglingspflege, Kindererziehung und in der Hauswirt-schaft besonders zu unterweisen sein.
Der Katalog der Erziehungziele wurde 1984, auf Anregung des Senates um das Ziel „Verantwortungsbewußtsein für Natur und Umwelt“ ergänzt.[12] Damit wurde bewiesen, daß es sich bei den Erziehungszielen der bayrischen Verfassung nicht um ein Relikt des Gründerenthusiasmus’ handelt. „An diese Grundsätze ist jeder Lehrer für sich und jedes Gymnasium als Ganzes gebunden. Sie müssen nicht nur im Unterricht in den verschie-denen Fächern sichtbar werden, sondern auch im Umgang von Lehrern und Schülern miteinander und in all den Veranstaltungen und Einrichtungen, in denen ein Gymnasium seinen besonderen Charakter zum Ausdruck bringt.“[13] Ihr Steuerungswirkung wird als gering beschrieben, bildet aber eine verfassungsrechtliche Grenze des zulässigen Inhalts der Lehrpläne. Die Schulen, so wie die Lehrkräfte, sind zur Einhaltung dieser Grenzen verpflichtet, ohne die Gewähr übernehmen zu müssen, die Ziele bei jedem Schüler zu verwirklichen.[14]
2.2 Die Bildungsziele in der Landesverfassung NRW
Artikel 7
Abs.1
Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor der Würde des Menschen und Bereitschaft zum sozialen Handeln zu wecken, ist vornehmstes Ziel der Erziehung.
Abs.2
Die Jugend soll erzogen werden im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit, zur Duldsamkeit und zur Achtung vor der Überzeugung des anderen, in Liebe zu Volk und Heimat, zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung.[15]
In der abschließenden Lesung der Verfassung am 5. und 6. Juni 1950 fand die Formulierung der Bildungsziele, unter maßgeblichen Einfluss der CDU, statt. Der wesentliche Streitpunkt war, ähnlich der bayrischen Situation, der Streit um das Erziehungsziel der „Ehrfurcht vor Gott“. CDU und Zentrum, Parteien die sich traditionell an die christlichen Werte gebunden sehen, forderten christliche Werte als Grundlage der Verfassung, während SPD und KPD, religiöse Formulierungen nur als Kompromiss akzeptierten, indem sie den Tolleranzgedanken, in der Formulierung „Duldsamkeit“, „Menschenwürde“ und „Achtung vor den Überzeugung anderer“ als wichtiger erachteten.[16]
Die Erziehungziele sollten nicht auf die Schule beschränkt werden, sondern für die gesammte Jugend gelten, seine Anwendung als Bildungsziel von der Grundschule bis Universität und der Berufsbildung finden.[17] Dieser universelle Anspruch der Bildungsziele steht natürlich im Vorwurf des Idealismus.
Die Erziehung im Geiste der Menschlichkeit, der Demokratie und der Freiheit ist nicht allein, wie in einigen Veröffentlichungen behauptet wird, auf die Forderungen der westlichen Alliierten und ihrer Politik der „Reeducation“ zurückzuführen. Es sind die humanistischen Werte der Aufklärung, in deren Tradition auch die deutsche Kultur steht. Die Erziehung zur Völkergemeinschaft und Friedensgesinnung ist Reaktion auf den Weltkrieg. Der Begriff der Völkergemeinschaft wird angelehnt an den Versuch der ersten Organisation einer Staatengemeinschaft, dem Völkerbund in Genf, der durch den zweiten Weltkrieg scheiterte.[18]
1985 wurde der Umweltschutz, durch die Formulierung Verantwortung für die natürlichen Lebensgrundlagen“ in den Absatz 2 des Art. 7 eingefügt. War die Ergänzung der Bildungsziele um den Umweltschutz unumstritten, so entfachte sich die Diskussion im Landtag, zu deren Wichtigkeit sich Fachleute aus Wissenschaft äußern sollten, jedoch nur zu schriftlichen Stellungnahmen bereit waren, um den Stellenwert des Bildungsziels. Die CDU Fraktion gab zu bedenken, dass der Umweltschutz eventuell nicht wichtig genug sei, um in Absatz 1 vertreten zu sein[19]. Nach der dritten Lesung am 7. März 1985 wurde die Ergänzung der Bildungsziele in Art. 7 Abs. 2 beschlossen.
2.3 Vergleich
Die verfassungsrechtlichen Erziehungsziele beider Bundesstaaten zeigen wenig Unterschiede. Ein Grund der zahlreichen übereinstimmungen ist sicherlich die Entstehungsgeschichte der Verfassungen. Die Erziehungsziele sollen sich bewußt vom Nazionalsozialismus abgrenzen und eine demokratische Gesellschaftsordnung ermöglichen. Die Besatzungsmächte lassen den Schulen eine zentrale Rolle bei der „Demokratisierung“ der Deutschen zukommen. Die zur Anregungen von Schulreformen entsandte Zook Kommission (benannt nach George F. Zook dem „President of the American Council on Education“) benennt „Demokratisierung“ als zentrale Aufgabe von Schulen.[20]
Die Vorgaben der Besatzungsmächte sind sicherlich eine in der Literatur oft favorisierte Erklärung, für die Formulierung demokratischer und humanistischer Bildungsziele. Die „Kontrollrat- Direktive Nr. 54“ vom 27. Juni 1947, welche für die Besatzungszonen geltendes Recht darstellten, formulierte in den Punkten 5 und 6 als Erziehungsziele die Erziehung zu „staatsbürgerlicher Verantwortung“ und zur „demokratischen Lebensweise“ (democratic way of life), so wie eine Art von Lehrplänen welche „Das Verständnis für andere Nationen und die Achtung vor ihnen“ fördert.[21] Die Formulierungen des Kontrollrats sind in den Bildungszielen der Verfassungen Bayerns und NRWs deutlich in den Zielen „Erziehung im Geiste der Demokratie“ (Bayern und NRW), so wie „Erziehung im Sinne der Völkerversöhnung“ (Bayern) bzw. „Die Jugend soll erzogen werden ... in Liebe ... zur Völkergemeinschaft..“ (NRW) zu erkennen.
Sofern von den Allierten nicht anders verordnet, werden Teile des Artikels 148 der Weimarer Reichsverfassung übernommen, wie z.B. die „Liebe zu Volk und Heimat“. Humanistische Ideale wie Toleranz, Menschenwürde, soziale Verantwortung stehen in der Bildungstradition der deutschen humanistischen Gymnasien. Die Verfassungen der Bundesländer, von den Verantwortlichen unter den wachsamen Augen der Allierten bewußt als Abgrenzung zum Nationalsozialimus formuliert, zeichnete die Bildungsziele, sofern nicht durch die direktive Nr. 54 bestimmt, auch als Abgrenzung gegen die Bildungsziele der Nationalsozialisten. Der Erlass über „Erziehung und Unterricht in der höheren Schule“ aus dem Jahr 1936 betonte die Erziehungsordnung der Nationalsozialisten, ein Bildungsideal welches sich „aus der Gemeinschaft des wirklichen Kampfes entwickelt hatte“, gegen das Trugbild „der gebildeten Persönlichkeit“ und „anstelle der humanistischen Bildungsideologie“.[22] Eine Abgrenzung zu diesen eher antipädagogischen Bildungszielen erneuerte man nach 1946 wieder die humanistischen Bildungsideale und bestimmte sie als Verfassungsziele. Im Grunde hält man an ihrer Bedeutung bis heute fest. Wobei Prinzipien der Rechtstaatlichkeit, Demokratie, Toleranz und Menschenwürde unbestritten sind.
Umstritten ist das Bildungsziel der Erziehung zur „Ehrfurcht vor Gott“, welches sich sowohl in Bayern als auch in NRW wiederfindet. Es geht auf die Mitwirkung der konservativen CSU in Bayern, bzw der CDU und des Zentrums in NRW zurück. In Bayern wurde Gott in der Verfassung als radikale Abgrenzung zum Nationalsozialismus verstanden. In NRW wurde das Bildungsziel unter der Begründung aufgestellt, dass „etwas Höheres als den Menschen- …- an die Spitze der Schulartikel gestellt wird.“[23] Spätere Versuche das Bildungsziel der Gotteserfurcht zu streichen (einige Monate später durch die KPD) scheiterten.
Das Bildungsziel der Gottesfurcht wird durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland relativiert. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Urteilen stets das Toleranzgebot als vorrangig befunden, und religiös- weltanschauliche Ausprägungen von Schule eingeschränkt.[24]
1984 wurden die Bildungsziele in Bayern und NRW um das Bildungsziel des Umweltschutzes ergänzt. Weder in Bayern noch in NRW wurde diese Notwendigkeit bestritten. Die Formulierung und Bedeutung des Bildungszieles führte zu Diskussionen in den jeweiligen Landtagen. Die verfassungsmäßige Umwelterziehung als Bildungsziel geht auf die kulturell- gesellschaftliche Entwicklung zurück. Ab den siebziger Jahren verstärkte sich in der Bevölkerung der BRD der politische Wille zu Umweltschutzmaßnahmen. Eine Reihe Umwelt- Bürgerinitiativen wurden gegründet:
- Rhein- Main- Aktion gegen Umweltzerstörung (1970)
- Rhein- Ruhr- Aktion gegen Unmweltzerstörung (1970)
- Bürgeraktion Umweltschutz Rhein- Neckar (1972)
- Oberrheinisches Aktionskommittee gegen Umweltgefährdung durch Kernkraftwerke (!972/73)
- Bürgerinitiative Umweltschutz Unterelbe (1973/74)
- Bürgeraktion Küste (1974)
- Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (1975)[25]
Neben zahlreicher Bürgerinitiativen zum Thema Umweltschutz entwickelte sich 1977 eine politische Partei welche besonders ökologische Fragen thematisierte. Die Bundesregierung veröffentlichte am 14.10.1971 (BT- Drs. VI/2710) ein Umweltprogramm, welches Umweltschutz als politische Aufgabe anerkennt. Im Kapitel „Bildung und Ausbildung“ heißt es: „Das zur Abwehr der Umweltgefahren notwendige Wissen muss in den Schul- und Hochschulunterricht sowie in die Erwachsenenbildung einbezogen werden. Umweltbewußtes Verhalten muss als allgemeines Bildungsziel in die Lehrpläne aller Bildungsstufen aufgenommen werden.“[26]
Das Thema der Bildung zu Umweltbewußtsein wurde ebenso aufgenommen von der Ministerpräsidentenkonferenz vom 18- 20.10.1972, und der Kultusministerkonferenz zur Bearbeitung übertragen. Eine Reihe internationaler Initiativen und Konferenzen[27] verstärkten die Bedeutung des Themas. Richtungsweisend in Deutschland war der Beschluss der Kultusministerkonferenz „Umwelt und Unterricht“ vom 17.10.1980, welcher der Schule in ihrem Bildungsauftrag Umwelterziehung als fächerübergreifendes Unterrichtsprinzip zuweist.
3. Selektion
3.1 Grundannahmen
Das dreigliedrige Schulsystem Deutschlands erfordert aufgrund seiner Entstehungs-geschichte eine frühe Selektion. Je nach Bundesland wird die Zuteilung zu einem bestimmten Schulzweig nach dem vierten, bzw. sechsten Schuljahr vorgenommen. Mit dem Schulabschluss wird zugleich eine spätere berufliche Karriere vorgezeichnet. Im Verständnis der Demokratie ist eine Selektion nach gesellschaftlichen Stand politisch nicht zu begründen. Deshalb wird die Selektion mit der individuellen Leistung begründet. Die demokratische Leistungsschule steht dabei im Konflikt zur verfassungsrechtlichen Chancengleichheit. Auf der philosophischen Ebene wird dies als Dialektik von Freiheit und Gleichheit verstanden.
Zwei verschiedene Modelle von Schule erheben den Anspruch das Recht des Individuums und die Bedürfnisse der Gesellschaft gleichermaßen zu entsprechen. Das dreigliedrige Schulsystem teilt die Schüler eines Jahrgangs frühzeitig (nach der vierten Klasse in Bayern) auf verschiedene Schulzweige auf. Dabei wird geltend gemacht, daß die Schüler unterschiedlich befähigt oder motiviert sind. Die verschiedenen Befähigungen der Schüler werden mit Hilfe der Biologie erklärt. Unterschiedliche angeborene Fähig-keiten, welche durch die Schule nicht kompensierbar sind, machen eine Einteilung nötig um jeden Schüler gemäß seinen Erbanlagen auf die gesellschaftlichen Pflichten und Aufgaben vorzubereiten.
Oder die Erklärungen sind der Sozialisationsforschung entlehnt und erklären unterschied-liche Fähigkeiten aufgrund der frühen Prägung in der Familie. Der Wunsch vieler Eltern ihre Kinder das Abitur anstreben zu lassen und das bildungspolitische Ziel die Hochschul-reife restriktiv zu vergeben, hat eine Reihe administrative Regelungen hervorgeracht, welche die Zulassung zum Gymnasium juristisch regeln. Damit wurde auf die juristischen Klagen der Eltern reagiert. Im Freistaat Bayern entscheidet eine Note zum Ende des vierten Schuljahres über den Zugang zum Gymnasium. In einigen Bundesländern gilt die Entscheidung der Lehrer nur als Empfehlung, und die Eltern entscheiden über den Schulweg ihrer Kinder. Das dreigliedrige Schulsystem kann durchlässig sein, also ein Wechsel von einer Schulform zur anderen wird ermöglicht, wenn eine höhere Befähigung festgestellt wird.
Die Gesamtschule ist als Konzept in den meisten Industrieländern realisiert. Sie baut auf der Annahme auf, dass Chancengleichheit und individuelle Förderung nach Befähigung in einer Schule ohne unterschiedliche Schulzweige möglich sind. Dabei können Gesamtschulen intern nach bildungspolitischer und pädagogischer Zielsetzung eine Vielzahl an Differenzierungen ermöglichen. Die Schüler können sowohl als heterogene Lerngruppen zusammengefasst werden, als auch in homogene Leistungsgruppen eingeteilt werden, um die individuellen Interessen und Befähigungen zu berücksichtigen.
Beide Schulformen sind in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland sehr umstritten. Die flächendeckende Einführung der Gesamtschulen scheiterte zweimal, jedoch nicht ohne bleibenden Einfluss auf das Gymnasium zu nehmen. Durchlässigkeit der Schulfor-men, Änderungen im Curricullem, Eröffnung anderer Wege zur Hochschulreife sind die offensichtlichsten. Die Bildungsziele des Gymnasiums wurden entscheidend von dieser Diskussion geprägt.
3.2 Ein geschichtlicher Überblick
3.2.1 Der Deutsche Ausschuss
Nach dem Scheitern des Versuchs der Allierten die Gesamtschule als Regelschule einzuführen, ist die Frage der Chancengerechtigkeit innerhalb des dreigliedrigen Schulsystems kontrovers diskutiert worden. Das dreigliedrige Schulsystem konnte erhalten werden, aufgrund der Zusicherung von Durchlässigkeit zwischen den Schulformen, welche bei entsprechender Leistung möglich sei. Diese theoretische Zusicherung von Durchlässigkeit wurde in den 50er Jahren in Frage gestellt. Die Soziali-sationsforschung belegte wiederholt die schichtenspezifische Sozialisation der Gesellschaft, und kritisierte aus materialistischer Sicht die Reproduktion gesell-schaftlicher Ungleichheit durch die Schule. Vor allem die strukturfunktionale Theorie Talcott Parsons’ gewann als „Interpretationsfolie“ an Bedeutung. Die Theorien zur schichtspezifischen Sozialisation blieben weitgehend unbeachtet.[28]
Erst durch die Anregungen des Deutsche Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen entwickelt sich die Frage der „gerechten Selektion“ zu einer ersten bedeutenden Auseinandersetzung. Aufgrund der Vorarbeiten von J. Habermass, und seiner Kritik an der rein formellen Gleichheit der Zugangschancen zum Gymnasium, stellt der Ausschuss fest, daß das „Ausleseverfahren die Kinder gebildeter Eltern bevorzugt“.[29] Darin erkennt der Auschuss ein Nachwirken der ständischen Gesellschaftsstruktur. Anstelle der Berechtigung durch Adelsstand meint der Ausschuss eine Berechtigung durch die Sozialschicht zu erkennen, welche das Bildungssystem begründet und weiterführt.[30]
Neben dem Versuch Selektion „gerechter“ zu betreiben, regt der Ausschuss die Expansion der „Höheren Schule“ an, um der Nachfrage der Wirtschaft nach Abiturienten gerecht zu werden. Zu diesem Zweck sollen die „Bildungsreserven“ erschlossen werden. Der Begriff der Bildungsreserven beschreibt vor allem „Spätentwickler“, welche aufgrund der frühen Selektion, nicht in den Genuss einer Höheren Bildung gelangen, sowie durch strukturelle Bedingungen nicht erfasste Kinder. Beispielweise gibt es kaum Gymnasien im ländlichen Raum.
Als Gegensatz zur soziologischen Analyse des Bildungssystems wird die Biologie als Begründung zur Selektion angeführt. In der „Stellungnahme des Deutschen Philologen-verbandes“[31] nennt J. Eick nur einen geringen Teil der Schüler zum Hochschulstudium geeignet. Nach Prof Huth zitiert er:
„Schwachsinnig und asozial sind: 3%
für Einarbeitungsberufe geeignet: 30%
zum Spezialarbeiter geeignet: 27%
zum Fachhochschulbesuch geeignet: 10%
zum Hochschulstudium geeignet: 5%“[32]
Zu den Vorschlägen die Landbevölkerung in der gymnasialen Bildung zu berücksichtigen zitiert der Deutsche Philologenverband K. Valentin Müller: „Die Untersuchung macht deutlich, daß die generationenlange Abwanderung der begabtesten Landbewohner zu einer erbbedingten geistigen Überlegenheit der Städter geführt hat.“[33]
Die Bemühungen des Ausschusses eine Expansion höherer Bildung zu erreichen wird teilweise als „moralische“ Bemühung interpretiert, welche real nicht verwirklichbar ist.[34] Der Versuch den Zeitpunkt der Selektion in ein höheres Alter zu verschieben wird uminterpretiert in den Versuch unterschiedliche Begabungen gewaltsam, zum Nachteil aller, zusammenzuhalten. Die begabteren Schüler würden aufgrund ihrer Überlegenheit überheblich, die weniger Begabten erzeugen Minderwertigkeitsgefühle. Eine frühe Selektion würde das Ziel haben jeden nach seiner Begabung so gut wie möglich zu fördern.[35]
Diese insgesammt als restaurative Phase beschriebene Kapitel der Bildungspolitik ermöglichte keine revolutionären Neuerungen. Die Förderstufe blieb allein ein theoretischer Entwurf. Schulversuche blieben Ausnahmen, da die Notwendigkeit zur Verbesserung nicht bestand. Zu den umgesetzten Entscheidungen des Ausschusses zählen die Gründung von Gymnasien nach Spezialisierungen (mathematisch- naturwis-senschaftlich, altsprachlich, neusprachlich, musisch), welche durch die unterschiedliche wissenschaftliche Ausrichtung den „bürgerlichen“ Kanon erweitern sollten. Der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen betrachtete seinen Auftrag 1965 mit einer Vielzahl an Vorschlägen und theoretischen Begründungen eines Umbaus als erfüllt.
3.2.2 Die große Reform
Picht veröffentlichte 1964 eine Artikelserie unter dem Titel „Die deutsche Bildungskata-strophe“. Darin veröffentlichte er eine internationale Vergleichsstudie, welche einen Zusammenhang zwischen Bildungsausgaben und Volkseinkommen suchte. Bildungsnot-stand erklärte Picht aus der wirtschaftlichen Perspektive. „Die Zahl der Abiturienten bezeichnet das geistige Potenzial eines Volkes, und von dem geistigen Potential sind in der modernen Welt die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft, die Höhe des Sozialprodukts und die politische Stellung abhängig.“[36] Diese Vorstellungen deckten sich mit Bedarf-schätzungen der OECD, und kennzeichnete Entwicklungen auch in anderen Europäischen Staaten.[37] Die schnelle Verdoppelung der Abiturientenzahlen sollte über den Aufbau eines zweiten Bildungsweges erreicht werden, damit eine Bildungsexpansion nicht am Widerstand der Gymnasien scheitere.[38]
Eine zweite Argumentation zur Bildungsexpansion bot der Ansatz Darendorfs. „Bildung ist Bürgerrecht“[39]. Bildungspolitik sollte sich aus der Verpflichtung des Grundgesetzes ableiten, und nicht aus der Struktur des Beschäftigungssystems. Das Bildungssystem sollte die formale Chancengleichheit zu einer Realen werden lassen. Die Förderung des Individuums wurde dem selektiven Charakter der Schule entgegengestellt. Selektion soweit nötig, sollte über die Leistung des Einzelnen erreicht werden. Das Bürgerrecht auf Bildung ist auch eine moralische Forderung, die sich teilweise bewusst gegen eine biologische Idee der Eignung richtet. Ungleichheiten in der Befähigung erklärten sich in der Folge durch „sozio- kulturelle“ Ungleichheiten, also mit der „bildungsfernen Herkunft“ und mit Unterschieden in der Befähigung im Gegensatz zu Ungleichheit in der Befähigung. Veränderungen des Kanons sollten verschiedenen Befähigungen den Weg zum Abitur ebnen.
Beide Positionen wurden in einer breiten gesellschaftlichen Diskussion aufgenommen. Die Studentenproteste radikalisierten die Diskussion um „Bildungsprivilegien“. Zahlreiche Veröffentlichungen untersuchen das Versagen des Schulsystems bei der Integration großer Teile der Bevölkerung (speziell Mädchen, Katholiken, die Arbeiterschaft und die Landbevölkerung).
1965/66 wurde der Deutsche Bildungsrat gegründet und erhielt den Auftrag Bedarfs- und Entwicklungspläne zu erarbeiten. Die föderative Struktur des Bildungswesens wurde erstmals eingeschränkt, indem 1970 das Grundgesetz der BRD geändert wurde, um dem Bund Einfluss auf schulische Planungsziele einzuräumen (Art. 91 b). Die Bund- Länder- Kommission wurde mit der Aufgabe die Pläne des Bildungsrates zum Bildungssystem in politisch umsetzbare Form zu bringen gegründet. Die Bildungskommission sprach sich 1969 deutlich für die Gesamtschule aus. Unter den Aspekten wissenschaftliche Schule für alle, stärkere Individualisierung, bessere Förderung, größere Chancengleichheit und soziales Lernen, als Begenungsstätte für Schüler aller gesellschaftlichen Schichten, schien die Gesamtschule der Verfassungsordnung stärker zu entspechen, als das traditionelle Gymnasium.[40] Steht das Gymnasium für eine „allgemeine Bildung“, so wird im Rahmen der Gesamtschule die strenge Trennung zwischen allgemeine Bildung und beruflicher Bildung aufgelockert. Die Gesamtschule als Leistungsschule richtete sich an Prämissen der „Leistungsgesellschaft“ ähnlich dem Beschäftigungssystem aus.
Trotz der scheinbaren Befürwortung der Gesamtschule scheitert die KMK beim Versuch dieses zu verwirklichen. Das dreigliedrige System sich als flexibel genug erwiesen den Bedarf an Fachkräften zu decken.[41] Und weiterhin stieg der finanzielle Aufwand für das Bildungswesen durch die Expansion. Somit bewegte sich die Diskussion um die Bildungsreform auf der moralischen Ebene der „Chancengleichheit“ gegen pragmatische Begründungen (Kosten der Bildung) und ideologische Befürchtungen („akademisches Proletariat“). Radikale Kritiker der Bildungsexpansion sehen gar politische Radikalisie-rungen als Folge und befürchten „gesellschaftszersetzende Aktionen“ durch arbeitslose Akademiker.[42]
In der Ausseinandersetzung der A und B- Länder (SPD bzw. CDU/CSU regierte Länder) setzte sich das dreigliedrige Schulsystem durch und beschäftigte im Streit um Expansion und Qualität die Bildungsexperten bis heute. Expansion und Qualität galten und gelten als Widerspruch. Ziel von Bildungspolitik kann es daher nur sein Qualität zu sichern, oder den Zugang zum Gymnasium zu öffnen. Kritiker des Schulsystems verlangten daher eine „innere Reform“ des Schulwesens, eine Reform der didaktischen Methoden, welche den „bildungsfernen Schülern“ zum Abitur verhelfen soll.[43] Das Fordern einer „anderen Pädagogik“ würde jedoch am Berechtigungswesen und an der Verteilung der Chancen wenig ändern.
Neben den Änderungen im Fächerkanon und im Aufbau der Oberstufe des Gymnasiums, blieb vor allem die Kritik am Bildungswesen insgesamt, und die Kritik an der Selektions-funktion der Schule bestehen. Die Hochschulen reagierten auf die Bildungsexpansion mit der Einführung des NC und führten damit eine Selektion nach dem Abitur ein.
3.2.3 Restauration oder neue Diskussionsgrundlagen
Das Abitur ist für Eltern und Schüler die attraktivste Schulform geworden, während die Hauptschule eine Restschule darstellt. Die höhere Bildungsnachfrage wurde in den Schulen der meisten Bundesländer mit weiterer Expansion beantwortet. Die Bildungspolitik versucht den Zugang zum Gymnasium erneut zu beschränken, vor allem durch die Kritik an der „Studierfähigkeit“. Die Diskussion um Studierfähigkeit und unzureichender Fachkenntnis der Schulabsolventen könnte auf die Verschiebung der Selektion auf einen Zeitpunkt nach der Schule zurückzuführen sein. Die Nachfrage der Eltern und die Forderungen der Universitäten Zugang zur höheren Bildung einzuschränken bringen eine Vielzahl bürokratischer Regelungen hervor, um die Verteilung auf Schulformen juristisch zu reglementieren.
Reformer betrachteten die Schulreform als gescheitert und strebten die „innere Reform“ an, oder befürworteten ein weiterbestehen des wissenschaftsorientierten Gymnasiums und eine praktisch ausgerichtete Gesamtschule.[44] Doch mit dem Beschluss der KMK 1988 werden neben dem Gymnasium weitere gymnasiale Sonderformen zur allgemeinen Hochschulreife führen, wie Wirtschaftsgymnasien, musische Gymnasien, u.ä. Das Gymnasium steht damit in Konkurrenz zu Berufsgymnasien.
Gleichzeitig setzten sich Vorstellung eines „Bildungsmarktes“ durch. Die Kritik am „Staatsdirigimus“ über die Schulen führt zur Idee einer Schulvielfalt, welche unter staatlicher Aufsicht zwar bleibt, aber eine gewisse Autonomie hinsichtlich ihrer Spezia-lisierung und Selektion besitzt.[45] In der Weiterentwicklung des Konzepts ist der Bildungsmarkt das Ziel dieser Reform. Die Frage der staatlich beaufsichtigten Selektion würde sich in Angebot- und Nachfrageorientierung auflösen. Es gehe darum eine Vielfalt gleichwertiger statt gleichartiger Schulen zu erreichen. Schulfreiheit, Bildungsfreiheit und Schulchancengleichheit werden dadurch in der Theorie erreicht.
Die Wiedervereinigung stellte keine Auseinandersetzung mit dem Bildungswesen der DDR dar. In der Bevölkerung, möglicherweise auch in Fachkreisen, galten die DDR- Schulen ohnehin als Propaganda- Anstalten. In der breiten Öffentlichkeit sind Fragen der Bildung bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse der PISA Studie nicht rezipiert worden. Die Kultusministerkonferenz 1995 schränkte die Wahlmöglichkeiten der Schüler ein. Die CDU/CSU geführten Länder strebten die Einführung eines fünften Abiturfaches an. Neben der schulischen Gliederung bildete sich eine Wertung des Abiturs nach Bundesländer aus. „Mit der Entscheidung der Kultusministerkonfernez für den Ländervergleich deutet sich ein Paradigmenwechsel in der politisch- administrativen Steuerung des Schulsystems an: Es geht nicht mehr allein um regulative Programme und die Allokation von Mitteln, sondern auch um die Offenlegung der Ergebnisse von Bildungsprozessen.“[46] Etwas Hoffnungsvoll äußern sich die Herausgeber der PISA Studie keine „Bildungsolympiade“ zu gestalten, welche Gewinner und Verlierer ernennt, sondern ein wirksames Instrument des wechselseitigen Lernens.
3.2.4 Reaktionen auf PISA
Die zweite deutsche Bildungskatastrofe wurde mit der Veröffentlichung der PISA Studie ausgerufen, eine Verstimmung die sich schnell wieder legte, als der innerdeutsche Vergleich vorgelegt wurde. Im Triumph der Sieger vergas die Bildungspolitik die Befunde, und legte einen PISA Wahlkampf vor, der unter dem Begriff der Entideologi-sierung geführt worden ist. So z.B. Edmund Stoiber (CSU), Kanzlerkandidat der CDU, der ein Ende der ideologischen Bildungspolitik und der Gleichmacherei forderte und für Fleiß und Leistungsbereitschaft eintritt. Wolfgang Klement sprach sich, stellvertretend für die SPD, für die Schulzeitverkürzung auf 12 Jahren und Sprachförderung für ausländische Kinder aus. Die Bundesvereinigung deutscher Arbeitgeberverbände ließ es sich nicht nehmen durch ihren Vorsitzenden Dieter Hundt ein Ende der „Kuschelpä-dagogik“ zu fordern und strenge Leistungsmassstäbe einzuführen. Der Präsident der DIHK Ludwig Georg Braun nahm für seinen Verband in Anspruch das Ende der ideologischen Schuldebatten zu fordern und einen breiten Konsens in der Gesellschaft herzustellen, wohl ohne die ideologischen Debatierer, die wohl konsensunfähig sind. Die FDP letztendlich will einen Bildungsmarkt realisiert sehen.[47]
Die schnell zu Bildungsexperten avancierten Politiker und Verbandsvertreter, bestimmten früh die Richtung der Diskussionen, und wollten weitere Forschungen nicht ermutigen. Die hohen Widerholerquoten und die Abhängigkeit von Leistung aus der sozialen Herkunft lassen sich nicht mit der Verteilung von Kuschelkissen und Schmusedecken erklären. Der Bildungsmarkt selbst wird nicht didaktische Mängel beheben. Der Ruf nach mehr Fleiß muss in soweit verhallen, als selbst im nationalen Vergleich gute Schulen nicht internationale Spitzenergebnisse erzielen. Bedauerlicherweise setzen die schnellen bildungspolitischen Formulierungen den möglichen Lösungsansätzen, welche aufgrund der Nachfoschung von Ursachen Zeit benötigen, ideologische Grenzen.
Die Dreigliedrigkeit wird national bestätigt, so eine Annahme der ersten Stunde. Die sozialen Disparitäten müssen anders behoben werden. Die Förderung von Chacen-gleichheit wird verstärkt in den vorschulischen Bereich und den Grundschulen verlegt. Soweit man nicht von einer genetisch bedingten Ungleichheit der Befähigungen ausgeht, eine These die sich jenseits der Bildungspolitik wachsender Beliebtheit erfreut, wird diesen Einrichtungen eine Kompensationsfunktion für Fehlentwicklungen innerhalb der Familien zugesprochen. Der pädagogische Sinn von Zurückstellungen vom Einschulungsalter wird in Frage gestellt. Dabei spricht man diesen Institutionen auch sozialpädagogische Aufgaben zu. Keineswegs wird mehr die Dreigliedrigkeit des Schulsystems in Frage gestellt, sondern der Erfolg der Erziehung in der Grundschule und die Folgen für den schulischen Werdegang. Auch die Verlängerung der Betreuungszeit soll die Förderung der Kinder, stets mit Blick auf den Schulwerdegang, verbessern, um so vor allem dem schädlichen Einfluss der Familie entgegenzuwirken.
3.3. Zur Chancengleichheit und Selektion
Die Frage der Gleichheit, welche dem demokratischen Verfassungstaat zugrundegelegt wird, ist stets verbunden mit dem Anspruch auf Gerechtigkeit selbst. Wenn das Schulsystem Lebenschancen verteilt, Qualifikationen vermittelt und Berechtigungen vergibt, welche gesellschaftlichen Aufstieg, Verdienststeigerung, Status, etc ermöglichen, so gilt der Grundsatz des Rechtsstaates, dass aufgrund der Herkunft, der Zugehörigkeit zu Religion, der sozialer Klasse oder des Geschlechts keine Selektion stattfinden darf.
Gleichheit und Ungleichheit kann es nur anhand der Vergleichskriterien geben. Erst durch die Notwendigkeit von Verteilung wird Selektion als Mittel zu ihrer Verwirklichung gewählt. Zunächst findet eine Verteilung der Körper im Raum statt, in Form der Klassen, eine Verteilung nach Alter, nach Funktion und nach Leistung. Bereits in der einfachtsen Form der Verteilung tritt die Ungleichheit hervor. Gleich oder Ungleich wird man am konkreten Sachverhalt, am Vergleich betreffend der physischen oder psychischen Merkmale. Das für den Vergleich notwendige Kriterium ist Resultat der gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse. Die gesellschaftlichen Entscheidungs-prozesse sind selbst nicht ausschließlich demokratisch. Soziale Bedingungen und Einflussmöglichkeiten Einzelner oder bestimmter Gruppen spielen dabei ebenso eine Rolle, wie wissenschaftlicher Stand, moralische Vorstellungen, Ideale. Die Komplexität gesellschaftlicher Entscheidungsprozesse läßt sich hier kaum darstellen, obliegt diesen nicht zuletzt auch unlogische, irationale Elemente. Marxistische, kommunitaristische, kommunikative und zahlreiche andere Ansätze stellen sich diesen Fragen besseren Antworten gegenüber. Wie im geschichtlichen Verlauf dargestellt, ist Selektion aufgrund der Herkunft bereits nach 1945 nicht mehr akzeptiert. Leistung wird zum Kriterium der Selektion. Im Folgenden sollen einige idealtypische Vorstellungen herausgearbeitet werden, wie Selektion im Laufe der neueren Geschichte des Gymnasiums begründet wurde, um trotzdem den Forderungen nach Gerechtigkeit zu genügen.
3.3.1 Gleichwertigkeit und Gleichartigkeit
Eine erste Position betont, dass unterschiedliche Bildungswege die Ungleichartigkeit, nicht die Ungleichwertigkeit der Schüler festlegt. Nicht die Verschiedenwertigkeit der Hauptschule, Realschule und Gymnasiums bestimmt den Abschluss, sondern ihre verschiedenen idealisierten Ziele. Das Ziel des Gymnasiums ist die Hochschulreife und die herausgehobene berufliche Ausbildung, also eine von der Theorie geprägten Bildung. Die Hauptschule hat die praktische Betätigung zum Ziel, und dem entsprechend überwiegt eine praxisnahe Bildung. Diese theoretischen Annahmen lassen sich in der gesellschaftlichen Praxis nicht durchsetzen. Das Gymnasium ist, so der erste Einwand gegen diese Begründung, die Schule der Bildungsaristokratie, der akademischen Elite. Die Hauptschule dagegen bereitet auf eingeschränkte Lebenschancen vor. Dennoch wird auch heute noch oft die Begründung vorgebracht, dass die Überbewertung des Gymnasiums die praktische Tätigkeiten abwerten. Bayern betont z.B. die Verschieden-artigkeit der Bildungswege, indem die Vergleichbarkeit von Studium und Meisterprüfung angenommen wird. Der Hauptschulabschluss (oder der frühere Volksschulabschluss) wird damit als dem gymnasialen Stand der 9 Klasse gleichwertig erklärt. Er unterscheidet sich in der Spezialisierung. Damit müsste es aber für den Hauptschüler möglich sein zusätzliche Qualifikationen zu erwerben um z.B. studienberechtigt zu sein.
In allen Bundesländern fand tatsächlich eine teilweise Entkoppelung von Gymnasium und Abitur statt, indem die Erreichung des Abiturs als Studienberechtigung über Alternativen zum Gymnasium möglich wird, z.B. Abendschulen, Erwerb von Zusatzqualifikationen welche die allgemeine Hochschulreife sichern, Fachoberschulen, etc. Im Jahr 2000 erreichten in Deutschland 10,8% der Alterkohorte die allgemeine Hochschulreife durch berufliche Schulen. In Bayern erwarben im Jahr 2000 27235 (20,5%); davon 1132 an beruflichen Schulen; und 2001 26354 Schüler die allgemeine Hochschulreife, was 19,28% des Altersjahrgangs entspricht. Von den 19,28% Abiturienten erreichten die Hochschulreife aus[48]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wie deutlich zu erkennen ist, bleibt in Bayern das Gymnasium der Regelweg. Bayern legt besonderen Wert auf gleiche Anforderungen innerhalb der unterschiedlichen Bildungswege. Das Zentralabitur wird auch auf die Institute des zweiten Bildungsweges ausgedehnt.
In Nordrhein- Westfalen ist die allgemeine Hochschulreife über zahlreiche Wege erreichbar. Neben dem Gymnasium führen auch die Gesamtschule, das Berufskolleg, Freie Walldorfschulen und Abendgymnasium zur allgemeinen Hochschulreife. Im Jahr 2000 wurden 53585 Absolventen mit Hochschulreife von allgemeinbildenden Schulen gezählt (13% von Gesamtschulen) und 3210 von beruflichen Schulen, was insgesamt 29,5% Anteil der gleichaltrigen Bevölkerung ist.[49] NRW hat anders als Bayern kein Zentralabitur. Studien zeigen, dass die Leistungsentwicklung an Gymnasien und Gesamtschulen unterschiedlich sind. Ohnehin wird das Gymnasiums als Höherwertigkeit wahrgenommen. Die Gesamtschule erfüllt eine Öffnungsfunktion für bildungsferne Schichten. Möglicherweise ist diese Fehlentwicklung ein Resultat der gescheiterten Gesamtschulreform in NRW.[50] Die Elterninitiative, welche die flächendeckende Einführung der Gesamtschule und die Abschaffung des dreigliedrigen Systems verhinderte, zeigt den Stellenwert des Gymnasiums in der Wahrnehmung der Bevölkerung. Der Erfolg der Elterninitiative zeigt, dass die Hochschulreife bevorzugt angestrebt wird. Mit der Präferenz zuz Hochschulreife wird die Gleichwertigkeit der Abschlüsse in Frage gestellt.
[...]
[1] Tillmann, Klaus- Jürgen- Sozialisationstheorien, S.109
[2] Die hier kurze Umschreibung der Struktur der Bildungswesens ist größtenteils „Christoph Führ- Deutsches Bildungswesen seit 1945, S. 29- 63“ entnommen.
[3] eine ausführlichere Beschreibung der verschiedenen Sozialisationstheorien bietet Klaus- Jürgen Tillmann- Sozialisationstheorien, S. 104- 186
[4] z.B. die Anti-Pädagogik
[5] Severin Heß- Zum Bildungs- und Erziehungsauftrag des Gymnasiums; S.7ff
[6] Ebda- S. 10
[7] zittirt nach: Lehrplan für das bayrische Gymnasium - Anhang 1
[8] vgl. Täschner, Stefan- Schule in Bayern im Spannungsverhältniss von Staat, Eltern und Kirche; S. 188ff
[9] zittiert nach Täschner, Stefan- Schule in Bayern im Spannungsverhältniss von Staat, Eltern und Kirche; S. 188ff
[10] Ebda- S.189
[11] vgl. Täschner, Stefan- Schule in Bayern im Spannungsverhältniss von Staat, Eltern und Kirche; S. 192ff
[12] Ebda- S. 190
[13] Lehrplan für das bayrische Gymnasium von 1990, S.13
[14] vgl. Täschner, Stefan- Schule in Bayern im Spannungsverhältniss von Staat, Eltern und Kirche; S. 194ff
[15] ziteirt nach : Frauenrath, Klaus- Die Erziehungziele in den Schulartikeln der Landesverfassung von Nordrhein Westfalen; S.172
[16] vgl. Ebda, S169f
[17] vgl. Krause, Reinhard- Umweltschutz und Erziehungsziele in der Landesverfassung Nordrhein- Westfalen, S.40
[18] Ebda- S.42
[19] vgl. Frauenrath, Klaus- Die Erziehungziele in den Schulartikeln der Landesverfassung von Nordrhein Westfalen; S.178
[20] vgl. Kraul, Margret- Das deutsche Gymnasium 1780- 1980, S.187f
[21] zitiert nach: Dokumente zur demokratischen Schulreform in Deutschland 1945- 1948, a.a.O., S.20 f.
[22] vgl. Frauenrath, Klaus- Die Erziehungziele in den Schulartikeln der Landesverfassung von Nordrhein Westfalen; S.46 f
[23] abg. Krekeler, StBVA., S.416; zitiert nach Krause, Reinhard- Umweltschutz und Erziehungsziele in der Landesverfassung NRW, S.26
[24] vgl. U. Evers- Die Befugnisse des Staates, S.88 ff. zitiert nach Frauenrath, Klaus- Die Erziehungziele in den Schulartikeln der Landesverfassung von Nordrhein Westfalen; S.189 ff.
[25] vgl. Krause, Reinhard- Umweltschutz und Erziehungsziele in der Landesverfassung Nordrhein- Westfalen; S. 65
[26] BT- Drs. VI/2710, S.6
[27] UNESCO- Konferenz über die Biosphäre 1968 in Paris; Umweltkonferenz der UN in Stockholm 1972; Internationales Symposium für Umwelterziehung in Tokyo 1974; International Environmental Workshop in Belgrad 1975; UNESCO- Konferenz über Umwelterziehung in Tiflis 1977
[28] vgl. Tillmann, Klaus- Jürgen- Sozialisationstheorien; S. 36f
[29] Deutscher Ausschuss, S.147
[30] vgl. Ebda, S.146ff
[31] Deutscher Philologenverband
[32] Ebda, S. 16
[33] Ebda, S. 17
[34] vgl. Bundesinnenminister Dr. Schröder- Sitzungsbericht des deutschen Bundestages vom 12. Juni, 1959, S. 4079; zitiert nach: Sonderheft der Zeitschrift „Die Höhere Schule“ 1960; „Der Rahmenplan“- Stellungnahmen des Deutschen Philologenverbandes; S. 17
[35] Ebda. S.19ff
[36] Picht, Georg- Die deutsche Bildungskatastrophe; S. 26
[37] vgl. Brezinka, Wolfgang- Erziehung in einer Wertunsicheren Gesellschaft; S. 143
[38] Ebda. S. 70
[39] Dahrendorf, Ralf- Bildung ist Bürgerrecht; S. 151
[40] vgl. Deutscher Bildungsrat; S. 21ff
[41] vgl. Brandtke, Dieter- Die Regionaliserung der Schulreform, S. 84
[42] vgl. Brezinka, Wolfgang- Erziehung in einer Wertunsicheren Gesellschaft; S. 148
[43] Brandtke, Dieter- Die Regionaliserung der Schulreform; S. 30ff
[44] z.B. Hurrelmann, Klaus- Thesen zur strukturellen Entwicklung des Bildungssystems in den nächsten fünf bis zehn Jahren, S.451ff
[45] z.B. bei Berg, Hans Christoph- Schulvielfalt, Hagen: Fernuniversität. 1989
[46] Baumert, J. und Artelt, Cordula- Konzeption und technische Grundlagen der Studie; S.19
[47] alle Positionen gemäß: Konrad Adenauer Stiftung e.V. (Hrsg.)- Zukunftsforum Bildung; S. 13-14
[48] Schriften des Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus- Schule und Bildung in Bayern 2002, S. 47
[49] Zahlen nach KMK- Schule in Deutschland Nr. 161- Juli 2002; S. 141
[50] Köller, Olaf- Erweiterung statt Alternative; S.481
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