In die Hausgemeinschaft „XY Haus“ kam ich zu Beginn des dritten Seminarjahres. Somit hatte ich mit einigen Bewohnern in den ersten zwei Jahren meiner Ausbildung wenige Berührungspunkte. Manche Bewohner kannte ich vom gemeinsamen Mittagsessen, so auch Frau M. Im letzten Jahr kam sie einmal die Woche in die Hausgemeinschaft zum Essen wo ich die letzen zwei Jahre arbeitete.
Als es um die Themenauswahl der Projektarbeit ging, stellte ich mir die Frage, welcher der Klienten in der Wohngruppe in alltäglichen Situationen Unterstützung bräuchten. So bekam ich mehrere Ideen, mit welchem Bewohner ich welche Tätigkeit erüben könnte bzw. unterstützend wirken könnte, um sie/ihn zu fördern oder Ressourcen zu erhalten. In den Gesprächen mit den Hausverantwortlichen kristallisierte sich sehr schnell heraus, mit welchem Bewohner ich mein Projekt machen möchte und in welche Richtung es führen könnte.
Durch das Wissen, was für eine enorme Entwicklung Frau M. in den letzten zehn Jahren auf dem XY durchlebt hat (worauf ich in ihrer Biographie später noch eingehen werde) und durch das Erleben, dass Frau M. sehr lernwillig ist, dies aber nicht sofort umsetzen kann, hat mich dazu bewegt, das Projekt mit ihr zu erarbeiten.
Seit ihren Besuchen in der Hausgemeinschaft, in der ich zuvor arbeitete, besteht zwischen Frau M. und mir eine gute Beziehung.
Deshalb erhoffe ich, dass Frau M. von einer besonderen Begleitung, hinsichtlich der Kommunikation und der Sprache innerhalb der Gruppe profitieren könnte. Zurzeit wird ihre Anwesenheit von den Bewohnern oft als „störend“ empfunden und sie wird oft zurückgewiesen. Die besondere Begleitung von Frau M. könnte auch zur Verbesserung der Gruppendynamik und zur verbesserten Anerkennung ihrer Person innerhalb der Gruppe führen.
Inhalt
1. Vorwort
2. Vorstellung der Camphill Dorfgemeinschaft XY
3. Biographie
3.1 Diagnose/Phänomene
4. Kommunikation und der Sprachsinn mit dem Hörsinn
4.1 Kommunikation
4.2 Sprachsinn mit dem Hörsinn
5. Anthroposophischer menschenkundlichen Verständnisansatz
5.1 Viergliederung des Menschen
5.2 Viergliederung im Bezug auf Frau M
6. Beschreibung der Projektarbeit
6.1 Handlungskonzept
6.2 Umgang mit besonderen Situationen
7. Rückblick auf das Proj ekt/Selbstreflexion
8. Anhang
8.1 Gliederung
8.2 Durchführungsprotokoll Projektarbeit Schuljahr 2018/ 2019
9. Literaturnachweis/Quellenangaben
1. Vorwort
In die Hausgemeinschaft „XY Haus“ kam ich zu Beginn des dritten Seminarjahres. Somit hatte ich mit einigen Bewohnern in den ersten zwei Jahren meiner Ausbildung wenige Berührungspunkte. Manche Bewohner kannte ich vom gemeinsamen Mittagsessen, so auch Frau M. Im letzten Jahr kam sie einmal die Woche in die Hausgemeinschaft zum Essen wo ich die letzen zwei Jahre arbeitete.
Als es um die Themenauswahl der Projektarbeit ging, stellte ich mir die Frage, welcher der Klienten in der Wohngruppe in alltäglichen Situationen Unterstützung bräuchten. So bekam ich mehrere Ideen, mit welchem Bewohner ich welche Tätigkeit erüben könnte bzw. unterstützend wirken könnte, um sie/ihn zu fördern oder Ressourcen zu erhalten. In den Gesprächen mit den Hausverantwortlichen kristallisierte sich sehr schnell heraus, mit welchem Bewohner ich mein Projekt machen möchte und in welche Richtung es führen könnte.
Durch das Wissen, was für eine enorme Entwicklung Frau M. in den letzten zehn Jahren auf dem XY durchlebt hat (worauf ich in ihrer Biographie später noch eingehen werde) und durch das Erleben, dass Frau M. sehr lernwillig ist, dies aber nicht sofort umsetzen kann, hat mich dazu bewegt, das Projekt mit ihr zu erarbeiten.
Seit ihren Besuchen in der Hausgemeinschaft, in der ich zuvor arbeitete, besteht zwischen Frau M. und mir eine gute Beziehung.
Deshalb erhoffe ich, dass Frau M. von einer besonderen Begleitung, hinsichtlich der Kommunikation und der Sprache innerhalb der Gruppe profitieren könnte. Zurzeit wird ihre Anwesenheit von den Bewohnern oft als „störend“ empfunden und sie wird oft zurückgewiesen. Die besondere Begleitung von Frau M. könnte auch zur Verbesserung der Gruppendynamik und zur verbesserten Anerkennung ihrer Person innerhalb der Gruppe führen.
2. Vorstellung der Camphill Dorfgemeinschaft XY
Der XY ist eine Dorfgemeinschaft 25km nördlich des Bodensees für Menschen mit Assistenzbedarf und besonderen Fähigkeiten . In 750m Höhe liegt der XY eingebettet in einem Waldgebiet in den Höhen des XY. Er gehört der weltweiten Camphill - Bewegung an. Die ersten Mitarbeiter haben ihn im Jahre 1964 mit der Begleitung von Dr. XY begründet. Die Dorfgemeinschaft XY ist die erste Camphill Gemeinschaft für erwachsene Menschen in Deutschland.
Heute leben und arbeiten über 300 Menschen mit den verschiedensten Begabungen und Behin-derungen auf dem XY. Es gibt ca. 140 vollstationäre Plätze für Menschen mit Assistensbe-darf. Hinzu kommen viele externe Mitarbeiter und ca. 20 Menschen mit Assistensbedarf als Ex-terne in die Werkstätten (WfbM). Jede Hausgemeinschaft bildet eine Gemeinschaft, in der Men-schen mit Unterstützungsbedarf und Mitarbeiter mit ihren Familien zusammen leben.
In der Wohngruppe in der ich arbeite leben zehn Klienten, eine Familie mit vier Kindern und ich als Seminarist. Dazu arbeiten bei uns im Haus immer wieder Jahrespraktikanten und zwei Mitarbeiter von außerhalb.
Jeder Mensch ist ein Individuum und jeder Mensch hat das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, egal welche Hautfarbe er hat, egal welche Nationalität er angehört, egal welche Bedürf-nisse und welche Fähigkeiten er hat und egal wie hilfebedürftig er ist. Jeder Mensch ist einzigar-tig und ein besonderes Geschöpf der Natur.
Wenn man über das Gelände des Lehenhofes geht, sieht man in viele zufriedene Gesichter. Die Menschen mit Assistenzbedarf fühlen sich beheimatet an diesem schönen Ort. Hier werden sie respektiert und akzeptiert mit allen ihren Stärken und Schwächen. Die Menschen werden hier gefördert nach ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen. Dies ist gewiss an vielen Orten dieser Welt nicht so. Mir erscheint es wichtig dass es den XY gibt.
Der Kerngedanke von der Camphill-Bewegung, dass Menschen gemeinsam den Alltag gestalten, lebt noch sehr deutlich auf dem XY. Auch wenn man immer wieder mit der Frage konfrontiert wird, wie man „Camphill“ heute in der modernen Zeit noch leben kann. Man könnte fragen, ob dies einfach altmodisch oder besonders modern ist?
3. Biographie
Frau M. hat am 08.05.1964 in XY das Licht der Welt erblickt, mit nur 1000g Gewicht. Sie kam schon im 6. Monat der Schwangerschaft zur Welt, also deutlich zu früh. Dadurch dass ihre Geburt eine Frühgeburt war und sie in den ersten Wochen im Brutkasten liegen musste, fehlte ihr eine erste enge Bindung zu ihrer Mutter in der ersten Zeit, die in den ersten Monaten eines Kindes sehr wichtig ist. Diese Umstände haben sicher auch zu einer Entwicklungsverzögerung beigetragen.
Frau M. wurde als erstes Kind in die Familie geboren, in der ihre Mutter sehr religiös war und ihr Vater den Beruf eines Malers erlernt hatte und auch ausübte. Frau M. bekam ein paar Jahre später noch einen jüngeren Bruder. In der Kindheit und auch später bis Frau M. auf den XY kam, war die wichtigste Bezugsperson ihre Mutter. Sie war immer sehr besorgt um Frau M. Aus ihrer Kindheit ist leider nicht sehr viel bekannt.
Heute wird davon ausgegangen, dass Frau M. in ihrer Kindheit und Jugend traumatische Erlebnisse gehabt hat. Lediglich aus ihrer frühen Jugend wissen wir, dass Frau M. in einen Kindergarten in XY ging und eine Sonderschule besuchte. Sie soll ein fröhliches Kind gewesen sein. In der Schulzeit ist sie immer vom elterlichen Haus alleine mit dem Bus zur Schule gefahren. Es ist davon auszugehen, dass die Entwicklung ihrer Sprache in der Kindheit sehr verzögert gewesen ist. Die anderen entscheidenden Entwicklungsschritte in der Kindheit und der Jugend sind nicht bekannt.
Die Schule hat Frau M. erfolgreich nach der 10. Klasse abgeschlossen. Nach ihrer Schulzeit bestand der Wunsch, sie in den Werkstätten der XY arbeiten zulassen. Wohl in dieser Situation erlitt Frau M. mit 20 Jahren ihre erste Psychose. Bis sie auf den XY kam, wurden ihre Psychosen nicht behandelt, stattdessen wurden die Symptome der Psychose mit dem Medikament Tavor unterdrückt. Frau M. wies in dieser Lebensphase ein aggressives Verhalten auf. So lernte man sie vor zehn Jahren auf dem XY kennen. Sie machte damals ein Probewohnen im Haus am XY am XY. Zu diesem Zeitpunkt war Frau M. 45 Jahre alt. Das erste, was bei Frau M. auffiel war, dass sie kein Wort sprach und dass ihr im oberen Kiefer die Schneidezähne fehlten. Dazu hatte sie, wie erwähnt, ein aggressives Verhalten und war kom-plett orientierungslos. Bei der täglichen Hygiene und dem Einnehmen von Mahlzeiten brauchte Frau M. intensive Unterstützung und Betreuung. Aus verschiedenen Gründen, war eine Aufnah-me ins Haus am XY nicht möglich.
Am Ende der Zeit des Probewohnens, als es sich bereits herauskristallisiert hatte, dass eine Aufnahme ins Haus am XY nicht möglich war, begegnete eine Mitarbeiterin des XYhauses zufällig Frau M. Sie wollte ihr trotz den beschriebenen Einschränkungen die Chance geben auf dem XY zu leben und zu arbeiten. So zog Frau M. in das Oberlinhaus ein, zunächst auch auf Probe.
In der ersten Zeit auf dem XY bedurfte Frau M. einer intensiven Betreuung. Sie hatte auf dem Gelände keine Orientierung und musste zum Bus (der zur Talwerkstatt fuhr) und wieder zurück und zu jeder Veranstaltungen auf dem XY begleitet werden. In der Anfangszeit hatte sie viel Sprachgestaltung, um sie so zum Sprechen anzuregen. Dieses Bemühen schien ganz umsonst zu sein. Jedoch auch wenn Frau M. sonst nicht sprach, äußerte sie doch immer wieder grobe Schimpfwörter.
Zudem war Frau M. inkontinent und brauchte intensive Unterstützung in ihrer Körperpflege. In dieser Zeit zog sich Frau M. oft in ihr Zimmer zurück. Dort malte sie viel und leidenschaftlich gern.
Frau M. kam sehr bald stationär in die Klinik XY, um ihre Psychose zu behandeln. Beglei-tend war sie beim Psychiater/Neurologen auf dem XY in Behandlung, bei dem sie bis heu-te noch ist. Er gab zu bedanken, dass erst einmal darauf geschaut werden sollte, ob irgendwelche organischen Beschwerden vorliegen. Das könne auch ein ausschlaggebender Grund für ihr aggressives Verhalten sein, um sich in Situationen verständlich zu machen, weil sie keine andere Möglichkeit sah. Nach vielen Untersuchungen bei unterschiedlichen Ärzten gab es tatsächlich eine organische Diagnose. Die Gebärmutter von Frau M. war zu groß und dadurch muss sie sehr starke Schmerzen gehabt haben. Die Gebärmutter wurde durch eine Operation entfernt. Ihre Zähne wurden ebenfalls behandelt. Das erste Jahr auf dem XY, war für Frau M. und ihre Mitmenschen also von vielen Schwierigkeiten geprägt.
Nachdem der Psychiater/Neurologe Frau M. sehr gut mit dem Medikament Risperidon eingestellt hatte, was sie bis heute noch nimmt, ging es für sie Schritt für Schritt aufwärts mit einer positiven Entwicklung In den ersten Jahren auf dem XY, als die Eltern von Frau M. noch lebten, besuchte sie ab und an ihre Eltern in XY. Die Eltern schienen mit der Situation ihrer Tochter oftmals überfordert zu sein. Sie kam oft nach dem Besuch in ihrem elterlichen Haus verwahrlost wieder zurück. Wie ich weiter oben schon erwähnt hatte, weiß man nicht viel, welche traumatischen Erlebnisse Frau M. hatte. Auch hier blieb sicher das eine oder andere im Verborgenen. Die Mutter von Frau M. starb, als sie ein Jahr am XY gewesen war, der Vater starb dann ein Jahr später. Nach einem Gutachten, woraus hervorging, dass Frau M. nicht alleine für sich sorgen konnte, über-nahm ihr Bruder die gesetzliche Betreuung. Zu ihrem Bruder hat sie bis heute ein gutes Verhält-nis, auch wenn dieser sie nicht oft besucht.
Wenn Frau M. in der Psychose war hatte sie oftmals dem Zwang sich auszukleiden, sowie ordinär zu schimpfen. Dies konnte sie, obwohl sie ansonsten nicht sprach. Auf die Zwänge gehe ich in dem Abschnitt „Diagnose/Phänomene“ näher ein.
Ein großer Entwicklungsschritt zeichnete sich ab, als sie vor wenigen Jahren anfing zu sprechen. In der Zeit war ein Waldorfschülerpraktikant im Oberlinhaus für drei Wochen tätig. Er munterte Frau M. immer wieder auf, ein paar Wörter zu sprechen. Er sprach einzelne Wörter, die sie zu Erstaunen aller nach sprach. Sie gewann in kleinen Schritten einen gewissen Wortschatz. Wie viele Dinge in ihrem Leben, war auch der ein langer Prozess, der mit viel Übung einher ging. Heute redet sie deutlich zu viel. Es erscheint so, als ob sie heute das Reden aus den Jahren in den sie nicht sprach nachholen müsste.
Frau M. arbeitet in den Talwerkstätten in der Papierwerkstatt. Dort macht sie „Hexentreppen“ (als edles Füllmaterial für Pakete). Die Arbeit macht ihr eine große Freude, auch wenn sie verbal von den anderen Klienten zurückgewiesen wird.
Heute ist sie recht selbständig in der Hausgemeinschaft. Im Haus ist Frau M. eine tatkräftige Unterstützung, aber erst, seit dem sie im Sommer 2017 alle gemeinsam XY Haus gezogen sind. In der körperlichen Hygiene braucht sie heute deutlich weniger Unterstützung und kann hier ihre Selbständigkeit weiter entwickeln.
3.1 Diagnose/Phänomene
Durch die zu frühe Geburt hat Frau M. Hirnschädigungen. Bei ihr zeigen sich autistische Züge. Welche Form von Autismus, ist leider nicht bekannt. Frau M. hört nicht gut oder kann oft nicht zuhören. Genaueres lässt sich aber nicht erkennen. Sie wurde fachärztlich untersucht, es fehlte aber an der Kooperationsbereitschaft ihrerseits für eine genaue Diagnose. Auch beim Augenarzt war sie öfters, eine genaue Sehstärke ist bei ihr nicht festzustellen wohl aber, dass sie schlecht sieht, bzw. ihre Augenstellung ist auffallend verschoben. Es fehlt auch hier an ihrer Möglichkeit dazu genauere Antworten zu geben, die zu einer exakten Diagnose führen.
Frau M. hat ein gepflegtes Erscheinungsbild. Sie ist 1,65 m groß und wiegt 70 kg. Sie trägt dunkelbraunes schulterlanges Haar. Dazu schwenkt sie mit dem Oberkörper zwanghaft vor und zurück wenn sie sitzt.
In die Haugemeinschaft ist Frau M. recht gut integriert. Dazu trägt ihre kräftige Mithilfe in der Wohngruppe bei. Dennoch sind die Mitbewohner oftmals von ihrem lauten und vielen Sprechen bzw. dem Wiederholen des gesprochenen Wortes gereizt. Der ein oder andere Mitbewohner kann dies auch äußern. Im Werkstattbereich ergibt sich ein ganz anderes Bild von Frau M. Dort wird sie oft wegen ihres Sozialverhaltens, der vielen und überflüssigen Kommunikation von den anderen Klienten verbal zurück gewiesen. Das fängt oftmals schon an der Bushaltestelle an, wenn alle auf den Bus zur Werkstatt warten. Dieser Eindruck ergab sich auch aus einem Gespräch zwischen Werkstatt, Wohnbereich und ihrem Psychiater. Das Konfliktverhalten von Frau M. äußert sich so, dass, wenn sie einen Konflikt mit einem Mitbewohner hat, sie sehr laut werden kann, dabei kann sie meistens nicht klar äußern, was eigentlich das Problem ist.
In vielen Dingen, die Frau M tut, ist sie zwanghaft. Sie hat unter anderem den Zwang (wie schon beschrieben) immer wieder ganz viel zu reden bzw. die gesprochenen Worte von ihren Mitmenschen zu wiederholen. Ein anderes Beispiel ist, das Frau M, sobald sie etwas in der Küche liegen sieht, es wegräumen muss.
Das Auffassungsvermögen scheint bei Frau M. ein wenig eingeschränkt zu sein, so meine Beobachtungen. Wenn man ihr mehrere Dinge sagt, die sie hintereinander erledigen soll, vergisst sie oftmals das Ende.
Frau M. verfügt über kein wirkliches Zeitgefühl. Auch an den Wochenenden denkt sie oft, dass sie in die Werkstatt zum Arbeiten gehen muss. Wenn man heute Frau M. betrachtet, hat sie in den zehn Jahren auf dem XY eine beachtenswerte positive Entwicklung gemacht. Sie scheint sehr gut am XY angekommen zu sein, es ist für sie ein Zuhause geworden.
4. Kommunikation und der Sprachsinn mit dem Hörsinn
Zuerst widme ich mich dem Thema Kommunikation auf wissenschaftlicher Grundlage. Im Anschluss werde ich das Thema geisteswissenschaftlich, also den Sprachsinn in Verbindung mit dem Hörsinn zu beschreiben versuchen. Da die beiden Themen sehr groß und vielfältig sind, werde ich auf den folgenden Seiten die aus meiner Sicht wichtigsten Aspekte zusammen fassen.
4.1 Kommunikation
Die inhaltlichen Angaben zur Kommunikation beruhen auf dem Buch von Barbara Senkel „Mit geistig Behinderten leben und arbeiten“. Siehe auch Quellenangaben. Zuerst habe ich mich mit der Frage beschäftig, warum Kommunikation, Kommunikation heißt. In dem Buch von Frau Senkel bin ich darauf gestoßen, das Kommunikation, wie so viele Wörter in der deutschen Sprache, ein lateinisches Wort ist. Wenn wir das Wort Kommunikation in die deutsche Sprache übersetzten würde, würde es Mitteilungen heißen oder auch übertragen von Mitteilungen zu anderen Personen. Der Psychologe Fröhlich hat die Kommunikation so zusammen gefasst: „Kommunikation ist die allgemeine und umfassende Bezeichnung von Prozessen, die einen Sender, Empfänger, einen Kommunikationsmodus oder -kanal (z.B. Sprache) eine (inhaltliche bestimmbare) Botschaft oder Nachricht und eine auf Empfang erfolgende Verhaltensänderung oder allgemein einen Effekt, gleich welcher Art, als analytische Einheit aufwei- sen“ (Senkel 1994, S. 363)
Es gibt verschiedene Arten von Kommunikationsprozessen. Das eine ist das Interaktionsgeschehen. Hierbei ist es wichtig, dass wir einen Sender haben, der die Nachricht übermittelt und dazu eine Sprache, Lautstärke bzw. Gestik oder Mimik benutzt, die verständlich ist, damit dem Empfänger die Nachricht richtig übermittelt wird. Der Sender kann sehr schnell an der Reaktion vom Empfänger feststellen, ob die Nachricht von ihm richtig übermittelt wurde. Dann gibt es unter Anderem noch einen anderen Kommunikationsprozess, die Einwegkommunikation. Hierbei geht es darum, dass z.B. ein Schauspieler in einem Film eine Szene spielt, aber nicht die Reaktionen von den Zuschauern wahrnehmen kann.
Paul Watzlawick, ein Psychologe, der sich sehr viel mit den unterschiedlichen Kommunikationsabläufen befasst hat, hat mit anderen Kollegen die fünf verschiedene Axiome der Kommunikation entwickelt. Die fünf Axiome der Kommunikation lauten:
1. Die Unvermeidbarkeit der Kommunikation
2. Sach- und Beziehungsebene
3. Digitale und analoge Kommunikation
4. Die Notwendigkeit der Interaktion
5. Symmetrische und komplementäre Kommunikation
In dem ersten Axiom der Kommunikation beschreibt P. Watzlawick, das man zu jeder Zeit eigentlich kommuniziert. Dies fängt bei der Gestik und der Mimik, der nonverbalen Kommunikation an und hört bei der verbalen Kommunikation auf. Er fast dieses Axiom wie folgt zusammen: „Man kann nicht, nicht kommunizieren“ (Senkel 1994, S. 365)
In dem zweiten Axiom beschreib P. Watzlawick, das jegliche Art von Kommunikation eine Sach- bzw. Beziehungsebene hat. Wenn ich z.B. zu einer Person sage, dass ich sie mag und wertschätze, ist die Beziehungsebene sehr freundschaftlich. Wenn ich zu einer Person sage, dass ich nicht viel von ihr halte, zeigt die Beziehungsebene, dass ich eine größere Distanz zu dieser Person habe. Herr Watzlawick fast dieses Axiom so zusammen: „Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersten bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.“ (Senkel 1994, S. 366)
Unter der digitalen Kommunikation bezeichnet P. Watzlawick die verschiedene Laute und ihre Bedeutungen. Dies bedeutet z.B. wenn ich das Wort K-L-E-I-D sage, weiß ich als Empfänger, dass der Sender ein Kleid meint. Wenn der Sender aber z.B. noch ein E-R daran hängt weiß ich als Empfänger das es eine Mehrzahl von Kleidern ist. Durch die Laute kann ich also deutlich machen, ob es Einzahl oder Mehrzahl ist. Unter der analogen Kommunikation versteht P. Watzlawick die nonverbale Kommunikation. Also wie ich den Ton, die Gestik und die Mimik zu dem Empfänger übermittel. Dieses Axiom fasst er wie folgt zusammen: „Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten.“ (Senkel 1994, S. 367)
In dem vierten Axiom beschreibt P. Watzlawick, dass eine Kommunikation in der Regel zwischen zwei oder mehreren Partnern stattfindet und sie immer eine Interpunktion hat. Er fasst es wie folgt zusammen: „Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt.“ (Senkel 1994, S. 368)
Als das fünften und letzten Axiom bezeichnet P. Watzlawick die zwischenmenschliche Beziehungsebene. Dies bedeutet z.B. die Beziehung zwischen Betreuer und Klient. Hierbei ist der Betreuer dem Klient überlegen. Auch wenn wir in unserem Beruf dem Klienten auf Augenhöhe begegnen sollten, sind wir dennoch, weil oftmals der Klient eine Kommunikationsstörung hat, überlegen. Zwischen zwei Freunden ist aber die Kommunikation in der Regel auf Gleichheit ausgerichtet. Er fast das Axiom so zusammen: „Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder Unterschiedlichkeit beruht.“ (Senkel 1994, S. 269)
In dem Kommunikationsmodel von Schulz von Thun, bezieht sich der Autor ganz stark auf die beschriebenen Axiome von Paul Watzlawick, er erweitert diese noch. Bei dem Kommunikationsmodell von Schulz von Thun gibt der Sender eine Nachricht ab, die Selbstoffenbarung. Diese Nachricht enthält den Sachinhalt und die Beziehung zum Empfänger. Die Nachricht kommt mit einem Apell beim Empfänger an.
Hier ein Beispiel: Dem Betreuer ist es wichtig, dass der Klient saubere Kleidung trägt. Deshalb sagt er zum Klienten: „Bitte zieh dir saubere Kleidung an.“ Die Selbstoffenbarung wäre, dass dem Betreuer wichtig ist, dass der Klient saubere Kleidung trägt. Der Sachinhalt wäre der Satz den der Betreuer zum Klienten sagt. Die Beziehung vom Betreuer zum Klienten wäre: „Dir muss ich das immer wieder sagen, obwohl es eine Selbstverständlichkeit ist.“ Der Appell zum Klienten wäre, dass der er seine schmutzige Kleidung wechseln soll. Aus der Wahrnehmung des Klienten mit dem Appell-Ohr: „Ermahn mich nicht immer.“ Die Selbstoffenbarung wäre: ich bin ja nicht dumm. Der Sachinhalt wäre: das weiß ich doch. Die Beziehung ist demzufolge: Du bevormundest mich. Der Apell wäre dann: ermahn mich nicht immer. (vgl. Senkel 1994, S. 370 - 371).
Dann gibt es auch noch die nonverbale Kommunikationsmöglichkeit, wie ich schon an früherer Stelle erwähnt habe. Dazu gehören: die Mimik, die Gestik, die Körperhaltung, die Körperbewegung, die räumliche Orientierung und die Stimmführung. Unsere Klienten nutzen die nonverbale Kommunikation vielfach, wenn sie sich verbal nicht ausdrücken können.
4.2 Sprachsinn mit dem Hörsinn
Nun komme ich zum Sprachsinn und dem Hörsinn. Der Hör- und Sprachsinn gehören nach der Sinneslehre von Rudolf Steiner zu der Gruppe der oberen Sinne. Zu der oberen Gruppe der Sinne gehören auch der Gedanken- und der Ich-Wahrnehmungssinn.
Zuerst befasse ich mich mit dem Hörsinn, um dann später einen fließenden Übergang zu dem Sprachsinn zu finden. Da sie sehr eng miteinander verbunden sind.
Im Gegensatz zum Sprachsinn, ist dem Hörsinn eindeutig ein Organ zugewiesen. Wir alle wissen eigentlich um welches Organ es sich hierbei handelt. Ich spreche von unserem Ohr. Der Hörsinn nimmt drei wesentliche Qualitäten war, die uns die Möglichkeit geben eine Musik, als eine Musik zu erkennen und das gesprochene Wort als Wort. Die drei Qualitäten sind wie folgt:
1. Laut
2. Klang
3. Geräusch
Die Lautwahrnehmung ist dazu da, dass wir das Wort und den einzelnen Laut in einem Wort wahrnehmen, um unsere Sprache als Sprache zu verstehen. Nimmt man alle drei Komponenten zusammen, so entsteht die Musik. Michael Steinke bezeichnet die Musik in seinem Vortrag über den Hör- und Sprachsinn als Unterpunkt und somit als die vierte wahrzunehmende Qualität des Hörsinns. Er zitiert wie folgt die Musik: „Musik entsteht nie zufällig. Der Mensch, der sie schafft, muss die Intension haben, dass es Musik ist. Nur dann wird sie vom Hörer als Musik verstanden und anerkannt. “ (Steinke 1998, S. 5) Dies kann man an einem einfachen Beispiel festhalten. Wenn wir als Europäer eine Musik aus einem für uns fremden Land hören, hören wir zunächst ein Geräusch. Erst unser Verstand klärt uns darüber auf, dass wir Musik hören.
Michael Steinke erwähnt in dem Vortrag „Hörsinn und Sprachsinn, Anthropologische Grundlagen“, dass Rudolf Steiner über die vier Qualitäten des Hörsinnes gesagt hat, dass die Musik der Ich-Organisation, der Laut dem Astralleib, der Klang dem Ätherleib und das Geräusch dem physischen Leib zugehört. (vgl. Steinke 1998, S. 6)
Den Aufbau des Ohres, das physische Organ für den Hörsinn, werde ich hier nicht weiter erläutern. In dem Vortrag von Herr Steinke ist dies in sehr ausführlicher Form beschrieben. Dies ist im Bezug auf die Arbeit mit Frau M. von nachgeordneter Bedeutung. Vielmehr ist es wichtig, den Sprachsinn zu verstehen. Diesen kann man sehr gut auf den Hörsinn aufbauen, weil er sehr eng mit diesem zusammen spielt.
Nehmen wir einmal an, dass wir als Mensch ohne die Funktionen der Ohren geboren werden. In der Medizin werden diese Menschen als gehörlos bezeichnet. Was macht ein Baby, welches seine Mutter nicht hören kann? Es fängt erst einmal laut an zu schreien. Seine Sprachentwicklung ist im weiteren Verlauf sehr beeinträchtigt. In vielen Fällen findet sie kaum bis gar nicht statt, weil das Kind seine eigenen Laute nicht hören kann, die sich dann später zu Wörtern und dann zu einer Sprache entwickeln werden. Kinder lernen durch ihre Eltern das Sprechen einer Sprache, indem sie nachahmen, was ihre Eltern sagen. Allerdingst ist dies nicht möglich, wenn der Hörsinn von der Geburt an geschädigt ist. Mit solchen Menschen haben wir es oftmals zu tun, genauso wie ich auch Menschen kennenlernen durfte, die im Laufe ihres Lebens z.B. durch einen Unfall ihren Hörsinn verloren haben. Diese Menschen konnten sprechen, weil in ihrer Kindheit der Hörsinn intakt war. Dieses Beispiel macht deutlich, dass der Hörsinn ganz eng mit dem Sprachsinn zusammen arbeitet. Die wichtigste, der vier genannten Qualitäten des Hörsinns ist die Lautwahrnehmung.
Rudolf Steiner erwähne den Lautsinn bzw. den Sprachsinn im Jahre 1909, als er das erste Mal über die zwölf Sinne des Menschen sprach. Steiner hat die 12 Sinne des Menschen in drei Gruppen eingeteilt. Diese werden in dem Buch: Bewegeung, Sprache, Denkkraft von Georg von Arnim folgt zusammengefast: „Durch den Lebenssinn, den Eigenbewegungssinn, dem Gleichgewichtssinn taucht der Mensch in die eigene Leiblichkeit unter und empfindet sich als ein Wesen der Außenwelt. Durch den Geruchssinn, den Geschmackssinn, den Gesichtssinn (Sehsinn) offenbart sich das Körperliche, insofern es sich nach außen hin kundgibt. Durch den Wärmesinn offenbart es die Innerlichkeit, doch noch in einer äußeren Art. Mit Hilfe des Gehörsinnes, des Sprachsinnes, des Begriffssinnes (Ichsinn) nimmt der Mensch eine fremde, ihm äußere Innerlichkeit war. “ (von Armin 2000, S. 242) Das bedeutet unter anderem, dass wir mit den oberen Sinnen, das Seeleninnere der anderen Menschen wahrnehmen können. Dies kann im Alltag, wenn man darauf achtet, ganz besonders deutlich werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einen anderen wichtigen Aspekt hat Steiner in seinen Vorträgen zu den zwölf Sinnen hinzugefügt. Er hat jeden Sinn einem Tier im Tierkreis zugehordnet. Den Sprachsinn hat er dem Widder zugeordnet. Steiner spricht hier über die aufrechte Gestalt des Menschen. Wenn die Sonne den Höhepunkt um die Mittagszeit erreicht hat, steht sie im Widder und somit im Sprachsinn, im Licht der Welt. Das macht die linke Abbildung deutlich. (Abb. von Arnim 2000, S. 248, Zeichnung auf Abb. König 1999, S.12) Steiner sagte unter anderem zu der Abbildung im Bezug auf den Sprachsinn: „ (...) die Sonne geht immer höher und höher (...) vom Tonsinn zum Sprachsinn. (Der Tonsinn ist auf der Abbildung der Gehörsinn bzw. Hörsinn.) Die Sonne steht am Mittag. Zwischen Tonsinn und Sprachsinn ist die Mittagszeit des Seelenlebens.“ (von Arnim 2000, S. 248). Ein dritter wichtiger Aspekt den Rudolf Steiner nennt, ist die lebendige Sprache. Wie können wir Sprache sichtbar machen? Dies gelingt uns in der Bewegungskunst der Eurythmie. Aber nicht nur dort, sondern auch wenn wir beim Sprechen die Gestik, Mimik und die Gebärde benutzen. Ganz besonders tun dies Menschen, die sich verbal nicht äußern können. In der Regel lernen sie dann die Gebärdensprache. Eine Gebärdensprache ist das sichtbar werden der Sprache.
Zum Schluss möchte ich zwei Sätze aus dem Vortrag von Rudolf Steiner „Das Rätsel des Menschen“ zitieren: „ Wir sind eigentlich als Menschen wirklich ursprünglich veranlagt gewesen, anders Sprache wahrzunehmen als wir jetzt wahrnehmen. Wir sind so veranlagt gewesen, Sprache wahrzunehmen, dass wir eigentlich dem andern gegenüber getreten wären - und so sonderbar uns das jetzt vorkommt, aber man gewöhnt sich ja natürlich, besonders im Laufe so langer Zeit, wie es seit den atlantischen Zeiten her ist, an das was eben geschehen ist -, wir sind veranlagt gewesen, mehr oder weniger den ganzen anderen Menschen wahrzunehmen in Gebärden und Gesten, in stummen Ausdruckmitteln, und diese selbst mit unserem eigenen Bewegungsapparat nachzunahmen und uns so ohne die physisch höhere Sprache zu verständigen. “ (Steinke 1998, S. 46-67)
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