Betrachtet man den NGO-Sektor in Phnom Penh (Kambodscha), fällt einerseits die Ähnlichkeit der NGOs untereinander und andererseits die Ähnlichkeit der Organisationsstrukturen zu westlichen Nonprofit-Organisationen auf. Mit Bezug auf den Neoinstitutionalismus untersucht diese Arbeit daher die Umsetzung westlicher Legitimitätsstandards in der Khmer Zivilgesellschaft sowie die bei der Umsetzung entstehenden Anpassungsprozesse und Begrenzungen. Der theoretische Rahmen der Arbeit wird um den Ressourcenabhängigkeitsansatz sowie der Glokalisierungstheorie ergänzt. Die Arbeit baut auf einer Feldstudie im Zeitraum Februar bis Juni 2018 auf, bei der neun NGO-Manager/innen interviewt wurden. Als Ergänzung dienten ethnographische Beobachtungen sowie die Teilnahme an einem weiteren Forschungsprojekt vor Ort.
Aus den Ergebnissen leiten sich drei mögliche Szenarien für die Entwicklung des Sektors ab: (1) Es wäre möglich, dass NGOs eine vollständige Homogenisierung untereinander und mit dem internationalen NGO-Sektor eingehen. (2) Es besteht die Möglichkeit, dass die Homogenisierung mit Entkoppelungsstrategien verbunden wird, da die vollständige Anpassung an den internationalen Sektor nicht möglich ist. (3) Es wäre möglich, dass die NGOs ihre Organisationsstrukturen an die lokalen kulturellen Eigenheiten anpassen und mit Hilfe von Glokalisierungspraktiken eine neue Form des Sektors schaffen. Das Ergebnis der Auswertung zeigt, dass die befragten NGOs eindeutige Anpassung und Homogenisierung mit dem globalen organisationalen Feld aufweisen, die damit geforderten Organisationsstrukturen zur Erreichung der Legitimität jedoch nur Zuhilfenahme der Strategie der losen Koppelung erreicht werden können. Diese orientieren sich an westlichen Rationalitätsmythen, die infolge der Weltkultur ihren Weg in den nunmehr globalen Sektor gefunden hat.
Inhaltsverzeichnis
ERKLÄRUNG
ABSTRACT
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ABBILDUNGSVERZEICHNIS
TABELLENVERZEICHNIS
1 EINFÜHRUNG
1.1 E INORDNUNG DES NGO-S EKTORS
1.2 T HEORETISCHER R AHMEN
2 FORSCHUNGSSTAND
2.1 D ER D RITTE S EKTOR IN E NTWICKLUNGSLÄNDERN MIT F OKUS AUF K AMBODSCHA
2.2 E NTWICKLUNG EINER INTERNATIONALEN ZIVILGESELLSCHAFT DURCH NGOS
3 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
3.1 R ELEVANTE K ERNKONZEPTE DES N EOINSTITUTIONALISMUS
3.1.1 DAS ORGANISATIONALE FELD INTERNATIONALER NGOS
3.1.2 LEGITIMITÄT
3.1.3 ENTKOPPELUNG
3.2 R ESSOURCENABHÄNGIGKEIT VON NGO S IN E NTWICKLUNGSLÄNDERN
3.3 F RAGESTELLUNG UND A NNAHMEN
4 METHODIK
4.1 D ATENERHEBUNG
4.1.1 BEOBACHTUNGEN VOR ORT UND ENGAGEMENT IM FELD/FELDFORSCHUNG
4.1.2 TEIL-NARRATIVE INTERVIEWS MIT GESCHÄFTSFÜHRERN UND PROGRAMMLEITERN
4.2 D ATENAUSWERTUNG UND - ANALYSE
4.3 M ETHODENKRITIK
5 ERGEBNISPRÄSENTATION: DAS FELD INTERNATIONALER NGOS IN PHNOM PENH
5.1 D AS ORGANISATIONALE F ELD INTERNATIONALER NGO S IN P HNOM P ENH
5.2 L EGITIMITÄTSPROBLEMATIKEN DES KAMBODSCHANISCHEN NGO-S EKTORS
5.2.1 RATIONALE ORGANISATIONSSTRUKTUREN
5.2.2 KULTURRELEVANTE ARBEITSWEISEN
5.3 E NTKOPPLUNGSSTRATEGIEN DER NGO S IM S EKTOR
5.4 D IE R ESSOURCENABHÄNGIGKEIT DES S EKTORS
6 DISKUSSION UND AUSBLICK
6.1 C HANCEN UND R ISIKEN DES GLOBALEN F ELDES FÜR NGO S IN P HNOM P ENH
6.2 F OLGEN DER UNHINTERFRAGTEN Ü BERNAHME WESTLICHER R ATIONALITÄTSMYTHEN ZUR L EGITIMIERUNG
6.3 S CHWÄCHUNG DER Z IVILGESELLSCHAFT DURCH E NTKOPPELUNGSSTRATEGIEN
6.4 R ESSOURCENABHÄNGIGKEIT
6.5 A USBLICK
LITERATUR
ANHANG
1. A NFRAGE -M AIL
2. F RAGEBOGEN P ROJEKTPHASE 1
3. Q UALITATIVER I NTERVIEWLEITFADEN
4. Q UANTITATIVE A BFRAGE
5. E THNOGRAPHISCHE B EOBACHTUNGEN
6. K ODIERUNGSBUCH
Erklärung
zur Vorlage beim Prüfungsausschuss für die Masterprüfung im Fach Soziologie.
Bezüglich meiner Masterarbeit mit dem Thema
Anpassungsprozesse und Begrenzungen bei der Umsetzung westlicher Standards in den NGOs der Zivilgesellschaft von Phnom Penh
erkläre ich, Erika Mosebach-Kornelsen, hiermit, dass ich
- die Arbeit selbstständig verfasst habe,
- keine anderen als die Quellen und Hilfsmittel benutzt habe,
- alle wörtlich oder sinngemäß übernommenen Textstellen als solche kenntlich gemacht habe,
- die Arbeit in keiner anderen Prüfung als Abschlussarbeit vorgelegt habe.
Abstract
Betrachtet man den NGO-Sektor in Phnom Penh (Kambodscha), fällt einerseits die Ähnlichkeit der NGOs untereinander und andererseits die Ähnlichkeit der Organisationsstrukturen zu westlichen Nonprofit-Organisationen auf. Mit Bezug auf den Neoinstitutionalismus untersucht diese Arbeit daher die Umsetzung westlicher Legitimitätsstandards in der Khmer Zivilgesellschaft sowie die bei der Umsetzung entstehenden Anpassungsprozesse und Begrenzungen. Der theoretische Rahmen der Arbeit wird um den Ressourcenabhängigkeitsansatz sowie der Glokalisierungstheorie ergänzt. Die Arbeit baut auf einer Feldstudie im Zeitraum Februar bis Juni 2018 auf, bei der neun NGO-Manager/innen interviewt wurden. Als Ergänzung dienten ethnographische Beobachtungen sowie die Teilnahme an einem weiteren Forschungsprojekt vor Ort. Aus den Ergebnissen leiten sich drei mögliche Szenarien für die Entwicklung des Sektors ab: (1) Es wäre möglich, dass NGOs eine vollständige Homogenisierung untereinander und mit dem internationalen NGO-Sektor eingehen. (2) Es besteht die Möglichkeit, dass die Homogenisierung mit Entkoppelungsstrategien verbunden wird, da die vollständige Anpassung an den internationalen Sektor nicht möglich ist. (3) Es wäre möglich, dass die NGOs ihre Organisationsstrukturen an die lokalen kulturellen Eigenheiten anpassen und mit Hilfe von Glokalisierungspraktiken eine neue Form des Sektors schaffen. Das Ergebnis der Auswertung zeigt, dass die befragten NGOs eindeutige Anpassung und Homogenisierung mit dem globalen organisationalen Feld aufweisen, die damit geforderten Organisationsstrukturen zur Erreichung der Legitimität jedoch nur Zuhilfenahme der Strategie der losen Koppelung erreicht werden können. Diese orientieren sich an westlichen Rationalitätsmythen, die infolge der Weltkultur ihren Weg in den nunmehr globalen Sektor gefunden hat.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Der abwärts gerichtete Entwicklung für NGOs mit fehlender Legitimität (eigene Darstellung)
Abbildung 2: Entwicklung der NGOs und LNGOs von 1992-2006. Quelle: Asian Development Bank (2011): Civil Society. An Overview
Abbildung 3: Prozentuale Verteilung über den Finanzierungsstatus von aktiven CSOs, nach CSO Status sortiert. Quelle: Cooperation Committee for Cambodia (2012): CSO Contributions to the Development of Cambodia 2012. Opportunities and challenges
Abbildung 4: Prozentuale Verteilung von ausländischen Mitarbeiter/innen in CSOs, nach CSO-Typen sortiert. Quelle: Cooperation Committee for Cambodia (2012): CSO Contributions to the Development of Cambodia 2012. Opportunities and challenges
Abbildung 5: Geographische Verteilung der CSOs im Vergleich zu der Anzahl der armen Bevölkerung. Quelle: Cooperation Committee of Cambodia (2012): CSO Contributions to the Development of Cambodia 2012. Opportunities and Challenges. 53 Abbildung 6: Das globale organisationale Feld (eigene Darstellung)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Examples of social accountability practices in Cambodia (and the institutions supporting them) (Malena & Chhim, 2009, S. 11)
1 Einführung
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind inzwischen, bis auf wenige Ausnahmen, in jedem Land zu finden. Menschen unterschiedlichster Herkunft arbeiten auf der Welt verstreut in diesen Organisationen. Junge Menschen reisen für ihr gap year in entfernte Länder, um die Zeit zwischen Schule und Studium „sinnvoll“ zu nutzen. Auf dieser, der westlichen Seite der Weltkugel, sehen wir Facebook-Fotos von strahlenden, dreckigen Kindergesichtern, lesen von den ersten halbdemokratischen Wahlen bisher autokratisch regierter Länder, hören von befreiten Menschen aus ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen und bekommen Spendenaufrufe, um noch mehr Kinder glücklich zu machen, noch mehr Regierungen zu demokratisieren, noch mehr Menschen zu befreien. Das alles ist nur möglich, weil NGOs sich dafür einsetzen. Zumindest ist das die eine Seite der Medaille.
Die andere Seite zeigt immer mehr Kritik bezüglich der Bestrebungen der NGOs. Es wird hinterfragt, wie sinnvoll gap years im Ausland sind, wie nachhaltig die Arbeit von ausländischen NGO-Mitarbeiter/innen in Entwicklungsländern ist, wie stabil die forcierten Demokratien sind. Diese Fragen laufen alle auf die eine Frage hinaus, wer oder was die Arbeit von NGOs legitimiert.
1.1 Einordnung des NGO-Sektors
Um die leitende Forschungsfrage dieser Arbeit zu entwickeln und dieser nachzugehen, müssen zuvor ein paar allgemeine Überlegungen angestellt und Begrifflichkeiten geklärt werden. So gilt es zunächst zu klären, was NPOs und insbesondere was NGOs sind, in welchem Kontext diese operieren und was sie bewirken. Da diese Arbeit sich explizit auf NGOs in Phnom Penh (Kambodscha) bezieht, ist es auch wichtig, diesen Sektor vorzustellen.
Diese Arbeit soll die Besonderheiten des globalen Dritten Sektors hervorheben. Ich verwende in dieser Arbeit in einigen Fällen die englische Bezeichnung, wenn diese als allgemein bekannt vorausgesetzt werden kann und eine Übersetzung zu mehr Irritation führen könnte und womöglich der ursprünglichen Wortbedeutung nicht exakt entsprechen könnte. Die globale Zivilgesellschaft befindet sich zwischen Markt, Staat und der Familie. Dies ist der soziale Raum, in dem Menschen sich über die nationalen Grenzen hinweg auf freiwilliger Basis organisieren, um ihre Interessen zu vertreten (Anheier, Glasius, und Kaldor 2002; Casey 2016b). Für diese Arbeit wähle ich eine breite Definition, die die Interessen aller Art beschreibt. Dies kann Demokratieförderung sein, aber auch Dienstleistungen an hilfebedürftigen Menschen, Umweltschutz oder Bildung. Um diese Interessen zu transportieren, sind zivilgesellschaftliche Organisationen (CSOs) die tragende Säule. Wie NGOs bilden CSOs ein weites, ungenau definiertes Feld.
„Global civil society organisations (CSOs) range from large-scale charities with hundreds of staff to transnational volunteer-run networks with no real expenditures at all; from non-profit corporations with franchises in numerous countries to ‘virtual’ associations with no identifiable location; from single-issue campaign groups and professional service providers to voluntary organisations offering humanitarian assistance; from democratically run organisations to autocratic sects; from anti-globalisation groups and environmental movements to Christian revival groups and trade unions; and from philanthropic foundations with multi-billion-dollar endowments to savings clubs among migrant communities spread across different countries.“ (Anheier/Themudo 2002: 191)
CSOs variieren demnach in ihrer Struktur, ihrer governance, den formellen Vorgaben, sowie der Messbarkeit und des Betätigungsfelder ihrer Aktivitäten (Anheier und Themudo 2002). Nonprofit-Organisationen (NPOs) sind eine Form von CSOs. Ich orientiere mich bei der Definition an der strukturell-operationalen Definition von Salamon und Anheier (1997). In der Ausprägung der einzelnen Aspekten können NPOs stark variieren, solange sie zumindest ansatzweise vorhanden sind. Diese Unterschiedlichkeit der NPOs erschwert ihre klare Definition und eine klare Unterscheidung zwischen staatlichen und betriebswirtschaftlichen Organisationen. Organisationen dieser Art sind in vielen Ländern zu finden, aber in nur wenigen Ländern können diese auch in einem eigenen Sektor zusammengefasst werden. Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ist der am häufigsten gebrauchte Term, um NPOs zu beschreiben, die in ganz unterschiedlichen Bereichen arbeiten. Tendenziell ist ihr Wirkungskreis in mehreren Ländern in den Bereichen der humanitären Hilfe, ökonomischen Entwicklung und der advocacy, ist aber nicht allein darauf beschränkt. In ihrer praktischen Ausgestaltung können NGOs weit reichen und vielfältige Themengebiete umfassen. So gesehen können Sie vor allem als Dienstleister, Innovatoren, Schützer von Werten und als Anwälte für ihre Interessengruppen gesehen werden (Casey 2016b). Daher muss eine Definition von NGOs um ihre Internationalität ergänzt werden, d.h. dass sie entweder in mehreren Ländern operiert oder zumindest ihre Wurzeln in einem anderen Land hat als in dem, in dem die Tätigkeiten ausgeübt werden. Ich fokussiere mich in dieser Arbeit auf den Sektor der NGOs in Phnom Penh. In der Regel stammen die meisten dort ansässigen NGOs in ihrer Gründungszeit aus Europa oder den USA (Boli 2006). Auf diese reicheren und entwickelten Demokratien beziehe ich mich, wenn ich folglich von westlich spreche.
„The term NGO (nongovernmental organization) is the term used to depict these organizations in the developing world and in international relations, but it tends to refer only to a portion of what elsewhere is considered to be part of this sector— namely, the organizations engaged in the promotion of economic and social development, typically at the grassroots level.“ (Anheier 2005: 39)
1.2 Theoretischer Rahmen
Wenn in dieser Arbeit vom NGO-Sektor die Rede ist, so ist dieser in den Rahmen der drei Sektoren Regierung (öffentlicher Sektor), Wirtschaft (For-profit Sektor) und der Zivilgesellschaft (Non-profit Sektor) eingebunden. Ich konzentriere mich bei der Analyse vor allem auf die Strukturen und Prozesse, die die Dynamiken des NGO-Sektors und seine Beziehung zu den beiden anderen Sektoren beschreiben (Casey 2016b). Dafür bediene ich mich vor allem der Theorie des Neoinstitutionalismus nach Meyer und Rowan (1977), DiMaggio und Powell (1983) und Zucker (1977). Der Fokus liegt auf dem Verständnis der für die Arbeit relevanten Kernkonzepte des organisationalen Feldes wie es bei DiMaggio und Powell (1983) zu finden ist, um so die Umwelt der zumeist lokalen NGOs in einem globalen Feld zu beschreiben. Dies unterstützt die Annahme, dass die in einem globalen Umfeld operierenden NGOs Prinzipien und Strukturen ihres Umfeldes aus Gründen der Legitimation unhinterfragt übernehmen. In einem zweiten Schritt wird das Konzept der Legitimität nach Meyer und Rowan (1977) aufgegriffen. Diese argumentieren ausgehend von Webers Bürokratisierungstheorie, dass Organisationen eben nicht entsprechend ihrer formalen Struktur funktionieren und sich daher auch nicht technisch überlegene Organisationsstrukturen durchsetzen, sondern dass Organisationen dem Prinzip der Legitimation folgen und sich somit die Strukturen durchsetzen, die Legitimation versprechen. Ebenso übernehmen daher NGOs in Phnom Penh solche Organisationsstrukturen, die in der globalen Welt anerkannt sind, unabhängig davon, ob diese ihnen mehr Effizienz versprechen, da sie dadurch Zugang zu Ressourcen durch die institutionelle Umwelt erhalten. Die dadurch entstehenden Anforderungen können mit denen der technischen Umwelt, der „erfolgreichen Bewältigung der relationalen Netzwerke“ in Konflikt treten. Eine Lösungsstrategie ist daher die lose Koppelung (ebd.), die die formale Struktur von der tatsächlichen Arbeitsaktivität löst.
Die erkennbaren Isomorphien der NGOs weltweit werden in dieser Arbeit mit der Theorie der Weltkultur erklärt. Der NGO-Sektor wird entsprechend in der Sphäre zwischen der globalen Wirtschaft (vertreten durch die World Trade Organisation) und dem interstaatlichen System (erkennbar in den Vereinten Nationen) verortet (Boli 2006). Man bezieht sich in dieser Tradition darauf, dass Europa in der Zeit der Erstgründungen von NGOs global dominierend war. Die meisten Gründungen fanden in Europa statt, auch wenn anschließend Mitglieder aus allen anderen Teilen der Erde dazu kamen. NGOs, die vor dem Ersten Weltkrieg entstanden, waren in ihrer Orientierung und ihren Zielen vor allem global ausgerichtet. Es herrschte das Konzept einer einheitlichen Welt vor, in der Menschen zu einer universalen Gesellschaft gehören. Erst die beiden Weltkriege unterbrachen die Vereinheitlichung, was von einer Phase des Nationalismus gefolgt war. In dieser Zeit ging auch die Zahl der Gründungen von NGOs zurück. Im Anschluss schlug das Pendel wieder auf Internationalismus um, u.a. mit dem Ziel, weitere Weltkriege zu verhindern. Dies führte zu einer neuen Welle von NGO-Gründungen, so auch z.B. die International Labour Organization (ILO). Auch wenn der nachkriegszeitliche Fokus zunächst auf der Bildung von sub-globalen NGOs lag, begannen sich zeitgleich globale Netzwerke zu bilden, in denen sich NGOs zusammenfanden, die sich mit den gleichen Themen beschäftigten (ebd.). In der Folge wurden westliche Vorstellungen, die bereits in den ersten NGOs impliziert waren, über NGOs als Träger in die Welt transportiert und finden sich nun z.B. in lokalen asiatischen NGOs wieder. Dies geschieht etwa durch Ausbildungen und Studiengänge in den USA oder in europäischen Ländern, deren Mitarbeiter/innen schließlich westliche Anschauungen und Strukturen implizit in die Zielländer der NGOs transportieren. Zwar gibt es inzwischen vermehrt Studiengänge in den Ländern, in denen die NGOs auch operieren, doch ist der Anfang in der westlichen Welt zu der Zeit zu suchen, als viele der großen NGOs gegründet wurden (Casey 2016b). Wie genau sich dies weiter entwickelte, wird im Laufe der Arbeit dargestellt. Die Weltkulturtheorie dient ebenfalls der Erklärung, dass vorwiegend westliche Rationalitätsmythen1 Eingang in die formalen Strukturen der NGOs in Phnom Penh finden. Dies unterstützt die Beobachtung, dass die untersuchten NGOs in ihrer Struktur ihren „MutterNGOs“ sowie international bekannten NGOs mit Gründung in Europa oder den USA ähneln. Diese Annahme wird unter Hinzuziehung des Glokalisierungsansatzes nach Robertson (vgl. u.a. Drori, Höllerer, und Walgenbach 2014; Robertson 1998, 2014) bekräftigt, indem gezeigt wird, dass die NGOs tatsächlich vor Ort rationale Organisationsstrukturen internationaler und westlich geprägter NGOs übernehmen, anstatt Kernkonzepte und Ideen an ihre lokale Kultur anzupassen. Zuletzt findet der Ressourcenabhängigkeitsansatz Anwendung, der federführend von Pfeffer und Salancik (2003) entwickelt wurde. Dieser letzte Schritt erklärt, weshalb NGOs insbesondere in Entwicklungsländern ihr organisationales Verhalten an die Anforderungen der Stakeholder anpassen, selbst wenn dies nicht der Effektivitätssteigerung dient oder gar von der Kernmission ablenkt.
Diese Thesis ist so aufgebaut, dass im nächsten Kapitel zunächst der aktuelle Forschungsstand zur Entwicklung der internationalen Zivilgesellschaft vorgestellt wird, wie sie durch die Rolle der NGOs geprägt wurde. Darauf folgt der Fokus der bestehenden Literatur zu NGOs in Entwicklungsländern, zu denen ich Kambodscha zähle. Anschließend stelle ich die theoretischen Grundlagen der Arbeit vor und gehe detailliert auf die drei genannten Kernkonzepte des Neoinstitutionalismus ein. Darauf folgen eine Darstellung des Ressourcenabhängigkeitsansatzes und anschließend die Formulierung der daraus resultierenden Fragestellung sowie Annahmen bezüglich der Auswirkungen der Prinzipien auf die NGOs. Diese Annahmen werden anhand der Daten überprüft und abschließend diskutiert. Im Anschluss an die theoretische Darstellung präsentiere ich die methodische Vorgehensweise, mit der ich die zugrundeliegenden Daten erhoben und ausgewertet habe. Die Erhebung bezieht sich auf einen Aufenthalt im Feld von drei Monaten, währenddessen zwei Projekte durchgeführt wurden. Daher werden die Erhebungs- und Auswertungsmethoden für beide Projekte vorgestellt, die Ergebnisse jedoch nur für die zweite Projektphase dargestellt. Die Auswertung der Daten der ersten Phase erfolgt in einem anderen Paper, das parallel von dem damit betrauten Team erstellt wird. Die für die Thesis relevanten Daten wurden anhand von problemzentrierten Interviews erhoben und anhand der qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Abschließend werden die Methode und meine persönliche Rolle als Sozialforscherin einer kritischen Reflektion unterzogen und Einschränkungen des Prozesses aufgezeigt. Im Anschluss werden die Ergebnisse der Daten der zweiten Projektphase entsprechend der Gliederung der theoretischen Grundlagen ausgewertet. Schließlich werden diese Ergebnisse in Bezug auf die Vorannahmen diskutiert und die leitende Forschungsfrage beantwortet.
2 Forschungsstand
2.1 Der Dritte Sektor in Entwicklungsländern mit Fokus auf Kambodscha
Die meisten Arbeiten und Studien über den Zivilgesellschaftssektor, vor allem die älteren Datums, fokussieren sich auf NGOs, die in westlichen Ländern operieren oder zumindest ihren Sitz dort haben. Es gibt jedoch auch eine ganze Reihe an Untersuchungen über NPOs und NGOs in Entwicklungsländern, die mit der Entstehung des dortigen zivilgesellschaftlichen Sektors einsetzen.
Casey (2016a, 2016b) greift in einer umfassenden Analyse des internationalen NGO-Sektors auch die Entwicklung von NGOs in Entwicklungsländern auf. Diese muss grundsätzlich vor einem anderen Hintergrund als in entwickelten Ländern gesehen werden. Die folgende Beschreibung umfasst daher Elemente, die nicht immer in dem gleichen Ausmaß in allen Entwicklungsländern vorkommen. So verfügen diese Länder häufig über politische Instabilität, woraus ein schwaches Bruttoinlandsprodukt (BIP) resultiert. Die Folgen dessen sowie der daraus resultierenden Korruption sind wiederum interne Konflikte und ein Mangel an wirtschaftlicher und sozialer Stabilität. Genährt wird dies durch autokratische Regierungen und einem Parteiensystem aus Guerillas und Warlords, die sich auf Kosten der Bevölkerung bereichern und ihre Interessen durchsetzen. Dieser Argumentation folgend verwundert es nicht, dass der Staat seinen Bürgern keine öffentlichen Dienstleistungen wie Zugang zu Bildung und Gesundheitssystem bietet und sie vor Gewalt und Ausbeutung nicht schützt (Casey 2016a). Das System bedient sich der Ideologie, der Angstmache und Unterdrückung, um diese Strukturen aufrechtzuerhalten. Für viele NGOs und Grassroots-Initiativen bedeutet das Operieren in Entwicklungsländern Unterdrückung durch die politische Führung, da sie die Elite bedrohen und nicht selten das politische System und die Legitimation der Regierung hinterfragen (Casey 2016b). Versuche durch individuelle Bürger, Grassroots-Initiativen, etc., das System zu stören und Verbesserung für die Bürger zu schaffen, werden durch ökonomische Kräfte oder die Politik unterdrückt. Um NGOs in ihren globalen Kontext daher einzuordnen, wird der Begriff der „ Global Civil Society “ (GCS) eingeführt. Ein signifikantes Merkmal der GCS ist nämlich die Präsenz ausländischer NGOs und die dominante Rolle ausländischer Förderungen an lokale Organisationen. Der GCS ist es zu verdanken, dass man trotz der Schwierigkeiten gerade in Entwicklungsländern auf eine langjährige Tradition an Verbänden und kollektiven Strukturen zurückblickt, die durch Missionsarbeit und ausländische Wohlfahrt aufgebaut wurden. Diese meist einfach strukturierten Formen bildeten sich in den letzten Jahrzehnten zu einem professionellen NGO-Sektor bestehend aus internationalen als auch lokalen CSOs aus. Anders als in Industrieländern ist die Position des Geschäftsführers überdurchschnittlich häufig von jungen Frauen besetzt, die nicht die Landessprache beherrschen und daher auf Übersetzer angewiesen sind. Mit zunehmender Anzahl der NGOs werden auch mehr Mitarbeiter/innen erforderlich. Diese kommen einerseits aus dem Ausland (Mukasa 1999), andererseits gibt es in den Entwicklungsländern selbst immer mehr Angebote für Studiengänge, die NGO-Management mit Entwicklungshilfe verbinden (Mirabella u. a. 2007). Häufig gehören gerade in Entwicklungsländern Mitarbeiter/innen von NPOs im Vergleich zu denen auf dem lokalen Arbeitsmarkt zu den besser bezahlten Personen. Das liegt daran, dass die Gehälter an den Standard der Gehälter in den Herkunftsländern angepasst sind und somit der Lebensstil der NGO-Mitarbeiter/innen eher dem der lokalen Elite entspricht. Einheimische Mitarbeiter/innen sind in vielen Fällen überqualifiziert und arbeiten z.B. mit einer Ausbildung zum Ingenieur als Fahrer für eine NGO, weil sie als solcher mehr verdienen als in ihrem Herkunftsberuf (Casey 2016a). Die Führungsstruktur vieler dieser ausländisch geführten Organisationen entsprechen einem ähnlichen globalen Modell. Sie sind meistens von einem board of directors geleitet, welches einem Präsidenten oder einer Präsidentin untersteht. Diese/r wird im Regelfall von den Mitgliedern gewählt. Die Belegschaft besteht sowohl aus fest angestellten als auch ehrenamtlichen Personen, wobei die Ehrenamtlichen häufig für routinierte zeitintensive Tätigkeiten eingesetzt werden. Parallel gibt es häufig Komitees, die sich mit spezialisierten Aufgaben befassen. Insgesamt kann von einem streng demokratischen Gleichheitsprinzip gesprochen werden, das sich in Wahlen, niedrigen Hierarchiestufen, etc. zeigt. Dies ist selbst der Fall bei NGOs, die nicht in westlichen Ländern, sondern direkt vor Ort gegründet wurden. In diesen Ländern ist auch ein stärkeres Wachstum der Organisationen und der Mitarbeiter/innenzahl zu verzeichnen, als in westlichen. Dennoch bleiben die oben genannten Strukturen weiter bestehen, so auch häufig die Verwendung europäischer Sprachen, die innerhalb der NGOs gesprochen werden (Footitt, Crack, und Hayman 2014).
Das Management der NGOs ist erfolgreich darin, Finanzströme aus dem Ausland zu akquirieren und an Partnerorganisationen in den jeweiligen Entwicklungsländern weiterzuleiten. Vor allem deshalb besteht in Entwicklungsländern eine hohe Präsenz von ausländischen Organisationen sowie eine überaus hohe Bedeutung des ausländischen Geldes für die lokalen Organisationen. Mehrere Forschungsarbeiten über den NGO-Sektor in Afrika (Shivji 2006; Wallace 2003; Williamson und Rodd 2016) sowie in Südostasien (Khieng 2014; Khieng und Dahles 2015b) beschäftigen sich daher mit der Bedeutung und den Folgen der Ressourcenabhängigkeit für lokale und internationale NGOs. Das bedeutet für sie eine erhöhte Unsicherheit und Instabilität, da jegliche Planung von den Geldgebern abhängt. Neben den regulären Aktivitäten müssen NGOs aus Kambodscha, Thailand und den Philippinen laut einer Arbeit von Parks (2008) außerdem ihre Legitimität bekräftigen, um ihr Überleben zu sichern.
Khieng (2014) baut mit ihrer landesweiten Befragung von NGOs im Zeitraum von 2006 bis 2016 auf diesen Ansatz auf und beschreibt die Herausforderungen für NGOs, finanzielle Sicherheit zu erlangen. Daraus resultierend entwickeln kambodschanische NGOs verschiedene Strategien der Fördermittelakquirierung. In einer darauf aufbauenden Studie zusammen mit Dahles (Khieng und Dahles 2015a) analysieren die Autorinnen die Strategie der kommerziellen Finanzierung von NGOs, die bislang noch so gut wie gar nicht wissenschaftlich untersucht wurde. Diese immer stärker verbreitete Methode stellt sich als Stabilisator für viele NGOs heraus, wenngleich negative Effekte auf die soziale Mission der Organisation zu verzeichnen sind. Mit Einbezug des Ressourcenabhängigkeitsansatzes zeigen die Autorinnen in einer weiteren empirischen Mixed-Methods-Studie außerdem die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels bei lokalen NGOs von der externen Kontrolle hin zur lokalen Einbindung und erhöhten Autonomie (Khieng und Dahles 2015b). Damit verbunden zeigen sich weiterführend politische Auswirkungen für die Regulierung der Geschäftstätigkeiten der NGOs. Bestätigt wird die Notwendigkeit eines Strategiewechsels angesichts der Ergebnisse von Suárez‘ und Marshalls (2014) quantitativer Evaluation, wonach internationale NGOs über eine höhere Ressourcenkapazität als lokale NGOs verfügen.
Es wird von verschiedenen Seiten Kritik an NGOs vorgebracht. Zum einen ergibt sich durch die Finanzierung aus dem Ausland eine Rechenschaftspflicht gegenüber den ausländischen Regierungen und nicht den nationalen. Insbesondere politisch schwachen Staaten gelingt es daher nicht, den Sektor zu regulieren, weshalb dies in solchen Fällen durch die UNO übernommen wird (Casey 2016a). Accountability kann aber auch aus anderen Gründen zu Schwierigkeiten führen. Zusagen für Finanzierungen hängen zumeist von Transparenz ab. In Entwicklungsländern fehlt jedoch oft die Infrastruktur, um diese Transparenz zu gewährleisten bzw. sie könnte zu einer Gefahr für die Organisation werden, wenn dadurch bekannt würde, über welches Kontingent eine Organisation verfügt, da sie so anfällig für Verbrechen werden könnte (ebd.).
Weiter weckt das Ziel von NGOs, Veränderung in ihrem jeweiligen Aktivitätsbereich herbeizuführen, den Wunsch, eine wichtige Rolle in der Politik und für die Demokratisierung des Landes zu spielen, was vielfach mit den Interessen der nationalen Regierung kollidiert (Roelofs 2006). Aus Angst, dass NGOs fremde Werte und Interessen vertreten, die mit denen der Regierung nicht übereinstimmen, versucht diese, die Aktivitäten der NGOs zu verhindern bzw. die Mitarbeiter/innen zu bekämpfen. Darüber hinaus würden internationale Organisationen die Entwicklung einer lokalen Zivilgesellschaft und die Entstehung politischer Initiativen hemmen, die sonst auf ganz eigene Weise die Situation in ihrem Land verbessern könnten (Banks und Hulme 2012; Taylor u. a. 2009). Die Kritik kommt aber auch von Seiten der lokalen Grassroots-Initiativen, da professionalisierte Organisationen extern finanziert und daher auch von den lokalen Eliten bevorzugt werden, wohingegen der informelle Sektor, bestehend aus Clans, Familien, Dörfern, Kasten, Sprachengruppen, etc. diesen Zugang nicht haben. Aufgrund des professionellen Auftretens und der internationalen Bindungen verfügen solche Organisationen über die Sprache der Geldgeber und können daher auf internationaler Ebene effektiver agieren. Kritisch wird vor allem die große Distanz zur Leistungsgruppe gesehen, die von den professionellen Organisationen vertreten wird, ohne dass die Bedürfnisse dieser Menschengruppen wirklich bekannt sind (Casey 2016a). Dazu müssten auch die Armen eher als Rechteinhaber denn als Leistungsempfänger gesehen werden, die selbst entscheiden dürften, wie die Hilfsprogramme aussehen (Suleiman 2013; Tanaka 2011). Das Dilemma, dem NGOs jedoch unterworfen sind, zeigt sich unter anderem an der Beziehung zu den den Sektor dominierenden Leitern. Diese steuern den Sektor, indem sie Netzwerke von Organisationen schaffen. Der Zugang zu solchen Netzwerken kann überlebenswichtig sein und drängt daher auch Organisationen, die eigentlich autonom agieren wollen, in sie hinein (Hyden 2010).
Noch stark vom politischen Antrieb ausländischer Regierungen geprägt, beschäftigt sich einer der frühen Beiträge mit der Beziehung zwischen NGOs und Regierungen in Asien, um die Bedingungen für das Wachstum von NGOs zu verbessern (Heyzer, Riker, und Quizon 1995). In den 2000ern gerät Kambodscha stärker in den Fokus der Wissenschaft, wenngleich es auch bis heute ein Randthema in der NGO-Forschung bleibt. Da zivilgesellschaftliches Engagement lange kaum möglich war, fordern Ollier und Winter (2006) anhand einer Reihe von empirischen Untersuchungen durch einheimische Wissenschaftler/innen aus Kambodscha, den Fokus auf die sozialen und kulturellen Qualitäten des Landes zu legen. Malena und Chhim (2009) unterstützen die Herangehensweise und veröffentlichten eine Studie, in der sie die Rolle der Zivilgesellschaft mit ihren Bürgern und Organisationen hervorheben. Etwas pessimistischer aufgrund der politischen Monotonie versucht Gemzell (2017) dem Sektor Strategien aufzuzeigen, die er in einer empirischen Studie vor Ort eruierte, mit denen die Zivilgesellschaft sich gegen demokratische Beschneidungen und für ihre Ziele einsetzen kann.
Nicht zuletzt spielt die Weltkultur bei den bisherigen, aber auch in weiteren Untersuchungen eine wichtige Rolle. In einem Buch beschreiben Lechner und Boli (2008) verschiedene „social arenas“ (ebd.:234), in denen sich die Weltkultur bereits manifestiert habe und demzufolge unumkehrbar sei. Die Strukturierung finde in Organisationen und Institution statt, die auf internationaler Ebene operierten. Von besonderer Wichtigkeit seien dafür NGOs:
„[NGOs] explicitly take their world as their arena of discourse and action, debating and revising and advocating – and often resisting – particular elements or segments of world culture. They also embody a wide array of world-culture elements in their own structures, activities and goals.“ (ebd.:234f.)
Zwar spielen auch weitere international agierende Akteure eine Rolle als Entwickler der Weltkultur, wichtiger für die Ausbreitung der Weltkultur seien jedoch nationale und lokale Organisationen und Institutionen, in denen Elemente der Weltkultur eingebettet seien (Lechner und Boli 2008). In einem weiteren Sammelband von Meyers Beiträgen zur Weltgesellschaft (Krücken 2005) werden verschiedene Ansätze der Weltkultur beschrieben, die die Verbreitung der Weltkultur in alle Länder erklären. Robertson entwickelt den Ansatz der Weltkultur weiter und prägt damit den Begriff des „globalen Feldes“ (Dürrschmidt 2011; Robertson und Khondker 1998; Robertson und Lechner 1985). Er wirbt für ein Verständnis von Globalisierung – und damit ist dieses auch auf die Entwicklung der globalen Zivilgesellschaft anwendbar – in dem „universelle Werte und Artefakte im Kontext lokaler und lebensweltlicher Gemeinschaften“ einerseits angeeignet als auch „lokale und regionale Werte und Identitätsformen in einer globalen Arena andererseits“ (Dürrschmidt 2004:54) verteidigt werden sollten. Damit findet eine Weiterleitung zum Konzept der Glokalisierung statt (Robertson 1998, 2014). Noch gibt es nicht viele Arbeiten über die Glokalisierung in der Zivilgesellschaft. In einer Studie von Frank, Longhofer und Schofer (2007) z.B. stellen die Autoren den Einfluss von globalen Umweltschutzbestrebungen auf die Aktivitäten lokaler asiatischer Umwelt-NGOs fest, wodurch sie die lokalen NGOs eher als „products of world society“ (Frank u. a. 2007:275) denn als unabhängige Akteure erkennen, die die Politik ihres Landes mitbestimmen. Ähnlich argumentiert Davy (2013), die infolge von qualitativen Experteninterviews die Bestrebungen von Advocacy-NGOs in Kambodscha und Thailand als Ausführungen der Ziele internationaler Hilfsorganisationen bezeichnet. Damit würde eine Globalisierung „von unten“ stattfinden. Djelic (2014) bezieht sich in ihrem Beitrag zum Sammelband von Drori et al. (2014) auf die Dynamik der Glokalisierung in Afrika, allerdings nicht in Bezug auf die Zivilgesellschaft. Etwas mehr Bezug hat der Beitrag von Hong und Song (2010), die die Praktiken sozialer Arbeit in Staaten aufgreift, die ihrer Verantwortung in der Versorgung der Bevölkerung nicht nachkommen. Die Autoren fordern ein stärkeres Wachstum der globalen Zivilgesellschaft, das von der Bildung eines globalen sozialpolitischen Systems begleitet wird. „Thinking globally and acting locally“ ist nicht nur in diesem Beitrag zum Slogan geworden (Lyons 2006). Eine genauere Erforschung über die Bedeutung der Glokalisierung für die Zivilgesellschaft ist erforderlich, um die aktuellen Entwicklungen, die weltweit und vor allem in Entwicklungsländern stattfinden, besser zu verstehen.
2.2 Entwicklung einer internationalen Zivilgesellschaft durch NGOs
In den letzten drei bis vier Jahrzehnten stieg das Forschungsinteresse für zivilgesellschaftliche Organisationen vor allem in den westlichen Ländern rapide an. Dies liegt zum großen Teil am starken Anstieg der Anzahl von NGOs in Ländern auf der ganzen Welt (Casey 2016a; Laurett und Ferreira 2018; Salamon und Anheier 1998). Unter verschiedenen Blickwinkeln näherten sich Wissenschaftlicher dem globalen NGO-Sektor an. Salamon und Anheier (1998) vergleichen in einer Studie verschiedene Theorien, um die Unterschiede in der Entwicklung des Sektors in den unterschiedlichen Ländern zu erklären und entwickeln dabei den „social origins approach“. Eine umfassende Analyse des Sektors legt Casey (2016b) anhand verschiedener Fallstudien vor, um den Einfluss von NGOs auf die nationalen Gesellschaften zu erklären. Meyer und Bromley (2013) versuchen eine institutionelle Erklärung für die globale Ausweitung von Organisationen zu finden und argumentieren, dass kulturelle Rationalitätsmythen ihren Weg über eine staatenlose und liberal globale Gesellschaft (Weltkultur) finden. Sie bauen damit auf die von Robertson (1998, 2014; Robertson und Khondker 1998; Robertson und Lechner 1985) ins Feld geführte Glokalisierungstheorie auf. Robertson vertritt anhand umfassender Literaturarbeit die These, dass NGOs im Zuge der Globalisierung zwar eigene kulturelle Einflüsse mitbringen, diese aber aus ökonomischen Gründen an lokale kulturelle Gegebenheiten anpassen. Dies widerspricht dem Ansatz Meyers und Rowans (1977), dass NGOs ihre Normen und Werte anderen ungefragt und vollständig überstülpen und auf diese Weise nicht nur westliche Organisationsstrukturen, sondern die die dort geltende Kultur2 verbreitet würden. Vielmehr entstehe auf diese Weise ein eigenes organisationales Feld, in dem die darin operierenden Organisationen sich hinsichtlich ihrer Strukturen und Praktiken angleichen (Bromley, Hwang, und Powell 2012; DiMaggio und Powell 1983). Bekräftigt wird diese These durch eine umfassende Studie von Boli und Thomas (1997), die einen Datensatz von 6.000 NGOs hinsichtlich des Einflusses auf die Gestaltung einer Weltkultur analysierten. Im Fokus der Analyse stehen vor allem die Strukturen und Ziele der Organisationen. Weitere Studien wenden den Weltkulturansatz auf einzelne Bereiche des NGO-Sektors an, z.B. beim Einfluss von NGOs auf den „Voluntourismus“3 (Soulard und McGehee 2017), oder auf internationale soziale Regulierung (Lipschutz 2004) sowie bei der Beziehung zwischen NGOs und Behörden (Edwards, Hulme, und Wallace 1999).
Ein weiterer Forschungsstrang untersucht die Auswirkungen der Ressourcenabhängigkeit auf Organisationen. Pfeffer und Salancik (2003) entwickelten diesen Ansatz ausschlaggebend und untersuchten in ihrem Buch wie externe Einschränkungen Organisationen betreffen und wie diese damit umgehen. Froelich (1999) vergleicht in einer Literaturarbeit den Effekt von drei Strategien – private Spenden, staatliche Förderung und kommerzielle Aktivitäten – auf NGOs. Diese und weitere Strategien und die Bemühungen um Unabhängigkeit von NGOs werden später in der empirischen Studie über internationale NGOs mit Sitz in den USA von Mitchell (2012) untersucht. Erste Untersuchungen zeigen, dass die zunehmende Kommerzialisierung unter gemeinnützigen Organisationen die finanzielle Abhängigkeit von gemeinnützigen Spenden auf selbst erwirtschaftete Einkünfte durch sozialunternehmerische Vorhaben verlagert. Die Teilnahme an solchen unternehmerischen Praktiken mit dem Ziel der sozialen und finanziellen Nachhaltigkeit führe langfristig dazu, dass sich die Ziele, Motive, Methoden, Einkommensverteilung sowie die Governance-Komponente verändern würde und schließlich der soziale Auftrag der untersuchten NGOs darunter leide (Khieng und Dahles 2015a). In einer weiteren Arbeit der Autoren zeigen sich die Folgen der Ressourcenabhängigkeit von ausländischer Hilfeleistung, wie die Unberechenbarkeit der Finanzierung, eine Zielverlagerung, eine geringere organisationale Autonomie und eine Rechenschaft nach dem Top-Down-Prinzip. Die Entscheidung für kommerzielle Aktivitäten schaffe zwar mehr finanzielle Sicherheit, berge jedoch die Gefahr eines Abdriftens der Mission (Khieng und Dahles 2015b). Der zivilgesellschaftliche Sektor von Phnom Penh wird in dieser Arbeit in den globalen NGO-Sektor eingeordnet. Diese Annahme wird anhand des theoretischen Rahmens im folgenden Kapitel hergeleitet.
3 Theoretische Grundlagen
3.1 Relevante Kernkonzepte des Neoinstitutionalismus
Das Konzept des Neoinstitutionalismus dient vielen wissenschaftlichen Untersuchungen als theoretisches Konzept, wenn Organisationen formale Strukturangleichungen aufweisen. Auch diese Arbeit bedient sich dieser Organisationstheorie, um zu erklären, warum NGOs in Kambodscha sich in ihrer Formalstruktur nicht wesentlich von NGOs in Europa oder den USA unterscheiden. Mit dieser Arbeit reihe ich mich damit in die Argumentation von Meyer/Rowan (1977) ein, dass das Effizienzprinzip allein nicht (mehr) Ursache für die Übernahme ähnlicher formaler Organisationspraktiken ist, sondern vielmehr Legitimität. Besonders NGOs sehen sich den unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Erwartungen ihrer Stakeholder gegenübergestellt, z.B. wie die Organisation gestaltet werden soll und welche Aufgaben und Ziele ihr zukommen (Anheier und Hawkes 2008:126f.; Brown und Moore 2001:2). Um Zugang zu überlebensnotwendigen Ressourcen zu er- und behalten, die die Stakeholder anbieten, seien NGOs auf die von ihnen vorbehaltene Legitimation angewiesen (Meyer und Rowan 1977). Je mehr eine Organisation den Erwartungen ihrer institutionellen Umwelt entspricht – auch in Bereichen, die eigentlich nicht zu ihrem Hauptgeschäft zählen – , desto höher der Grad an Legitimität, der der Organisation zukomme und umso mehr Ressourcen erhalte sie, mit denen sie ihr Überleben sichert (ebd.).
Da der Erfolg gemäß der Argumentationslinie von der Adaption institutionalisierter Regeln abhängt, sehen sich Organisationen mit zwei Problemen konfrontiert: Erstens könne sich ein Konflikt zwischen den aufgabenbedingten Anforderungen und Effizienzerfordernissen, denen die Organisation genügen muss, mit den Bemühungen der Organisation, den institutionalen Regeln der Produktion zu entsprechen, ergeben. Zweitens können die institutionalisierten Regeln und Rationalitätsmythen in unterschiedlichen Umweltbereichen der Organisation entstanden sein und somit im Widerspruch zueinanderstehen (ebd.). Meyer/Rowan präsentieren schließlich Entkoppelung („ decoupling “) der formalen Struktur von den tatsächlichen Organisationsaktivitäten als eine Lösung für dieses Dilemma (ebd.). Dies kann etwa so aussehen, dass Organisationen bestimmte anerkannte Formen der Messbarkeit und Auswertung ihrer Aktivitäten wie Monitoring and Evaluation (M&E) anwenden, auch wenn dies der Effizienz der Organisation nicht zuträglich ist. Durch derlei Praktiken gelinge es der Organisation, den Schein einer legitimen formalen Struktur zu wahren, sich vor Konflikten zu schützen und sich die fortlaufende Unterstützung ihrer Stakeholder zu sichern (ebd.). Neben der Legitimität und der Entkoppelung ist auch der Begriff des „organisationalen Feldes“ von Bedeutung, der bei DiMaggio und Powell (1983) und Scott (1991) zur Sprache kommt. Damit ist eine Gruppe von Organisationen gemeint, die in ein gemeinsames Sinnsystem eingebunden ist und dadurch aufeinander bezogene Handlungen und gemeinsame Regulationsmechanismen erkennbar werden (Walgenbach und Meyer 2008). Oder wie DiMaggio und Powell spezifizieren: „key suppliers, resource and product consumers, regulatory agencies, and other organizations that produce similar services or products“ (DiMaggio und Powell 1983:148). Organisationale Felder bestehen erst, wenn sie institutionell definiert sind. Dies ergibt sich durch eine zunehmende Interaktionen zwischen Organisation und Feld, der Herausbildung von Verhältnissen der Über- und Unterordnung sowie der Koalition zwischen Organisation und Feld. Weiterhin ist ein Anwachsen der Informationslast erkennbar, die die Organisation im Feld bewältigen muss und die Organisation bildet ein Bewusstsein heraus, dass sie in das gemeinsame Feld eingebunden ist und sich das gemeinsame Deutungssystem zu eigen gemacht hat (Walgenbach und Meyer 2008). Zu beachten ist dabei, dass Organisationen, die sich in einem strukturierten Feld bewegen, auf eine Umwelt reagieren, die sich wiederum aus Organisationen zusammensetzt, die ebenfalls auf eine Umwelt reagieren, welche aus Reaktionen von Organisationen besteht. Dadurch haben Organisationen eine Umwelt geschaffen, die selbst nicht mehr stark wandelbar ist. Organisationen verändern sich zwar weiterhin, jedoch immer nur innerhalb des gesetzten Rahmens des strukturierten Feldes. Unterschiede werden reduziert, die Organisationen orientieren sich aneinander und gleichen sich daher an (DiMaggio und Powell 1983; Walgenbach und Meyer 2008).
Im Folgenden soll näher auf die genannten drei Kernkonzepte des Neoinstitutionalismus – dem organisationalen Feld, der Legitimität und der losen Koppelung – eingegangen werden. Anschließend wird auf die Ressourcenabhängigkeit internationaler NGOs in Entwicklungsländern von ihren Stakeholdern eingegangen.
3.1.1 Das organisationale Feld internationaler NGOs
Gemäß der neoinstitutionalistischen Theorie bilden sich isomorphe, gleichförmige Organisationsstrukturen und -praktiken in organisationale Felder aus (DiMaggio und Powell 1983). Aber nicht jeder lose Zusammenschluss von Organisationen umschreibt demnach auch gleich ein organisationales Feld, denn ein solches muss institutionell definiert sein. Erkennbar wird dies an vier Faktoren:
(1) die Organisationen stehen in einem kontinuierlich zunehmenden Austausch untereinander,
(2) interorganisationale Herrschaftsstrukturen und Koalitionsmuster werden eindeutiger definiert,
(3) das Informationsaufkommen nimmt zu, das Organisationen innerhalb des Feldes verarbeiten und berücksichtigen müssen und
(4) die wechselseitige Wahrnehmung unter den teilnehmenden Organisationen steigt (ebd.).
Tendenziell sei mit zunehmender Strukturierung eine zunehmende Isomorphie zu beobachten (ebd.). Inwieweit institutionalisierte Strukturelemente und Managementpraktiken überhaupt wirken, hängt auch vom Grad der Institutionalisierung dieser Elemente ab. Je geringer der Institutionalisierungsgrad ist, desto schneller verlieren die Konzepte – oder auch Rationalitätsmythen – an Relevanz (Davidow und Dacin 1997). Weiterhin schreiben Managementpraktiken keine eindeutige Form der Umsetzung vor, sondern sind offen für Interpretationen durch die Organisationen (Westphal, Gulati, und Shortell 1997). Ein weiteres Einflusskriterium ist der Staat. Je ausgedehnter staatliche Strukturen und der Einfluss solcher auf das organisationale Feld sind, desto weniger Autonomie und Macht wird in die Strukturen übertragen, die formal außerhalb des Staatsapparates angesiedelt sind (Walgenbach und Meyer 2008). Entscheidend ist laut DiMaggio und Powell (1983) aber auch das Ausmaß des Bewusstseins der Organisationen über ihre Partizipation in einem organisationalen Feld. Steigt dieses, nimmt auch die Interaktion zwischen den Organisationen zu. Insgesamt schlussfolgern die Autoren deshalb dass das Ausmaß der Strukturangleichung umso größer ist, je höher der Grad der Strukturierung des Feldes ist (Walgenbach und Meyer 2008). Trotz einer möglichen geographischen Distanz können also organisationale Felder vorliegen (Wilkesmann 2009), die sich wechselseitig beeinflussen. Laut Meyer und Rowan (1977) gleichen sich Organisationen innerhalb eines Feldes in ihrer Organisationsstruktur aneinander an.
In einer weiteren These Robertsons (1998) wirken das lokale und das globale Feld aufeinander, sodass ein neues glokales Feld entsteht (Drori u. a. 2014; Schkoda 2004). Zu beachten ist bei diesem Ansatz die Tatsache, dass die Vorstellung des Lokalen selbst mitunter ein konstruiertes Konzept ist, das durch die Globalität beeinflusst ist (Robertson 1998). Um über Glokalisierung zu sprechen, muss zunächst das allgemeine Verständnis von Globalisierung betrachtet werden. Dabei handelt es sich, entgegen der weitverbreiteten Vorstellung nicht um einen homogenen Prozess, durch den sich alle Kulturen gleichsam verändern. Vielmehr geschieht der Veränderungsprozess in den unterschiedlichen Teilen der Welt auf ganz individuelle Weise, die mal mehr und mal weniger sichtbar ist und sich ebenso ungleich äußert und Einfluss auf ihre Umwelt nimmt (Ahrne und Brunsson 2014). Die Autoren (2014) weisen darauf hin, dass es viele unangepasste Formen des Lokalen gibt, die zeigen, dass das Lokale und das Globale nach wie vor im Konflikt miteinander stehen können. In der Wissenschaft herrschten lange Zeit zwei Sichtweisen auf die Globalisierung vor. Bei der ersten, positiven führt Globalisierung zur Vereinheitlichung der Welt. Sie besagt, dass mehr internationale Kollaborationen entstehen und aufgrund der größeren Ähnlichkeit ethnische Konflikte reduziert werden, da die Kulturen sich mehr Anerkennung entgegenbringen. Eine zweite Erzählung ist weniger optimistisch und definiert Globalisierung als einen „zerstörerischen Prozess, durch den die lokale Ökonomie geschädigt, die Souveränität der Staaten untergraben und mehr Arbeitslosigkeit und Armut produziert würden (u.a. Hong und Song 2010)“. Auf die zweite Sichtweise bezieht sich Robertsons Kritik, wenn er betont, dass „[v]ieles, was bisher über Globalisierung zu hören war, [...] tendenziell davon aus[geht], daß es sich dabei um einen sich über Lokales hinwegsetzenden Prozeß handelt, und zwar selbst über Lokales von der Größenordnung ethnischer Nationalismen, die scheinbar in den letzten Jahren in verschiedenen Teilen der Welt aufgekommen sind. Diese Interpretation vernachlässigt zweierlei: zunächst die Tatsache, daß das sogenannte Lokale zu einem großen Maß auf trans- oder super-lokaler Ebene gestaltet wird. Anders ausgedrückt, geschieht ein Großteil der Förderung des Lokalen in Wirklichkeit von oben oder außen. Bei vielem, was als lokal bezeichnet wird, hat man es tatsächlich mit einem von verallgemeinerten Vorstellungen von Lokalität überformtem Lokalen zu tun.“ (Robertson 1998:193; Hervorhebungen durch die Autorin)
Nun ist es aber nicht so, dass sich mit der Verbreitung von NGOs der lokale Zivilgesellschaftssektor sofort verändert und fremde Strukturen unverändert übernommen werden. Damit sich Ideen und Modelle auch „horizontal“ über Grenzen von Regionen, Sektoren, Feldern und Organisationen bewegen, muss der Theorie zufolge zum einen eine Gleichwertigkeit zwischen den unterschiedlichen Feldern konstruiert werden, die über die unterschiedlichen Einheiten hinweg bestehen bleibt und in Theorien etabliert wird (Drori u. a. 2014). Das erfordert von den NGOs, die neu in einen anderen Sektor kommen, den Verzicht auf Überlegenheit. Nur eine demütige, lernende Haltung öffnet den Pfad für die Adaption, da die Vorteile des Gegenübers anerkannt und wertgeschätzt werden müssen, damit dieser bereit ist, das neu eingebrachte zuzulassen. Zum anderen müssen die theoretisierten Modelle und Ideen übersetzt und an die lokalen Bedingungen angepasst werden, damit sie dort Anwendung finden (ebd.). Fehlt die Theoretisierung und werden Konzepte nur kopiert, besteht die Gefahr, dass sie sich nicht durchsetzen (ebd.). Eine weitere Art des lokalen Sektors, neben der Kopie, auf die neuen Einflüsse zu reagieren, können Ablehnung, wodurch ein Wettbewerbsnachteil entstehen kann, oder die Übernahme von Standards sein.
Der zweite Punkt behandelt die allgemeine Vorstellung davon, was das „Lokale“ ist. In einer Welt, die bereits zum Zeitpunkt der Jahrtausendwende derart globalisiert war (Robertson 1998) – Tendenz zunehmend – , bedingen sich das Lokale und das Globale zwar, allerdings ist das Lokale inzwischen durch eigene Skripte konstruiert, die von globalen Mächten gestaltet sind (Drori u. a. 2014). Das Globale ist schließlich eine Ansammlung eben jeder zuvor konstruierter Ideen, Praktiken, Verhalten und Geschmäcker. Oder wie Robertson sagt: "The local is a global phenomenon" (Robertson und Khondker 1998:30). Zu beachten sind dabei auch Schlüsselfiguren, die als agentenhafte Akteure (Meyer und Jepperson 2005) besonderen Einfluss auf die Entwicklung und Verbreitung solcher Konzepte nehmen. Gerade Experten und Fachkräfte mit einem universalisierten Wissen und Theorien können Tür und Tor für die Glokalisierung öffnen. Solche Schlüsselfiguren fungieren als Träger institutioneller Ideen und finden sich in Organisationen und in deren Management, aber auch an Universitäten, wo sie direkt Einfluss auf lokale Akteure nehmen. Damit sind sie aber auch gleichzeitig an der Entwicklung dessen beteiligt sind, was anschließend wieder als lokal bewertet wird (Drori u. a. 2014). Aber nicht nur einzelne Personen, sondern auch Organisationen können als solche agieren. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Lokale sowie das Globale zwei Prozesse sind, die einen starken wechselseitigen Einfluss aufeinander ausüben, ohne dabei zwingend gegenläufig zu wirken. Vielmehr entsteht das, was im folgenden Zitat deutlich herauskommt:
„Therefore, rather than global and local standing in dialectic opposition to each other, and rather than seeing globalization and localization as complementary process, glocalization touches imbued meanings: global models instill agency into empowered locals, who in turn enact and thus reinforce such global scripts. The co-organization of global and local per se does not imply conflict or crisis.” (ebd.:6)
Ob sich ein glokales Feld herausgebildet hat, soll in Bezug auf den NGO-Sektor von Phnom Penh überprüft werden.
Um auf einen weiteren Aspekt bezüglich der Globalität des Feldes einzugehen, greife ich in dieser Arbeit auf das Konzept der Weltkultur nach Meyer (1987; 1997) zurück, das eine Weiterentwicklung des neoinstitutionalistischen Ansatzes ist. Demzufolge argumentieren Meyer und Rowan (1977), dass westlich geprägte Rationalitätsmythen, Prinzipien und Modelle von internationalen Organisationen globale Akzeptanz erfahren, indem sie weitestgehend unhinterfragt übernommen werden. Erkennbar wird dies daran, dass Definitionen, Prinzipien und Ausrichtungen in verschiedenen Teilen der Welt auf ähnliche Weise kognitiv konstruiert werden. So bestimmen sie global das Denken und das Verhalten von sozialen Akteuren (Boli und Thomas 1997). Eingebettet ist die Weltkultur, wie alle anderen Kulturen, in soziale Organisationen, die auf einem globalen Level operieren (ebd.). Grundprinzipien von NGOs sind Universalismus, Individualismus, rationale Autorität der Zivilgesellschaft und rationaler Fortschrittsglaube. Die genannten Prinzipien fördern allesamt eine einheitliche Weltenbürgerschaft. Indem NGOs diese Prinzipien repräsentieren, tragen sie dazu bei, diese in den Ländern durchzusetzen, in denen sie operieren (ebd.). Die Prinzipien können Gestalt in den Zielen der NGOs nehmen, die Ideen der Menschenrechte zu verbreiten. Einfluss nehmen sie neben ihren alltäglichen Operationen auch auf Staaten durch die Vergabe von Siegeln (z.B. Safe Child Organization) und Normen (z.B. ISO-Norm), die letztlich als rationale Standards gelten und von Staaten übernommen werden (ebd.). Die WeltkulturTheorie ordnet sich auch in die Argumentationslogik des globalen organisationalen Feldes ein. Dementsprechend finde sich Vertretern dieser Sichtweise nach unter den NGOs eine einheitliche Kultur, die sich am gleichen „set of fundamental principles and models, mainly ontological and cognitive in character, defining the nature and purposes of social actors and action“ orientiert (ebd.:172). Der repräsentativen Studie der Autoren über die Verbreitung der Weltkultur infolge des Wachstums internationaler NGOs zufolge, erweist sich die Weltkultur ontologisch in sozialen, vor allem auf globaler Ebene operierenden Organisation. Entsprechend dem neoinstitutionalistischen Gedanken dienen diese institutionalisierten Konzepte nicht nur der Orientierung für Organisationen, sie konstruieren auch die „agentenhaften“ Akteure, nämlich Individuen, Organisationen und Nationalstaaten (Meyer und Jepperson 2005:48f.), sowie insgesamt die soziale Realität (Boli und Thomas 1997). Länder, die sich in diesen globalen Netzwerken bewegen, tendieren dazu, gültige Modelle der westlich geprägten Weltkultur und Standards für Organisationen und Verhaltensweisen zu übernehmen (Meyer u. a. 1997). Es finden sich in der Folge ähnliche Konzepte wie Nationalstaaten, Menschenrechte oder ein Bildungssystem in ansonsten kulturell völlig unterschiedlichen Ländern (Boli und Thomas 1997) wie Kambodscha und Deutschland.
Ein organisationales Feld liegt also dann vor, wenn sich die Organisationen in einem zunehmenden Austausch mit einander befinden, die interorganisationalen Herrschaftsstrukturen und Koalitionsmuster eindeutiger definiert werden, das Informationsaufkommen unter den Organisationen zunimmt und zunehmend berücksichtigt wird sowie die gegenseitige Wahrnehmung unter den teilnehmenden Organisationen steigt. In organisationalen Feldern ist deshalb eine zunehmende Isomorphie unter den Organisationen zu beobachten, da Rationalitätsmythen aufgrund der Legitimierung der beteiligten Organisationen unhinterfragt voneinander übernommen werden. Dabei spielt die Entfernung, die die Organisationen zueinander haben, keine Rolle, sondern es kann sich auch – wenn die genannten Merkmale vorliegen – über Ländergrenzen hinweg entwickeln. Begegnen sich lokale und globale organisationale Felder, kann sich unter bestimmten Bedingungen auch ein glokales Feld entwickeln, indem sich globale und lokale Merkmale gegenseitig beeinflussen und dadurch etwas Neues kreiert wird. Die Theorie der Weltkultur findet als letzten Aspekt Einzug, um zu erklären, weshalb sich die Organisationsstrukturen zumindest in großen Teilen an westlichen Rationalitätsmythen orientieren. Orientieren sich mehrere Organisationen innerhalb eines organisationalen Feldes an westlichen Rationalitätsmythen, gleichen sich diese in der Folge wiederum an. Die Angleichung geschieht einerseits implizit, andererseits versprechen sich die beteiligten Organisationen durch sie Legitimierung. Dieses Konzept wird im nächsten Kapitel ausführlicher beschrieben.
3.1.2 Legitimität
Wie eingangs erwähnt hängt das Überleben von Organisationen neben materiellen und technischen Ressourcen erheblich von einer durchgängigen kulturellen Bestätigung durch die Umwelt ab (vgl. Scott 1991). Damit Regeln innerhalb von Organisationen institutionalisiert werden können, bedürfen sie der Legitimierung durch die Gesellschaft (vgl. Berger und Luckmann 2004). Wichtig für das Bestehen von Organisationen ist die Korrelation von Stabilität und Legitimität. Ohne Legitimität verliert eine Organisation ihre Grundlage und kann somit (zumindest auf Dauer) nicht weiterbestehen (Boulding 1968; Senge und Hellmann 2006).
Legitimität wird in der Literatur in strategische und institutionelle Ansätze unterteilt (Suchman 1995). Der strategische Ansatz stellt Legitimität als operationale Ressource dar, die im Wettbewerb stehende Organisationen von ihrer kulturellen Umgebung beziehen und dann zur Erreichung ihrer Ziele einsetzen. Vertreter dieses Ansatzes sind vor allem Pfeffer und seine Kollegen, die den Ressourcenabhängigkeitsansatz maßgeblich entwickelt haben, der später in dieser Arbeit zum Tragen kommt (Ashforth und Gibbs 1990; Dowling und Pfeffer 1975). Der Legitimitätsprozess ist deshalb stark an eine hohe Kontrolle durch das Management gebunden, die symbolische Aktivitäten den tatsächlichen Outputs wie Verkäufen, Profit und Budget bevorzugen, wohingegen die Auftraggeber Aktivitäten von echter Bedeutung bevorzugen. Folglich mündet diese Beziehung häufig in einen Konflikt über die Art der Legitimationsaktivitäten.
Organisationen reagieren in der Regel auf die Erwartungen, die sie von ihrem Umfeld an sich wahrnehmen, indem sie Veränderungen in ihrer Organisationsstruktur vornehmen. Das Ziel ist dabei jedoch nicht die Effizienzsteigerung, sondern Legitimitätsgewinnung (Senge und Hellmann 2006). Die von Meyer und Rowan (1977) eingeführte Entkoppelungsthese wird von DiMaggio und Powell aufgegriffen, um die Angleichungsbestrebungen von Organisationen und die damit verbundenen Differenzen zwischen Innen- und Außenverhalten zu erklären. Legitimitätsgewinnung rechtfertigt somit das Vortäuschen von organisationalem Handeln, auch wenn diese letztlich gar nicht, bzw. anders durchgeführt wird (Senge und Hellmann 2006).
Organisationen sind den Autoren zufolge also bereit, große Anstrengungen auf sich zu nehmen, um Legitimität zu erreichen. Suchman (1995) geht daher noch einmal darauf ein, was Organisationen sich dadurch erhoffen. Neben der Stabilität erhöht Legitimität auch die Verstehbarkeit von organisationalem Handeln. Sie führt zu mehr Beständigkeit, da die Stakeholder Ressourcen eher solchen Organisationen vorhalten, die stabil und somit erstrebenswert wirken (Parsons 1960). Wird Organisationen Legitimität zugesprochen, erwecken diese den Anschein, dass sie in ein System von institutionalisierten Überzeugungen und Handlungsskripten eingebettet sind (Suchman 1995). Diese Phase garantiert den Organisationen erst einmal Sicherheit, da sie für die Legitimitätsgewinnung nichts weiter zu tun brauchen. Weiterhin bestimmt Legitimität nicht nur das Verhalten von Akteuren gegenüber den Organisationen, sondern auch ihren Blick auf sie. Legitime Organisationen wirken bedeutungsvoller, berechenbarer und vertrauenswürdiger (ebd.). "Organizations that [...] lack acceptable legitimated accounts of their activities [...] are more vulnerable to claims that they are negligent, irrational or unnecessary" (ebd.:575). Legitimierung ist somit erheblich und erfordert den aktiven Einsatz des Führungspersonals (ebd.).
Legitimität sichert internationalen NGOs das Überleben (Grønbjerg 1993). Letztlich kann man von einem abwärts gerichteten Prozess sprechen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 Der abwärts gerichtete Entwicklung für NGOs mit fehlender Legitimität (eigene Darstellung)
Doch bevor ich auf den Verlust der Legitimität und den Umgang internationaler NGOs damit eingehe, wird die Bedeutung der Legitimität für solche Organisationen noch einmal deutlich gemacht. Wird eine NGO als legitim bezeichnet, meinen Edwards und Hulme (1996) damit, dass sie einen Bezug zu den lokalen Grassroots-Organisationen hat, sich anwaltschaftlich für die Interessen ihrer Zielgruppe einsetzt, ihren Stakeholdern gegenüber rechenschaftspflichtig ist, autonom und damit frei von äußeren Zwängen agiert, innovativ und experimentierfreudig sowie effektiv in der Erreichung ihrer Ziele arbeitet. Doch tatsächliche Legitimität zu erreichen, ist i.d.R. nicht so einfach. Organisationen sind nicht unabhängig von ihrer Umwelt (DiMaggio und Powell 1983; Meyer und Rowan 1977; Pfeffer und Salancik 2003) und somit ständigem Druck ausgesetzt, der permanent ihre Legitimität bedroht. So wirken Veränderungen in der Umwelt, wie beispielsweise eine Finanzkrise, Änderungen im Steuerrecht oder soziale Veränderungen massiv auf die NGO ein und fordern eine Anpassung an die jeweiligen Veränderungen, um ihre Legitimität nicht zu verlieren (Grønbjerg 1993). Solche Anpassungen äußern sich in zwangsweisen, normativen und mimetischen Isomorphien (DiMaggio und Powell 1983; Meyer und Rowan 1977). Ersichtlich werde dies z.B. in der Bildung diverser Finanzierungsquellen, da auf diese Weise potentiellen Spendern aufgezeigt würde, dass eine Förderung sich lohne, da ja bereits andere Spender diese Organisation als legitim erachtet haben (Hwang und Powell 2009; Khieng 2014). Im Sektor der internationalen NGOs in Kambodscha äußert sich dies einer Argumentation von Suàrez und Gugerty (2016) zufolge daran, dass immer mehr Organisationen managerhafte Organisationsstrukturen etablieren, da solche den Spendern Kapazität und Rechenschaft signalisiert und somit die Wahrscheinlichkeit für staatlich finanzierte Unterstützung erhöhe. Diese wiederum wirke sich positiv auf die Legitimität der Organisation aus.
Legitimität ist somit von außerordentlicher Wichtigkeit für Organisationen, denn geht die Legitimation durch ein bestimmtes Ereignis, wie z.B. einen Korruptionsfall, verloren, kann dies einen so erheblichen Schaden anrichten, dass es den Niedergang für sie bedeutet. Mit der Legitimitätstheorie wird dies so erklärt, dass Organisationen nachweisen müssen, dass ihr Handeln im Einklang mit geltenden Normen, Überzeugungen und Werten steht (Traxler, Greiling, und Hebesberger 2018). Diese orientieren sich an der jeweiligen Umwelt der Organisation. Entsteht zwischen diesen Normen und dem Handeln der Organisation ein Missverhältnis, führt dies zum Legitimitätsverlust (Cho u. a. 2015; Dowling und Pfeffer 1975). Aufgrund der hohen Anfälligkeit für einen Legitimitätsverlust innerhalb des Sektors, in dem internationale NGOs operieren (Traxler u. a. 2018), verwenden Leiter sehr viel Energie darauf, ihre Legitimität zu erhalten bzw. zu verbessern (Lecy, Schmitz, und Swedlund 2012). Ihre Lösungsstrategien basieren zum einen auf einer erhöhten Transparenz und accountability (Lloyd 2005; Traxler u. a. 2018). Zum anderen ist die Kooperation mit Partnern, durch die Organisationen mit Legitimität versorgt werden, essentiell (Lecy u. a. 2012). Eine weitere Strategie ist ein inneres Kontrollsystem, bei dem Legitimität und Effektivität durch eine kontinuierliche Feedbackschleife verbunden werden. Dies basiert auf der Annahme der Autoren, dass Legitimität aufgrund vergangener Leistung und durch Interaktion mit anderen Organisationen hergestellt wird. Spender beurteilen eine Organisation (auch) nach ihrer Effektivität, welche durch die Messung der Legitimität beurteilt werden kann. Die Leistung wiederum wird entsprechend der Effektivität gewertet (ebd.). NGOs behaupten außerdem, dass ihre Legitimität durch ihre Erfahrungen mit den Leistungsempfängern entsteht und sie dadurch das Recht haben, die Agenden der Politik durch moralische Meinung, öffentliche Unterstützung und Medien mitzubestimmen (Lloyd 2005). Neben dem Effekt, dass eine hohe Anzahl an Spendern Sicherheit für Organisationen bedeuten, dienen sie außerdem als Quelle der Legitimität. Indem Spender erfahren, dass eine Organisation auch durch andere Spender unterstützt wird, sind sie überzeugt vom (Markt-)wert, den die Arbeit für die Gesellschaft hat und sind ebenfalls bereit, die Arbeit zu fördern. Das gleiche gilt für staatliche oder Stiftungsförderungen, da es zeigt, dass die erbrachten Dienstleistungen einen Mehrwert bringen, der sogar die Inanspruchnahme der staatlichen Steuerbehörde rechtfertigt (Grønbjerg 1993).
Die Absicherung der eigenen Legitimität ist auch deshalb so wichtig, weil NGOs seit Mitte der 1990er Jahre in starke Kritik gerieten (Banks und Hulme 2012). Lange Jahre galten Organisationen der Zivilgesellschaft gegenüber Staaten und dem Markt als vielversprechende Alternative. Dies wurde begleitet von einer unkritischen Unterstützung und Bewunderung ihrer Arbeit. Schließlich wurde deutlich, dass NGOs diesen Heilserwartungen nicht gerecht werden konnten (Bebbington 2005; Harsh, Mbatia, und Shrum 2010; Hearn 2007; Srinivas 2009; Vivian 1994). Die Frage nach der gesamtgesellschaftlichen Legitimität kam auf, da deutlich wurde, dass NGOs keine demokratische Ermächtigung und Kontrolle durch das Volk zugesprochen bekommen haben und ihnen somit kein Mandat erteilt wurde (Beisheim 2005). Fälle von Korruption und mangelnder Transparenz sowie Rechtsverstöße einzelner NGOs (ebd.), Abhängigkeit von Geldgebern, Distanz zu Grassroots-Organisationen und zu den Leistungsempfängern rüttelten an der zuvor stabilen Säule der Legitimität. Die Organisationen wurden nicht mehr als repräsentativ, begrenzt in ihrer Effektivität und nicht integer ihren eigentlichen Werten wahrgenommen (Atack 1999). Die Forderung vieler NGOs nach mehr Demokratie werde in den eigenen Reihen nicht umgesetzt, da die Mitglieder nur mangelhafte Mitbestimmungsmöglichkeiten hätten (Beisheim 2005). Insbesondere Professionalisierung und Serviceorientierung, die sich NGOs zur Legitimitätsgewinnung aneigneten, waren Gegenstand elementarer Kritikpunkte, da man die Loyalität zu Grassroots-Organisationen und die Repräsentativität für die Leistungsempfänger anzweifelte (Banks und Hulme 2012): „NGOs could no longer be viewed as the autonomous, grassroots-oriented, and innovative organisations that they once were, raising questions about their legitimacy and sustainability“ (ebd.:31).
Letztlich bestimmt das Umfeld der Organisationen, wer Zugang zu Ressourcen erhält und wem dieser verwehrt wird. Dies geschieht nicht bewusst, sondern leitet sich von den allgemein gültigen Rationalitätsmythen ab, die ihre Gültigkeit in dem jeweiligen organisationalen Feld haben. Da Legitimität nicht einfach entsteht, sind Manager/innen und Mitarbeiter/innen von Organisationen gefordert, diese aktiv einzufordern. Im nächsten Abschnitt wird dazu die Strategie der losen Koppelung dargestellt.
3.1.3 Entkoppelung
Eine Strategie der Manager/innen zur Legitimitätsgewinnung ist die „lose Koppelung“, um über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass die tatsächlichen Aktivitäten der Organisation nicht unbedingt den Effizienzansprüchen der Umwelt entsprechen. Dies kann z.B. durch die Bildung von Hierarchiestufen geschehen. Gleichermaßen gilt in ihrem Verständnis aber auch die Trennung struktureller Elemente voneinander, z. B. durch die Bildung von Abteilungen innerhalb einer Organisation als Entkoppelung. Entgegen Webers Vorstellung (2002), dass formale Strukturen effizienzorientierte Koordinations- und Steuerungsmechanismen für spezifisch technische Anforderungen und organisationsübergreifende Austauschbeziehungen und Beziehungsnetzwerke sind, haben Organisationen vor allem die eine Funktion, den Anforderungen der institutionellen Umwelt nachzukommen, um somit der Organisation Legitimität zu verschaffen (Meyer und Rowan 1977). Formale Organisationen nehmen diese institutionellen Vorgaben in ihre Strukturen auf, weil diese in unterschiedlichen Domänen gesellschaftlicher Aktivität unhinterfragt als rationale Mittel der Zielerreichung gelten (rationale Mythen), auch wenn die Zweckmäßigkeit – wenn auch legitimitätsstiftend – nicht immer nachgewiesen werden kann. Die Legitimitätsanforderungen garantieren überlebenssichernde Ressourcenflüsse und begründen somit die dadurch entstehende Strukturähnlichkeit von Organisationen (DiMaggio und Powell 1983). Diese kann sich sowohl aus den institutionellen Elementen der Umwelt, als auch aus der Anpassung an die Aufgabenumwelt ergeben. Organisationen unterscheiden sich darin, ob ihr Überleben eher von den Legitimitätsanforderungen der institutionellen oder von Effizienzanforderungen der Aufgabenumwelt abhängen. Der Erfolg von Organisationen in institutionellen Umwelten hängt stark vom Vertrauen ihrer Umwelt ab, da die Ergebnisse nur schwer messbar sind. Operieren Organisationen in ähnlichen institutionellen Umwelten, werden sie vor allem in ihren Aufgabenprofilen strukturähnlich (ebd.).
DiMaggio und Powell (ebd.) führen mit ihrem Beitrag die Theorie von Meyer und Rowan weiter und stellen den Begriff der Isomorphie stärker ins Zentrum ihrer Betrachtung. Ihrer Beschreibung nach werden Organisationen innerhalb eines Feldes zwar strukturähnlich, gleichzeitig geht Isomorphie über die Strukturähnlichkeit hinaus. Neben den Legitimitätsanforderungen der institutionellen Umwelt dienen aufgabenbezogene Effizienzerwägungen als weitere Quelle für isomorphe Tendenzen. Isomorphie ist ihnen zufolge deshalb nur dann innerhalb eines Feldes zu erwarten, wenn die Ressourcenabhängigkeit der beteiligten Organisation hoch konzentriert ist und viele Organisationen von der gleichen oder ähnlichen Ressourcenquellen abhängig sind. Frank u.a. (2007) behaupten in ihrer Studie über den Einfluss der Weltkultur auf Umweltschutzorganisationen, dass die Aktivitäten der Organisationen und die Regularien der Nationalstaaten in Asien nur lose bis gar nicht gekoppelt sind (ebd.). Lose Koppelung kann auch auftreten, wenn sich NGOs in einem organisationalen Feld wie Phnom Penh befinden und auf die gleichen Finanzierungsquellen zurückgreifen. Verstärkt wird der Prozess durch eine geringe Anzahl an organisationalen Modellen, die zur Imitation zur Verfügung stehen und wenn die Ursachen- und Wirkungszusammenhänge Organisationsziele unklar sind.
Entkoppelung als Strategie soll somit über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Effizienzansprüche der Umwelt nicht erreicht werden. Lose Koppelung findet vor allem in den Organisationsstrukturen Anwendung, da diese als rationale Mittel der Zielerreichung gesellschaftsübergreifend Anerkennung finden, auch wenn ihre Zweckmäßigkeit nicht nachgewiesen werden kann. Dass in Folge des Prozesses Strukturangleichungen stattfinden, wird damit begründet, dass so überlebenssichernde Ressourcenflüsse gesichert werden.
3.2 Ressourcenabhängigkeit von NGOs in Entwicklungsländern
Verschiedenen Studien zufolge (u.a. Khieng und Dahles 2015b) orientieren sich die Aktivitäten von NGOs, v.a. in stark ressourcenabhängigen Ländern, häufig an den Wünschen der Geldgeber, seien es private Spender, Regierungen oder Stiftungen. Diese Verhaltensweise ist mit dem Ressourcenabhängigkeitsansatz zu erklären. Das folgende Kapitel orientiert sich damit an der Argumentation von Pfeffer und Salancik (Pfeffer und Salancik 2003), die im nächsten Schritt kurz erklärt wird. Weiter wird erklärt, welche Besonderheit NGOs in Entwicklungsländern in diesem Kontext aufweisen und welche Bedeutung Stakeholder für sie haben. Die zwischen ihnen herrschende Beziehungsdynamik ist wesentlich für die Erklärung der Abhängigkeit solcher Organisationen und die sich daraus entwickelnden Strategien ebensolcher.
Gemäß dem Ressourcenabhängigkeitsansatz sind Organisationen von ihrer Umwelt abhängig, wenn diese für sie (überlebens-)wichtige Ressourcen liefert, wie z.B. finanzielle Förderung. Aber auch immaterielle Ressourcen wie Kompetenz zählen dazu (ebd.). Dadurch entsteht eine asymmetrische Beziehung, in der die NGO vom Ressourcengeber abhängig und ihm untergeordnet ist. In der Folge droht ihr der Autonomieverlust und die Kontrolle von außen (Mitchell 2012; Pfeffer und Salancik 2003). Verschiedene NGOs, die in einem ähnlichen Feld operieren, z.B. der humanitären Hilfe in Kambodscha, konkurrieren häufig um die gleichen Ressourcen. Meistens handelt es sich dabei um gewisse Fördergelder von Stiftungen oder um die gleichen Spendergruppen. Auf Änderungen der Umwelt reagieren die NGOs daher sehr sensibel, da es sich auf ihre weitere Existenz auswirken könnte (Pfeffer und Salancik 2003).
Stakeholder sind im Kern Regierungen und philanthropische Spender und Vereinigungen (Hwang und Powell 2009), deren Hauptaufgabe in Bezug auf NGOs ist, es ihnen zu ermöglichen, effizient und verantwortungsvoll zu operieren. Neben diesen Stakeholdern gibt es jedoch weitere, die man zwischen externen und internen Stakeholdern unterscheiden kann (Hwang und Powell 2009; Valeau 2015). Zu den externen Stakeholdern gehören alle, die die NGO mit Finanzen und weiteren notwendigen Ressourcen versorgen. Darunter fallen aber auch die lokale und internationale Öffentlichkeit oder die Adressaten der NGO (Traxler u. a. 2018). Wenn sich die NGO über kommerzielle Aktivitäten selbst finanziert, fallen auch Kunden, Kreditgeber und Lieferanten darunter (Langer und Schröer 2011). Zu den internen Stakeholdern gehören in erster Linie die fest angestellten Mitarbeiter/innen und das Management. Im Dritten Sektor sind es aber auch Ehrenamtliche, die häufig einen großen Teil der Belegschaft ausmachen. Sie alle treffen Entscheidungen, die die Organisation maßgeblich beeinflussen (vgl. Langer und Schröer 2011; Then, Schröer, und Anheier 2012 u.a.). Diese besondere Beziehung zwischen NGOs und den multiplen Stakeholdern führt zu dem Problem, dass nicht eindeutig gesagt werden kann, wer die „Eigentümer“-Funktion für die NGO übernehmen kann, der Staat, die Geldgeber oder die Öffentlichkeit (Langer und Schröer 2011). Dieses Problem wird als Principal-Agent-Problem bezeichnet. In manchen Interpretationen wird den Stakeholdern die Rolle der principals, also des Auftraggebers, und den NGOs die der agents zugeschrieben (Johnson und Aseem 2007). Aber auch andere Varianten sind möglich. Diese Arbeit bezieht sich auf die erstgenannte Lesart. Die Asymmetrie, die trotz allem bestehen bleibt, wird deutlich an der Ausprägung ihrer Beziehung:
„The collective action perspective has three core features: (1) a view of institutions as bundles of contracts between (2) principals and agents whose interactions are governed by (3) hierarchical control rather than decentralized exchanges between anonymous agents (ebd.:223).”
Sowohl die Vielzahl unterschiedlicher und gleichzeitig hierarchischer Ansprüche der Stakeholder stellen Manager/innen von NGOs vor eine schwierige Aufgabe. Pfeffer (1982) schlägt deshalb drei Möglichkeiten vor, wie Manager/innen von Organisationen auf solche Abhängigkeitsbeziehungen reagieren können. Erstens können sie sich an die Forderungen der Ressourcengeber anpassen oder versuchen, die entstandenen Beschränkungen aufzuheben, indem sie z.B. nach weiteren Ressourcenquellen suchen. Schwierigkeiten können sich jedoch ergeben, wenn widersprüchliche Erwartungen zweier oder mehrerer Stakeholder aufeinander treffen. Zweitens können sie versuchen, auf die Ressourcenquelle Einfluss zu nehmen, indem etwa Joint Ventures gegründet werden und drittens können sie versuchen, die Abhängigkeit durch eine Veränderung der Rechtslage mithilfe politischer Aktivitäten zu verändern (Pfeffer und Salancik 2003). Diese Strategien fanden bisher jedoch vor allem bei For-profit Organisationen (Casciaro und Piskorski 2005; Dieleman und Boddewyn 2012) und innerhalb des westlichen Kontextes (Froelich 1999; Mitchell 2012) Anwendung. Auch wenn NGOs sich bereits in ihrem rechtlichen Status von den ökonomisch ausgerichteten Organisationen unterscheiden, kann dieser Ansatz auf sie angewandt werden. NGOs in Entwicklungsländern stehen in noch größerer Abhängigkeit zu ihren Stakeholdern, als For-profit Organisationen zu ihren Shareholdern (Mitchell 2012). Dies liegt an ihrer besonderen Rolle, die sie in dem zivilgesellschaftlichen Gefüge spielen. Im Gegensatz zu NGOs in entwickelten Ländern verfügen solche in Entwicklungsländern nicht im gleichen Maße über finanzielle Unterstützung durch lokale Stiftungen oder Spender und sind dadurch besonders auf die Unterstützung westlicher Förderer angewiesen (Khieng und Dahles 2015a). Entsprechend müssen sie, besonders in stark von Hilfe abhängigen Ländern wie Kambodscha (Khieng 2014; Khieng und Dahles 2015a), auch ihre Strategien zur Ressourcengewinnung anpassen, während zeitgleich die Abhängigkeit von ihren Stakeholdern ansteigt (Mitchell 2012). Khieng (2014) untersuchte explizit Strategien nicht-staatlicher Organisationen für die Ressourcenmobilisierung in Kambodscha. Hilfeabhängigkeit kann Forschungen zufolge die Qualität der Arbeit einer Organisation beeinträchtigen:
„Aid potentiality can undermine institutional quality, by weakening accountability, encouraging rent seeking and corruption, fomenting conflict over control of aid funds, siphoning off scarce talent from the bureaucracy, and alleviating pressures to reform inefficient policies and institutions” (Knack 2001:p.i.).
Insbesondere wenn Finanziers vorwiegend aus westlichen Ländern wie den USA, Australien, Neuseeland und europäischen Ländern kommen (s. Kapitel 5.1) treffen westliche Konzepte auf den lokalen kulturellen, politischen und sozialen Kontext. In der Folge entsteht eine top-down accountability, ohne dass die Mitarbeiter/innen jedoch im „Besitz“ ihrer eigenen Angebote sind (Malena und Chhim 2009). Die Abhängigkeit von Geldgebern führt zu einem Gefühl der Unsicherheit für das Management, aber auch für Mitarbeiter/innen (Antrobus 1987). Zur Reduktion dieser Unsicherheiten und der top-down accountability versuchen NGOs daher, diverse Finanzierungsquellen anzuzapfen (Khieng 2014). Die Strategien unterscheiden sich in (1) Fördergelder von Stiftungen und (private) Spenden, (2) Förderung durch die Regierung und (3) eigenes Einkommen durch den Verkauf eigener Güter oder Dienstleistungen (Froelich 1999).
Während Spenden und Fördermittel der Organisation zwar einerseits Legitimität verleihen, gehen damit häufig Erwartungen der Spender an die NGOs einher, die sich auf die Organisationsziele und Aktivitäten auswirken können (goal displacement effect) (Froelich 1999). Spenden und Förderungen ausländischer Privatpersonen und Stiftungen machen derzeit ca. 75 Prozent des jährlichen Budgets der NGOs aus (Khieng und Dahles 2015a). Eine derart hohe Abhängigkeit birgt das Risiko, dass sich externe Effekte wie eine globale Wirtschaftskrise direkt auf die Finanzierung der Organisationsaktivitäten auswirkt. Zudem richten sich die Aktivitäten bei vielen Organisationen nach den Wünschen der Geldgeber, auch wenn diese außerhalb der Kernkompetenzen liegen. Besonders stark betroffen sind jedoch NGOs in ländlicheren Gegenden. Je prekärer die finanzielle Situation der NGOs, desto höher ist das Risiko der Kompromissbereitschaft, von der Mission abzurücken (Khieng und Dahles 2015b). Allerdings finden sich auch Gegenbeispiele, bei denen die Manager/innen nicht bereit sind, Spenden auf Kosten ihrer Mission anzunehmen. Spenden von Privatpersonen sind mit weniger Auflagen verbunden und gewährleisten der Organisation mehr Flexibilität. In Kambodscha entsprechen staatliche Fördermittel zumeist indirekt ausländischen Finanzierungen, die über lokale staatliche Einrichtungen verteilt werden. Der einheimische Staat selbst stellt nicht ausreichend Fördermittel zur Verfügung, was ihn wiederum von ausländischen Investitionen abhängig macht. NGOs solcher Förderungen unterliegen dem gleichen, wenn auch weniger ausgeprägten, goal displacement effect, wie eine Studie von Froelich (Froelich 1999) zeigt. Khmer4 NGOs werden nur in seltenen Fällen durch die Regierung gefördert, wie die Studie von Khieng (2014) zeigt, und wenn, dann vor allem im Agrarbereich zur Förderung der ländlichen Entwicklung. NGOs im Bereich der humanitären Hilfe erhalten so gut wie keine Förderung. Die Regierung nutzt hingegen die Strategie, Förderungen über Wettbewerbe auszuschreiben, auf die sich Organisationen bewerben dürfen. Viele NGOs werden nur zu dem Zweck gegründet und bleiben nach Auslaufen der Fördermittel bestehen, ohne jedoch aktiv zu sein. Die Mitarbeiter/innen dieser NGOs werden nur mit befristeten Verträgen angestellt. Erst, wenn es wieder eine Ausschreibung gibt, bewerben sie sich erneut und nehmen ihre Aktivitäten wieder auf. Nicht selten sind die Begründer solcher NGOs staatliche Angestellte. Diese Art der Förderung behindere eine vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit zwischen den zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Regierung (Khieng und Dahles 2015a). Die dritte Strategie, eigenes Einkommen durch den Verkauf von Gütern oder Dienstleistungen zu generieren, erfährt eine immer größere Ausprägung in Kambodscha. Einerseits profitieren NGOs von einer größeren Unabhängigkeit und Planbarkeit durch ein eigenes Einkommen, kritisiert wird jedoch, dass sie durch die Kommerzialisierung Gefahr laufen, die den NGOs eigenen Werte zu verlieren (Khieng 2014).
Unabhängig welche Strategie NGOs für sich wählen – der Wunsch nach Einkommensstabilität führt laut Froelich (1999) in der Regel dazu, dass NGOs bereit sein müssen, die Ziele ihrer Organisation anzupassen bzw. zu verändern. Vor- und Nachteile einer jeden Strategie mit den Kosten für die Organisation abzuwägen bleibt Aufgabe der Manager/innen (Grønbjerg 1991). „Basically, an organization must manage rather than be controlled by its resource dependencies, and continually adapt its strategies to the resource environment” (Froelich 1999:261).
Es ist also festzuhalten, dass NGOs in Entwicklungsländern einer starken Abhängigkeit von ihren Stakeholdern ausgesetzt sind. Dieses ungleiche Machtverhältnis ermöglicht eine starke Einflussnahme dieser Stakeholder auf die Mission sowie die Organisationsstrukturen und praktiken. Auch wenn NGO-Manager/innen sich dieser Abhängigkeit bewusst sind, können sie diese nicht gänzlich abwenden, sondern nur mithilfe verschiedener Strategien versuchen zu reduzieren. In dieser Arbeit wird vor allem die Strategie der Diversifizierung von Ressourcenquellen untersucht. Damit ist gemeint, dass der Fokus von wenigen Einkommensquellen auf mehr und unterschiedliche Quellen gerichtet wird. Dabei gilt es zu beachten, dass alle Strategien das Risiko bergen, eine Missionsverschiebung hervorzurufen oder an den Organisationszielen vorbei zu arbeiten.
3.3 Fragestellung und Annahmen
In den letzten Kapiteln wurden drei für diese Arbeit relevante Kernkonzepte des Neoinstitutionalismus‘ sowie der Ansatz der Ressourcenabhängigkeit erläutert. Aus den Ausführungen, die für Organisationen aller Art gelten, ergeben sich für diese Arbeit verschiedene Annahmen, die in diesem Abschnitt dargestellt werden und in Kapitel 6 anhand der Datenauswertung diskutiert werden.
Diese Arbeit fokussiert sich auf eine ganz bestimmte Organisationsgruppe der NGOs in Phnom Penh. Aufgrund der überschaubaren Größe des Feldes mit einer dennoch hohen Dichte an internationalen und lokalen NGOs ist Isomorphie untereinander schnell auszumachen und leicht auf ihre Ursache zurückzuführen.
Die erste Frage, die sich daher bei Betrachtung des Feldes ergibt, ist, warum diese keine wesentlichen Unterscheidungsmerkmale zu NGOs in den USA oder Europa in ihrer Organisationsstruktur aufweisen. Daraus ergeben sich weiter verschiedene Annahmen, die im Laufe der Arbeit überprüft und schließlich diskutiert werden. So behaupte ich in Anlehnung an die Theorie des organisationalen Feldes zum einen, dass es sich nicht nur einfach um ein organisationales Feld handelt, sondern dass selbst lokale NGOs (LNGOs) in einem globalen Feld operieren, das sich an globalen rationalen Faktoren orientiert. Zum anderen nehme ich an, dass sich die Organisationsstrukturen der NGOs an westlichen Rationalitätsmythen orientieren und Strukturangleichungen deshalb mit NGOs und Organisationen im Allgemeinen aus Europa, den USA oder Australien vergleichbar sind. Diese beiden Thesen folgen der Vorstellung, dass die NGOs in Phnom Penh in einer kompletten Homogenisierung mit dem globalen Feld aufgehen, indem sie sich isomorph anpassen. Meyer und Rowans (1977) Theorie zufolge übernehmen Organisationen die Vorgaben aber nicht vollständig, sondern wenden Entkoppelungsstrategien an. Ich vermute daher weiter, dass diese im Sektor Anwendung finden, indem durch die Manager/innen die NGOs derart strukturiert werden, wie es legitime westliche Organisationen sind, auch wenn diese Strukturen keinen Mehrwert für die Effizienz, im schlimmeren Fall sogar eine Benachteiligung bedeuten. Das zweite Szenario, dass also zu finden sein könnte, wäre ein Zusammenspiel aus Isomorphie und loser Koppelung. Eine weitere Vermutung folgert, dass es aufgrund der Ressourcenabhängigkeit zu Missionsverschiebungen innerhalb der einzelnen NGOs kommt, da die Manager/innen ihre organisationalen Verhaltensweisen und Praktiken den Anforderungen der Stakeholder anpassen. Beispielhaft soll dies anhand der These überprüft werden, dass bei den NGOs eine Diversifizierung der Fundraising-Strategien vonstatten gegangen ist (Khieng 2014; Khieng und Dahles 2015b). Zuletzt gibt es noch die dritte Variante, dass sich anstelle des globalen ein glokales Feld herausgebildet hat und NGOs nicht unhinterfragt Rationalitätsmythen folgen, sondern westliche Strukturen lokal adaptieren und somit eine neue Kultur schaffen.
Daher entwickeln sich aus den vorangestellten Annahmen zwei forschungsleitende Fragen, die im Laufe der Arbeit behandelt und schließlich anhand einer abschließenden Diskussion beantwortet werden sollen:
Wie werden westliche Standards der Legitimität in der Zivilgesellschaft in Phnom Penh unter den NGOs umgesetzt? Welche Anpassungsprozesse und Begrenzungen lassen sich bei der Umsetzung feststellen?
In einem nächsten Schritt wird deshalb die Methodik der Datenerhebung und -auswertung für die zwei Projektphasen dargestellt und ihre Auswahl begründet. Abschließend werden die möglichen Limitierungen, die durch die Auswahl dieser Methode entstehen können oder tatsächlich entstanden sind, für mehr Transparenz aufgeführt. In Kapitel 5 erfolgt eine ausführliche Auswertung der Daten aus der zweiten Projektphase, da sich diese Arbeit vorwiegend auf diese Ergebnisse beschränkt. In Kapitel 6 schließt die Diskussion über die Ergebnisse an. Damit verknüpft erfolgt ein Ausblick auf offen gebliebene und neu aufgeworfene Fragen, die in weiteren Studien behandelt werden können.
4 Methodik
Die dieser Untersuchung vorliegenden Daten wurden qualitativ erhoben. Die Auswahl der qualitativen Interviewführung erfolgte aufgrund des Bestrebens, die sozialen Phänomene des Forschungsfeldes verstehend-interpretierend zu rekonstruieren (Döring und Bortz 2016). Dafür war es mir entsprechend dem Sozialkonstruktivismus wichtig, die jeweiligen Sichtweisen der befragten Personen auf ihre Lebensrealität wahrzunehmen und in der Analyse zu verarbeiten. Dabei baue ich auf der ontologischen Prämisse auf, dass die untersuchten sozialen Phänomene Ergebnis sozialer Konstruktionsprozesse durch die interviewten Personen innerhalb ihrer Lebenswelt der NGOs in Phnom Penh sind (ebd.). Das bedeutet auch, dass die vorliegenden Daten lediglich ein Abbild des derzeitigen situativen und kulturellen Kontextes sind und daher kein objektives, zeitübergreifendes Verständnis zulassen. Der Sozialkonstruktivismus beruht auf fünf Prinzipien, auf die meine Arbeit aufbaut. Zum ersten geht es darum, ein ganzheitliches und rekonstruktives Bild lebensweltlicher Phänomene zu beschreiben. Dieses Bild ist geprägt von den Sinnzuschreibungen, die die Akteure, also die Manager/innen der NGOs, ihrer Lebenswelt zuschreiben. Dies geschieht durch eine permanente Reflektion ihrer Umwelt und ihrer selbst, sowie durch Interaktion und Kommunikation untereinander. Das Ziel der Forschung ist es, die lebensweltlichen Phänomene sowie die Sicht- und Handlungsweisen der Manager/innen auf den zu untersuchenden Gegenstand zu verstehen und darzustellen. Diese Ergebnisse stehen jedoch für sich und können nicht unbedingt verallgemeinert werden, da die Lebenswelt durch die Akteure kontextspezifisch gestaltet wird und sich in einem ständigen Wandel befindet. Daher dient die vorliegende Arbeit nicht der Verallgemeinerung, sondern einer Darstellung der subjektiven Sichtweisen durch die Manager/innen als Experten ihrer Lebenswelt.
Zum zweiten gilt es nicht, wie bei quantitativer Forschung, Theorien zu überprüfen, sondern auf Grundlage von Vorkenntnissen und theoretischen Annahmen Thesen für den jeweiligen Forschungsgegenstand zu bilden. Dazu habe ich mich über die der Arbeit zugrunde liegenden Theorien des Neoinstitutionalismus, der Weltkultur sowie der Glokalisierung informiert und anhand der Erkenntnisse Annahmen in Bezug auf den Forschungsgegenstand aufgestellt. Als drittes Prinzip gestaltet sich der Forschungsprozess flexibel, um so ein möglichst ganzheitliches Verständnis des Gegenstandes zu ermöglichen. Man könnte von einem hermeneutischen Zirkel sprechen. Dies gilt für meine Forschung mehr für den Prozess der Datenanalyse, da ich den teilstrukturierten Fragebogen aufgrund einer besseren Planbarkeit bereits im Vorfeld erstellte. Ich behielt mir jedoch vor, während der Interviews spontan Fragen für ein besseres Verständnis hinzuzufügen. Die Datenanalyse gestaltete sich ebenfalls prozesshaft, indem an die Theorie angelehnte Kategorien gebildet wurden, weitere Kategorien während der Analyse jedoch generiert wurden.
Aus diesen bereits genannten Gründen war es unerlässlich, dass die Forschung, wie das vierte Prinzip besagt, in Form von direkter Kommunikation zwischen mir und den Befragten erfolgte. Dies hat den Vorteil, dass ich so auch nonverbale Signale lesen sowie spontane Rückfragen stellen konnte, wenn sich dies im Laufe des Interviews ergab. Zudem sammelte ich eine Menge weiterer Hintergrundinformationen z.B. über den Arbeitsplatz, da einige der Interviews am Arbeitsplatz der Interviewten stattfanden. Andere fanden in öffentlichen Cafés statt, gaben aber auch einen Eindruck über das Feld, da viele Cafés in Form von Trainings-Zentren Teil der NGO-Welt sind. Die Ergebnisse dieser Daten hielt ich in Interviewprotokollen fest, die ich direkt im Anschluss an die Interviews schrieb. Als fünftes und letztes Prinzip ist es wichtig, dass ich mich als subjektive Forscherin selbst reflektiere und die Perspektive, aus der heraus ich arbeite, offenlege. So ist es nicht fehlerhaft, dass qualitativ Forschende in ihrer Subjektivität auftreten, es wäre gar nicht anders möglich. Es ist jedoch wichtig, dass mir diese Subjektivität bewusst ist und innerhalb der Forschung für das Publikum öffentlich gemacht und ihr Einfluss auf die Forschungsergebnisse reflektiert wird. Diese Arbeit ist das Ergebnis einer empirischen Feldforschung in Phnom Penh, Kambodscha, im Zeitraum Februar bis Juni 2018. Das Projekt ist in zwei Phasen geteilt. Zunächst war es angedacht, innerhalb einer Serie von Studien über die Vulnerabilität von Straßenkindern in Südostasien zu forschen. Im Laufe des Vorbereitungs- und Forschungsprozesses entwickelte sich das Projekt jedoch insofern weiter, dass ich mich verstärkt mit der Rolle von NGOs als Träger westlicher Werte und Kultur beschäftigte. Dies ergab sich zum einen aus den Beobachtungen, die ich vor Ort machen durfte, entwickelte sich aber auch aus den Erkenntnissen der Literaturrecherche und den Forschungsergebnissen. Die Datenerhebungs- und Auswertungsmethoden aus der ersten Projektphase fließen in diese Arbeit mit ein, wenn später auch die Analyse der Daten nicht in dieser Arbeit erfolgt. Es ist dennoch relevant, darauf Bezug zu nehmen, da ich im Laufe des Prozesses Beobachtungen machte, die für die Auswertung der zweiten Projektphase relevant sind. Für die erste Phase war ich Teil eines Forschungsteams bestehend aus fünf Sozialwissenschaftler/innen sowie einem Khmer Übersetzer. Dieser war ein Laienübersetzer, der seine Dienstleistung ehrenamtlich anbot. In der zweiten Projektphase erhob ich die Daten selbstständig als Grundlage für die zu erstellende Masterarbeit.
Die nächsten Unterkapitel stellen den Verlauf der Datenerhebung, der Datenauswertung sowie eine abschließende Kritik und Begrenzung der ausgewählten Methode dar.
4.1 Datenerhebung
Die Datenerhebung erfolgte mit einer Mixed-Methods-Strategie. Im ersten Teil wurden ca. 90 Straßenkinder im Alter von 8-18 Jahren mittels eines strukturierten Fragebogens interviewt. Im zweiten Teil wurden neun teil-narrative Interviews anhand eines semi-strukturierten Leitfadens mit Geschäftsführer/innen und Programmleiter/innen von NGOs geführt. Ergänzend fand eine statistische Erhebung über einige Organisationsdaten statt. Aufgrund meiner Anwesenheit vor Ort sind außerdem noch Elemente der teilnehmenden Beobachtung eingeflossen. Nachfolgend wird die Methodik der Datenerhebung sowie -auswertung für beide Projektteile geschildert und anschließend einer Methodenkritik unterzogen.
4.1.1 Beobachtungen vor Ort und Engagement im Feld/Feldforschung
Das Projekt reiht sich in eine Serie von zehn Projekten auf den Philippinen, in Thailand und Kambodscha zu den Risikofaktoren für physische, emotionale und sexuelle Ausbeutung ein.5 Durchgeführt wurde es von einem Team, das aus einem Projektleiter und drei Mitarbeiter/innen (inklusive mir) besteht, die alle ein sozialwissenschaftliches Studium abgeschlossen haben. Ergänzt wurde das Team durch einen ehrenamtlichen Übersetzer, der die Interviews von Khmer auf Englisch übersetzte. Für den Zugang ins Feld arbeiteten wir mit der lokalen NGO „CHILD PROTECTION PROGRAMME“6 zusammen, da diese im Zuge ihres „Kids Club“-Angebots täglich im Feld anwesend und für die Zielgruppe bekannt ist. Die einheimischen Mitarbeiter/innen der NGO führten die Interviews auf Khmer durch, um so einen erfolgreichen Zugang zu den Kindern zu erhalten.
[...]
1 Rationalitätsmythen definieren die Ziele und Mittel, die für eine Organisation als rational gelten und bewerten die Erreichung einer solchen Organisationsstruktur als erstrebenswert. Von Mythen ist die Rede, weil die Überzeugung von dieser Art der Organisationsgestaltung schwerer wiegt, als ihre tatsächlich höhere Effektivität. Diese Mythen sind per Definition als legitim zu bewerten und sind als personenunabhängige Vorschriften zu behandeln.
2 Selbstverständlich kann man nicht von einer „westlichen“ Kultur sprechen, da diese auch variiert. Gemeint sind damit u.a. Prinzipien, die im weiteren Verlauf der Arbeit diskutiert werden (v.a. Kap. 5.2.2).
3 Mit dem Begriff ist der Tourismus gemeint, bei dem die Touristen ihre Reise mit freiwilligem Engagement verknüpfen.
4 Khmer ist das Äquivalent zu kambodschanisch, z.B. der Kambodschaner = der Khmer; die kambodschanische Kultur = die Khmer Kultur, etc.
5 Das Projekt wurde in Trägerschaft von „up! International“ durchgeführt, einer Schweizer NGO, die sich durch empirische Sozialforschung gegen alle Formen von Gewalt einsetzen. Die Organisation forscht vor allem im südostasiatischen Raum, präsentiert ihre Ergebnisse aber weltweit. Mehr Informationen sind unter http://upinternational.org zu finden.
6 Die NGO wurde 2008 in den USA von einer christlichen Amerikanerin gegründet, um verletzlichen Personengruppen in Kambodscha Unterstützung anzubieten. Inzwischen operiert die Organisation in vier Ländern und hat ein breites Angebotsspektrum für Straßenkinder in Phnom Penh, Siem Reap und für Männer, die in der Prostitution arbeiten.
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